Protokoll der Sitzung vom 10.02.2016

Erstens: Das Winternotprogramm muss tagsüber gereinigt werden und das negiert auch keiner.

Zweitens: Die enge Belegung im Winternotprogramm ist für einen 24-stündigen Aufenthalt nicht gedacht und würde zu Konflikten führen. Als Wohnunterbringung müsste das Winternotprogramm räumlich ganz anders strukturiert sein.

Und drittens: Die Akzeptanz für das Winternotprogramm in den Nachbarschaften ist ein hohes Gut. Eine Tagesöffnung würde diese Akzeptanz an manchen zentralen Stellen vielleicht zu sehr belasten; sprechen Sie einmal mit den Nachbarschaften. Aber wir wollen daran festhalten, es weiter aufrechterhalten und es auch tatsächlich realisieren und nicht nur darüber sprechen.

Das Winternotprogramm wird genutzt, um Menschen aus der Obdachlosigkeit herauszulösen. Hamburger Obdachlose haben einen Anspruch auf öffentlich-rechtliche Unterbringung, wenn sie diese wollen, und das geschieht auch. Im vergangenen Jahr haben wir 100 Personen aus der Obdachlosigkeit herauslösen können.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Unterbringungsplätze sind hierfür beim Ausbau der öffentlich-rechtlichen Unterbringung im Zuge der hohen Flüchtlingszahlen immer weiter mitgedacht worden, und so bleibt es auch 2016.

Wer den Ausbau des Winternotprogramms zu einer ganztägigen öffentlichen Unterbringung will, muss aber auch ehrlich sagen, dass dies kaum ohne eine Prüfung der sozialrechtlichen Ansprüche und damit auf Kosten der Niedrigschwelligkeit geht. Wir haben das alles im Sozialausschuss im November diskutiert. Die damals zugesagte Erweiterung der Angebote der Tagesaufenthaltsstätten ist inzwischen umgesetzt und eine Lücke am Wochenende ist geschlossen worden.

Der Antrag von SPD und GRÜNEN benennt die Punkte, die machbar sind. Dem Antrag der Fraktion DIE LINKE können wir aus den eben genannten Gründen nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Bekeris. – Frau Prien von der CDUFraktion, Sie haben nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein schwieriges Thema; wir haben es heute schon in der vorhergehenden Debatte miteinander erörtert. Ich will mich deshalb mit reißerischen Formulierungen zurückhalten. Trotzdem: Für jeden Senat, auch für den Ihren, Frau Bekeris, ist das eine Dauerbaustelle, und es gibt keinen Grund, so zu tun, als ob alles super liefe. Das tut es nicht. Das kann es aber auch, glaube ich, gar nicht wirklich. Es ist natürlich immer eine gewisse Gratwanderung, weil es zum einen darum geht – und das unterstützen wir ausdrücklich –, ein niedrigschwelliges Hilfsangebot vorzuhalten, das jedem offen steht, zum anderen aber dafür zu sorgen, dass keine Verstetigung stattfindet und dass Beratung möglichst dazu führt, dass die Menschen aus der Obdachlosigkeit wieder herauskommen. Das muss das Ziel sein.

Auf der anderen Seite kann es nicht darum gehen und muss verhindert werden, durch Pull-Effekte eine Sogwirkung zu erzeugen, die letztlich – das muss ich Ihnen, meinen Damen und Herren von der LINKEN, schon entgegenhalten – dazu führt, dass prekäre Arbeitsverhältnisse insbesondere von Arbeitsmigranten aus Mittel- und Osteuropa auf diese Weise auch noch unterstützt werden. Das

(Ksenija Bekeris)

kann nicht das Ziel des Winternotprogramms sein. Deshalb muss man die Dinge leider differenziert betrachten.

Zunächst einmal hat es tatsächlich einen unheimlich großen Charme zu sagen, lasst uns doch das Programm tagsüber öffnen. Das würde zumindest die unmittelbare Not lindern. Sie wissen, dass wir im Herbst einen entsprechenden Prüfantrag gestellt und uns mit der Frage befasst haben, ob das möglicherweise ein Weg ist. Allerdings haben auch wir infolge der Beratungen im Sozialausschuss erhebliche Zweifel, ob das rechtlich – und nicht nur rechtlich, sondern auch von der Steuerungswirkung her – der richtige Weg ist.

