Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass die Hochschulen mit diesem Entwurf vor einer Bewältigung alter und neuer Aufgaben stehen und teilweise auch vor Strukturveränderungen, aber ich bin zuversichtlich. Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Mitgliedern der hamburgischen Hochschulen, dass Veränderungen für eine besser sichtbare Lehr- und Forschungsinfrastruktur notwendig sind. Der Senat stellt sich mit diesem Entwurf seiner politischen Verantwortung. Er justiert zwischen Freiheit der Hochschulen und Verantwortung für das Studium, für eine gute Lehre und Forschung sowie der erforderlichen Transparenz neu.

(Beifall bei der SPD)

Zur Organisation der Hochschulen: Das Präsidium, das schon angesprochen worden ist, bleibt als kollegiales Leitungsorgan erhalten, jedoch mit einer gestärkten Richtlinienkompetenz des Präsidenten oder der Präsidentin. Wir ermöglichen da – ganz wichtig –, wo sie gewollt ist, eine sogenannte dritte Ebene und führen die in der Wissenschaft etablierte Urorganisationsform der Institute wieder ein.

Durch neue Berichtspflichten von Präsidium und Dekanat sorgt der Gesetzentwurf für mehr Transparenz gegenüber den akademischen Gremien in Finanzangelegenheiten. Bei der Entscheidung über die Verwendung freier oder frei werdender Stellen der Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen wird es ein gestuftes Verfahren geben. Es beginnt mit der Anhörung der Fakultätsräte, danach erfolgt die Erörterung im erweiterten Präsidium, wo Präsidium und Dekane diskutieren, und dann erfolgt die Entscheidung des Präsidiums.

Meine Damen und Herren! Auch für Studium und Lehre enthält der Gesetzentwurf Verbesserungen. So führen wir für beruflich Qualifizierte eine flexibilisierte Quote bei der Hochschulzulassung ein. Als Basis wird die Quote für beruflich Qualifizierte auf 3 Prozent festgelegt. Durch frei werdende Plätze in der Härtefall- oder Sportlerquote kann diese allerdings auf bis zu 10 Prozent ansteigen. Damit, und das ist wirklich ganz wichtig, eröffnen wir den Hochschulzugang für Menschen mit vielfältigen Bildungsbiografien und reagieren auch auf die ge

(Zweite Bürgermeisterin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

wachsenen Qualifikationsbedarfe auf dem Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der SPD)

Auf Anregung der Studierenden haben wir eine flexibilisierte Regelung für den Übergang vom Bachelor- zum Masterstudiengang aufgenommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein übergeordnetes und großes Anliegen ist dem Senat und insbesondere mir die Gleichstellung. Noch immer gibt es zu wenig Professorinnen und vor allem auch zu wenig Hochschullehrerinnen in Leitungsfunktionen. Deshalb wird auch zukünftig die Frauenförderung als Aufgabe der Hochschulen ausdrücklich im Hochschulgesetz erwähnt.

(Beifall bei der SPD)

In Übereinstimmung mit dem gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm des Senats wird es für alle Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen sowie den Hochschulrat eine vierzigprozentige Geschlechterquote geben. In puncto Diversität stellen die Hochschulen ein diskriminierungsfreies Studien-, Lehr-, Forschungs- und Arbeitsumfeld für alle Hochschulmitglieder sicher.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Verbesserungen der Situation wissenschaftlicher und künstlerischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir alle wissen – hier auch mehrfach diskutiert –, dass es an den Hochschulen vielfältige Formen prekärer Beschäftigungsverhältnisse gibt. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben gerade in jener Lebensphase, in der wichtige Entscheidungen getroffen und zum Beispiel auch Familien gegründet werden, in vielen Fällen keinerlei mitteloder gar langfristige Planungssicherheit, und das wollen wir ändern.

