Protocol of the Session on January 29, 2020

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(Beifall bei Ewald Aukes und Jennyfer Dutschke, beide FDP)

Das Wort bekommt Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Was DIE LINKE in ihrem Antrag alles schreibt, was die Zahlen angeht, die Beschreibung des Istzustandes und die Entwicklung, ist alles richtig. Nur die Schlussfolgerung, die sie daraus zieht, leider nicht. Die ist mehr so der linke beziehungsweise der allgemeine Standard, der hier vorherrscht. Es wird aufgezeigt, dass es nach dem 1. und 2. Förderweg 454 000 Berechtigte auf eine geförderte Wohnung gibt, und demgegenüber stehen aktuell knapp 80 000 Sozialwohnungen. Defizit: rund 374 000 Sozialwohnungen. Der Senat will jetzt gemäß dem Drittelmix von den jährlich 10 000 Neubauten rund 3 000 Sozialwohnungen bauen. Der Antrag sagt, alles falsch, es müsse mindestens die Hälfte sein, also 5 000 Wohnungen.

Jetzt schauen wir uns noch einmal das Defizit an, 374 000. Das geteilt durch 3 000 neue Sozialwohnungen pro Jahr, also dem Weg von SPD und GRÜNEN folgend, bedeutet, dass alle Anspruchsberechtigten nur 124 Jahre warten müssen und schon hätten sie alle eine günstige Wohnung. Gemäß dem vorliegenden Antrag der LINKEN sind es nun knapp 75 Jahre, wow, was für eine Verbesserung. Kaum warte ich also 75 Jahre und schon, schwupp, habe ich eine Sozialwohnung. Aber natürlich nur theoretisch, denn in all den Jahren fallen zahlreiche Wohnungen aus der Bindung, und zwar nicht unmittelbar, aber schleichend dann doch immer teurer. Selbst die 124 beziehungsweise 75 Jahre sind also nur ein rein theoretischer, rechnerischer Wert, tatsächlich befinden wir uns in diesem System in einem Hamsterlaufrad. Wir rennen und wir kommen nicht vorwärts. Das zeigt letztlich: Der in dem vorliegenden Antrag vorgeschlagene Weg ist auch nur eine schöne Variante, um zu sterben.

Das Grundproblem ist nämlich, dass Hamburg in den Siebzigerjahren doch einmal weit über 400 000 Sozialwohnungen hatte. Wenn wir diese heute noch hätten, hätte es diese Debatte hier nicht gegeben. Aber SPD, die GRÜNEN, die CDU

(Olaf Duge)

und auch die FDP waren zwischenzeitlich an der Regierung und haben genau dieses nicht gewollt. Deswegen haben wir den Zustand und den heutigen abgeschmolzenen Bestand an Sozialwohnungen, den wir haben.

Und was machen jetzt alle Altparteien? Alle halten an dem alten Zopf fest. Alle sagen sie, toll, lasst uns an diesem System festhalten, von dem jeder weiß, dass wir nie auch nur annähernd den gesamten Anspruch befriedigen werden. Der eine will 3 000, der andere will 5 000 Sozialwohnungen im Jahr bauen, und nützen würde das alles nichts, siehe die vorherigen Beispielrechnungen.

Hier muss ein Paradigmenwechsel her, so wie wir ihn im Grunde genommen vorgeschlagen haben. Wir brauchen ein Hamburger Wohngeld zusätzlich zum Bundeswohngeld statt teuer erkaufter Sozialwohnungen, die letztlich nach Ablauf der Frist sowieso aus der Mietpreisbindung fallen. Damit wird das Problem nämlich nicht dauerhaft gelöst, sondern wir verschieben es eigentlich nur in die Zukunft, wir verschieben es in die nächste Generation. Das Hamburger Wohngeld wäre zudem rechtssicher und es würde unmittelbar wirken. Ganz anders der heutige Paragraf-5-Schein, der einem nur bescheinigt, was man im Grunde genommen schon weiß, dass man nämlich eine günstigere Wohnung benötigt. Dieser Paragraf-5-Schein ist eigentlich nichts weiter als ein leeres Versprechen. Damit wird man aus der Behörde entlassen und darf sich auf einem leer gefegten Wohnungsmarkt nach einer preiswerten Wohnung umschauen, die es dort nicht gibt. Also bringt dieser Paragraf-5Schein ähnlich viel wie ein Trüffelschwein in Grönland, nämlich nichts.

