Protocol of the Session on November 6, 2014

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Von der FDP-Fraktion bekommt das Wort Herr Dr. Kluth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir alle wissen aus den letzten Sitzungen der Bürgerschaft, dass die SPDFraktion mit ihren Anmeldungen zur Aktuellen Stunde versucht, vermeintliche Erfolge des Senats abzufeiern. Wenn man das zum Maßstab macht, dann fragt man sich wirklich, wer eigentlich in der SPD-Fraktion auf die Schnapsidee gekommen ist, den bestandenen Stresstest der HSH Nordbank als Thema zur Aktuellen Stunde anzumelden.

(Jens Kerstan)

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN – Zu- ruf von Dirk Kienscherf SPD – Jan Quast SPD: Wir meiden auch schwierige Themen nicht!)

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Finanzsenator darüber sehr glücklich ist, denn das Ergebnis des Stresstests gibt niemandem Anlass zum Feiern, weder der Bank noch dem Senat und erst recht nicht den Steuerzahlern. Die Wahrheit lautet: Die HSH Nordbank ist knapp an der Katastrophe vorbeigeschrammt. Das ist zwar eine gute Botschaft für die Stadt, aber das ist noch lange kein Grund für eine Entwarnung oder zum Feiern. Ich will Ihnen drei Punkte exemplarisch nennen.

Erstens: Der Stresstest ist für die Bank denkbar knapp ausgegangen. Gerade einmal 0,6 Prozent oder 236 Millionen Euro Eigenkapital trennen die Bank von den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen der EZB. Wie wenig das wirklich ist, wird deutlich, wenn Sie sich den Verlust in 2013 vergegenwärtigen, nämlich 814 Millionen Euro. Also noch einmal: nur 236 Millionen Euro Puffer zum aufsichtsrechtlichen Knock-out bei 814 Millionen Euro Verlust allein in 2013 – ein denkbar knappes Ergebnis.

Zweitens: Dieses denkbar knappe Ergebnis hängt an dem seidenen Faden der staatlichen Garantien. Diese Garantien wiederum hängen an dem seidenen Faden des laufenden EU-Beihilfeverfahrens, und wie das ausgeht, steht gegenwärtig in den Sternen. Mag sein, dass die Kommission die Garantieerhöhung durchwinkt, genauso ist es aber auch möglich, dass die Kommission der Bank neue Auflagen erteilt oder die Garantieerhöhung nicht genehmigt. Dann reißt der seidene Faden, an dem die Bank hängt.

Drittens: Wir wissen, dass die Kommission in dem Beihilfeverfahren insbesondere das neue Geschäftsmodell der Bank unter die Lupe nehmen wird. Und da gibt es in der Tat, Herr Heintze hat es angesprochen, eine sehr beunruhigende Entwicklung. Die Bank ist als weltweit größter Schiffsfinanzierer in die Krise geraten. Schiffsfinanzierungen bildeten das Klumpenrisiko der Bank. Dieses Klumpenrisiko ist mit der internationalen Schiffskrise eingetreten und hat sich verwirklicht. Aber wie sieht es jetzt aus? Die Bank sieht sich als Unternehmerbank des Nordens. Fakt ist aber, dass die Bank nur 20 Prozent des Neugeschäfts im Firmenkundengeschäft macht und davon wiederum nur 20 Prozent in Norddeutschland, insgesamt also nur 6 Prozent am gesamten Neugeschäft. Über die Hälfte des Neugeschäfts macht die Bank aber mit Immobilienfinanzierungen, davon wiederum der überwiegende Teil nicht in Norddeutschland. Die HSH Nordbank ist also nicht die Unternehmeroder Mittelstandsbank und erst recht nicht des Nordens, sondern sie wird zunehmend zu einem Immobilienfinanzierer. Sie ersetzt, mit anderen Wor

ten gesagt, das Klumpenrisiko der Schiffsfinanzierung durch das Klumpenrisiko von Immobilienfinanzierungen, und das in einer Zeit, in der der Vorstand der Bundesbank vor Fehlinvestitionen und einer Blasenbildung am Immobilienmarkt infolge der Niedrigzinsen warnt. Die Bundesbank warnt, dass niedrige Zinsen Investoren zu riskanteren Entscheidungen verleiten, und diese Warnungen vor einer neuen Immobilienblase kommen nicht nur von der Bundesbank, sondern auch von der Bundesregierung, von Forschungsinstituten und anderen Banken, etwa der Commerzbank. Ordnungspolitisch stellt sich natürlich auch die Frage, ob es eigentlich Aufgabe einer öffentlichen Bank der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein ist, Einkaufszentren in Südhessen zu finanzieren, wofür sich die Bank gerade letzte Woche selbst gefeiert hat.

