Protokoll der Sitzung vom 29.01.2020

In der rot-grünen Koalition haben wir die Untersuchung, die Debatte dazu und die Fachtagung im Mai 2019 intensiv ausgewertet und legen heute ein ganzes Paket an Anträgen vor, in denen wir Kon

(Vizepräsidentin Christiane Schneider)

sequenzen ziehen. Unsere Leitgedanken sind dabei: In Hamburg soll niemand auf der Straße schlafen müssen, die niedrigschwelligen Angebote müssen in der Lage sein, Not und Leid zu lindern. Unser vorderstes Ziel bleibt: Wir wollen den Menschen nachhaltig helfen. Alle Menschen brauchen ihre eigenen vier Wände und die Hilfen, die sie ansonsten noch benötigen. Deswegen haben wir bereits in den vergangenen Jahren die Wohnungslosenhilfe ausgebaut. Mit insgesamt zwölf Anträgen haben wir die Wohnungs- und Obdachlosenhilfe entschieden vorangebracht und uns insbesondere auch schwierigen Themen, wie der Versorgung von psychisch kranken Obdachlosen, gewidmet und immer wieder die Wohnraumvermittlung in den Fokus gestellt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Trotzdem leben inzwischen fast doppelt so viele Menschen wie noch vor zehn Jahren auf der Straße, laut Studie genau 1 910 Obdachlose. Die Tatsache, dass ein immer größerer Teil von ihnen keine deutsche Staatsangehörigkeit hat, macht das Problem nur noch drängender, weil oft fehlende Sprachkenntnisse, unzureichender Zugang zu sozialen Sicherungssystemen und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse den Weg aus der Obdachlosigkeit heraus zusätzlich erschweren. Aus der Studie wissen wir, dass 70 Prozent der nicht deutschen Obdachlosen nach Hamburg gekommen sind, um hier zu arbeiten oder Arbeit zu suchen. Hier ist ein Ansatzpunkt, weil gerade bei der Gruppe der EUZuwanderinnen/-Zuwanderer aus osteuropäischen Staaten auch die Fallstricke beim Zugang zu Arbeit besonders groß sind. Wir wollen hier stärker präventiv tätig werden und eine Arbeitnehmerinnen-/ Arbeitnehmerpension beziehungsweise eine Pension für Arbeitsuchende schaffen, um Zuwanderinnen/Zuwanderer in der entscheidenden ersten Phase in Hamburg besser zu unterstützen. Dabei wollen wir mit Kammern, Unternehmensverbänden und Gewerkschaften, die alle ein Interesse an der Zuwanderung von Arbeitskräften haben, gemeinsam Verantwortung übernehmen. Wir werden bei der Pension für Arbeitsuchende auch intensiv über die Beratungs- und Unterstützungsangebote reden müssen, denn wir wissen, dass wir dem System der Ausbeutung bei Arbeit und beim Wohnen etwas entgegensetzen müssen, so wie wir es mit zahlreichen Beratungsstellen durchaus auch schon tun. Und das muss dann in der Pension besser verzahnt sein, um Zuwanderung auf den Hamburger Arbeitsmarkt noch in mehreren Fällen zum Erfolgsmodell zu machen, denn insgesamt ist die EU-Freizügigkeit natürlich eine große Errungenschaft für den Arbeitsmarkt, aber vor allen Dingen für Freiheit in Europa. Deswegen wollen wir auch die Instrumente der Arbeitsmarktintegration für diese Zielgruppe besser zugänglich machen.

Ein weiteres Problem, auf das uns die Studie hinweist, ist die Situation der Menschen, die durch die Obdachlosigkeit stark belastet und auch psychisch angeschlagen sind. Hier brauchen wir viel mehr Möglichkeiten zur Einzelunterbringung. Viele auf der Straße lebende Menschen brauchen nichts nötiger als einen Raum, in dem sie zur Ruhe kommen können, in dem keine Konkurrenz, kein Lärm und keine Bedrohung herrschen. Wir alle wissen, wie notwendig ein Mindestmaß an Privatsphäre auch für die psychische Gesundheit ist. Deswegen wollen wir die finanziellen Einsparungen in der Hotelunterbringung nutzen, um diese in Anlehnung an die Hotel-Plus-Konzepte qualitativ zu verbessern. Wir werden mehr Angebote in Einzelzimmern schaffen und die Unterbringungskapazitäten nach Paragraf 67 Sozialgesetzbuch XII – für die Feinschmecker – ausbauen. Aber wir müssen auch darüber hinausgehen.

