Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Grundgesetz ist Ausdruck einer gewollten, offenen und lebendigen Sozialgemeinschaft. Insbesondere die Ausgestaltung des Rechtsstaatsprinzips ist die Antwort auf den NS-Staat mit seiner Unterdrückung, Willkür, Gewaltherrschaft und Tyrannei. Diejenigen, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung infrage stellen, erleben durch uns einen wehrhaften Rechtsstaat. Der Kampf gegen den politischen Extremismus ist eine Aufgabe, die von allen Fachbehörden, die zur Prävention einen Beitrag leisten können, erfüllt werden muss.
Dabei handelt es sich um eine klassische Querschnittsaufgabe, bei der die CDU eine führende Rolle bei der Innenbehörde sieht. Insbesondere der den Kolleginnen und Kollegen im Sozialausschuss bekannte Teil des Einsatzes der mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus zeigt uns, dass der Rechtsextremismus nach wie vor – ob wir wollen oder nicht – Teil unserer Gesellschaft ist. Dies gilt es nicht zu leugnen. Daher sind alle Kräfte in unserer schönen Stadt, ob es Einrichtungen des Staates, der Stadt oder der Kirchenvereine und Verbände sind, aufgerufen, den Extremismus bereits in seinen Anfängen zu bekämpfen. Die Senatsvertreter haben im Sozialausschuss durchaus erfreut darüber berichtet, dass unsere Stadt nicht Nährboden rechtsextremistischer Bestrebungen ist.
Die Kriminalstatistik und auch der Verfassungsschutzbericht stimmen mich da nicht ganz so froh – ob wir wollen oder nicht. Auch in Hamburg, insbesondere in ehemaligen klassischen Arbeiterstadtteilen, hat sich leider ein Spektrum mit einer politischen Nähe zu Parteien gebildet, die den
Nährboden für den politischen Extremismus von rechts bereiten. Hier dürfen Staat und Gesellschaft nicht wegschauen. Ich wiederhole: Staat und Gesellschaft dürfen nicht wegschauen. Hier müssen wir umfangreich, konzentriert und entschlossen reagieren. Wir müssen frühzeitig das Signal setzen, dass wir solche Bestrebungen nicht dulden, und mit aller Konsequenz und Härte durchgreifen.
Staat und Gesellschaft müssen aber auch denen, die auf dem falschen Weg sind, die Hand reichen, um sie in die demokratische, pluralistische und liberale Gesellschaft zurückzuholen. Auch das ist ein wesentliches Merkmal des sozialen Rechtsstaats. Strukturen, in denen sich Parteien wie die NPD in der Gesellschaft verfestigen, müssen wir von Anfang an – ich wiederhole: von Anfang an – bekämpfen, und wir müssen alles daransetzen, dass Menschen nicht in eine terroristische Subkultur wie im Falle der NSU abwandern.
Daher bin ich schon ein wenig verwundert, dass die Fraktion DIE LINKE diesem Antrag, der der Idee der wehrhaften Verfassung Geltung verschaffen soll, nicht zuzustimmen vermag. Der Ziffer 1 b) werden wir, die CDU, zustimmen. Die restlichen Ziffern nehmen wir zur Kenntnis. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU – Christiane Schneider DIE LINKE: Warum stimmen Sie denn nicht zu? Was haben Sie denn da?)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde, dass das keine leichte Debatte ist, die wir uns hier vorgenommen haben, und an den zwei Beiträgen kann man schon erkennen, dass man bei diesem Thema ganz wunderbar schlicht und einfach aneinander vorbeireden kann. Das ist eine der Schwierigkeiten, die uns immer begegnen – uns hier im Parlament, aber auch in der Gesellschaft –, und das macht auch deutlich, warum es so schwer ist, Rechtsextremismus tatsächlich zu bekämpfen.
Frau Nitruch hat eine wunderbare Rede gehalten, und ich teile fast alles, was Sie gesagt haben, vor allem auch die Notwendigkeit, die Erinnerungskultur, wie es so schön heißt, zu verknüpfen mit den aktuellen Tendenzen. Aber trotzdem ist es natürlich nicht so, dass wir uns immer darüber einig sind, wo es dann anfängt, wo zum Beispiel lediglich aus Sicht der Innenbehörde agiert werden soll und wo wir eigentlich viel tiefer in die Gesellschaft
hineingehen und sozusagen schon mit der Bildung in den ersten Schulklassen anfangen müssen. Zu diesem Zweck schon frühzeitig aufzuklären, zu bilden und präventiv zu arbeiten, dazu hat sich ein breites Bündnis in dieser Stadt zusammengefunden und sich auch auf ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus verständigt. Das finde ich ausdrücklich gut. Das haben wir begrüßt und das begrüßen wir auch weiterhin.