Meine Damen und Herren! Genau diese Überlegungen zum Geschäftsmodell der HSH Nordbank wird sich auch die Kommission machen. Daher wird das Beihilfeverfahren ein schwerer Gang, und weitere Auflagen sind nicht unrealistisch. Daher bleibt die FDP auch bei ihrer Forderung, dass wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sein müssen und einen Plan B zur geordneten Abwicklung der Bank brauchen. Und von Senator Tschentscher erwarten wir eine Beteiligungsstrategie. Aber davon ist gegenwärtig wie auch in den letzten dreieinhalb Jahren nichts zu bemerken. Die Hauptanteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein sind niemals Treiber, sondern immer nur Getriebene der Entwicklung bei der Bank, und das halten wir in der Tat für zu wenig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Von der Fraktion DIE LINKE bekommt Herr Hackbusch das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist richtig und für die Stadt wichtig: Der Stresstest ist erfolgreich gewesen. Aber es muss auch ernsthaft gesagt werden, dass, wäre er nicht erfolgreich gewesen, Herr Tschentscher sich hier hätte hinstellen und sagen müssen, die Stadt ist pleite.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Hätte, hätte, Fahrradkette!)

So stark ist das, mit dem wir es hier zu tun haben. Dementsprechend müssen wir mit Ernsthaftigkeit und Genauigkeit darüber diskutieren. Leider ist es nicht so, dass die Bank jetzt über den Berg wäre. Jedes Gefühl in diese Richtung ist völlig falsch. Die Bank hat diesen Stresstest nur deswegen bestanden, weil die Garantie von den beiden Anteilseignern auf 10 Milliarden Euro erhöht worden ist. Das heißt, die gesamte Last der Verantwortung und alle Probleme liegen immer noch auf den Schultern der Freien und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holsteins. In dieser Hinsicht ist nichts besser

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

geworden, und demensprechend ist es immer noch eine äußerst kritische Situation.

Ich will einmal versuchen, eine Bilanz der letzten drei, vier Jahre zu ziehen, damit wir uns dieser kritischen Situation auch einigermaßen bewusst werden. Vor vier Jahren ist uns gesagt worden – damals von CDU, SPD und GRÜNEN gemeinsam –, wir müssten nur einige Jahre abwarten, dann wären die Garantien aus dem Jahr 2005 ausgelaufen und die Bank würde insgesamt besser dastehen, nicht mehr mit 50 bis 60 Milliarden Euro Verantwortung. Wir stellen jetzt fest, dass die Risiken immer noch bei insgesamt mindestens 40 Milliarden Euro liegen. Das ist zehnmal der Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Risiken sind immer noch in dieser Höhe vorhanden, unabhängig davon, dass die Bank sich 2005 mit diesen Garantiemöglichkeiten vollgesogen hat. Das heißt, die Probleme sind nicht kleiner geworden in dieser Zeit. Sie sind immer noch vorhanden und immer noch eine riesige Problematik für diese Stadt.

Ein zweiter Punkt ist, dass ich mir nicht so sicher bin – und das ist eine Diskussion, die wir einmal in Ruhe führen müssen –, ob die Rettung der Bank richtig gewesen ist. Wir fordern seit einiger Zeit eine Abwicklung der Bank. Herr Tschentscher sagt gerne, Bilanz und Stresstest würden zeigen, dass die Rettung der Bank richtig gewesen sei. Die Bilanz zeigt aber doch, dass das, was die Vorstände der Bank gemacht haben, nichts anderes ist als ein Abbau der Bank. Alle Risiken sind durch Beteiligungsverkäufe reduziert. Ein regulierter Abbau der Bank, wie wir ihn gefordert haben, wäre vernünftig gewesen und ist meiner Meinung nach auch noch zum heutigen Zeitpunkt vernünftig. Wir haben zwar einen Abbau der Bank, aber das ist kein kontrollierter Vorgang, sondern einer, den sich die Vorstände der Bank kräftig und teuer bezahlen lassen, obwohl sie eigentlich nichts anderes machen als den Abbau einer Bank.