(Beifall bei der SPD)

Zusammen mit den Gewerkschaften, Personalräten und Hochschulvertretern hat die Wissenschaftsbehörde deshalb einen Prozess zum Abbau dieser prekären Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft durchgeführt. Die Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Code of Conduct hat Vorschläge für die Änderung des Hochschulgesetzes erarbeitet, die in den Gesetzentwurf eingeflossen sind. Das sind beispielsweise folgende Punkte: Für Promovenden wird die Dauer der befristeten Arbeitsverhältnisse von höchstens drei auf grundsätzlich drei geändert. Der Beschäftigungsumfang wird von regelhaft einer halben Stelle auf mindestens eine halbe Stelle geändert. Für Habilitanden ist die Verlängerung der Stelle nach drei Jahren zukünftig nicht mehr optional, sondern zwingend, wenn bestimmte Qualitätsvoraussetzungen erfüllt werden. Für Funktionsstellen in der Wissenschaft, zum Beispiel Laborleiter oder Dozenten, gilt fortan der Grundsatz, dass Daueraufgaben auf Dauerstellen erledigt werden sollen. Mit diesen Regelungen

stellt sich Hamburg an die Spitze der Länder, wenn es darum geht, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und Sicherheiten in der weiteren Qualifizierungsphase zu geben.

Ich möchte gerne noch auf zwei Punkte des Gesetzentwurfs eingehen, die besonders diskutiert worden sind, auf die Transparenzklausel für Drittmittelvorhaben und die Exmatrikulation. Zunächst zur Transparenzklausel. Grundsätzlich gilt für Hochschulen als Ort der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung, dass die Freiheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Auswahl der Forschungsgegenstände sowie der Drittmittelgeber Grundvoraussetzung für die wissenschaftliche Innovationskraft ist.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig geht mit der Freiheit der Forschung eine große Verantwortung der Wissenschaft einher. Insbesondere muss eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Forschung, die an den staatlichen Hochschulen erfolgt, möglich sein. Eine aus öffentlichen Mitteln geschaffene Infrastruktur für die Forschung und auch aus öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung sollte deshalb keinen Diskurs scheuen. Voraussetzung für die gesellschaftliche Auseinandersetzung ist also Transparenz, und die wird mit der neuen Regelung geschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass wir damit eine kluge Balance gefunden haben.

Zur Exmatrikulationsregelung: Es hat dazu viele Gespräche mit einzelnen von Ihnen gegeben, aber selbstverständlich auch in der Behörde, und es war ein großes Thema sowohl in der öffentlichen Anhörung, in der sich die Studierenden zu Wort gemeldet haben, als auch in der Sachverständigenanhörung. Es ist mir deswegen ganz wichtig, noch einmal auf folgende Aspekte hinzuweisen, die bei der Interpretation des Gesetzes und seiner Anwendung berücksichtigt werden sollten. Zunächst einmal ist die oft verwendete Bezeichnung Langzeitstudierende eigentlich irreführend, denn es geht gerade nicht um Menschen, die tatsächlich studieren, das heißt, einen Studiengang zielgerichtet verfolgen, sondern es geht um solche Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht mehr studieren. Die Regelung erfasst nur Personen, die ihr Studium für einen längeren Zeitraum nicht mehr betreiben. Um diese offene Formulierung zu konkretisieren, nennt das Gesetz zwei Beispielfälle: das Überschreiten der doppelten Regelstudienzeit zuzüglich zwei Semester – und darüber hinaus haben wir eine Härtefallklausel eingebaut – und wenn vier Semester lang kein Leistungsnachweis erbracht wurde. Diese Beispielfälle begründen zunächst nur die Vermutung, dass das Studium für einen längeren Zeitraum nicht betrieben wird. Diese Vermutung kann im Einzelfall entkräftet werden.

(Zweite Bürgermeisterin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

Sofern nachgewiesen wird, dass ein Studium wieder betrieben wird, ist eine Exmatrikulation unzulässig. Um es noch einmal zusammenzufassen: Wer vier Semester lang keine Leistungsnachweise erbracht hat oder die doppelte Regelstudienzeit zuzüglich zwei Semester überschritten hat, aber inzwischen wieder ernstlich studiert, kann daher nicht exmatrikuliert werden.