Öffentliche Unterkünfte sollen nicht die Endstation sein. Auch Menschen mit großen Vermittlungshemmnissen brauchen letztendlich eine reguläre Wohnung, und für einige Obdachlose ist der Weg durch die Phasen der Wohnungslosenhilfe nicht geeignet. Bisher ist die beste Chance eine Förderung im sogenannten Stufe-3-Modell; deswegen wollen wir dieses verdoppeln. Das ist ein erfolgreiches Modell. In dem Zuge wollen wir aber auch Housing First als ergänzenden Ansatz erproben,

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

also die Wohnung an den Anfang der Hilfe stellen und dann in einem stabilen Wohnumfeld die weiteren sozialen Probleme bearbeiten. Die Erfahrung zeigt, dass das Problem der Wohnungs- und Obdachlosigkeit wie ein Verstärker für diese sozialen Probleme wirkt und es deswegen wichtig ist, direkt von der Straße Hilfe anbieten zu können. An vielen Orten hat der Housing-First-Ansatz bereits gezeigt, dass er nachhaltig wirksam ist, und deswegen bin ich stolz darauf, dass wir diesen Ansatz nun auch in Hamburg etablieren wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die Verdoppelung von Stufe-3-Plätzen und die Erprobung von Housing First brauchen wir aber geeignete Wohnungen, eines der größten Probleme und das zentrale Nadelöhr. Dies wird nur gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft zu lösen sein. Wir wollen deshalb den Kooperationsvertrag überarbeiten und die Zahl der belegbaren Wohnungen für Menschen mit sozialen Schwierigkeiten erhöhen.

Ich bin froh, dass wir diese weitreichenden Pläne noch in dieser Legislaturperiode beschließen können, denn wir bohren hier dicke Bretter, die weit in die nächste Legislaturperiode hineinreichen werden. Wie immer gilt: Unsere Arbeit ist noch nicht vorbei, die Anträge müssen in ihrer Umsetzung

eng begleitet werden, und es wird weitere Diskussionen und Ansätze brauchen, um zum Beispiel die medizinische Versorgung oder die Angebote für junge Erwachsene zu verbessern. Es gibt also noch viel zu tun, packen wir's an.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort erhält nun Herr Giffei für die SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Engels hat gerade schon sehr umfangreiche Ausführungen zu den Anträgen gemacht. Deswegen will ich Ihnen ersparen, Ihnen das jetzt noch einmal im Rahmen einer weiteren Rede vorzutragen, und mich auf zwei Punkte beschränken, die mir besonders wichtig sind. Dabei geht es vor allem um die Förderung der Wohnraumvermittlung für diejenigen, die es am Wohnungsmarkt am schwersten haben, die Wohnungslosen, die von den Fachstellen für Wohnungsnotfälle als sogenannte Stufe 3 eingestuft wurden und die ohne Unterstützung keine realistische Chance auf dem Wohnungsmarkt haben, um dort eine Wohnung zu finden. Das gilt umso mehr, als die Zahl der Wohnungslosen sich deutlich erhöht hat, als wir auch eine erhebliche Zahl von wohnberechtigten Zuwanderern haben, die ebenfalls eine Wohnung suchen. Das heißt, wir müssen uns insbesondere auch um die Allerschwächsten am Wohnungsmarkt kümmern. Und das tut unser Antrag, indem wir – das hat Frau Engels schon ausgeführt – die Förderung dieser erfolgreichen Projekte der Lawaetz-Stiftung und anderer Träger verdoppeln werden. Das, glaube ich, ist ein guter Schritt, um auch für diese Menschen eine Perspektive auf dem Hamburger Wohnungsmarkt zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das zweite Thema, auf das ich eingehen möchte, auch wenn Frau Engels es schon angeschnitten hat, ist die Forderung an den Senat, ein Konzept für eine Arbeitnehmerinnen-/Arbeitnehmerpension zu entwickeln, und zwar gemeinsam mit den Kammern und den Gewerkschaften. Hier geht es darum, auf das Ergebnis der Obdachlosenbefragung zu reagieren, das besagt, dass diejenigen EU-Bürgerinnen/-Bürger, die obdachlos in Hamburg werden, in ihrer allergrößten Mehrheit zur Arbeitssuche nach Hamburg gekommen sind, und gleichzeitig aber auch besagt, dass diejenigen von ihnen, die obdachlos geworden sind, das vom ersten Tag an waren. Wir wollen mit dieser Arbeitnehmerinnen-/Arbeitnehmerpension für sie die Möglichkeit schaffen, für wenig Geld dort erst einmal eine Unterkunft zu finden, vor allen Dingen aber ein Beratungsangebot, mit dem ihre Kompetenzen erhoben werden können, mit dem wir aufzeigen können, welche Qualifizierungsmöglichkeiten es in Ham

