Protocol of the Session on October 23, 2013

Login to download PDF

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Ja, meine Mei- nung!)

Mich hat allerdings nicht amüsiert – hier muss ich leider einen Redner überspringen und komme gleich zu Herrn Neumann –, dass Sie zum wiederholten Mal eine Rede über den Umgang mit der

Gruppe von Flüchtlingen, die aus Libyen über Italien nach Hamburg gekommen sind, zum Anlass nehmen, Dinge zu sagen, die durch Wiederholung nicht richtiger werden. Sie mussten in Ihrer Rede selbst beim Vorwurf, hier würden Polizistinnen und Polizisten als Rassisten diffamiert, zurückrudern. Sie haben sich an dem Punkt Aufenthaltserlaubnis bei Asylantrag verheddert. Vielleicht macht das schon deutlich, dass dies eine komplizierte rechtliche Materie ist, die man auch differenziert debattieren sollte, und daran fehlt es Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Gerhard Lein SPD: Wie gut, dass eine den Durchblick hat!)

Ja, manchmal hilft es schon, wenn einer den Durchblick hat. Es sollten mehr Leute den Durchblick haben, Herr Lein, dafür bin ich auch.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Man kann nicht alle Flüchtlinge über einen Kamm scheren. Die besondere Situation der Gruppe, über die wir hier seit vielen Monaten reden, die seit vielen Monaten in dieser Stadt lebt, erfordert, dass wir nach einer Lösung suchen. Der Hinweis des Senats auf das Moratorium vom Sommer ist, wie ich finde, sehr zynisch, denn es wurde lediglich abgewartet und nicht gehandelt. Diese Gruppe von Flüchtlingen hat bestimmte ungewöhnliche Merkmale innerhalb dieser großen Flüchtlingsdiskussion auf europäischer Ebene. Herr Abaci hat die Flüchtlingsdiskussion auf europäischer Ebene auch noch einmal beschrieben. Er hat die lebendige Zivilgesellschaft in dieser Stadt beschrieben. Die gibt es und sie ist erstaunlich solidarisch genau mit dieser Gruppe von Flüchtlingen. Wir aber schaffen das hier nicht, und das finde ich bitter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Die Regelungen des Rechtsstaats sind tatsächlich individuell, treffen einzelne Personen, aber sehr wohl kann ein Gruppenstatus definiert werden. Sie sind überhaupt nicht bereit, sich auf diesen Punkt auch nur einmal einzulassen. Wir haben dafür zig Beispiele: syrische Kontingentflüchtlinge, jüdische Zuwandererinnen und Zuwanderer im Kontingent, beim Thema bosnische Flüchtlinge hat es Kontingentlösungen gegeben für Roma und so weiter.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Ja, die haben sich aber auch alle ausgewiesen!)

Es handelt sich immer um Menschen mit identischen Merkmalen der Herkunft, der Fluchtgeschichte. Die müssen individuell belegt werden. Das ist unsere politische Forderung, die Sie verweigern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Übrigen hätte sich der Senat natürlich davon in Kenntnis setzen können, welches diese gemeinsa

(Karl-Heinz Warnholz)

men Merkmale der Flucht sind. Das ist doch oft öffentlich diskutiert worden. Ich bin sehr froh, dass es jetzt Gespräche gibt. Ich bin auch sehr froh darüber, dass zum ersten Mal deutlich das Angebot genannt wird. Herr Dressel, Sie haben das gesagt. Es geht aus meiner Sicht tatsächlich nur an einer Stelle merkbar über sonst übliche Verfahren der Ausländerbehörde hinaus.

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Frau Möller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Warnholz?

Frau Kollegin Möller, stimmen Sie mit mir überein, dass man, wenn man weder Name noch Herkunft noch sonstige Adressen hat, auch keine Auskunft einholen kann?

– Nein, das tue ich nicht, Herr Warnholz. Sie haben mir nicht zugehört.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Definieren eines Gruppenstatus passiert vorher.

(Zurufe von Kai Voet van Vormizeele und Karl-Heinz Warnholz, beide CDU)

Man bestimmt ein Kontingent von zum Beispiel syrischen Flüchtlingen, die man aufnehmen will. Erst hinterher kann man sie individuell mit einer Aufenthaltserlaubnis versehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das ist der Unterschied, und es ist in der Diskussion immer in dieser Kombination davon die Rede gewesen. Ich will mich aber gar nicht an der CDU abarbeiten, weil ich weiß, dass die SPD tatsächlich ein Schritt weiter ist. Sie garantieren, das Verfahren weiter laufen zu lassen, auch wenn ein Eilverfahren vor Gericht abgelehnt wird. Aber das reicht nicht, denn es kann doch nicht im Ernst darauf hinauslaufen, dass wir uns über den Eingabenausschuss oder über die Härtefallkommission mit 300 Einzelfällen beschäftigen. Wir brauchen eine politische Entscheidung, die signalisiert, dass der humanitäre Aufenthaltsstatus für die Menschen mit diesem gleichen Herkunftsbild möglich ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Jarchow.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Beim HSV sind die Fans auch solidarisch!)

– Ich habe nicht verstanden, was Sie zum HSV gesagt haben. Es ist mir auch nicht klar, was der HSV damit zu tun hat.

(Zurufe aus dem Plenum)

Unsere Fans sind solidarisch, und wir haben auf dem Parkplatz Braun durchaus Flüchtlinge aufgenommen und werden das auch weiterhin tun, liebe Frau Schneider.

(Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich spreche im Moment für die FDP, um das sehr deutlich zu sagen, nicht für andere Fraktionen in diesem Hause.

Meine Damen und Herren! Nach allem, was wir bereits zum Thema Asyl bereits gehört haben, würde es mich und sicherlich uns alle sehr freuen, wenn wir uns auf einige Minimalkonsensziele einigen könnten. Ich denke, dass wir alle ein faires Verfahren für die betreffenden Flüchtlinge wollen, nicht nur für jene, die bereits da sind, sondern auch für alle zukünftigen. Das sollte doch unser gemeinsames Ziel sein.

(Beifall bei der FDP, der SPD und bei Birgit Stöver CDU)

Ich sage aber gleich, dass die Grundlage für ein faires Verfahren natürlich das Stellen eines Antrags sein muss, und dafür müssen die Personalien bekannt sein. Darum werden wir nicht herumkommen. Erst dann können die Mechanismen greifen, die wir alle vertreten und vertreten sollen und die dann auch zu Ausprägungen wie Eingabenausschuss, Härtefallkommission und Ähnliches führen können. Wenn das unser Konsens sein könnte, dann wären wir schon einen Schritt weiter.

Für uns Liberale ist klar, dass die stetige Obliegenheit der Behörden, geltendes Recht anzuwenden und auch verhältnismäßig durchzusetzen, von uns allen akzeptiert werden muss. Das gilt auch und gerade für das Asylrecht. Die Frage ist, ob das Senatsvorgehen in den vergangenen Wochen und die Eskalation im öffentlichen Raum zu diesem Zeitpunkt wirklich nötig waren. Diese Frage kann man ernsthaft stellen, denn auch das zögerliche Verhalten, das sogenannte Moratorium, das zufälligerweise direkt nach der Bundestagswahl ausgesetzt wurde, gibt Anlass zu Fragen. Aber auch den sogenannten Unterstützern muss man diese Frage stellen. Halten Sie und Ihre Sympathisanten, auch hier im Hause, das gewählte Vorgehen, vor allem die Diktion, für hilfreich? Auch hier würde ich es begrüßen, wenn wir uns gemeinschaftlich darauf einigen könnten, dass Begriffe wie Deportation nicht zu unserem demokratischen Vokabular gehören und schon gar nicht bei dieser Thematik.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU)

(Antje Möller)

Wir sollten alle, die wir hier sitzen, hinterfragen, ob es den Unterstützerkreisen wirklich um die Schicksale geht oder ob nicht viele darunter die gestrandeten Menschen benutzen, um in völlig anderer Hinsicht zu mobilisieren. Dieser Verdacht drängt sich auf, denn es waren oft unangemessene und teilweise strafrechtlich relevante Aktionen selbsternannter Unterstützer. Die wahren Unterstützer haben sich dagegen verwehrt – das sage ich auch an dieser Stelle. Diese Aktionen verdeutlichen jedoch aus unserer Sicht erhebliche Versäumnisse des Senats, denn Störung der öffentlichen Ordnung und Gewaltkriminalität mit linksextremistischem Hintergrund gibt es in dieser Stadt immer wieder. Farbanschläge auf Wohnungen oder Häuser von Personen des öffentlichen Lebens, Terror gegen sogenannte gentrifizierende Objekte wie etwa Schuhläden in der Schanze.

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Was hat das jetzt mit diesem Thema zu tun?)

Das hat damit insofern etwas zu tun, als im Zusammenhang mit dem Thema diese Taten begangen werden und auch Leute, die so etwas begehen, sich darauf beziehen. Insofern sollten wir uns alle von solchen Vorgängen – und das vermisse ich von Ihrer Seite – genauso distanzieren wie von anderen Gewalttaten.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Es verdichten sich Hinweise auf einen Generationswechsel und neue Gewaltmobilisierung mit linksextremem Hintergrund. Für den Senat scheint das aus dem Nichts zu kommen, offenbar ohne warnende Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, denn er hat keine Analysen oder Pläne für Gegenmaßnahmen dazu vorgelegt. Die geschädigten Bürger und Polizisten müssen das nun ausbaden. Die FDP fordert deshalb den Senat auf, ein Aktionsprogramm gegen Kriminalität mit linksextremem Hintergrund vorzulegen.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von den GRÜ- NEN und der LINKEN)

Auch wenn Ihnen das nicht so gut gefällt wie ein Aktionsplan gegen Kriminalität mit rechtsextremem Hintergrund – das ist mir schon klar –, müssen wir uns mit beidem befassen.

Wir fordern auch die evangelische Kirche, besonders die Gemeinde in St. Pauli, auf: Besinnen Sie sich auf den wahren Kern der schützenswerten Tradition des Kirchenasyls.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU – Heike Sudmann DIE LIN- KE: Das ist liberaler Extremismus, was Sie da von sich geben!)

Über Jahrhunderte war das eine richtige und wichtige Institution zur Wahrung humanitärer Prinzipien, als diese in Deutschland und Europa noch mit

Füßen getreten wurden. Ein Kirchenasyl in heutiger Zeit darf nicht dazu führen, dass sich Menschen dem Prozedere des Rechtsstaats entziehen. Man kann nur hoffen, das ist schon mehrfach gesagt worden, dass die gestern gesprochenen Worte der Bischöfin in ihrer Kirche für einen breiten Sinneswandel sorgen.