Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit, in der jeder neue Bus in Hamburg erst einmal vom Bürgermeister begrüßt wurde und auch daran, dass jetzt alle vorhandenen Busse mit alternativen Antrieben auf der sogenannten Innovationslinie 109 gebündelt werden. Das verbuche ich auch unter dem Punkt "sehr geschickte Pressearbeit".
Doch die Luftreinhaltung in Hamburg betrifft mehr als die Emissionen der Busse. Wir müssen uns trauen, den gesamten ÖPNV viel attraktiver zu machen, und wir müssen uns auch trauen, den Radverkehr vehement auszubauen. Dies muss teilweise auch, das muss man so klar sagen, zulasten des Autoverkehrs gehen. Wir brauchen – die Stichworte haben wir schon sehr oft diskutiert, deswegen will ich sie nur anreißen – mehr Tempo-30-Zonen, wir brauchen eine Parkraumbewirtschaftung, wir brauchen in der Innenstadt wesentlich weniger Parkplätze, aber dafür mehr Grün, Fahrradwege und Fußwege. Wir brauchen eine Citymaut und wir brauchen die Stadtbahn.
Auch im Hafen ist viel zu tun. Die gesamten Hafenverkehre müssen ökologischer werden, und die Energieversorgung der Schifffahrt darf nicht bei den Kreuzfahrern enden. Wir brauchen alternative Stromversorgung auch für die großen Containerschiffe.
Wir brauchen zu guter Letzt – wir haben eben darüber gesprochen – auch die Energiewende in Hamburg, nämlich den klimafreundlichen Umbau unserer Energieversorgung. Wir müssen den Energieverbrauch und die Emissionen senken. Das muss vehement angepackt werden, und zwar jetzt. Wir brauchen keine Versprechungen für die Zukunft, und wir müssen auch nicht warten, bis alle Gerichtsinstanzen durch sind. Wir können jetzt handeln, und das sollten wir auch tun.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Problem Luftreinhaltung ist in dieser Stadt nichts Neues. Ich erwähne gern das Jahr 2010, seitdem die europäischen Vorschriften gelten. Bis 2013 hätten wir alle Grenzwerte unterschreiten müssen. Das ist zum Glück bis auf einen wichtigen Faktor geschehen. Beim Stickoxid haben wir das Problem, dass wir noch sehr viel höher als vorgeschrieben über den Grenzwerten liegen. Dieser Senat steht in der Historie und der Tradition voriger Senate, diesem Problem nicht gerecht zu werden beziehungsweise gar keine Priorität zu setzen. Das war in der Zeit so, als die Verkehrsbehörde zusammen mit der Stadtentwicklung in einem Hause war, und es ist auch jetzt so. Dieses Problem muss in großen Teilen in der Kooperation zwischen Verkehrsbehörde, Stadtentwicklung und Umweltbehörde angegangen werden. Alles andere wäre fatal. Ich habe den Eindruck, dass das bisher nicht so geschieht, wie es geschehen sollte. Die Budgetmittel, die bisher immer in den Haushalten eingerichtet wurden, waren dürftig. Es wurde gesagt, das sei eine Querschnittsaufgabe – den Trick kennen wir – und das würden die Behörden irgendwie alle selbst machen. Am Ende haben sie alles Geld ausgegeben, was sie nicht hatten, und hinterher hat auch keiner koordiniert.
Wenn ich mir anschaue, was der Senat in den letzten Jahren an Zeichen gesetzt hat bei der Luftreinhaltung, dann darf man sich, wenn man wieder Gebühren für Park-and-ride-Stellplätze erhebt, nicht wundern, dass mehr Pendler nach Hamburg hineinfahren als vorher beziehungsweise um die Parkhäuser herumfahren, um dort Parkplätze zu suchen. Das ist kein Ruhmesblatt dieser Regierung.