Was die Beratung im Sozialausschuss angeht, Frau Bekeris, muss man aber schon noch einmal sagen, dass das, was seinerzeit am 16. November zugesagt worden ist, nämlich die weitere Öffnung von zwei Tageseinrichtungen, so ganz nicht zutrifft. Sie sind nämlich alternierend, also wochenweise wechselnd, geöffnet.

(Ksenija Bekeris SPD: Und eine extra!)

So ganz entspricht das nicht dem, was Sie zugesagt haben. Da fühlen wir uns von den Äußerungen im Sozialausschuss schon ein wenig falsch oder missverständlich informiert.

Das Gleiche gilt im Übrigen für die Frage, ob es möglich ist, das Winternotprogramm über den 31. März hinaus aufrechtzuerhalten. Während es im Ausschuss noch hieß, bei entsprechenden Witterungsverhältnissen werde das in Betracht gezogen, heißt es jetzt in der Antwort des Senats auf eine Anfrage vom 15. Januar, es werde nicht darüber nachgedacht, das Winternotprogramm auch über den 31. März hinaus offenzuhalten. Das, finde ich, läuft nicht gut.

Ich finde es auch ein bisschen traurig, dass Sie Ihren Antrag, dem man natürlich nur zustimmen kann, weil er lauter Dinge enthält, denen man wirklich nicht widersprechen kann

(Ksenija Bekeris SPD: Das ist doch gut!)

Sie haben aber auch so gut wie nichts Konkretes –, erst stellen, wenn DIE LINKE mit ihrem sehr konkreten Antrag ankommt. Das ist auch ein Trauerspiel.

(Ksenija Bekeris SPD: Immerhin stimmen Sie dem Trauerspiel zu!)

Dennoch werden wir Ihrem Antrag zustimmen. Man kann ihm, wie gesagt, nicht wirklich widersprechen.

Wir werden uns bei Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, enthalten, weil wir Ihr humanitäres Anliegen durchaus nicht nur nachvollziehen können, sondern auch unterstützen. Wir glauben aber einfach, dass es zu kurz gegriffen ist und Sie letztlich auf diesem Weg die ge

wünschten Ziele nicht erreichen würden. Insofern: Enthaltung zu Ihrem Antrag, Zustimmung zum Zusatzantrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Prien. – Jetzt hat Frau Engels von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir dürfen die Menschen, die kein eigenes Heim und kein Dach über dem Kopf haben, besonders im Winter nicht alleinlassen. Ein solidarisches Miteinander bedeutet, dass wir denen helfen müssen, die in Not sind. Alle Menschen können in soziale Krisen geraten, alle Menschen haben ein Zuhause verdient, und ich freue mich, dass sich Hinz&Kunzt, die Wohlfahrts- und Sozialverbände so engagiert dafür einsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Winternotprogramm ist ein niedrigschwelliges Übernachtungsangebot – wir haben bereits darüber gesprochen – für alle, die in Notsituationen sind und im Winter kein Dach über dem Kopf haben. Und gerade diese Niedrigschwelligkeit gilt es zu bewahren, denn alle Menschen, egal welcher Herkunft, egal welcher Rechtsstatus oder Grund, haben einen warmen Schlafplatz verdient.

Heute wollen die LINKEN sich als alleinige Helden präsentieren, als diejenigen, die sich für die Obdachlosen einsetzen,

(Cansu Özdemir DIE LINKE: Ihr könnt ja mit- machen!)

und wir, die Koalitionsfraktionen, sind die Doofen, die durch ihre Abstimmung zeigen, dass ihnen die Obdachlosen egal sind. Das Problem: So einfach ist das nicht. Und so einfach sollten wir es uns hier im Plenum und im Sozialausschuss nicht machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Im November haben wir bereits ausführlich über das Winternotprogramm diskutiert, auch über die ganztägige Öffnung. Ich erinnere mich, dass wir im Frühjahr noch einmal evaluieren und überlegen wollen, wie wir damit weiter voranschreiten, dass wir das Winternotprogramm stetig kontrollieren und darauf schauen, wie es funktioniert und welche Wirkungen es entfaltet.

Dass DIE LINKE die ganztägige Öffnung nun noch einmal beantragt und zur Debatte anmeldet, halte ich für kontraproduktiv. Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, an sachorientierten Lösungen zu arbeiten. Hier bin ich tatsächlich ausnahmsweise einer Meinung mit Frau Prien. Für den Aufenthalt, aber vor allen Dingen auch für die Beratung, stehen tagsüber Aufenthaltsstätten zur Verfügung.

