Protocol of the Session on September 25, 2014

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(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Jarchow von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach dem CDU-Thema der Aktuellen Stunde gestern haben wir es heute noch einmal mit zwei Debattenanmeldungen zum Thema Innere Sicherheit zu tun. Der Ansatz, den polizeilichen Jugendschutz weiter zu stärken, findet sicherlich unser aller Zustimmung. Allerdings bedarf es hier noch einiger zusätzlicher Bemerkungen, denn der aus unserer Sicht glaubhaft erscheinenden Senatsantwort auf Ihre vorangegangenen Anfragen können Sie selbst entnehmen, dass die hier diskutierten Stellen aus dem Bereich Jugendschutz derzeit im Wesentlichen zur Sicherung des Vollzugsdienstes in den Revieren vor Ort zweckentfremdet werden. Diese Zweckentfremdung, wie von Ihnen beantragt, zu beenden und die betreffenden Personalressourcen damit aus den Revieren abzuziehen würde unsere Polizei vor Ort erst einmal weiter schwächen und die ohnehin beeinträchtigte Gewährleistung der Inneren Sicherheit für den Bürger noch weiter verschlechtern. Das wäre im Übrigen genau das Gegenteil dessen, was Sie vonseiten der CDU sonst fordern und gerade gestern in der Aktuellen Stunde auch gefordert haben.

Des Weiteren könnten viele der im Antrag genannten klassischen Aufgaben des Jugendschutzes durch eine natürlich möglichst valide Besetzung des Vollzugsdienstes in den Revieren wahrgenommen werden. Weiterhin kann hier schwerpunktmäßig auch die in den letzten Jahren neu geschaffene zentrale "Dienstgruppe Operative Aufgaben" tätig werden. Die dort zusammengezogenen Beamten so einzusetzen, ist auch aus liberaler Sicht natürlich keine optimale, aber eine pragmatische Lösung im Rahmen begrenzter Mittel und vorhandener Mängel.

Eine unverzügliche Nachbesetzung des unbesetzten Drittels der Jugendschutzdienststellen, wie Sie es beantragen, müsste angesichts des zur Besetzung des Stellenplans völlig unzureichenden Budgets natürlich im Rahmen der Bewirtschaftung zulasten der Wiederbesetzung anderer Stellen im Polizeivollzugsdienst erfolgen. Diese könnten aufgrund der Personalfluktuation im Zweifel wiederum auch nur zulasten des Reviervollzugs erfolgen. Wenn es Ihnen mit der Stärkung des Jugendschutzes also wirklich ernst ist und Sie keine weiteren Verschlechterungen bei der Gewährleistung der Inneren Sicherheit vor Ort wünschen, hätten Sie hier eine entsprechende ausgleichende Anpassung des Personalbudgets im betreffenden Produktbereich des Einzelplans 8.1 beantragen müssen. Das haben Sie aber in der Drucksache gerade nicht beantragt oder bewusst verschwiegen. Somit halten wir Ihren Antrag aus diesen Gründen für nicht zustimmungsfähig. – Vielen Dank.

(Antje Möller)

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Yildiz von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU scheint auf Fehlergebnisse der rechtspopulistischen AfD in anderen Bundesländern reagieren zu wollen.

(David Erkalp CDU: Nun hören Sie mal auf, Herr Yildiz! – Zurufe von der CDU)

Ich finde, dass hier Jugendschutz und Innenpolitik zum Wahlkampfthema gemacht werden.

(Zurufe von der CDU)

Hören Sie jetzt einmal zu. Danach können Sie reden, aber lernen Sie einmal zuzuhören.

Dass Jugendschutzthemen und innenpolitische Themen auch für den Wahlkampf missbraucht werden, finde ich traurig. Ich will einigen Abgeordneten, hauptsächlich Herrn de Vries und der CDU, deutlich machen, was der Unterschied zwischen polizeilichen Aufgaben und dem präventiven sogenannten Jugendschutz ist. Sie betonen in Ihrem Antrag, dass die Polizei dafür da sei, Straftaten nachzugehen und zu ermitteln und nicht, angeblich gefährdeten Jugendlichen präventiv hinterherzuschlurfen. Straßensozialarbeit, offene Kinder- und Jugendarbeit, Stadtteilpädagogen und andere Formen der sozialen Infrastruktur sind dafür da, damit benachteiligte Kinder und Jugendliche Anlaufstellen haben, um bei ihren alltäglichen Problemen Hilfe zu bekommen. Das ist richtige Jugendschutzund Präventivarbeit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird bei der sozialen Infrastruktur immer mehr gekürzt, die Stadtteilinitiativen haben immer weniger Geld, Straßensozialarbeit nimmt immer mehr ab. Und Sie versuchen das, was man eigentlich mit sozialpolitischen Mitteln unter Kontrolle bringen kann, nämlich Kinder und Jugendliche in dieser Stadt zu stärken, mit polizeilichen Maßnahmen wieder geradezubiegen.

