Protocol of the Session on March 26, 2014

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aus dem politischen Bereich wird an alternativen Vorschlägen lediglich von CDU, GRÜNEN und der LINKEN die Stadtbahn vorgeschlagen –

"… und von einzelnen Verkehrsunternehmen, sind in dem Erarbeitungs- und Beteiligungsprozess einzubeziehen."

Da versteckt sich dieser Vorschlag des Bürgermeisters von der Jahreswende in der Formulierung "Überlegungen von einzelnen Verkehrsunternehmen". Er wird also auf der gleichen Ebene wie die Stadtbahn gehandelt. Das ist doch schon sehr bemerkenswert, und damit muss man feststellen, dass der Bürgermeister sich in dieser Wahlperiode schon den zweiten missglückten Versuch eines Meinungsbeitrags zur Verkehrspolitik geleistet hat. Nachdem die Busbeschleunigung überhaupt niemanden in dieser Stadt begeistert hat, muss er jetzt auch feststellen, dass nicht einmal in seiner eigenen Fraktion das klare Bekenntnis zu diesem Auftrag, den er seinerzeit erteilt haben soll, vorhanden ist. Also hier wird schon sehr stark relativiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Was den Antrag der SPD nicht zustimmungsfähig macht, ist die Zeitschiene, dass die Lösung der Verkehrsprobleme auf die lange Bank geschoben werden soll und Lösungen erarbeitet werden sollen, die dann vielleicht 2030 anfangen zu greifen. Das halten wir für nicht ausreichend. Die Verkehrsprobleme sind unserer Meinung nach drängender, und der Antrag ist insgesamt Ausdruck der verkehrspolitischen Konzeptlosigkeit der SPD. Sie ist offensichtlich stark verunsichert, weil sie ihre Verkehrspolitik viel zu stark nach kurzfristigen Meinungsumfragen ausrichtet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Warum ist das nicht ausreichend? Das lässt sich am interessantesten nach wie vor an der Prognose, die der ADAC auf Basis unterschiedlicher Daten erstellt hat, erläutern. Wir haben leider immer noch keine belastbare Prognose des Senats darüber, wie sich seiner Vermutung nach die Verkehrsverhältnisse in den nächsten 15 Jahren verändern werden. Der ADAC hat sich an diese Prognose gewagt und kommt zu der Annahme, dass der Anteil des Autoverkehrs, bezogen auf die Metropolregion mit Ihrem sogenannten Modal Split – das ist der Anteil der zurückgelegten Wege in Hamburg – von 58 Prozent auf 40 Prozent bis zum Jahr 2030 sinken wird. Das ist ziemlich bemerkenswert, weil es nämlich im Ergebnis bedeutet, dass wir selbst bei einer Verdoppelung des Radverkehrs zu einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen beim HVV kommen würden. Man muss sich vorstellen, was das dann für das jeweilige Verkehrsmittel bedeutet. Da fällt uns einiges zu den U-Bahnen ein, bei den S-Bahnen ein bisschen etwas, und im Busbereich ist das vollkommen unvorstellbar. Deswegen muss es zu den stark ausgelasteten Busstrecken eine Alternative geben, und sie muss bezahlbar sein. Dann landet man bei der Stadtbahn.

Ich würde empfehlen, hier mit belastbaren Zahlen zu arbeiten. Man ist nach wie vor gut beraten zu argumentieren mit dem Verhältnis 1:4. Bis zu 20 Millionen Euro pro Kilometer kostet die Stadtbahn, wenn man sehr aufwendige Gegebenheiten hat. Dies ist ziemlich konstant, denn die Gegebenheiten sind nicht so unterschiedlich. In aller Regel kostet die U-Bahn 80 Millionen Euro pro Kilometer. Bei der U4 in die HafenCity war es wesentlich mehr, aber im Regelfall sind es genau diese Zahlenverhältnisse.

Die übrigen Vorteile der Stadtbahn hat Herr Hesse ausreichend dargelegt. Ich glaube, dass wir uns schon in wenigen Jahren mit der Planung einer Stadtbahn befassen müssen. Und dann kommen wir zu der Frage, was eigentlich die Voraussetzungen dafür sind. Es gibt zwei, das haben wir in unserem Zusatzantrag dargelegt.

Das eine ist die Frage der Finanzierung. Seit vielen Jahren unterstützt der Bund die Investitionen beim ÖPNV in den Kommunen und finanziert sie mit. Das läuft 2019 aus. Aber 2019 kann man nicht die letzten Anträge stellen, sondern 2019 müssen die Projekte abgeschlossen sein. Das heißt, wir haben de facto jetzt schon in den Kommunen bundesweit einen Planungsstopp, wenn die Kommunen neue Vorhaben nicht aus eigener Tasche finanzieren wollen. Ich finde, dass sowohl CDU als auch SPD im Bund die Beantwortung dieser Frage auf die lange Bank schieben. Im Koalitionsvertrag steht zwar, man wolle eine Anschlussfinanzierung schaffen, aber das soll erst am Ende der laufenden Wahlperiode im Bund erfolgen, und das ist eindeutig zu spät. Da sind sowohl die CDU als auch der Bürgermeister in der Pflicht und müssen sich unabhängig davon, in welche Richtung wir uns bewegen, was die Investitionen im öffentlichen Verkehr betrifft, früher auf den Weg machen, um eine Klärung zu erreichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der zweite Punkt ist die Frage, wie wir es mit einer vernünftigen Beteiligung schaffen. Wir haben aus der letzten Wahlperiode gelernt, dass eine Vorgehensweise, die sagt, am Ende der Wahlperiode müssten vollendete Tatsachen geschaffen werden, nicht in eine Zeit passt, in der wir Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide haben und die Bürgerinnen und Bürger zu Recht einfordern, dass sie beteiligt werden,