Zum anderen kann ich die Krokodilstränen, die von grüner Seite immer vergossen werden, auch nicht nachvollziehen. Wir brauchen in Hamburg Umgehungen; vor allen Dingen die Ostumgehung wäre realistisch machbar, aber da gibt es immer wieder Widerstände aus dem grünen Bereich. Diese Partei muss sich einmal einigen, ob sie die Ökologie im ländlichen Raum schützen will oder ob sie eine autofreie Stadt will, oder beides. Jedes Mal wird gefordert, die Grenzwerte zu unterschreiten. Aber wir wissen ganz genau, dass neben dem Hafen der Schwerverkehr einer der wichtigen Gründe ist, warum wir beim Stickoxid noch nicht so weit sind, wie wir sein sollten. Das ist ein Problem.
Wir wissen natürlich, dass viele Großstädte diese Probleme haben, wir wissen aber auch, dass es Möglichkeiten gibt, den Ausstoß von Stickoxiden zu reduzieren, und das kann man unter anderem
durch intelligente Verkehrslenkung tun. Das hätte auch schon seit einigen Jahren stärker angegangen werden müssen. Jeder weiß, dass das ein langfristiger Prozess ist, und es gibt auch keine kurzfristigen Lösungen, wie von der linken Seite immer so angeführt wird nach dem Motto, wenn wir erst einmal alle Autos und Kraftwagen und Schiffe aus Hamburg herausgehalten haben, dann haben wir endlich diesen Grenzwert unterschritten. Ich frage mich, mit welchen Risiken und Nebenwirkungen; das geht überhaupt nicht. Wir müssen sehen, dass wir diese Grenzwerte unterschreiten mit den Mitteln, die wir haben. Diese Mittel sind normalerweise zwischen den Ohren, und diese grauen Zellen sollte man einsetzen und nicht meinen, in die vorindustrielle Zeit zurückschreiten zu können.
Der Antrag der CDU ist nett. Er wird nicht viel bringen, ist aber ein gutes Zeichen. Ich vermisse nur die Gegenfinanzierung. Wir werden uns bei diesem Antrag enthalten. Wir hätten uns gewünscht, dass da noch ein bisschen mehr Substanz gewesen wäre. – Vielen Dank.
"Die Untätigkeit des SPD-Senats stinkt zum Himmel – Maßnahmen zur Luftreinhaltung kurzfristig umsetzen".
Sollte die CDU jetzt superaktiv werden, sollte die CDU den motorisierten Individualverkehr, eine der Hauptursachen der Luftverschmutzung, angehen? Nein, Sie machen genau das, was Sie in der Überschrift dem SPD-Senat vorwerfen. Sie gehen nicht an die Hauptprobleme heran, sondern suchen sich das aus, was Ihnen vielleicht das Image geben könnte, etwas zu tun, aber real gehen Sie nur – in Anführungsstrichen – an die Busse heran. Es ist schon erstaunlich, dass bei den Bussen schon einiges passiert; hier kann man dem Senat ausnahmsweise nicht so viel Untätigkeit vorwerfen. Er hätte mehr machen können, aber immerhin tut er etwas. Aber, Frau Stöver, Sie sind die Antwort schuldig geblieben, warum Sie sich nicht mit den Bereichen beschäftigen, in denen viel weniger passiert.
Herr Duwe, ich will jetzt nicht vom Grenzwert 5 Prozent sprechen, den einige vielleicht nicht überschreiten werden. Aber es gibt Möglichkeiten, relativ schnell die Grenzwerte, die Hamburg bei der Luftreinhaltung einhalten müsste, zu erreichen, und dazu gehört beispielsweise Tempo 30. Und bei Tempo 30 können sogar in Ihrer Wunschvision
die Autos weiterfahren. Es gehört jedoch noch mehr dazu als Tempo 30, es gehört dazu, ein sehr gutes Angebot im öffentlichen Personennahverkehr zu haben und wesentlich mehr Autofahrer und Autofahrerinnen dazu zu bringen – vielleicht auch, sie ein bisschen zu schubsen –, ihr Auto öfter stehen zu lassen. Das fehlte bei fast allen Reden, es fehlte beim CDU-Antrag. Diesen Antrag kann man nicht ablehnen, aber er greift viel zu kurz.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/14174 an den Umweltausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung mehrheitlich abgelehnt.
