Protokoll der Sitzung vom 06.11.2013

Meine Damen und Herren! Die Einbürgerung ist auch ein wichtiges Signal. Deutschland, das sich lange gewehrt hatte, Einwanderungsland zu sein, baut endlich Brücken. Wer am tieferen Sinn dieser Politik zweifelt, sollte eine Einbürgerungsfeier im Festsaal des Rathauses erleben. Dort wird mit der Verleihung der Einbürgerungsurkunde durch den Ersten Bürgermeister und dem gemeinsamen Singen der Hammonia und der Nationalhymne das Hochamt der bürgerlichen Demokratie erlebt.

Wie Sie der Drucksache entnehmen können, konnte die Zahl der Anträge auf Einbürgerung von 5249 im Jahr 2011 auf 7164 im Jahre 2012 erhöht wer

den. Das ist eine Steigerung von etwa 37 Prozent. Während Hamburg im ersten Halbjahr 2012 noch 2687 Neueinbürgerungen zu verzeichnen hatte, waren es im ersten Halbjahr 2013 schon 3747. Das ist eine Steigerung von etwa 40 Prozent, und das ist ein Erfolg der Einbürgerungskampagne des Senats.

(Beifall bei der SPD)

Die Drucksache zeigt auch, dass die Verfahrensdauer durch mehr Personal und verbesserte Arbeitsabläufe erheblich reduziert wurde. Diese Zahlen belegen eindeutig, dass die Kampagne ein Erfolgsmodell ist und einen weiteren Beleg für die Willkommensund Anerkennungskultur unserer Stadt darstellt. Die Bundesrepublik Deutschland, das sollte nicht kleingeredet werden, ist ein Land mit einem liberalen Zuwanderungsrecht. Man kann darüber lachen, aber es ist so. Dieses Zuwanderungsrecht lässt sich dennoch weiter verbessern. Wie Sie der Drucksache entnehmen können, erfolgen etwa 60 Prozent aller Einbürgerungen unter Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit. Das zeigt, dass die Mehrstaatigkeit, die der Ausnahmefall sein sollte, längst ein Regelfall geworden ist und dass das Konzept einer exklusiven nationalen Identität hoffnungslos überholt ist. Die ungleiche und ungerechte Behandlung von Bevölkerungsgruppen ist zu beseitigen. Das ist ein Beleg dafür, dass wir ein moderneres Staatsangehörigkeitsrecht brauchen. Dazu gehören auch die Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft und die Abschaffung des Optionszwangs.

(Beifall bei der SPD)

Wie ich eingangs sagte, müssen wir uns den guten Ruf unserer Stadt gemeinsam immer wieder neu verdienen. Hamburg tut etwas dafür. Die Drucksache ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass wir Menschen mit Migrationshintergrund nicht als problembeladene Randgruppe betrachten, der vordringlich karitativ geholfen werden muss. Vielmehr sind sie elementarer Bestandteil der hamburgischen Bevölkerung mit verschiedensten sozialen Bezügen. Diese Hamburgerinnen und Hamburger haben Kompetenzen und Fähigkeiten, die es zu würdigen und zu fördern gilt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Haufler, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Abaci, es ist beeindruckend, wie Sie eine Große Anfrage mit so wenigen neuen Daten und Fakten, aber so hochtrabenden Worten zu einem

(Kazim Abaci)

Vorgang von geradezu globaler Bedeutung hochstilisieren möchten.

(Beifall bei der CDU)

Wir raten Ihnen deutlich, sich hier mit Eigenlob zurückzuhalten und mehr Einsatz zu zeigen. Mehr Sein als Schein würde Ihrer Fraktion in diesem Zusammenhang guttun.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten bei diesem Thema keine weitschweifigen Theorien entwickeln, sondern wir sollten uns aus Sicht der betroffenen Menschen anschauen, was diese Initiative überhaupt ausmacht. Der Senat schreibt es auch in seiner Antwort auf Ihre Anfrage – ich zitiere –:

"Jeder Einbürgerungswillige [kann] einen Einbürgerungsantrag stellen, ohne vom Bürgermeister dazu ausdrücklich ermutigt worden zu sein."

Ich bin dem Senat dankbar, dass er das klargestellt hat,

(Beifall bei der CDU)

denn das Einbürgerungsverfahren bleibt wie so viele andere auch nach dieser Initiative ein Antragsverfahren. Dass dieses eine Verfahren jetzt kundenfreundlicher und effizienter geworden ist, können wir als Christdemokraten nur begrüßen.