Nur darf man natürlich an der Stelle nicht stehen bleiben. Darüber müssen wir uns politisch immer wieder einig werden können, und ich weiß nicht, ob das in dieser Debatte heute gelingt. Vielleicht braucht es einen anderen Raum dafür, denn es geht nicht nur darum, sich mit der NPD oder anderen rechtsextremen Parteien oder Gruppierungen zu befassen, sondern wir müssen uns schlicht und einfach damit auseinandersetzen, dass es in dieser Gesellschaft, deren Teil wir alle sind, Rassismus und Diskriminierung gibt und über 30 Prozent der Menschen ein nicht geschlossenes, aber durchaus rechtsaffines Bild der Gesellschaft und der Politik haben. Das ist und bleibt ein großes Problem.
Die neuen Maßnahmen, die wir in der Sozialausschusssitzung besprochen haben, sind sicherlich hilfreich und zeigen, dass der Senat selbst sich diesem Thema auch immer wieder widmen will. Aber ich hatte jetzt erwartet – die Sitzung war im Januar –, dass wir vielleicht noch einmal hören würden, wie es weitergegangen ist. In der Ausschusssitzung sind viele Fragen offen geblieben, zum Beispiel die Frage, was aus der Antidiskriminierungsberatung in dieser Stadt wird. Die Integrationszentren sollen das übernehmen. Im Januar waren die Verhandlungen noch nicht zu Ende, und wie jetzt der Sachstand ist, hätte ich zum Beispiel gerne gewusst. Darüber hinaus hätte ich gerne gewusst, inwieweit die Ausstiegsberatung, die neu strukturiert werden sollte, inzwischen funktioniert. Sie können mir natürlich jetzt sagen, das könnte ich alles mit Schriftlichen Kleinen Anfragen abfragen, aber das wollte ich nicht, ich wollte es hier diskutieren. Ich finde es bedauerlich, dass das, wie es aussieht, nicht gelingt.
Ich glaube auch nicht, dass sich CDU, SPD und GRÜNE – für die LINKEN will ich das jetzt hier nicht vorauseilend beschreiben – wirklich einig darin sind, was eigentlich das größte Problem beim Rechtsextremismus in dieser Gesellschaft ist. Ich glaube nicht, dass eine besondere Verstärkung von Strafverfahren und ein besonderer Fokus auf einzelne rechtsextremistische politische Strömungen das Entscheidende sind, sondern wir müssen uns darüber einig werden, Rassismus, Diskriminierung und Chauvinismus in dieser Gesellschaft zu bekämpfen, und da ist der Weg noch lang.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg ist eine offene Weltstadt, deren Bürgerinnen und Bürger immer wieder zeigen, dass sie couragiert sind und sich für eine offene Stadt ohne Rassismus und Diskriminierung einsetzen, zum Beispiel – darauf wurde an dieser Stelle schon eingegangen – bei der Aktion "Hamburg bekennt Farbe" im Juni vorletzten Jahres, als circa 10 000 Bürger auf dem Rathausmarkt ein Zeichen gegen Neonazis gesetzt haben. Auch im Alltag wird Zivilcourage sicher immer wieder an den Tag gelegt. Ich bin mir sicher, dass es etliche Beispiele gibt, bei denen Bürger ihren Mitbürgern zu Seite springen, wenn es wieder einmal zu Äußerungen mit rechtsextremem Hintergrund oder, noch schlimmer, zu Tätlichkeiten kommt. Das sind couragierte Einsätze von Bürgern, die nicht ans Licht der Öffentlichkeit gelangen, und diesen Bürgern sei an dieser Stelle einfach einmal gedankt.
Dasselbe gilt für das Engagement zahlreicher Ehrenämtler, die in ihren Vereinen und Verbänden organisiert gegen Rechtsextremismus und für mehr Toleranz eintreten. Politisch muss es darum gehen, dieses bürgerschaftliche Engagement mithilfe zielgerichteter Maßnahmen zu unterstützen und Beratung anzubieten, wenn ein Verein oder auch Privatpersonen hier Hilfe von kompetenter Seite benötigen.