burg für sie gibt, aber auch eine Beratung darüber, welche Perspektiven sie realistischerweise auf dem Arbeitsmarkt in Hamburg haben werden, um ihnen dann eine rationale, selbstbestimmte Entscheidung darüber zu ermöglichen, wie ihr weiterer Lebensweg sich gestalten soll, aber das eben nicht in einer Situation der existenziellen Not in der Obdachlosigkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dieses Maßnahmenpaket ist sehr umfangreich – Sie haben es ja gelesen –, und deswegen kann man hier nicht auf alle Positionen eingehen. Mit diesem Maßnahmenpaket und mit der Nachricht, dass das Pik As neu gebaut werden soll, kommt sozusagen der Zyklus der Weiterentwicklung der Obdachlosen- und Wohnungslosenhilfe in Hamburg in dieser Legislaturperiode zu einem sehr guten Abschluss. Stephan Karrenbauer von "Hinz&Kunzt" hat das so kommentiert: SPD und GRÜNE haben offensichtlich gut zugehört. Ja, das haben wir.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich freue mich sehr darüber, dass es gelungen ist, diese Anträge auf den Weg zu bringen. Ich möchte mich jetzt zum Abschluss bedanken bei meiner Kollegin Mareike Engels für die intensive Zusammenarbeit bei diesem Thema, insbesondere auch bei meiner Kollegin Ksenija Bekeris, die mir nicht nur ermöglicht hat, heute noch einmal hier zu sprechen, sondern auch diejenige ist, die dieses Thema bei uns verantwortlich vorantreibt. Insbesondere möchte ich mich auch bei unserer großartigen Sozialsenatorin Melanie Leonhard bedanken, der das ein Herzensanliegen ist – wer mit ihr gearbeitet hat, der spürt das. Und ich möchte mich bedanken bei all denjenigen, die hauptamtlich oder ehrenamtlich in der Obdachlosenarbeit und in der Wohnungslosenhilfe in Hamburg arbeiten und es dadurch erst möglich machen, dass wir die Hilfe für diese Menschen organisieren können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LIN- KEN und bei Jennyfer Dutschke FDP)

Vielen Dank, Herr Giffei. – Frau Rath, Sie haben nun das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen darüber verwundert, dass die GRÜNEN hier gleich drei Anträge zur Debatte über die Bekämpfung von Obdachlosigkeit angemeldet haben, denn die Regierungsfraktionen haben sich in dieser Legislaturperiode nicht mit Ruhm und Schnelligkeit bekleckert, was dieses Thema anbelangt. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Auf Drängen der CDU gab es im

(Mareike Engels)

März 2018 endlich die Obdachlosenbefragung, die erste seit 2009, und seitdem ist bekanntlich viel passiert. Dem Senat lagen dann die Ergebnisse im Sommer 2018 vor. Diese wurden aber erst noch unter Verschluss gehalten, und erst im Frühjahr 2019 konnte der Senat sich dazu durchringen, zuzugeben, dass sich die Zahl der obdachlosen Menschen wohl von 1 000 auf 2 000 verdoppelt hat. Das ist eine Folge der Arbeitnehmerfreizügigkeit, denn rund 60 Prozent der Befragten gaben an, keine deutschen Staatsbürger zu sein. Das bedeutet, dass die alten Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung der Obdachlosigkeit nicht mehr passgenau sind, weil die Zielgruppen völlig neue sind. Doch anstatt darauf beherzt, schnell und angemessen zu reagieren, passierte lange Zeit gar nichts, außer dass der Senat einen Fachtag veranstaltete. Deswegen haben wir uns mehrfach mit sehr konkreten Vorschlägen auf den Weg gemacht, so zum Beispiel mit der Forderung, der Senat möge gemeinsam mit der Handels- und der Handwerkskammer sowie den Wirtschaftsverbänden ein Konzept für günstige niedrigschwellige Unterkunftsmöglichkeiten für auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg einreisende EU-Bürger entwickeln. Daher waren wir, vorsichtig ausgedrückt, etwas irritiert, als nun die Regierungsfraktionen ihre Forderungen präsentierten, der Senat möge gemeinsam mit Kammern, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften eine Konzeption einer Arbeitnehmerinnen-/Arbeitnehmerpension für neu in Hamburg ankommende Arbeitsuchende entwickeln. Finde den Fehler, das kam uns doch sehr bekannt vor.