Dieser Antrag will dieses System, das täglich scheitert und den bestehenden Anspruch weder heute noch zukünftig deckt und decken kann, in gemilderter Form fortsetzen, und das werden wir nicht unterstützen, deshalb lehnen wir auch diesen Antrag ab. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE.

Ich habe jetzt von einigen Rednern und Rednerinnen viel gehört, aber haben Sie irgendetwas gehört zu der Tatsache, dass wir im Jahr 2030 nur ein Plus von 4 000 öffentlich geförderten Wohnungen haben? Darauf ist weder jemand von der SPD noch jemand von den GRÜNEN eingegangen. Das ist eines der Kernprobleme, das wir haben.

Herr Ehlebracht, da hilft auch kein Hamburger Wohngeld, da können Sie jetzt sehr viele öffentliche Gelder nehmen und den Mieterinnen und Mie

tern damit die Miete vielleicht etwas senken, aber Sie schaffen dadurch keinen einzigen dauerhaften Wohnraum, der dauerhaft günstig ist.

Aber ich komme zurück zur SPD. Frau Koeppen hat sich sehr gemüht bei dem Vergleich mit Berlin und dass in Berlin alles schlimmer ist.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Aber Sie schwärmen doch immer so von Berlin!)

Aber was hilft das hier den fast 50 Prozent der Hamburger Haushalte, die so wenig Geld haben, dass sie berechtigt wären, eine öffentliche Wohnung zu beziehen? Hilft es ihnen etwas, wenn Sie sagen: Fühlt euch doch viel besser als in Berlin, da ist alles viel schlimmer? Das hilft überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ich mir ansehe, wie Sie hier vehement gegen die Bundes-SPD kämpfen – noch zu Zeiten von Frau Nahles hat Ihr SPD-Bundesvorstand beschlossen, wir wollen einen fünfjährigen Mietenstopp in ganz Deutschland haben –, so interessiert Sie das nicht die Bohne. Sie kämpfen gegen Ihren neuen Vorstand, gegen Saskia Esken und WalterBorjans und sagen: Die laden wir auf gar keinen Fall ein, die sind uns zu links. Sie können gern so verharren, ich meine, es ist nur gut für uns, wenn Sie so konservativ sind, aber den Mietern und Mieterinnen nützt das überhaupt nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Und dann kommt Herr Niedmers und holt zum großen Rundumschlag aus. Da denke ich immer, der ist doch in der CDU, da habe ich doch recht. Wer hat denn von 2001 bis 2011 den Wohnungsbau komplett gegen die Wand gefahren? Wer hat den öffentlichen Wohnungsbau noch nicht einmal mit spitzen Fingern angefasst? Das war die CDU. Und Sie stellen sich hier heute hin und sagen, die anderen haben alle gar keine Ahnung. Sie sagen doch immer, der Markt funktioniere so gut. Das sehen wir, wie gut der Markt funktioniert, das merken die Mieter und Mieterinnen, die einfach nicht mehr genug Geld zum Leben haben am Ende des Monats und teilweise schon in der Mitte des Monats.

Herr Duge scheint auch von seinen grünen Kollegen und Kolleginnen in Berlin nicht viel zu halten, und Sie haben einen Abgrund von Rechtsstreitigkeiten beschrieben.

(Wolfgang Rose SPD: Berlin, Berlin, Berlin!)

Erinnern wir uns einmal daran, was hier in Hamburg los war, als Ihr grüner Kollege, Herr Kerstan, mit dem Dieselfahrverbot konfrontiert war,

(Dirk Kienscherf SPD: Das war Durchfahrts- beschränkung!)

und wer hier alles stand und sagte, das sei rechtlich überhaupt nicht zu halten, das sei eine Riesensauerei, das machen wir nicht. Er hat zu Recht ge

(Detlef Ehlebracht)

sagt, wir müssen es machen, und genauso ist es auch beim Mietendeckel, dass Sie auch da sagen können, Sie müssen es machen. Sie wissen, glaube ich, auch von Frau Schmidtbauer aus Berlin, die Ihnen gesagt haben wird, dass ungefähr 90 Prozent der Rechtsgutachten besagen, ein Mietendeckel sei verfassungsgerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber die CDU wird klagen. Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt, aber es wird wahrscheinlich nichts Gutes werden.