Ich möchte das an drei Beispielen verdeutlichen. Das aktuellste Beispiel ist das Thema Isis und Salafisten. Ich habe vorletzte Woche in Mümmelmannsberg ein Gespräch mit Initiativen gehabt. Ich habe sie gefragt, was sie überhaupt brauchen zum präventiven Arbeiten. Ich habe auch gefragt, ob sie mehr Polizei vor Ort brauchen, vielleicht den Staatsschutz oder den Verfassungsschutz. Wissen Sie, was die Antwort war? Sie haben gesagt, sie bräuchten Sozialarbeit vor Ort. Sie brauchen mehr Unterstützung, sie haben keine soziale Straßenarbeit, sie brauchen in den Initiativen ausreichend Personal, das sich um die Jugendlichen kümmern kann. Wenn Sie sich vorstellen, dass ein Mädchen

treff nur eine Stelle hat, wie soll sich eine Kollegin um Probleme der Jugendlichen kümmern und gleichzeitig noch um andere Probleme? Da müssen wir investieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Am Wochenende habe ich mit einem Jugendlichen, der beim "Kiezläufer" in Wilhelmsburg mitmacht, ein Gespräch gehabt. Das sind junge Männer und Frauen, die sich tatsächlich in ihrem Stadtteil engagieren, die auf Jugendliche zugehen und sie fragen, was sie brauchen. Er erzählte mir, dass er, wenn er einen Jugendlichen anspricht und ihn zum Beispiel zu einem Kaffee einlädt, das aus eigener Tasche zahlt. Sie machen diese wertvolle Arbeit ehrenamtlich, und er muss das zusätzlich noch aus eigener Tasche für ein Kind oder einen Jugendlichen, den er unterstützen möchte, finanzieren. Wegen des CDU-Antrags habe ich auch gefragt, wie es denn mit der Polizei wäre. Sie haben geantwortet, die Kinder und Jugendlichen würden davon abgeschreckt, wenn dort Polizei käme. Sie seien dann nicht kooperativ, sie seien immer gegenüber der Polizei – weil das jahrelang für innenpolitische Zwecke missbraucht wurde – skeptisch und hätten Ängste.

(Dr. Roland Heintze CDU: Die Polizei ist für innenpolitische Zwecke missbraucht worden! Das ist ja lächerlich!)

Aber wenn die "Kiezläufer" oder Erzieherinnen oder Sozialpädagogen vor Ort auf Jugendliche zugehen, dann wirkt das ganz anders. Sie sind offener, sie kommen mit ihnen ins Gespräch. Die Lösung ist, dass wir nicht mehr Polizisten auf der Straße brauchen, sondern noch mehr Menschen vor Ort, die sich bei sozialen Problemen bei Kindern und Jugendlichen engagieren, statt im Bereich der Polizei wieder zu investieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr de Vries, an das dritte Beispiel können sich vielleicht Ihre Kollegen aus Bergedorf noch erinnern. Die Stadtteilkonferenz Neuallermöhe hat mehrmals gefordert, dass ein zusätzlicher Straßensozialarbeiter eingestellt wird, aber dafür gibt es kein Geld. Und sogar der Polizeibeamte sagt diesbezüglich, dass es den Bedarf gäbe. Aber Sie reagieren darauf nicht, die SPD reagiert darauf nicht. Die Folge ist, dass tagtäglich in sozialen Projekten, bei denen wir auch in unseren Stadtteilen unsere Kinder und Jugendlichen irgendwann unterstützen müssen, Stellen gekürzt werden. Und da muss investiert werden, wir brauchen nicht mehr Polizei auf der Straße, sondern wir brauchen soziale Projekte, die Kinder und Jugendliche unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, dann können wir

(Carl-Edgar Jarchow)

zur Abstimmung kommen. Zunächst lasse ich über den CDU-Antrag aus der Drucksache 20/12979 abstimmen.

Wer diesen annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Dann kommen wir zum Antrag der SPD-Fraktion aus der Drucksache 20/13135.

Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 26 und 31, den Drucksachen 20/12910 und 20/12981, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Hamburg wird Fahrradstadt und Antrag der CDU-Fraktion: Radverkehrsstrategie für Hamburg weiter umsetzen und fortschreiben.

Zur Drucksache 20/12981 liegt Ihnen als Drucksache 20/13122 ein Antrag der SPD-Fraktion vor. Vonseiten der Fraktionen der GRÜNEN und der LINKEN liegt ein Antrag auf Überweisung der Drucksache 20/12910 an den Verkehrsausschuss vor. Darüber hinaus möchte die Fraktion DIE LINKE auch die Drucksachen 20/12981 und 20/13122 an den Verkehrsausschuss überweisen.