Wer möchte dem CDU-Antrag aus Drucksache 20/14174 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 47 auf, Drucksache 20/14088, Bericht des Kulturausschusses: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 13. Juni 2013 "Aufarbeitung des 'kolonialen Erbes' – Neustart in der Erinnerungskultur unter Einbeziehung der Partnerschaft mit Daressalam".
[Bericht des Kulturausschusses über die Drucksache 20/12383: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 13. Juni 2013 "Bericht des Kulturausschusses über die Drucksache 20/3752: Aufarbeitung des 'kolonialen Erbes' – Neustart in der Erinnerungskultur unter Einbeziehung der Partnerschaft mit Daressalam" (Drucksache 20/8148) (Senatsmitteilung) – Drs 20/14088 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vorletztes Jahr bin ich mit einer Schülerdelegation aus Daressalam, unserer Partnerstadt in Tansania, durch unser Rathaus gegangen. Sie waren sehr beeindruckt von den Deckengemälden, von den Verzierungen und der Pracht. Ich wurde im anschließenden Gespräch gefragt, wie Hamburg eigentlich so reich geworden ist. Was antwortet man da?
Zu der Zeit, als das Hamburger Rathaus fertiggestellt wurde, war Hamburg zentraler Profiteur des deutschen Kolonialwarenhandels und auch der Sklavenausbeutung in Afrika. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Hamburg nicht nur Tor zur Welt, sondern eben auch Tor zur Kolonialwelt. Wir wissen alle, dass die Grausamkeiten der deutschen Kolonialzeit und der Kolonialherren – es wurde immer gesagt, die Deutschen seien nicht so schlimm gewesen wie die Engländer oder Franzosen, das ist so ein althergebrachter Spruch – wenige Jahre später in dem Vernichtungsbefehl des Kolonialgenerals Lothar von Trotha gipfelten. Dieser Befehl war die Grundlage des ersten Völkermords des 20. Jahrhunderts an den Herero in Namibia.
Das Erschreckende an der Tatsache ist, dass wir heute zum Beispiel an der Lettow-Vorbeck-Kaserne immer noch unkommentierte Reliefdarstellungen von jenem Lothar von Trotha haben. Gerade in einer weltoffenen, internationalen Handelsstadt, die wir doch sind, sind solche Inszenierungen der Kolonialvergangenheit erschreckend unsensibel. Ich sage das nicht als Vorwurf, ich beziehe mich hier selbst mit ein. Wir sehen heute immer noch kolonialgeschichtliche Verklärungen in der Stadt. Es sind nicht nur Straßennamen wie Wißmannstraße, Schimmelmannstraße und Dominikweg – darüber haben unsere Kollegen in Wandsbek sehr viel diskutiert, übrigens auch fraktionsübergreifend –, wir müssen auch auf die Straßen in der HafenCity schauen, wo Marco Polo, Vasco da Gama und Magellan als Welteroberer geehrt werden ohne jegliche historische Kontextualisierung und Einordnung, ganz zu schweigen von Ehrenbürgern wie Graf Alfred von Waldersee, dessen Ehrenbürgerschaft für die Tätigkeit – Zitat – "im Interesse der Erhaltung des Weltfriedens" auf blutigen Strafexpeditionen zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China fußt.
Ich bin sehr froh, dass der Senat in dieser Legislaturperiode auf unsere grüne Initiative hin die Ehrenbürger dieser Stadt historisch untersuchen ließ. Hindenburg war der Anlass, aber es werden gerade auch solche Menschen wie Waldersee, ein Kolonialverbrecher, untersucht.
Wir können uns auch nicht davon freimachen, dass derartige koloniale Denkmuster immer noch unser Afrika-Bild prägen. Wir haben da oft selbst – ich schließe mich ein – Scheren im Kopf, und paternalistische, ethno- und vor allen Dingen auch eurozentristische Haltungen sind immer noch gesellschaftstauglich, manifestieren sich auch noch in unfairen Handelsstrukturen und gutgemeinter Entwicklungshilfe. Die ganze Aufarbeitung der Kolonialzeit ist eine Leerstelle, auch zum Teil noch in unseren Büchern, in Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien. Es gibt zwar eine recht gute Papierlage bei den Bildungsplänen, aber wir haben nicht sonderlich gutes Material in den Schulen.