Vor einigen Tagen wurde der NSU-Untersuchungsbericht des Senats veröffentlicht. In dem Bericht werden die Ermittlungen nach der NSU-Mordserie, hier insbesondere hinsichtlich des schrecklichen Verbrechens an dem Gemüsehändler Süleyman Tasköprü 2001, behandelt. Neben der Aufarbeitung der Versäumnisse geht der Bericht auf die Konsequenzen und Reformen auf Bund-LänderEbene, aber auch hier in Hamburg ein. Der Innenausschuss wird sich in seiner Sitzung am 13. Mai mit diesem Bericht befassen. Der Sozialausschuss hat sich in seiner Sitzung im Januar mit dem Maßnahmenpaket des Senats zur Prävention gegen Rechtsradikalismus beschäftigt. Wie ich bereits sagte, geht es dabei darum, unterstützende Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Es geht aber auch darum, diese Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Das muss für behördlich geplante und durchgeführte Maßnahmen genauso gelten wie für Maßnahmen, die von freien Trägern
umgesetzt werden, denn ohne Überprüfung kann nicht ausgeschlossen werden, dass Maßnahmen ins Leere laufen beziehungsweise sich gegenseitig sogar behindern. Außerdem wandelt sich die Gesellschaft laufend, und Imageprofile, Trends und Kommunikationswege erneuern sich ständig.
Die Forderung nach einer Evaluation der Maßnahmen hat der Senat leider faktisch abgelehnt, indem er das Landesprogramm ein Jahr später als ursprünglich von der Bürgerschaft gefordert vorgelegt hat und die von uns erbetene Prüfung in der Mittelvergabe für den Haushaltsplan-Entwurf 2013/2014 somit unmöglich wurde. Deswegen hatten wir unseren Antrag im Ausschuss dann auch zurückgenommen, weil es einfach keinen Sinn machte. Aber auch für die Zukunft sieht das Landesprogramm keine Evaluation vor. Von einem effektiven Einsatz der Mittel kann also keine Rede sein. Wir müssen doch im Sinne der Bürgerinnen und Bürger daran interessiert sein, dass sichergestellt wird, dass die bereitgestellten Mittel in die wirksamen Projekte einfließen, egal, ob es sich hierbei um Bundes- oder Landesmittel handelt. Neben der fehlenden Evaluation ist aber auch insgesamt mit dem Landesprogramm leider kein sehr großer Wurf gelungen. Es entsteht kein Gesamtkonzept, vielmehr werden einzelne Maßnahmen nebeneinander geplant. Natürlich sind viele einzelne Maßnahmen besser als gar keine und zum Beispiel die Maßnahme des mobilen Beratungsteams sinnvoll.
Die geplanten Maßnahmen sollten auch möglichst vollständig und zügig umgesetzt werden. An dieser Stelle zögert der Senat aber noch an einigen Stellen. Ein Beispiel wurde eben von Antje Möller genannt: das Ausstiegshilfeprojekt für junge Menschen, das niedrigschwellig und sicherheitsbehördenunabhängig in freier Trägerschaft installiert werden soll. Die Förderrichtlinie wird immer noch geplant,
und es ist bis Anfang April nichts passiert, wie wir der Antwort auf unsere Schriftliche Kleine Anfrage von Anfang April entnehmen konnten, die mein Kollege Carl Jarchow eingebracht hat. Es bedarf also des sinnvollen, zielgerichteten und ergebnisorientierten Einsatzes finanzieller Mittel für aufeinander abgestimmte und ineinandergreifende Maßnahmen, die ein engmaschiges Netz aus präventiven, niedrigschwelligen und reaktiven Angeboten bilden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Das Landesprogramm zur Förderung demokratischer Kultur, Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus steht nach einer Aktuellen Stunde und nach der Ausschussberatung nun zum dritten Mal zur Debatte in der Bürgerschaft. Ich finde das durchaus angemessen,
denn wenn auch die organisierten Nazis – ich schaue mir zum Beispiel regelmäßig ihre Websites an – in Hamburg derzeit in einer Krise und deshalb vergleichsweise wenig aktiv sind, gibt es dennoch keinen Grund, in der Aufmerksamkeit nachzulassen.
Nicht nur, weil wir aus anderen Städten und Regionen von brutalen menschenfeindlichen Aktionen von Rechten erfahren, organisiert zum Beispiel gegen Flüchtlingsunterkünfte, wo die Zahl der Anschläge seit ungefähr einem Jahr ununterbrochen zunimmt, sondern weil die Problematik gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit keineswegs auf organisierte Nazis und andere organisierte Rechte beschränkt ist.