(Mareike Engels GRÜNE: Aber Sie waren auch nicht die Ersten!)

Es geht mir nicht um irgendwelche kindischen Fragen im Sinne von: Wer hat es erfunden? Das ist mir, ehrlich gesagt, ziemlich wurscht. Es geht mir aber darum, dass hier wichtige Themen verschleppt werden, und das ist definitiv kein gutes Regieren.

(Beifall bei der CDU und bei Ewald Aukes und Jennyfer Dutschke, beide FDP)

Einige Forderungen von Rot-Grün in den vorgelegten Anträgen heute sind uns einfach nicht konkret genug und sind sehr kurz gedacht. Nur über die Ergebnisse der Befragung der Gesundheitsbehörde zum Entlassungsmanagement der Krankenhäuser zu berichten ist zu wenig, wenn man die Probleme bei der Gesundheitsversorgung obdachloser Menschen seriös angehen möchte. Diese Defizite sind bereits hinreichend bekannt; wir kennen sie alle aus dem Sozialausschuss. Daher fordern wir, dass der Senat in Abstimmung mit den Krankenhäusern das Entlassungsmanagement überarbeitet. Auch sehen wir weitere Lücken bei der Versorgung obdachloser Kranker; das sind zum Beispiel die fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten für

schwer pflegebedürftige und sterbende Obdachlose. Schockierend ist auch, dass es in einer Großstadt wie Hamburg nur 16 Plätze in der geschlossenen Unterbringung für psychisch kranke Patienten gibt, was für einige der Betroffenen der direkte Weg in die Obdachlosigkeit sein kann. Und es fehlt auch der Blick darauf, inwieweit einige Zuwanderer, die in der Obdachlosigkeit landen, auch am Arbeitsmarkt benötigt werden könnten. Dafür reicht allein die Pension nicht aus. Die Erweiterung von W.I.R scheint nicht für gering qualifizierte EU-Bürger, die niedrigschwellig nach einer beruflichen Tätigkeit suchen, zur Verfügung zu stehen. W.I.R soll ab Sommer 2020 Bestandteil des Welcome Centers for Professionals werden. Sollte der Name hier Programm sein, sind gerade die Menschen ausgeschlossen, die gering qualifiziert sind, obwohl der Arbeitsmarkt sie sucht und auf sie angewiesen ist. Wir erwarten hier vom Senat Aufklärung darüber, wie zukünftig eine niedrigschwellige Arbeitsvermittlung auch für geringer qualifizierte EU-Zuwanderer gewährleistet werden kann.

Das sind nur einige unserer Forderungen, die die rot-grünen Forderungen ergänzen. Daher sind die Regierungsfraktionen herzlich eingeladen, unseren Forderungen zuzustimmen, um zu zeigen, dass es nicht nur darum geht, sich einiger Themen im Wahlkampf vermeintlich anzunehmen, sondern darum, Obdachlosigkeit ernsthaft zu bekämpfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Rath. – Frau Özdemir, Sie haben nun das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Ja, schön, dass Sie jetzt ein Maßnahmenpaket vorgelegt haben nach etlichen Jahren, Diskussionen und vielen verschiedenen Vorschlägen, die auch aus den Oppositionsfraktionen gekommen sind. Das sind natürlich auch die Forderungen der Wohnungslosenhilfe und der Wohlfahrtsverbände, die sie seit Jahren an Sie herangetragen haben. Sie haben uns in der Aktuellen Stunde Wahlkampfgetöse vorgeworfen. Jetzt einmal im Ernst: Wir diskutieren seit Jahren über dieselben Forderungen, die an Sie herangetragen werden, aber Sie kommen drei Wochen vor der Wahl mit einem Maßnahmenpaket, wo wir noch nicht einmal richtig Zeit haben, darüber ausführlich zu diskutieren. Das finde ich echt schon ein bisschen schäbig.