(Karin Timmermann SPD: So, wie Frau Haj- duk das gemacht hat!)

dass eine breite Diskussion geführt wird und nicht von oben herab grundlegende Entscheidungen getroffen werden. Wir sind der Überzeugung, dass es richtig ist, uns zu Beginn der nächsten Wahlperiode darauf zu einigen, in unserer Verfassung die Möglichkeit einzuführen, dass auf Beschluss der Bürgerschaft die Bürgerinnen und Bürger gefragt

werden, also ein Referendum eingeführt wird, und dass wir das tatsächlich zur Grundlage des Planungsprozesses für eine Stadtbahn machen sollten. Wir sollten breit beteiligen und gründlich planen, und am Ende wissen dann alle, dass darüber abgestimmt wird. Wir müssen also die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger überzeugen. Ich bin wirklich optimistisch, dass das auch gelingen kann. Sehr viele Städte haben nämlich die Stadtbahn als sinnvolle Ergänzung zu U- und S-Bahn erkannt und setzen ausschließlich auf die Stadtbahn.

Im Übrigen sind, anders, als es Gerüchte aus der SPD besagen, viele Städte, die früher die Straßenbahn abgeschafft haben, dabei, diese wieder einführen: London, Dublin, Madrid, Istanbul, Manchester, Sheffield, Bilbao, Barcelona, Oberhausen und auch Saarbrücken. Diese Städte zeigen, dass man auch wieder einsteigen kann und sich wieder herantraut an die Einführung eines Verkehrsmittels, das man irgendwann einmal abgeschafft hat. Und die Hamburgerinnen und Hamburger werden auch die Vorteile erkennen, wenn wir sie gründlich beteiligen. Deswegen bin ich optimistisch, dass wir in der nächsten Wahlperiode an der Einführung einer Stadtbahn arbeiten werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schinnenburg.

(Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hätte nie gedacht, dass wir an dieser Stelle noch einmal über diese grün-schwarze Bimmelbahn reden müssten. Die Stadtbahn hat doch schon längst einen Ehrenplatz auf dem Friedhof gescheiterter Verkehrsprojekte, und da soll sie in Frieden ruhen. Sie hat für Hamburg keine vernünftige Bedeutung. Aber der CDU-Antrag macht ein bisschen den Eindruck, als versuche die Nostalgie noch einmal, über die Vernunft zu triumphieren. Die FDP bleibt jedoch bei der Vernunft und lehnt die Stadtbahn weiter ab.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich die wichtigsten Argumente dafür nennen.

Erster Punkt: Es würde ein viertes schienengebundenes Verkehrssystem in Hamburg nach U-Bahn, S-Bahn und AKN eingeführt. Unserer Auffassung nach ist es viel besser, die vorhandenen Systeme auszubauen oder zu verbessern, statt ein neues System einzuführen. Das ist nicht nur ungünstiger, es ist auch teurer.

Zweiter Punkt: Wir würden durch das Stadtbahnkonzept, wie die CDU es in nur sehr groben Umris

sen dargelegt hat, über viele Jahre ein flächendeckendes Netz von Großbaustellen haben. Herr Hesse, wir beide haben uns oft genug und auch zu Recht darüber beklagt, dass für das Busbeschleunigungsprogramm zahlreiche Baustellen in Hamburg den Verkehr behindern und Anwohner und Geschäftsleute stören. Das Problem Busbeschleunigung ist nichts, wirklich nichts, verglichen mit dem, was eine Stadtbahn herbeiführen würde.

(Beifall bei der FDP und bei Dirk Kienscherf SPD)

Das ist eine ganz andere Kategorie. Selbst bei perfekter Bauplanung wäre es nicht möglich, dies ohne ganz gewaltige, über viele Jahre sich hinziehende Belästigungen durchzuführen. Achten Sie einmal darauf: Schon während des A7-Ausbaus wäre es notwendig, nicht mehr, sondern weniger Baustellen einzurichten.

(Dirk Kienscherf SPD: Aber das erkennt hier ja keiner!)

Das, Herr Hesse, haben Sie oft genug gefordert, und nun machen Sie ein großes Programm für noch mehr Baustellen. Das kann nicht richtig sein.