Wir haben es mehrfach gesagt, Herr Warnholz, Sie scheinen nicht zugehört zu haben, dass wir dieses Programm begrüßen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Senat diesen Ansatz, nämlich die Auseinandersetzung mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, gewählt hat. Damit werden die Vorurteile und Ressentiments gegenüber einer Reihe ganz unterschiedlicher Gruppen in den Fokus genommen. Dabei geht es um Vorurteile und um Ressentiments, die die Gleichwertigkeit und die Unversehrtheit der Angehörigen dieser Gruppen infrage stellen. So unterschiedlich diese Gruppen sein mögen, sie erfahren, weil sie als irgendwie anders wahrgenommen werden, Abwertung und Ausgrenzung bis hin zu körperlicher Gewalt. Zugrunde liegt all diesen Vorurteilen und Ressentiments gegen Gruppen Andersaussehender oder Anderslebender eine Ideologie der Ungleichwertigkeit. Es geht bei diesem Ansatz zur Förderung demokratischer Kultur eben nicht nur um eine eingegrenzte Gruppe von Nazis und anderen Rechten, sondern dieser Ansatz wendet sich an die ganze Gesellschaft. Er zielt darauf, die Gesellschaft zu sensibilisieren gegen rassistische, antisemitische, antiziganistische – das möchte ich an dieser Stelle betonen –, sozialdarwinistische, homophobe, also gruppenbezogene Vorurteile und Ressentiments.
Gegen solche Vorurteile und Ressentiments ist niemand in dieser Gesellschaft per se gefeit. Sie sind bis weit in die Mitte der Gesellschaft zu finden,
das zeigen die seit 2006 zweijährlich von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen "Mitte-Studien". Danach sind antidemokratische Einstellungen in allen Teilen der Gesellschaft in erheblichem Maße anzutreffen und keineswegs nur bei einer kleinen Gruppe am rechten Rand. Dabei stieg jedoch die Zahl derer, die ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben und vertreten, zwischen 2010 und 2012 von 8,2 auf 9 Prozent. Das ist viel, das ist fast jeder Zehnte oder Elfte. Der Ansatz, den das Programm wählt, ist nach unserer Auffassung geeignet, diskriminierende Vorurteile und Haltungen und ihre Verfestigung zu einem geschlossenen Weltbild auch präventiv zu bekämpfen und die Zivilgesellschaft zu ermuntern, dem Austoben gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im öffentlichen Raum offensiv entgegenzutreten.
Als noch unzureichend sehen wir die Handlungskonzepte für staatliche Institutionen. Ihre interkulturelle Öffnung ist Bestandteil des Programms und in der Tat eine wichtige Aufgabe, unverzichtbar dafür, Barrieren wegzuschaffen, die vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch andere Gruppen, diskriminieren und ihnen das Leben immer noch schwer machen. Ich möchte aber an eine Erkenntnis erinnern, die nicht nur DIE LINKE, sondern auch die SPD aus dem NSU-Untersuchungsausschuss gezogen hat. Die SPD kritisiert in ihrer ergänzenden Stellungnahme zum Abschlussbericht auf Seite 877 der Bundestagsdrucksache 17/14600 – ich zitiere –:
"Strukturelle rassistische Vorurteile waren eine wesentliche Ursache für die fehlende Offenheit der Ermittlungen zu den Morden und Sprengstoffattentaten des NSU"
Darüber werden wir im Zusammenhang der jetzt endlich vorliegenden Senatsdrucksache zum NSUKomplex sicher noch ausführlicher sprechen.
Meine Fraktion hält es jedoch für problematisch, gerade weil bekannt ist, dass in den Behörden durchaus die eine oder andere Konsequenz für die Arbeitsweise gezogen wird, dass dieses Problem aus dem Landesprogramm ausgespart wird.
Wichtig ist nun, die Umsetzung des Landesprogramms regelmäßig zu überprüfen und die Kontinuität der Programme und Handlungsschwerpunkte zu sichern. Ebenso wichtig ist eine ausreichende finanzielle Ausstattung. Auch bedarf es gegenüber dem Bund im Hinblick auf seine Beteiligung an solchen Maßnahmen wohl eines ständigen Drucks. Das ist im Landesprogramm im Prinzip enthalten; es wird angekündigt, dass man die Bundesregierung immer wieder sozusagen ermahnen werde, selber die Programme fortzusetzen und zu versteti