(Beifall bei der CDU)

Klar ist aber auch, dass dieses Projekt eine bevorzugte Personalausstattung genossen hat und einer strengeren Prozesskontrolle unterlag, weil der Bürgermeister es nun einmal so stark mit seiner eigenen Person verbunden hat. Das ist selbstverständlich. Wir sagen aber, dass jeder Bürger in dieser Stadt, ob Deutscher oder Ausländer, einen Anspruch auf ein kundenfreundliches, effizientes und zügiges Antragsverfahren hat, wenn er sich auf den Weg in eine unserer Behörden macht. Das gilt für Einbürgerungsanträge genauso wie für Anträge auf Anerkennung von ausländischen Diplomen, für Anträge auf Sprach- und Integrationskurse oder für Anträge auf aufenthaltsrechtliche Entscheidungen.

Es kann aber nicht sein, dass man Effizienz alleine dadurch erreicht, indem man einzelne Projekte zur Chefsache des Bürgermeisters macht. Kein Bürgermeister kann alle Prozesse persönlich kontrollieren und beaufsichtigen.

(Gerhard Lein SPD: Das ist auch gut so!)

Was wir brauchen, ist eine breite Offensive für Effizienz und Kundenfreundlichkeit in unseren Behörden gegenüber allen Hamburgern.

Ich führe viele Gespräche mit Zuwanderern in dieser Stadt, und das Thema Antragsbearbeitung sorgt immer wieder für Unmut. Bei der Diplomanerkennung sagen die Verwaltungen, an der hohen

Antragsbearbeitungsdauer seien die Antragsteller selbst schuld. Es heißt, dass die Menschen nicht die richtigen Unterlagen bringen würden und dadurch immer wieder Zeit verloren gehe. Aber wenn ich mit den Menschen spreche, dann höre ich, dass die Leitfäden für die notwendigen Unterlagen falsch sind und diese auch nicht korrigiert werden. Ich höre auch, dass Antragsteller genau die geforderten Unterlagen mitbringen und dann zwei-, dreimal wiederkommen müssen, weil dem Sachbearbeiter immer wieder neue notwendige Unterlagen einfallen. Jeder Monat Bearbeitungszeit bedeutet für diese Menschen aber häufig einen Verdienstausfall in dreistelliger oder vierstelliger Höhe.

Solange das ignoriert wird, können wir noch nicht von Kundenorientierung in diesem Bereich sprechen, und wir wissen auch, dass die Einrichtung der "Zentralen Anlaufstelle Anerkennung", die wir sehr gern gewonnen haben und auf deren Dienstleistung wir nicht verzichten möchten, deutlich macht, dass das normale Antragsverfahren ohne Beratung durch eine neutrale Stelle noch nicht gut genug funktioniert. Aber warum eigentlich nicht? Deshalb fordere ich den Bürgermeister auf, als nächstes Projekt die Antragsbearbeitung im Bereich Diplomanerkennung zur Chefsache zu machen, damit die fleißigen und leistungsbereiten Zuwanderer in dieser Stadt so schnell wie möglich mehr Geld verdienen, mehr Steuern zahlen und mehr zu unserem Gemeinwesen beitragen können.

(Beifall bei der CDU – Kazim Abaci SPD: Darum geht es nicht!)

Ein anderes Beispiel für wenig kundenfreundliche Antragsbearbeitung sind viele Vorgänge in unseren Ausländerämtern. Solange wir kein modernes Terminmanagement in jedem Ausländeramt haben und immer wieder chaotische Zustände vorkommen, werden Menschen jahrelang den Eindruck von Unprofessionalität von unserer Stadt haben, und der positive Eindruck durch die schnellere Bearbeitung der Einbürgerungsanträge wird dadurch zunichte gemacht. Ich fordere deshalb den Bürgermeister auf, als nächstes Projekt die Antragsbearbeitung im Bereich Aufenthaltsrecht zur Chefsache zu machen, damit die legal hier lebenden fleißigen und leistungsbereiten Zuwanderer in dieser Stadt ihre Zeit nicht in Amtsfluren verbringen, sondern ihre Zeit bei der Arbeit und ihren Familien verbringen können.