(Beifall bei der LINKEN und bei Franziska Rath CDU)

Die Mehrheit der obdachlosen Menschen, die aus den osteuropäischen und südosteuropäischen Ländern kommen, hat in der Obdachlosenbefragung angegeben, dass sie auch nach Hamburg

(Franziska Rath)

gekommen sind, um zu arbeiten. Und deshalb ist es meines Erachtens positiv, dass Sie es jetzt endlich geschafft haben, einmal diejenigen in den Fokus zu nehmen. Wir haben immer wieder betont, dass diese Menschen davon betroffen sind, auf der Straße zu verelenden, dass sie keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben. Das Konzept für eine Arbeitnehmerinnen-/Arbeitnehmerpension ist ein richtiger Schritt, auch die Ausweitung des Gewährleistungspakets auf die Kleinvermieterinnen/ Kleinvermieter. Und dass das Modellprojekt Housing First, auch eine langjährige Forderung, nun umgesetzt werden soll, befürworten wir. Aber wir stellen fest, dass in diesem Antrag Forderungen gestellt werden, die weit hinter dem Machbaren sind, und dass es sich sehr oft nur um Prüfaufträge handelt, sodass wir uns natürlich die Frage stellen, was denn eigentlich nach den Wahlen passiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe eben eine große Baustelle genannt, das ist die Gesundheitsversorgung. Es ist nicht nur so, dass EU-Obdachlose vom Gesundheitssystem ausgeschlossen sind, sondern mehr als 50 Prozent der Obdachlosen in Hamburg verfügen über keinen Krankenversicherungsschutz und haben somit keinen Zugang, sodass hier das Recht auf Gesundheit durchgesetzt werden muss, und zwar ohne dabei zu hinterfragen, wie ihr rechtlicher Status ist, weil das für die obdachlosen Menschen eine enorm große Hemmschwelle ist.

Herr Giffei, ja, die Erhöhung der Platzanzahl von Haushalten der sogenannten Stufe 3 ist durchaus positiv. Allerdings hätten Sie einmal die Antwort des Senats auf unsere Anfrage lesen sollen. Sie hat nämlich gezeigt, dass eine große Anzahl der obdach- und wohnungslosen Menschen in keine der drei Stufen eingruppiert wurde. In 2019 sind es nur 48 Haushalte, die in Stufe 3 eingruppiert wurden, aber mehr als 300 Haushalte sind in keine der drei Stufen eingestuft worden. Das ist eine große Gruppe von wohnungslosen Menschen, die nicht in Wohnraum vermittelt werden können. Diese Menschen leben seit Jahren in der öffentlich-rechtlichen Unterkunft. Und hier benötigt man eben nicht nur eine Aufstockung der Plätze, hier benötigt man auch eine Evaluation des Stufensystems und spezifische Angebote.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben gesehen, wir haben einen Zusatzantrag eingereicht und nehmen konkret auch die Forderung nach einem Clearing-Mobil für obdachlose Frauen auf. Wir sind der Auffassung, diese Forderung muss umgesetzt werden, weil es sich bei den weiblichen Obdachlosen um eine Gruppe handelt, die es wirklich noch einmal schwerer hat, auch mit den Zugängen, die eine große Scham empfindet und dadurch eben weniger Kontakt hat zum bestehenden Hilfesystem. Und wir sind der Auffassung, dass ein Clearing-Mobil die Betroffenen dort aufsu

chen würde, wo sie sich aufhalten, und sie bis zur stabilen Vermittlung in geeignete Hilfen begleiten könnte.

Da muss man wirklich kritisch sagen, Sie haben hier den Aspekt obdachlose Frauen nur aufgenommen, indem Sie überprüfen möchten, inwieweit die Zuständigkeit der Fachstellen für Wohnungsnotfälle auch künftig auf diese Gruppe ausgeweitet werden kann. Ein Prüfauftrag hinsichtlich der Situation der obdachlosen Frauen – das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Es ist eine Maßnahme, die auch seit Jahren im Arbeitskreis Wohnraum der Behörde mit den Akteuren der Wohnungslosenhilfe diskutiert wird. 2018 hat die AGFW sogar ein Konzept für ein Clearing-Mobil vorgelegt, das seither bei der BASFI versauert. Das ist doch echt ein Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Herr Duwe, Sie haben jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Obdachlose oder jede Obdachlose in Hamburg ist einer/eine zu viel. Wir begrüßen die Anstrengungen sehr, die jetzt verstärkt gemacht werden sollen, um diesen Menschen zu helfen. Vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund, dass sich der Kreis der Obdachlosen etwas verschoben hat. Es ist nur sehr langsam in die Öffentlichkeit gedrungen, dass die meisten Obdachlosen eigentlich Arbeitssuchende aus EU-Ländern sind,