(Karin Prien)

Wir finden es wichtig, dass Obdachlose, die nachts im Winternotprogramm sind, an diese Orte kommen und von der Geselligkeit und den Hilfsangeboten profitieren. Das Winternotprogramm darf nämlich keine Dauerlösung für die betroffenen Menschen sein.

Um die Situation zu verbessern, hat die Behörde in den vergangenen Monaten intensive Gespräche geführt und konnte erreichen, dass alternierend in der Tagesaufenthaltsstätte Bundesstraße und im Herz As Wochenendöffnung stattfindet. Und weil die Einsicht herrscht, dass das nicht ausreicht, wurde zusätzlich noch eine neue Tagesaufenthaltsstätte in der Friesenstraße eröffnet. Das ist eigentlich, wenn man einmal drüber nachdenkt, mehr als das, was wir im November besprochen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Natürlich, und darüber bin ich mir genauso im Klaren wie die meisten anderen im Saal, lassen sich durch die erweiterte Öffnung nicht alle Probleme lösen, die Wohnungs- und Obdachlose in der Stadt haben. Wir haben darüber schon öfters diskutiert. Die Sache ist äußerst vertrackt. Wir müssen genau hinschauen, wie wir die Situation verbessern können, und richtig optimal werden wir sie niemals hinbekommen.

Die öffentliche Unterbringung ist, wie Sie wissen, derzeit komplett ausgelastet und wird für Geflüchtete, die zu uns kommen, permanent ausgeweitet. Wir haben dabei aber auch die Wohnungs- und Obdachlosen unserer Stadt nicht vergessen. Auch für sie müssen ausreichend Plätze in der öffentlichen Unterbringung zur Verfügung stehen.

Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass das soziale Hilfesystem für Wohnungslose aus mehr besteht als dem Winternotprogramm. Wir haben ein grundsätzlich recht gut aufgestelltes Hilfesystem und sind dabei, es immer weiter auszubauen. Hier nenne ich nur einmal das Stichwort Gesamtkonzept Wohnungslosenhilfe.

Über das Sofortprogramm zur besseren Versorgung von vordringlich Wohnungssuchenden haben wir schon diskutiert. Damit werden weitere Wohnungen für die Zielgruppe zur Verfügung stehen, also auch für wohnungslose und wohnberechtigte Zuwanderinnen und Zuwanderer aus der öffentlichen Unterbringung. Zudem haben wir kürzlich die Notunterbringungsplätze im Pik As und in der Frauenübernachtungsstätte in der Hinrichstraße aufgestockt, ganzjährig.

Die Obdach- und Wohnungslosigkeit ist insgesamt eine große Herausforderung für Hamburg. Steigende Mieten und der angespannte Wohnungsmarkt tun ihr Übriges. Aber wir arbeiten daran, die Situation für Obdachlose zu verbessern, und Sie können mir glauben, dass mir dieses Thema am Herzen liegt. Aber das Winternotprogramm ist ein Not

programm, keine öffentliche Unterbringung und erst recht kein Zuhause. Für diejenigen, die ganztägig und langfristig ein Obdach suchen und es aus eigener Kraft nicht schaffen, brauchen wir ausreichend Plätze in der öffentlichen Unterbringung und mehr Sozialwohnungen. Unser Ziel darf es nicht sein, das Winternotprogramm stetig auszubauen und zu erweitern, im Gegenteil, ich möchte es überflüssig machen. Die Menschen müssen aus der Situation der Obdach- und Wohnungslosigkeit herausfinden können, und das scheint vor allem für DIE LINKE gar nicht mehr das Ziel zu sein. Die rot-grüne Regierung ist gewiss auf einem nicht einfachen, aber guten Weg.

Man sollte sich nicht nur auf das Winternotprogramm konzentrieren und es stetig ausbauen wollen, sondern es ist wichtig, auf die gesamte Wohnungslosenhilfe zu schauen.

(Zuruf von Cansu Özdemir DIE LINKE: Aber ihr macht es ja nicht!)

Ich habe gerade schon ein paar Sachen aufgezählt, die wir in den vergangenen Monaten zusätzlich in der Obdachlosenhilfe geschaffen haben. Nichts würde ich anderes nennen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)