Auch heute ist behauptet worden, das Gesetz sei verfassungswidrig. Das ist es nicht. Das Rechtsgutachten des renommierten Hochschulrechtlers Professor Knopp hat bestätigt, dass das Gesetz verfassungskonform ist – die Verbesserungsvorschläge von Professor Knopp haben wir aufgenommen –, und auch die Sachverständigen hatten keine grundsätzlichen Bedenken. Deswegen sage ich, dass wir die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2010 ausreichend umsetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf ist in dem Diskussionsprozess gewachsen, und ich sage an dieser Stelle ausdrücklich all denjenigen, die sich in der Hochschulöffentlichkeit, der darüber hinausgehenden breiteren Öffentlichkeit und im Parlament beteiligt haben, Dank für ihre Beiträge. Ich hoffe sehr auf Ihre Unterstützung des Gesetzes, das wir Ihnen vorgelegt haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tode von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Hauptgebäude der Universität steht der Leitsatz: Der Forschung, der Lehre, der Bildung. Er formuliert ein Bildungsideal. Der Bildungsauftrag der Hochschulen umfasst offenbar mehr als Forschung und Lehre. Bildung ist mehr als bloß die Summe dieser beiden – Forschung und Lehre –, die auch heute noch oft selbstverständlich als erschöpfende Aufgabe der Hochschulen genannt werden. Wenn Bildung also hier explizit als Drittes dargestellt wird, dann heißt das, dass Bildung mehr ist als nur die Schaffung und Vermittlung von kognitivem Wissen, nämlich umfassende humanistische und demokratische Bildung von Menschen, Kultur und Gesellschaft. Ob dies in der Umsetzung des BolognaProzesses immer gelingt, kann sicherlich kritisch hinterfragt werden. Dennoch ist es dieses demokratische Bildungsideal, das wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Deutschland erstmals in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts gegen die bürgerlich-konservativen Eliten durchgesetzt haben und das dann in den Sechziger- und Siebzigerjahren wieder die große Leitidee unserer Bildungsreform war, an das wir heute anknüpfen, indem wir Hamburgs Hochschulen gegen reine Ökonomisierungsvorstellungen verteidigen

und die demokratische Grundidee der Hochschulen wieder zur Geltung bringen, wie wir es übrigens schon mit unserer ersten großen Reform in dieser Legislaturperiode getan haben, nämlich der Abschaffung der sozial ausgrenzenden Studiengebühren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Eine Autonomie staatlicher Bildungseinrichtungen von behördlicher Detailsteuerung macht nur dann Sinn, wenn diese autonomen Hochschulen zugleich intern in hohem Maße demokratisch verfasst sind. Deswegen setzen wir unsere Reform so an, dass wir einerseits das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, die Hochschulräte also nicht gänzlich abschaffen, andererseits aber die Einbeziehung externen Sachverstands wieder in ein ausgeglichenes Verhältnis setzen zur internen Demokratisierung der Hochschulen und zur Beteiligung der Hochschulangehörigen.

Wir stärken zum Beispiel in erheblichem Maß die Stellung der Hochschulsenate. Wir verschränken die Verantwortlichkeit von Hochschulsenat und Hochschulrat bei zentralen Angelegenheiten bei gleichzeitig klarer Aufteilung der Kompetenzen. Wir erhalten die Präsidien als kollektive Leitungsorgane bei gleichzeitiger Stärkung der Richtlinienkompetenz der Präsidentinnen und Präsidenten. Wir schaffen wieder die Möglichkeit der Einrichtung einer dritten Ebene der demokratischen Steuerung und Beteiligung, also von Instituten und Fachbereichen.

Und, Herr Kleibauer, ich halte das schon für ein interessantes Rechtsverständnis, wenn Sie formulieren, dass das bisher auch nicht geregelt sei und doch funktioniert hätte. Dann können wir auch bei anderen Problemen sagen, es funktioniert doch, also müssen wir es nicht regeln.

(Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

Das ist interessant, aber vor allem zeigt es doch, Herr Wersich, dass man offensichtlich diese dritte Ebene braucht, denn die gibt es, und warum soll man diese Möglichkeit nicht ins Gesetz schreiben?

(Beifall bei der SPD)

Wir stärken die Verantwortlichkeit der Kanzlerinnen und Kanzler in den Wirtschafts- und Verwaltungseinheiten der Hochschulen, wobei wir sicherlich die Wirkung dieser neuen Kompetenzverteilung in den kommenden Jahren sorgfältig überprüfen müssen.