Dritter Punkt: Selbst nach Fertigstellung ist es völlig unvermeidbar, dass die Stadtbahn in erhebliche Konflikte mit dem vorhandenen Straßenverkehr kommt. Kurz gesagt: Am Winterhuder Marktplatz haben Sie eingesehen, dass das falsch war. Nun habe ich einmal in Ihr Programm geschaut, Herr Hesse, und da schreiben Sie, dass Sie die Stadtbahn am Eidelstedter Platz entlanglegen wollen. Ich war neulich am Eidelstedter Platz, weil es um die Busbeschleunigung ging. Da werden Sie genau das gleiche Problem bekommen, wie Sie es am Winterhuder Marktplatz bekommen hätten. Das ist nicht nur am Eidelstedter Platz so, sondern an vielen anderen Stellen. Es ist ein Irrtum zu meinen, dass die Stadtbahn konfliktfrei durch die Stadt fahre, ganz im Gegenteil. Die Stadtbahn blockiert oft den Verkehr, produziert neue Staus und der Nutzeffekt ist mehr oder weniger gleich null.

Vierter Punkt: Es treten enorme Kosten auf. Herr Hesse, Sie nennen Kosten – bezeichnenderweise nicht in Ihrem Antrag, aber immerhin in dem Papier, das Sie der Presse gegeben haben – von 2,7 Milliarden Euro. Diese Summe ist schon gigantisch. Rechnen Sie einmal nach – wir haben vorhin die Zahlen pro Kilometer U-Bahn gehört, es sind 80 bis 100 Millionen Euro –, wie viele Kilometer U-Bahn Sie allein davon schon bauen könnten, wenn man es denn will. Diese Summe ist schon gewaltig, aber in Wirklichkeit ist sie viel zu gering angesetzt, die Kosten sind wesentlich höher. Sie dürfen mit Kosten von mindestens 4 Milliarden Euro rechnen, ich vermute sogar deutlich mehr. Ich sage Ihnen auch gern, wie man darauf kommt.

(Dietrich Wersich CDU: Für wie viele Kilo- meter?)

(Dr. Till Steffen)

Herr Wersich, Sie müssen Ihr eigenes Papier lesen. In dem Papier steht es doch. Sie haben gesagt, Sie wollen 93,4 Kilometer Stadtbahn bauen.

(Dietrich Wersich CDU: 100 Kilometer! Wie viele U-Bahnen können Sie für die Summe bekommen?)

Herr Wersich, wenn Sie etwas sagen wollen, melden Sie sich doch nachher. Sie haben Angst davor, sich den Fakten, die Ihr eigener CDU-Senat verantwortet hat, zu stellen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir haben hier etwas von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt aus dem Jahre 2010, da gab es eine grüne Senatorin und Ihr Ole von Beust war der Erste Bürgermeister. Ein CDU-geführter Senat hat am 29. Juni 2010 mitgeteilt, dass er für 7,7 Kilometer Stadtbahn 338 Millionen Euro brauche. Jetzt helfe ich Ihnen kurz, Herr Wersich. Wenn Sie das umrechnen auf 93,4 Kilometer, dann kommen Sie auf 4,1 Milliarden Euro, nicht 2,7 Milliarden Euro.

(Dietrich Wersich CDU: Aber Sie müssen doch nicht jede 7 Kilometer neu die Grundin- vestitionen machen! Wo sind Sie denn? –Glocke)

Herr Dr. Schinnenburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hesse?

Nein, er kann sich noch einmal melden.

(Dietrich Wersich CDU: Sie können so gut Punkte aufstellen, dann werden Sie doch…! – Glocke)

Herr Wersich, ich bitte Sie, den Redner reden zu lassen, ansonsten melden Sie sich bitte. Herr Dr. Schinnenburg, fahren Sie bitte fort, und ich hoffe, ungestört, Herr Wersich.

(Dirk Kienscherf SPD: Nur, weil Sie einen so schlechten Antrag gestellt haben!)

Herr Wersich, ich sage es ganz deutlich: Sie haben Angst vor der Wahrheit und wollen verhindern, dass ich Ihnen zu Ende erzähle, wie unseriös Ihre Kostenplanung ist. Das ist der Grund Ihrer Einwürfe.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Bei der Rechnung von 2010 – es war der CDU-geführte Senat, der diese Zahlen genannt hat, nicht die SPD und auch nicht die FDP –, dass 7,7 Kilometer Stadtbahn 338 Millionen Euro kosten wür

den, bedeutet das, dass es jetzt 4,1 Milliarden Euro sind.

In einem Punkt gebe ich Ihnen recht, wir brauchen nicht beliebig viele Betriebshöfe, das können Sie abziehen. Aber Sie müssen obendrauf rechnen, dass es die Zahlen von 2010 waren. Wir haben seitdem gerade bei den Baukosten eine erhebliche Steigerung, denn sie sind viel höher als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Wenn wir da nur 10 Prozent ansetzen – ich bin überzeugt davon, dass es in Wirklichkeit mehr ist –, dann kommen wir auf 400 Millionen Euro zusätzlich, damit sind wir bei 4,5 Milliarden Euro.

Und dann, Herr Wersich, das werden Sie besonders ungern hören, kommt der CDU-Faktor hinzu, wie ich es einmal nennen möchte, den wir auch noch obendrauf rechnen müssen.