(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GRÜNE, Katja Suding FDP und Norbert Hackbusch DIE LINKE)
Im Zentrum unserer Bemühungen stand zunächst die Schaffung einer wissenschaftlichen Grundlage, um so die Basis für eine lebendige Debatte zu haben. Und es besteht Einigkeit darüber, dass mit Professor Zimmerer eine hervorragende Wahl getroffen wurde. Mit der Idee, das hamburgweite postkoloniale Erinnerungskonzept in Form eines lebendigen Gedenkraums zu verwirklichen, wurde ein vielversprechender Ansatz gefunden. Mit der Einrichtung einer Forschungsstelle, "Hamburgs (post-) koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung" im Historischen Seminar an der Universität Hamburg wird ein Beitrag für nachhaltige Strukturen zur postkolonialen Erinnerungskultur geleistet. Der Austausch zwischen den Universitäten Hamburg und Daressalam und vor allem das Tandem-Promotionsprogramm zwischen den Universitäten werden nicht nur die wissenschaftliche Zusammenarbeit stärken, sondern auch neue Sichtweisen und Zugänge ermöglichen.
Wir haben gemeinsam festgelegt, dass die Federführung für die Erstellung eines Erinnerungskonzepts bei der Kulturbehörde liegen soll. Und es besteht bis heute weitgehende Einigkeit darin,
Die Berichtsfrist und der Wortlaut unseres Ersuchens machen deutlich, dass wir es mit einem Prozess zu tun haben. Der Mitteilung des Senats ist schließlich zu entnehmen, dass es sich bei dem angestoßenen Prozess um ein Stufenverfahren handelt, das gerade auf die Beteiligung von Initiativen und Organisationen in Hamburg setzt.
Lassen Sie mich noch kurz auf unser Ersuchen aus dem Dezember eingehen. Wir haben mit unserem Ersuchen noch einmal deutlich gemacht, dass wir die Expertise und den Erfahrungsschatz der Akteure, der Verbände und Gremien der schwarzen Menschen und "People of Color" benötigen und haben auf eine zeitnahe und aktive Beteiligung gedrängt. Darüber hinaus wollen wir den Kreis der Akteure, die an der Weiterentwicklung des Erinnerungskonzepts beteiligt sind, erweitern. Wir nehmen diese Anliegen sehr ernst.
Uns ist bewusst, wie lange Menschen aus postkolonialen Initiativen für die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit gearbeitet haben, und wir wissen, wem wir die entscheidenden Anstöße zu verdanken haben. Gerade vor diesem Hintergrund muss gelten, dass wir die Chance für diesen Neustart gemeinsam nutzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann mich meinen Vorrednerinnen anschließen und das nicht nur, weil beim Thema Aufarbeitung des kolonialen Erbes ohnehin ein sehr hohes Maß an inhaltlicher Übereinstimmung vorhanden ist, wie der vorliegende Bericht des Kulturausschusses zeigt. Auch von unserer Seite ist in den vergangenen Jahren, insbesondere durch den ehemaligen Staatsrat Behrens, eine aufopferungsvolle Arbeit in diesem Bereich geleistet worden. Und doch möchte ich den Blick auf einen Aspekt lenken, der etwas zu kurz gekommen ist. Bei allem Bewusstsein für die Verantwortung, die gerade wir als Nachkommen der Hamburger Pfeffersäcke – hier passt das Wort sogar – für das Erbe des Kolonialismus haben, müssen wir aufpassen, dass wir nicht unkritisch davon ausgehen, alle Missstände auf der Welt heute – und sei es nur in den Ländern, in denen die Hamburger Akteure aktiv im Kolonialgeschäft gewesen sind – seien direkte Folgen der früheren deutschen Kolonialherrschaft, was man auch an den sehr unter
schiedlichen Entwicklungen der früheren Kolonialgebiete, die sich im Übrigen nicht nur auf Afrika beschränken, sehen kann. Aus diesem Grund begrüße ich ausdrücklich die wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik, die solchen Nuancierungen gerecht werden kann.
Hinzu kommt, das glaube ich sagen zu können, nachdem ich mich mit dem Thema noch einmal eingehend beschäftigt habe, dass wir dieses Thema auch in einem gesamteuropäischen Kontext sehen müssen. Eine kolonialgeschichtliche Nabelschau aus deutscher Sicht bringt uns nicht weiter. Hamburg kann hier in der Tat eine Vorreiterrolle bei der Aufarbeitung des kolonialen Erbes insgesamt einnehmen. Vorreiterrolle bedeutet aber auch, sich nicht selbstzufrieden zurückzulehnen. Vorreiterrolle heißt – und hier bitte ich den Senat, dieser Verantwortung gerecht zu werden –, Mitstreiter zu finden in Deutschland, aber auch in den europäischen Partnerländern.