Bemerkenswert ist, dass nun wieder fast die gesamte Opposition beklagt, dass die Autonomie der Hochschulen noch nicht weit genug ginge und der demokratische Staat in Form von Bürgerschaft, Senat und Wissenschaftsbehörde noch immer viel zu viel zu sagen und zu kontrollieren hätte. Dazu kann ich nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, anders als Sie verstehen wir Autonomie nicht

(Zweite Bürgermeisterin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

als Freiheit von demokratischer Steuerung, und zwar weder von innen noch von außen. Die Hochschulen, zumal die staatlichen, sollten sich weitgehend autonom selbst organisieren, aber der Rahmen, in dem sie das tun, ist ein demokratisch legitimierter, ein politischer Rahmen, und dieser soll weiterhin eher gestärkt als durch das Ganze zurückgeführt werden. Herr Schinnenburg, Sie haben gesagt, gebt den Hochschulen mehr Autonomie, aber bei dieser Forderung müssten Sie doch für die Abschaffung der Hochschulräte sein.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Das Wichtigste ist – und das haben Sie alle ein bisschen vernachlässigt, die Senatorin und Herr Kühn haben darauf hingewiesen –, dass wir die Arbeitsbedingungen und Berufsperspektiven junger Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen verbessern. Wir haben zwei wichtige Schritte gemacht. Zum einen haben wir aus Hamburg die Forderung an die Bundesebene gerichtet, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu reformieren. Dies ist so weit gegangen, dass es mittlerweile Teil des Koalitionsvertrags ist, und insofern hoffen wir, dass es hier zu einer Veränderung kommt. Zum anderen haben wir im Frühjahr mit dem "Code of Conduct" zwischen Senat, Hochschulen und Gewerkschaften erreicht, dass in Hamburg die prekären Arbeitsverhältnisse konkret verbessert werden; die Senatorin hat dezidiert darauf hingewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Und drittens schreiben wir diese Ziele auch als konkrete Vorgaben im Hochschulgesetz fest; das ist einzigartig in der Bundesrepublik. Es ist nämlich jetzt festgeschrieben, dass Promotionsstellen nun mindestens drei Jahre umfassen anstatt bisher höchstens drei Jahre. Sie müssen nun mindestens den Umfang einer halben Stelle haben, was bisher keinesfalls selbstverständlich war, und davon ist mindestens ein Drittel der Zeit für die eigene wissenschaftliche Freiheit und Arbeit freizuhalten. Wenn Sie wissen, wie die Universitäten funktionieren, dann wissen Sie, wie wichtig es für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist, dass sie selbst darauf verweisen können, im Gesetz stehe, dass sie ein Recht auf eigene Forschung während ihrer Zeit bei der Promotion haben. Und die Weiterbeschäftigung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der Promotion wird nunmehr obligatorisch.

Diese neuen gesetzlichen Regelungen, die wir heute durchsetzen, stellen zusammen mit den schon vorher erreichten Maßnahmen einen sehr großen Fortschritt für die Beschäftigungsbedingungen dar, für mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit von Berufsperspektiven und sind damit auch ein großer Fortschritt für mehr wissenschaftliche Qualität und Innovationsfähigkeit. Dazu gehört auch der dringende Appell unseres Zusatzantrags an die

Kultusministerkonferenz, die bundesweite Mobilität für Lehramtsstudien zu sichern. Wir haben heute zehn Jahre Bologna-Prozess, und man kann diesen sicherlich auch kritisch bewerten. Das Ziel europaweiter Bildungsmobilität ist und bleibt aber wünschenswert.

(Beifall bei der SPD)

Vor diesem Hintergrund erscheint es absurd, dass Lehramtsstudierende nicht von Flensburg nach Hamburg oder von Hamburg nach Hannover wechseln können. Da richtet die SPD-Fraktion den dringenden Appell, hier Lösungen zu schaffen, und wir haben mit unserem Zusatzantrag eine weitere Lösungsmöglichkeit aufgezeigt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich Herrn Kleibauer von der CDU-Fraktion das Wort gebe, habe ich noch eine Frage an Herrn Schinnenburg. War das ein Lebenszeichen oder eine Wortmeldung eben?