Protocol of the Session on September 11, 2019

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Wir befinden uns mitten in der Klimakrise, eine weltweite Krise, und wenn ich solche Reden wie eben höre, müssen wir, glaube ich, aufpassen, dass daraus nicht auch eine Krise der Demokratie wird,

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

wenn wir hier so etwas unwidersprochen stehen lassen. Denn natürlich ist es die Jahrhundertaufgabe, die sich uns als derjenigen Generation stellt, die jetzt Verantwortung trägt und die jetzt handeln kann und muss, dass wir jetzt eben unsere Aufgabe nicht nur erkennen, dass wir uns nicht nur in Reden dazu bekennen, sondern dass jetzt etwas passieren muss, dass wir auch wirklich handeln.

Ich glaube, das sollte man selbstkritisch in Deutschland auch einmal sagen, wir waren einmal Vorreiter bei erneuerbaren Energien und vorangehend bei der Bekämpfung des Klimawandels. Aber wenn man sich die Bilanz der letzten zehn Jahre in

(Dr. Ludwig Flocken)

Deutschland ansieht, dann müssen wir feststellen, dass Deutschland in den letzten zehn Jahren kein CO2 eingespart hat trotz all der Bekenntnisse zur Bekämpfung des Klimawandels. Ich freue mich darüber, von allen Seiten das Bekenntnis für den Klimaschutz zu hören. Ich glaube, jetzt braucht es entschiedenes Handeln, Unterstützung für entschiedenes Handeln und eben mutiges Vorangehen, wenn es an manchen Stellen stockt. Ich kann Ihnen sagen, dieser Senat nimmt diese Aufgabe sehr ernst, egal, was andere sagen, egal, ob andere ihren Beitrag leisten, der Hamburger Senat arbeitet daran, den Beitrag Hamburgs zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten und mutig voranzugehen, wenn es an anderen Stellen in diesem Land hapert.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Dass das Thema hier an erster Stelle der Aktuellen Stunde ist, ist richtig, weil es eben eine der dringendsten Fragen unserer Zeit ist. Man muss aber auch sagen, dass es erst ab dem Zeitpunkt im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte stand, seitdem Zehntausende und Hunderttausende junger Menschen freitags auf die Straße gehen und demonstrieren. Sie waren auch bei uns im Parlament, sie haben im Ausschuss vorgetragen, ich konnte leider nur einen Teil dessen verfolgen, habe aber auch das Protokoll gelesen, und ich muss schon sagen, dass die Sprecher von "Fridays for Future" in unserem Parlament eine sehr klare Auffassung vertreten haben. Es geht hier um Gerechtigkeit. Gerechtigkeit zwischen den Generationen, Gerechtigkeit zwischen dem reichen Norden und dem Süden, und es geht darum, jetzt dort einen klaren Kompass zu entwickeln. Den haben sie sehr klar formuliert, nämlich den Auftrag, dass jetzt Schluss damit sein muss, auf andere zu zeigen, darüber zu reden, wer was gemacht hat und wer zu wenig gemacht hat, sondern gemeinsam zum Handeln zu kommen. Ich glaube, das ist die Aufgabe nicht nur von uns hier in diesem Parlament, von demokratischen Institutionen, Regierungen, Parlamenten, Opposition und Regierungsfraktionen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wenn wir diese Aufgabe nicht lösen, dann werden wir nicht nur eine Klimakrise zu bewältigen haben, sondern auch eine Krise der Demokratie. Deshalb ist es jetzt notwendig, dass wir mit Handeln vorangehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Und dieser Senat handelt, auch wenn wir jetzt die dramatische Situation haben, dass im ersten Halbjahr in unserem Land netto nur 35 neue Windräder errichtet wurden, von den drei Herstellern von Windkraftanlagen in Deutschland, die doch eigentlich Probleme lösen sollen, einer pleite ist und jetzt abgewickelt und wahrscheinlich in größten Teilen geschlossen wird, während die beiden anderen mit

ausländischen Wettbewerbern fusioniert wurden und Teile ihrer Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Weil eben durch die Bundesregierung der Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren gebremst wurde, hat dieser Senat in den letzten vier Jahren die Kapazität der Windkraft in Hamburg verdoppelt. Wir haben ein Konzept vorgelegt, mit dem ein Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 in dieser Stadt nicht nur gesetzlich vereinbart ist, sondern die Projekte dazu sind auf den Weg gebracht und öffentliche Unternehmen arbeiten daran, diese auch umzusetzen.