Meine Damen und Herren! Sie sehen an diesen Beispielen, dass die Initiative des Bürgermeisters allenfalls ein Anfang sein kann. Wir lassen es nicht zu, dass der Senat hier stehen bleibt und seine Priorität auf Eigenlob anstatt auf Einsatz setzt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Demirel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Haufler, ich weiß nicht, welchen Maßstab Sie setzen, aber alle Bürgerinnen und Bürger in Hamburg haben das Recht, kundenfreundliche Ämter zu genießen, nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund, sondern unabhängig von der Staatsbürgerschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Liebe SPD, Sie haben in der letzten Bürgerschaftssitzung versucht, eine Drucksache zu psychosozialen Beratungsstellen als Kenntnisnahme stillschweigend zu verabschieden. Eine Drucksache, die ganze Beratungslandschaften in Hamburg für alle Betroffenen massiv einschränkt, wovon laut Ihrer Drucksache 25 000 Menschen in Hamburg betroffen sind, ohne Debatte in den Gremien durchzuziehen, gehört zu Ihren parlamentarischen Gepflogenheiten. Und wo Sie das Gefühl haben, mit der Debatte etwas glänzen zu können, machen Sie sofort ein großes Tamtam und treten hier groß auf mit Ihrer Einbürgerungskampagne.

(Beifall bei Dr. Friederike Föcking und Den- nis Thering, beide CDU)

Das ist nicht die Politik, die Sie den Hamburgerinnen und Hamburgern vor der Wahl versprochen haben, liebe SPD.

Jetzt komme ich zu der aktuellen Drucksache, der Großen Anfrage. Sie schreiben in der Lyrik, der Senat habe mit der im Jahr 2011 begonnenen Einbürgerungsinitiative des Bürgermeisters eine neue Dynamik in der Einbürgerungspolitik angestoßen.

(Jan Quast SPD: Ja!)

Diese neue Dynamik hat als erste Bilanz sage und schreibe 1,7 Prozent mehr Einbürgerungen im Jahr 2012 gebracht. Das ist keine neue Dynamik, das ist eine lachhafte Nummer.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Nach Ihrer Einbürgerungskampagne à la Scholz konnten Sie 2012 lediglich um 1,7 Prozent erhöhte Einbürgerungszahlen präsentieren. 2011 waren es 6,5 Prozent, 2010 fast 43 Prozent und 2009 32 Prozent mehr Einbürgerungen in Hamburg. Und Sie wollen hier Ihre 1,7 Prozent im Jahr 2012 als großen Erfolg verkaufen? Das glauben Sie doch selbst nicht. Ende 2013 wird diese Zahl deutlich besser aussehen, was wir auch begrüßen. Wenn nicht, dann wäre dies ein großer Verwaltungsaufwand für nichts.

Wenn wir uns aber die Zahlen der Beratungsgespräche anschauen, stellen wir eine positive Veränderung fest. Das gilt auch für die Zahl der Ein

bürgerungsanträge. Das sind aber noch keine Zahlen von tatsächlich erfolgreich eingebürgerten Menschen. Das ist ein großer Unterschied, und das wissen Sie auch ganz genau. In der Tabelle zu den abgeschlossenen Einbürgerungsverfahren sind 2010 und 2011 im Vergleich zu den vorherigen Jahren große Sprünge zu verzeichnen. Damals wurde die schwarz-grüne Kampagne "Hamburg. Mein Hafen. Deutschland. Mein Zuhause" mit den Einbürgerungslotsen gestartet.

Das zeigt uns, dass die Menschen beim Einbürgerungsverfahren mehr Beratung und Begleitung brauchen. Das erfolgreiche Projekt mit den Einbürgerungslotsen leistet hier hervorragende Arbeit in vielen Sprachen. Wir betrachten jede Einbürgerung in Hamburg als Gewinn, obwohl wir GRÜNEN gleichberechtigte Teilhabe nicht von einer Einbürgerung abhängig machen wollen. Alle Menschen in unserer Gesellschaft haben das Recht, als gleichberechtigte Mitglieder teilzuhaben, egal welcher Herkunft.

Wir haben auch weitere Baustellen im Rahmen dieser Großen Anfrage festgestellt. Insbesondere ältere Menschen sind bei der Einbürgerung sehr zögerlich, wenn sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit abgeben müssen. Wir sehen auch bei den Optionspflichtigen, dass eine beträchtliche Zahl der jungen Menschen noch keine Reaktion auf die Benachrichtigung gezeigt hat. Junge Menschen wollen nicht – und das sollten sie auch nicht – gezwungen werden, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Nicht nur, aber auch deshalb haben wir im Mai dieses Jahres aus Hamburg ein klares Zeichen – das Bekenntnis zur doppelten Staatsangehörigkeit und zur Abschaffung des Optionszwangs – gesendet und uns in diesem Haus gemeinsam dafür eingesetzt. Aber auch diese Initiative hat den Bundestag leider nicht rechtzeitig erreicht. Diese Forderung gilt weiterhin in Richtung Berlin und Große Koalition.

Liebe SPD, eine große Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund schaut gezielt hin, was Sie in diesen Koalitionsgesprächen machen.

(Jan Quast SPD: Sie hätten doch welche führen können, Sie wollten doch keine Koali- tionsgespräche!)