Denn die heutigen Konflikte in der Welt, die Migrations- und Flüchtlingsbewegungen, sind auch wesentlich ein Teil des gesamteuropäischen Kolonialerbes. Die Berufung von Bürgermeister Olaf Scholz zum Bevollmächtigten für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit bietet hier, so denke ich, eine Chance, die der Erste Bürgermeister auf jeden Fall nutzen sollte; vielleicht hat er ab dem 16. Februar dafür noch etwas mehr Zeit.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Das geht nicht mit dem Job zusammen! Das kann nur ein Ministerpräsident sein! Das könnte Herr Wersich übernehmen!)
Das wusste ich nicht, da habe ich etwas von Ihnen gelernt. Das könnte dann also vielleicht Herr Wersich machen.
Eine weitere Chance bietet die Art und Weise, wie wir in Hamburg mit Flüchtlingen aus aller Welt umgehen, die in unserer Stadt ankommen. Zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes gehört eben mehr als die doch oftmals sehr abstrakt gedachte Verantwortung für ehemals kolonialisierte Länder und Völker. Wir müssen uns die Frage stellen, was wir, was Hamburg ganz konkret zur wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in diesen Ländern beitragen kann. Hier greift das Thema der Aufarbeitung des kolonialen Erbes auf viele andere Bereiche über und erschöpft sich eben nicht nur in erinnerungspolitischen Gesten, Kunstprojekten und kolonialgeschichtlichen Analysen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, das ist alles wichtig. Aber wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht, wenn wir an diesem Punkt stehenbleiben. Also lassen Sie uns hier gemeinsam weiterdenken und vor
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes in Hamburg ist von meinen Vorrednern schon einiges Richtige gesagt worden. Ich danke meinen Kollegen im Kulturausschuss für die sehr sachliche und konsensorientierte Debatte über das Erinnerungskonzept und die Einbeziehung der Städtepartnerschaft mit Daressalam und der historischen Zeugnisse in Jenfeld.
Die FDP-Fraktion steht zur besonderen Verantwortung, die Hamburg als traditionelle Hafen- und Handelsstadt hat, das koloniale Erbe aufzubereiten. Das ist längst keine aufgezwungene Verpflichtung; es sollte richtigerweise auch ein ureigenes Interesse der Stadt Hamburg sein, und das ist es auch, daran haben die Debatten im Ausschuss unter den Obleuten keinen Zweifel gelassen. Mit der seit 2010 bestehenden Städtepartnerschaft zu Daressalam hat die Aufarbeitung des kolonialen Erbes noch einmal an Bedeutung gewonnen. Ich bin froh, dass mit dem Beschluss des Senats aus dem Sommer des vergangenen Jahres das bürgerschaftliche Ersuchen aus dem Jahr 2013 endlich mit Leben gefüllt wird und die Arbeit nun beginnen kann.
Zu einzelnen Elementen des Senatskonzepts ist schon einiges gesagt worden, und auch, wenn Wiederholung normalerweise Sicherheit schafft, will ich an dieser Stelle darauf verzichten. Wir waren uns im Kulturausschuss weitgehend einig, dass mit der Einbeziehung von Professor Zimmerer die wissenschaftliche Begleitung mit hoher Kompetenz und mit viel Erfahrung sichergestellt ist. Ich bin sicher, er wird der Debatte wichtige Impulse verleihen und dafür sorgen, dass die eurozentrische Sichtweise auf das koloniale Erbe, die in den vergangenen Jahrzehnten vorherrschte, künftig eine neue Perspektive bekommt. Dafür an dieser Stelle von mir ein herzlicher Dank.
Meine Damen und Herren! Bei aller Freude über die angestoßene Entwicklung bleibt der Wermutstropfen, dass die aktive Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure, in diesem Fall vor allem Verbände und Gremien wie "Schwarze Menschen" oder "People of Color", an der Entwicklung des Erinnerungskonzepts bisher nicht optimal sichergestellt werden konnte; inzwischen räumt das sogar der Senat ein. Mit dem interfraktionellen Petitum, das wir heute sicherlich beschließen werden, wird
Fakt ist, mit dem nun begonnenen Prozess hat die Arbeit gerade erst begonnen. Die Aufarbeitung des kolonialen Erbes wird uns wohl noch sehr lange begleiten. Es wird darum gehen, die Schlüsse und Erkenntnisse daraus auch künftigen Generationen weiterzureichen. Diese Vermittlung wird zwangsweise ein Teil der notwendigen interkulturellen Bildung sein. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist immer kompliziert, zu einem einvernehmlichen Antrag als Letzter zu reden. Ich will nichts wiederholen, sondern einige Aspekte noch einmal besonders betonen.