Wir haben zusammen mit der Wirtschaft, mit Forschungseinrichtungen, mit unserem Nachbarn, mit Schleswig-Holstein, NEW 4.0 auf den Weg gebracht, ein Konzept, das vorsehen wird, dass Hamburg und Schleswig-Holstein im Jahr 2035 zu 100 Prozent erneuerbaren Strom produzieren werden. Wir sind auch dabei, den nächsten Schritt zu gehen, nämlich den Rest der Wirtschaft zu dekarbonisieren, indem wir eben mit Reallaboren Ausschreibungen der Bundesregierung gewonnen haben, wo es darum geht, über Wasserstoff und andere Technologien auch die Schwerindustrie zu dekarbonisieren.

Alle diese Initiativen würde ich mir bundesweit wünschen, ich würde mir auch wünschen, dass die Bundesregierung das vorantreibt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass nach Jahren des Nichthandelns jetzt ab dem 20. September die Bundesregierung endlich Maßnahmen ergreift. Aber eines können wir sagen: Dieser Senat unter Bürgermeister Tschentscher, die rot-grüne Koalition, nimmt diese Themen ernst. Wir nehmen den Auftrag der jungen Leute ernst, ihnen eine Zukunft zu ermöglichen und die gleichen Chancen zu ermöglichen, die wir alle in unserem Leben hatten, und im Gegensatz zu anderen haben wir gehandelt. Ich würde mir wünschen, dass dieses Vorangehen Hamburgs bundesweit Nachahmung findet, denn jetzt ist Schluss mit Reden, wir müssen handeln, Hamburg geht voran. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Meine Damen und Herren, Frau Sparr bekommt das Wort für nunmehr drei Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir debattieren hier aus Anlass der Hamburger Klimawoche und der Proteste von "Fridays for Future". Ich möchte vorweg sagen, dass wir stolz sein können auf die jungen Leute in unserer Stadt, auf die engagierte Bürgergesellschaft in Hamburg, die vielen Ehrenamtlichen, die hier vor unserer Haustür ein so riesiges Event organisieren werden, das übrigens keine Veranstaltung des Senats ist, Herr Gamm, das nur zur Ori

(Senator Jens Kerstan)

entierung, das ist eine zivilgesellschaftliche Veranstaltung, die allerdings von uns unterstützt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Tjarks hat vorhin versucht, einmal einen großen Bogen zu schlagen und die Themen zusammenzuführen,

(Michael Kruse FDP: Es ist beim Versuch geblieben!)

die in den nächsten Jahren essenziell sind, die Notwendigkeit, dass Bund, Länder und die Zivilgesellschaft zusammenwirken müssen, um die Klimakrise, die auch sehr schnell zu einer sozialen Krise werden kann, zu bewältigen. Die Frage des Sozialen lässt sich nicht allein auf Mehrkosten in der Miete beschränken. Natürlich müssen wir auch das in den Griff bekommen, aber was geschieht denn, wenn die alte Dame in einer überhitzten Wohnung sitzt? Sie bekommt gesundheitliche Probleme, also auch das ist doch schließlich mit zu bedenken bei all dem.

(André Trepoll CDU: Was meinen Sie da- mit?)

Genauso wie andere, wie gerade sozial schwache, arme Menschen am meisten unter diesen Klimaveränderungen leiden.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich habe mich auch gefreut, dass die CDU jetzt so langsam einmal einschwenkt, umschwenkt und versucht, Lösungen zu finden, die aus Ihrer Logik heraus machbar erscheinen. Wir haben da, glaube ich, noch einen weiten Weg vor uns, aber Herr Gamm hat schon einmal ein bisschen angefangen, seine Textbausteine umzuschreiben, und das ist doch auch ein ermutigendes Signal.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aber wir haben noch so viele Probleme, die auf der Berliner Ebene nicht gelöst sind, und meistens steckt ein CDU/CSU-Minister dahinter. Das geht los mit der Deutschen Bahn, die es nicht schafft, ein vernünftiges Schienensystem zu unterhalten und ein Liniennetz aufzubauen, das zum Beispiel Inlandsflüge unnötig macht. Nicht zuletzt ist es der Wirtschaftsminister Altmaier, der wirklich dafür verantwortlich ist, dass nach der Solarbranche jetzt auch noch die Windenergiebranche den Bach runtergeht. Das sind 20 000, 30 000 Arbeitsplätze und damit bedeutend mehr als jetzt in den Braunkohleregionen zu ersetzen sind. Das muss man sich auch einmal vor Augen halten. Insofern ist darin immer noch eine gewaltige Unwucht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die gute Nachricht ist aber, wenn wir es richtig machen am Ende, kommt mehr Lebensqualität für alle