[Antrag der GRÜNEN Fraktion: Hamburg wird Fahrradstadt – Drs 20/12910 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Radverkehrsstrategie für Hamburg weiter umsetzen und fortschreiben – Drs 20/12981 –]

[Antrag der SPD-Fraktion: Neuen Schwung beim Radverkehr aufrechterhalten! – Drs 20/13122 –]

Wird das Wort gewünscht? – Herr Dr. Steffen von der GRÜNEN Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute stimmen dir darüber ab, ob Hamburg zu einer echten Fahrradstadt werden soll oder ob weiterhin das Fahrrad ein Verkehrsmittel bleiben soll, das eine verkehrliche Restgröße darstellt. Diese Entscheidung können Sie heute bei der Abstimmung über unseren Antrag treffen.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben uns sehr gründlich angeschaut, was andere Städte in Deutschland machen. Ich selbst ha

be mir allein in diesem Jahr zweimal die Radverkehrssituation in Kopenhagen angesehen. Es gibt viele Beispiele, über die man etwas lesen kann, und es gibt viele Städte, die sich in Fragen der Radverkehrspolitik auf den Weg gemacht haben. Sie haben erkannt, dass das Fahrrad auch von seiner Leistungsfähigkeit her ein gleichberechtigtes und gleichwertiges Verkehrsmittel im Vergleich zum Auto und zu Bus und Bahn ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

An diesen Städten wollen wir uns ein Beispiel nehmen. Deswegen haben wir ganz konkret vorgelegt, was unserer Meinung nach Hamburg tun müsste, um zu einer echten Fahrradstadt zu werden. Nun hat die Diskussion über die Fahrradförderung in Hamburg eine schon etwas längere Geschichte. Wir haben eine Radverkehrsstrategie, auf die sich SPD und CDU in ihren Anträgen bezogen haben. Die Radverkehrsstrategie stammt im Kern aus der Mitte der Neunzigerjahre. Ab 1997 hatte Rot-Grün regiert, damals wurde das Velorouten-Konzept aufgelegt. Dieses Konzept ist immer noch das Rückgrat der Radverkehrsstrategie. Aus der Zeit also stammt der Kern des Handelns in der Radverkehrspolitik in Hamburg. Bestimmte Dinge sind Mitte der Neunzigerjahre sicher richtig gewesen, andere haben sich schlicht verändert. Vor allem hat sich die Frage verändert, wie wir mit dem Platz in der Stadt umgehen müssen, wenn wir den Verkehr zwischen verschiedenen Verkehrsträgern verteilen. Seinerzeit hat man die Velorouten in erster Linie so geplant, dass auf keinen Fall dem Autoverkehr Platz weggenommen wird. Deswegen werden viele Velorouten recht umwegig auf Nebenstraßen geführt. Das ist zwar manchmal ganz beschaulich, aber tatsächlich für eine zügige Fortbewegung nicht das richtige Angebot.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Städte, die erfolgreich in der Radverkehrsförderung sind, schaffen Platz für den Radverkehr auf ihren Hauptstraßen. Sie schaffen dadurch zügig zu befahrende Verbindungen, wo auch einmal ein paar mehr Radfahrerinnen und Radfahrer fahren können, wo es also tatsächlich möglich ist, dass auch Leute mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fahren. Mehr Platz, das ist das Gebot der Stunde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist auch gut möglich, weil der Autoverkehr in der Stadt zurückgeht. Dies ist auch eine andere Situation, als wir sie noch Mitte der Neunzigerjahre vorliegen hatten und auch noch zu Anfang der letzten Wahlperiode.

Und was macht die SPD? Die SPD hatte zu Beginn dieser Wahlperiode erst einmal alle Planungen auf Eis gelegt. Erst im Frühsommer dieses Jahres haben Sie gemerkt, dass es tatsächlich das Thema Radverkehr gibt und seine totale Vernach

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

lässigung. Am besten wollten Sie nicht einmal darüber reden, dass Ihnen das zum Problem werden könnte. Jetzt wird sehr viel darüber geredet, und man merkt dem Antrag der SPD an, dass sie glaubt, dass es reicht. In diesem Glauben scheinen Sie sich auch zu wiegen, Sie hatten nämlich zweimal einen größeren Aufschlag in einer Hamburger Tageszeitung. Aber ich muss Ihnen ein bisschen Wasser in den Wein schütten, denn bei den Medien funktioniert das nämlich so, dass man den größten Aufschlag dann bekommt, wenn man den größten Neuigkeitswert hat. Für die Medien ist es eben so, dass es wirklich eine Neuigkeit ist, dass die SPD sich für das Thema interessiert, dafür räumen sie Ihnen gern einmal Platz ein. Aber es braucht nicht nur mehr Platz in den Medien, es braucht real mehr Platz auf der Straße für den Radverkehr.