Der eine ist von Frau Goetsch sehr gut dargestellt worden: Das koloniale Erbe dieser Stadt bedeutet auch, dass Hamburg ökonomisch kräftig vom Kolonialismus profitiert hat.
Das gilt es aufzubereiten. Das wird schmerzen, weil vieles, worauf unser Wohlstandberuht, durchaus Ausbeutung gewesen ist. Aber das muss man deutlich sagen, das muss man für sich auch aufarbeiten; es gehört zu unserer Geschichte dazu.
Das Zweite ist, nicht nur die Teilhabe am Kolonialismus zu verstehen, sondern dieses Thema auch als ein Thema für die gesamte Gesellschaft aufzufassen und zu öffnen. Es geht nicht nur darum, die Ausbeutung einer Region aufzuarbeiten, sondern es geht auch darum, das Verhältnis, das die deutsche und die europäische Mehrheitsgesellschaft zu anderen Teilen dieser Welt hat, aufzuarbeiten. Es schmerzt mich, wenn ich die Bilder aus alten Zeiten sehe, als schwarze Menschen wie Tiere in Hagenbeck präsentiert worden sind. Das müssen wir noch aufarbeiten. Es ist meiner Meinung nach eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, dieses Thema nicht einfach nebenbei zu behandeln, sondern es wirklich gründlich aufzuarbeiten. Wir sollten diese neue, große, historische Aufgabe übernehmen; das darf nicht einfach irgendwie aufgearbeitet werden. Wir haben im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Faschismus durchaus gezeigt, dass wir als Gesellschaft lernen können. In diesem Feld gibt es noch einige offene Stellen. Das sollten wir uns als gemeinsame Aufgabe vornehmen.
Frau Goetsch hat schon dargestellt, dass es viele Symbole gibt, wo es in diesem Zusammenhang noch etwas aufzuarbeiten gibt und die wir nicht stehen lassen können, wie sie sind. Das brauche ich nicht weiter aufzuzählen; sie sind schon dargestellt worden. Das wird uns sicherlich gelingen.
Ich denke auch, dass das bis in Bereiche der aktuellen Politik hineinreichen wird. Ich bin der Auffassung, dass es zum Beispiel in der Diskussion um Menschenrechte, die wir gestern geführt haben, völlig falsch ist zu sagen, wir verteidigen europäische Werte. Die Französische Revolution hat uns doch beigebracht, dass es um Menschenrechte geht, um eine Welt, die wir insgesamt darstellen, und nicht um europäische Werte gegen den Rest der Welt. Wir müssen dieses Moment der einen Welt noch viel stärker als einen Teil dessen auffassen, wo wir in dieser Gesellschaft stehen.
Dazu gehört auch, dass einmal kritisch nachgefragt werden muss, wie das denn eigentlich mit den Kriegen in dieser Welt ist, wo wir selbstverständlich meinen, unsere Interessen zu verteidigen und die Rohstoffe, die wir dringend brauchen. Auch diese Diskussion brauchen wir, weil noch Etliches von einem kolonialen Denken in solchen Ansichten steckt, was nicht zu akzeptieren ist und was wir überwinden müssen.
Ein wichtiger Motor für uns, um diese Diskussion führen zu können, sind die "People of Color" und ihre Positionen; wir haben das im Ausschuss kräftig diskutiert. Aufgrund ihrer Erfahrungen und der ihrer Familien können sie uns aufklären, welche Themen wir noch wie anzugehen haben und was man diesbezüglich machen sollte. Diese Menschen haben in den vergangenen Monaten und Jahren eine große Kraft bewiesen. Wir meinen, dass sie eine sehr viel aktivere Rolle spielen müssten. Der Senat sagt, er werde dafür sorgen, dass sie eine Rolle spielen werden. Wir sind als Opposition immer ein bisschen skeptischer und hätten das gern festgeschrieben, aber wir werden nun erst einmal sehen, was der Senat macht, und uns dann beschweren, wenn das nicht ausreichend ist; darüber können Sie sich sicher sein.
Am Ende möchte ich noch ein paar persönliche Worte sagen. Das ist eine Aufgabe, die uns Christa Goetsch gegeben hat. Ich finde, das passt zu ihr. Wahrscheinlich wird das ihre letzte Rede in der Bürgerschaft gewesen sein. Die Aufgabe, die sie uns gegeben hat, ist der Größe und der Art und Weise würdig, wie sie in der Bürgerschaft gearbeitet hat, nämlich mit viel Herzblut und mit viel Kraft.