dabei heraus. Mehr Grün in der Stadt, weil wir Dächer und Fassaden begrünen und Parks und Stadtgrün besser pflegen. Bessere Atemluft, weil wir Kohlekraftwerke abschalten und die Mobilität auf Strom und Wasserstoff gründen. Mehr Wohnkomfort, weil wir die Häuser besser dämmen und umweltfreundliche Heizsysteme nutzen, und mehr freundschaftliches Miteinander, weil sich im Zuge des klimafreundlichen Umbaus Nachbarschaften vernetzen und Dinge miteinander teilen, statt dass jeder Haushalt ausgestattet ist wie ein HightechEinödhof. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Dr. Schaal bekommt das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU will jetzt plötzlich Moorburg nicht mehr weiterlaufen lassen, sondern sie hat sich etwas Neues ausgedacht. Sie prangert an, dass jetzt hier regelbare Energie durch nicht regelbare Energie ersetzt werden soll. Das ist ein neues Mantra dafür, dass wir mit der Kohleverstromung und dem Einsatz der Kohle weitermachen, und das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die erneuerbaren Energien sind regelbar, man muss es nur wollen, und wir brauchen dazu ein neues Regelwerk.

(Stephan Gamm CDU: Nein!)

Die norddeutschen Ministerpräsidenten, die Energieminister aus Norddeutschland setzen sich seit Monaten dafür beim CDU-geführten Wirtschaftsministerium ein, aber der Chef vom Ganzen, Wirtschaftsminister Altmaier, steht auf der Leitung, und die CDU unterstützt ihn dabei, dass die Energiewende nicht in Gang kommt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn wir die Energiewende wollen, wenn wir Klimaschutz wollen, dann muss auch der Deckel auf dem Ausbau der erneuerbaren Energien weg, denn alle Anwendungen, die wir jetzt haben in der Industrie, in der Stromwirtschaft, in der Wärme, vor allen Dingen im Verkehr, brauchen viel erneuerbare Energien; auch für einen umweltfreundlichen grünen Wasserstoff brauchen wir viel erneuerbare Energien. Wenn wir das alles wollen, dann muss der Ausbaudeckel für Wind- und Solarenergie weg, und auch da stellt man im Wirtschaftsministerium in Berlin die Weichen, und da muss die CDU handeln. Herr Gamm, gehen Sie zu Herrn Altmaier und sagen Sie ihm, übermitteln Sie ihm die Botschaft, wir in Hamburg haben ein Interesse daran, dass die Energiewende in Gang kommt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Ulrike Sparr)

Die CDU fordert jetzt, dass der Klimaschutz eng mit der Wirtschaft abgestimmt werden soll. Sie haben offensichtlich noch gar nicht zur Kenntnis genommen, dass unser Bürgermeister Peter Tschentscher in dieser Mission bereits unterwegs ist.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP)

Was gibt es denn da zu lachen?

Er hat mit dem Industrieverband das Bündnis für eine Industrie der Zukunft vereinbart, um gemeinsam Klimaschutz voranzubringen. Beim Klimaschutz ist die Wirtschaft also längst an Bord. Das gilt auch für die Projekte 4.0 und für das Reallabor, um das sich Hamburger Unternehmen mit beworben haben und wo wir den Zuschlag bekommen haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben da längst alles Mögliche auf den Weg gebracht. Wenn Sie zu der Stadt stehen, Herr Gamm, Herr Trepoll, dann setzen Sie sich dafür ein, dass die Rahmenbedingungen für Klimaschutz

(André Trepoll CDU: Setzen Sie mehr CO2 ein!)

und die Energiewende in Berlin richtig gestellt werden. Ich hoffe, dass die GroKo das jetzt auch macht. Ich setze sehr viel darauf, dass das Klimakabinett nun endlich den Durchbruch bringt, denn sonst können wir uns Klimaschutz und Energiewende in die Haare schmieren. – Vielen Dank.