Wir sind doch alle so interessiert am Hamburger Mietendeckel und an Frau Lompscher. Ich lade Sie herzlich ein, nächste Woche Freitag, am 7. Februar, ist Frau Lompscher in Hamburg, wird mit Herrn Breitner vom Verband der norddeutschen Wohnungsunternehmen über den Mietendeckel diskutieren, und das wird bestimmt sehr spannend. Dann bin ich sehr erfreut, wenn Sie dazukommen und sich auch da einmal in der Öffentlichkeit hinstellen und sagen: Was 69 Prozent der Befragten wollen, das finden wir alles Quatsch. Wir wissen, was für euer Portemonnaie besser ist. Darauf freue ich mich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Koeppen von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass sich die Mehrzahl der Hamburgerinnen und Hamburger für eine Begrenzung der Mieten ausspricht. Denn wenn Sie gefragt werden, wollen Sie mehr zahlen oder wollen Sie weniger zahlen, was ist denn die Antwort?

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das ist nicht gefragt worden!)

Spannend wäre doch das Ergebnis gewesen, wenn die Fragestellung um die Konsequenz erweitert werden würde. Sind Sie für einen Mietendeckel, wenn keine neuen Wohnungen mehr gebaut werden und damit nach fünf Jahren die Mieten ins Unermessliche steigen?

(Zuruf: Das ist doch Unfug!)

Unfug ist es nicht, denn gucken wir doch einmal nach Berlin.

Im Grunde genommen ist es doch wunderbar, dass in Berlin dann nicht mehr gebaut wird. Da haben schon mehrere Unternehmen und Genossenschaften gesagt, sie stellen den Wohnungsbau komplett ein. Hamburg würde doch davon profitieren. Wir haben einen Überhang an Wohnungen, und wir brauchen Bauunternehmen, wir brauchen Architekten, wir brauchen Bauleiter. Die SAGA hat, glaube ich, im Moment rund 20 Stellenausschrei

bungen offen, die können dann alle aus Berlin hierherkommen, und dann können wir unsere Wohnungsbauvorhaben umsetzen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Ihr zertrüm- mert eure Partei!)

Und dann geht auch noch die Miete weiter runter.

Ich habe bei der ganzen Geschichte, weil mir die Zeit fehlte, etwas noch ganz vergessen. Sie hatten noch eine zweite Forderung in Ihrem Antrag, nämlich dass gemeinnützige Wohnungsunternehmen städtische Grundstücke zu besonderen Konditionen überlassen bekommen. Frau Sudmann, es nützt wenig, wenn Sie aus Senatsdrucksachen abschreiben und das hier als Forderung formulieren. Ich verweise für jeden, der das nachlesen möchte, auf die Senatsdrucksache 21/18514 vom 1. Oktober 2019. Dort ist nämlich dieser Punkt auf Seite 19 genau ausgeführt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es kommt wieder Leben in die Abgeordneten, ich habe noch eine ganze Reihe von Wortmeldungen. – Der Nächste ist Herr Niedmers von der CDU-Fraktion.

(Dirk Kienscherf SPD: Ist das Ihre letzte Re- de?)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Sudmann hat eben wirklich noch einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie von Immobilienwirtschaft, den immobilienwirtschaftlichen Zusammenhängen und auch der sozialen Verpflichtung von Eigentum und Immobilienwirtschaft keine Ahnung hat. Deswegen halte ich es für unbedingt wichtig und sinnvoll, dass Sie einmal ein vierwöchiges Praktikum in einem Immobilienunternehmen Ihrer Wahl machen.

(Zurufe von der SPD)

Ja, es macht sich aber nicht falscher, wenn ich es noch einmal wiederhole, denn wir müssen sie doch irgendwie motivieren, dass sie sich irgendwo einmal bewirbt, dann einmal dazulernt und in Zukunft auch versteht, dass Wohnungsbau nicht dekretiert werden kann.