Die Bilanz von Herrn Heintze und Herrn Kluth ist völlig richtig: Das neue Geschäftsmodell funktioniert gegenwärtig nicht. Kern des neuen Geschäftsmodells sollte sein, Unternehmen in Norddeutschland zu stärken. Das findet so gut wie nicht statt, sondern dort wird eher abgebaut. Stattdessen werden neue Sachen bezahlt – Windparks, Einkaufszentren und Ähnliches – in einem Markt, von dem wir alle wissen, dass die HSH Nordbank in ihm schlechtere Karten hat als alle Konkurrenten. Die Krisenzeichen sind immer noch da. Nach meiner Meinung ist es immer noch richtig, lieber in Ruhe kontrolliert abzubauen. Das ist besser für die Mitarbeiter und das ist besser für die Stadt, weil es nämlich kontrolliert und logisch in der Richtung geschehen kann, wie es vernünftig wäre. Das nur dem Vorstand in die Hand zu geben, halte ich für verantwortungslos.

(Beifall bei der LINKEN)

Dementsprechend ist es richtig, in Ruhe diese Diskussion zu führen. Die Staatskrise ist immer noch präsent. Man kann gar nicht alarmiert genug sein. Als politische Schlussfolgerung möchte ich Folgendes sagen: Keine der Parteien, die das mit verursacht haben, und das ist sowohl die SPD als auch die CDU, dürfte bei den nächsten Bürgerschaftswahlen eine Stimme bekommen. Denn so verantwortungslos, wie die mit Geld umgegangen sind, kann man das nicht noch einmal tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält nun Herr Senator Dr. Tschentscher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die europaweite Bankenprüfung hat für die HSH Nordbank zu einem guten Ergebnis geführt, wie es der Senat und die Landesregierung Schleswig-Holsteins nach der Wiedererhöhung der Garantie im vergangenen Jahr erwartet haben. Die Übung bestand aus zwei Teilen, der Bilanzprüfung und dem Stresstest. Im ersten Schritt wurde die Qualität des Jahresabschlusses 2013 beurteilt und für die HSH im Wesentlichen bestätigt. Dieser Schritt war nicht nur eine Prüfung für die Bank, sondern auch für die Arbeit der Wirtschaftsprüfer und der Bankenaufsicht in Deutschland. Das Ergebnis kann sich im Vergleich zu anderen Ländern sehen lassen.

Schwieriger war der Stresstest, der bei der HSH wegen der Schiffskredite mit zusätzlichen sogenannten aufsichtsrechtlichen Vorsichtsabschlägen verbunden war. Viele haben erwartet, dass die Landesbanken im Norden wegen ihres hohen Engagements in der Schifffahrt größere Probleme haben werden. Die EZB hat aber bestätigt, dass die HSH trotz der Abschläge und auch unter den hypothetischen Annahmen im Extremszenario des Stresstests ausreichend kapitalisiert ist, und das war die entscheidende Frage. Dabei ist es gar nicht die Schiffsfinanzierung an sich, die der Bank Probleme macht; es sind die alten Schiffskredite, die bis 2008 eingegangen wurden, die nach wie vor mit hohen Risiken verbunden sind und für die wir als Länder seit 2009 mit unserer Garantie einstehen. Mit der Bankenprüfung sind die Risiken nicht kleiner geworden, aber sie sind auch nicht größer geworden. Für die Inanspruchnahme der Garantie entscheidend sind nicht aufsichtsrechtliche Prüfungen, sondern die ökonomische Realität, in unserem Fall vor allem die künftige Entwicklung der Schifffahrt, die allerdings schwer vorhersagbar ist. Die HSH schreibt ihre Planung deshalb auf dem jeweils aktuellsten Datenstand fort.

Der nächste wichtige Schritt für die Länder ist die bevorstehende Beihilfeprüfung der Wettbewerbskommission in Brüssel. In der Tat ist dieses Beihilfeverfahren durch die Wiedererhöhung der Garan

(Norbert Hackbusch)

tie erforderlich geworden, aber die Garantiekündigung, Herr Kerstan, erfolgte genau in der Garantiekonstruktion und in der Vertragslage, für die Sie die politische Verantwortung mittragen.

(Jens Kerstan GRÜNE: Das war eine Opti- on!)

Insofern kommt mir das ein bisschen so vor wie bei den Hapag-Lloyd-Verträgen, Herr Kerstan, die wir Ihnen im Ausschuss erklären mussten, und Sie waren dann überrascht, was Sie da alles so vereinbart hatten.