Wir müssen in dem Zusammenhang wirklich denen dankbar sein, die sich seit mehr als zehn Jahren intensiv engagieren. Das sind Initiativen, die uns manchmal auch ein bisschen getrieben haben, ob es nun "freedom roads!" ist, ob es "HAMBURG POSTKOLONIAL" ist oder ob es die "People of Color" sind, die wirklich einen zähen Kampf geführt haben mit Kunstaktionen, Demonstrationen und einer fantastischen Ausstellung im Kunstverein unter dem Titel "freedom roads!", übrigens auch in Berlin und München. Es gab viele Gespräche, und ich glaube, ihnen ist es zu verdanken, dass wir heute in unserem Parlament mit diesem Erinnerungskonzept einen Aufbruch, einen Anfang, ein neues Kapitel der Hamburger Geschichtsschreibung beschließen.
Das ist ein gemeinsamer Anfang. 2012 haben wir den ersten Antrag eingebracht, 2013 haben wir im Kulturausschuss diskutiert und viele, viele Gespräche gehabt, um dann interfraktionell einen Antrag zu beschließen. Der ist dann wiederum vom Senat bearbeitet worden. Wir haben eine sehr umfangreiche Drucksache bekommen und dann wiederum ein Petitum beschlossen, in dem es auch darum geht, die "People of Color" und die Black Community mit einzubeziehen. Wir haben ein interfraktionelles Petitum zustande bekommen. DIE LINKE hatte noch ein Initiativrecht gefordert, analog zum entwicklungspolitischen Beirat. Das war sehr kurzfristig. Inhaltlich können wir dem folgen, aber wir fanden es vom Prozess her zum Ende der Legislaturperiode noch nicht angesagt. Wir müssen ein anderes Format finden, weil dieser entwicklungspolitische Beirat doch nicht die Kraft hat, die er eigentlich entwickeln müsste.
Wir finden es sehr gut, dass jetzt eine wissenschaftliche Grundlage gelegt ist. Es ist beruhigend, dass Herr Professor Zimmerer an der Universität Hamburg die Forschungsstelle bekommt und dort forschen kann, genauso wie die Doktorandenstipendien in Tandems mit Daressalam. Das ist ein guter Schritt. In der Drucksache ist vieles im Detail nachzulesen, das will ich alles gar nicht aufführen.
Hamburg ist das erste Bundesland, das sich dieser Herkulesaufgabe konzeptionell widmet. Und es wird von großer Bedeutung sein, dass dieses Thema auch in der nächsten Legislaturperiode und in den folgenden fortgeführt wird. Ich glaube, wir brauchen dazu einen langen Atem und Durchhaltevermögen; das ist keine Aufgabe, bei der man in Legislaturperioden denken kann. Mittelfristig wollen wir auch die Wirtschaft mit einbeziehen als wichtiges Signal, ebenso die aktuelle Migrationsforschung und weitere Institutionen, um auch aus anderen Perspektiven dieses Thema zu beleuchten. Es geht hier nicht um Restitutionsansprüche, sondern es geht um eine Frage des Perspektivwechsels und der Haltung. Sie erinnern sich alle noch,
dass wir zu Zeiten sensibilisiert wurden; alle, die sich einmal mit den Völkerschauen von Hagenbeck auseinandergesetzt haben.
Ich will an dieser Stelle einfach danken und freue mich, dass wir interfraktionell im Kulturausschuss ein Erinnerungsthema gemeinsam beschlossen haben und bewegen konnten. Ich hoffe, dass wir das als kleines Vermächtnis in die nächste Legislaturperiode geben an diejenigen, die dann daran weiterarbeiten werden. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es in dem Beitrag von Frau Goetsch schon deutlich wurde: Unser interfraktionelles Ersuchen zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes und die ersten Ergebnisse zeigen, dass wir die Chance auf einen echten Neustart in der Erinnerungskultur haben. Es ist eine Menge auf den Weg gebracht worden, und ich möchte betonen, dass sich Hamburg, getragen von allen in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen, als erste deutsche Stadt seinem kolonialen Erbe stellt.