(Beifall bei der SPD)

Aber die Beihilfeprüfung ist der nächste wichtige Schritt für die Länder. Die Erkenntnisse aus der Bankenprüfung sind auch im Hinblick auf dieses Verfahren von Bedeutung, weil wir dadurch besser beurteilen können, wie die europäische Ebene die HSH-Bilanz bewertet. Mit Visionen für die Bank, Herr Heintze, wäre ich vorsichtig. Die haben die Bank 2008 fast in die Insolvenz geführt. Wir sollten das neue Konzept der Bank als Bank für Unternehmer vor der Kommission vertreten. Die Bank muss ihr Geschäftsmodell dort noch einmal vertreten und die Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit dieses Geschäftsmodells darlegen. Darauf wird es ankommen, aber die HSH hat es, wie andere Banken auch, in dieser aktuellen Finanz- und Wirtschaftslage schwer.

Die HSH kommt seit 2011 mit dem Aufbau ihres neuen Geschäftsmodells voran, aber eben in kleineren Schritten, die wir Ihnen Quartal für Quartal im Ausschuss Öffentliche Unternehmen berichten. Die von den Ländern abgesicherten Risiken – Herr Hackbusch, Ihr Thema – aus den früheren Geschäften, für die wir die Verantwortung und die finanzielle, wirtschaftliche Sicherung übernommen haben, sind von 185 Milliarden Euro auf mittlerweile unter 60 Milliarden Euro verringert worden. Die Gewährträgerhaftung, eine zweite Haftungsebene für uns als Länder, ist von 65 auf 21 Milliarden Euro gesunken. Das ist immer noch ein sehr hoher Betrag, aber schon diese Zahlen zeigen, dass es eine richtige Entscheidung war, der immer wieder auch von der Links-Fraktion erhobenen Forderung zur Abwicklung der Bank nicht zu folgen.

(Beifall bei der SPD)

Darüber hinaus gibt es auch standort- und wirtschaftspolitische Interessen; sie sind eben angesprochen worden. Ich will es kurz machen: Bestimmte Finanzierungsbedarfe lassen sich nicht auf Sparkassenniveau bewältigen. Wir haben ein großes Interesse daran, in der stärksten Wirtschaftsregion Deutschlands einen hier verankerten Finanzierungspartner oberhalb des Sparkassensektors zu erhalten. Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein werden die HSH auch im schwierigen Umfeld der Schifffahrts- und Finanz

märkte weiterhin konsequent unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Es haben nun alle Fraktionen noch einmal die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen, und es beginnt Frau Rugbarth von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde es völlig in Ordnung, dass die SPD dieses Thema angemeldet hat,

(Zurufe von den GRÜNEN und von André Trepoll CDU)

und ich bin ein bisschen entgeistert, Herr Dr. Kluth, dass Sie das als Schnapsidee titulieren. Erstens ist es nicht gerade eines Parlaments würdig, das so zu titulieren,

(Jens Kerstan GRÜNE: Das ist Wahlkampf- klamauk!)

und zum anderen ist es unsere Pflicht, die Wähler und Wählerinnen draußen, die Steuerzahler zu informieren, und zwar ohne Diskonebel und Maske, Herr Kerstan. Bis auf diesen einen Ausrutscher mit der Schnapsidee fand ich die Debatte bis jetzt allerdings sehr von dem Ernst getragen, der diesem Thema auch angemessen ist.

(Beifall bei der SPD)

Keiner ist hier in überschwänglichen Jubel ausgebrochen, sondern jeder der Kollegen – Kolleginnen waren nicht dabei – hat sich dahingehend geäußert, dass es ein schönes Ergebnis ist, ein Ergebnis, das uns in die Zukunft führen wird, aber dass wir natürlich noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt sind und noch weitere Schritte vor uns haben. Was mich aber stört an der Stelle, sind so ein paar reflexhafte Reaktionen, auf die ich noch einmal eingehen möchte.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das gibt mir jetzt Si- cherheit!)

Fakt ist doch, dass wir innerhalb von fünf Jahren die Bilanzsumme einer internationalen Zockerbank von 300 Milliarden Euro auf etwa 100 Milliarden Euro reduziert haben. Das ist ein enormes Ergebnis. Der Finanzsenator hat es angedeutet, dass die Risiken, die die Länder absichern, von 185 auf unter 60 Milliarden Euro heruntergedrückt werden konnten, und das ist doch eine enorme Leistung. Und bei dem, was die Herren Hackbusch und Dr. Kluth immer machen, die die ganze Zeit am Geschäftsmodell herummäkeln,

(Finn-Ole Ritter FDP: Richtig!)

fragt man sich doch, wie sich die über 3000 Mitarbeiter dieser Bank fühlen müssen, wenn es ständig