Protocol of the Session on March 2, 2016

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(Beifall bei der CDU)

Dass der Bürgermeister im Zuge des sogenannten Auto-Gipfels Fahrverbote für möglich hält, falls die Automobilindustrie keine erkennbaren Fortschritte bei der Schadstoffminderung erzielt, ist nichts weiter als ein durchschaubares politisches Manöver. Die Drohung mit politischen Grausamkeiten wie Umweltzone, Citymaut und partiellen Fahrverboten, mit denen im Übrigen die GRÜNEN schon bei den Koalitionsverhandlungen vollkommen gescheitert sind,

(Farid Müller GRÜNE: Was ist das denn für eine Legende?)

soll nur von der eigenen Ideenlosigkeit und Untätigkeit ablenken. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Die Automobilindustrie hat in der Vergangenheit schwerwiegende strategische Fehler und Versäumnisse, teilweise sogar unter Vorsatz, begangen und steht ganz besonders in der Verantwortung, ihre Bemühungen in dieser Frage spürbar zu erhöhen. Das entbindet diesen Senat aber nicht von der eigenen Verantwortung, die hierfür unterstützenden Rahmenbedingungen zu schaffen und eigene wirksame Impulse zu setzen. Denn nur mit dem Finger auf andere zu zeigen ist zwar ein sehr bequemer Weg, wird aber nicht Ihrer politischen Verantwortung gerecht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

(Martina Koeppen)

Daher zielt der Antrag der FDP-Fraktion, für den ich durchaus gewisse Sympathien empfinde, schon in die richtige Richtung. Er wird nach meiner Einschätzung aber der Gesamtkomplexität dieses Themas nicht vollends gerecht. Das wird bereits mit der ersten Forderung, die ich exemplarisch herausgreifen möchte, deutlich. So sollen bis Ende 2016 insgesamt 700 öffentlich zugängliche Ladestationen in Hamburg zur Verfügung stehen. Ich habe da eine andere Zahl. Auf der Homepage von Stromnetz Hamburg sind 90 Standorte angegeben, und Stromnetz Hamburg selbst beabsichtigt, bis zum Herbst die Zahl auf 600 zu erhöhen. Wenn nun die Verfügbarkeit von öffentlich zugänglichen Ladestationen der alleinige Schlüssel wäre, um das Thema Elektromobilität deutlich voranzubringen, dann würden 100 weitere durchaus Sinn machen. Das ist auch kein immenser Kostenblock, denn eine Ladesäule kostet ungefähr 3 500 Euro, mit Anschluss vielleicht noch 500 Euro mehr; insofern ist das keine unrealistische finanzielle Forderung. Aber das ist nicht der alleinige Schlüssel, sondern dieses Thema hat deutlich mehr Facetten, wie zum Beispiel der Aufbau eines Direct-Pay-Systems. Denn was nützt es mir, wenn ich am Wochenende mein Auto aufladen möchte und dann erst anfange, einen Stromvertrag abzuschließen? Ich weiß, dass Stromnetz Hamburg dabei ist, das zu entwickeln, aber es gibt noch kein funktionierendes System. Das ist ein weiterer wichtiger Schlüssel, um die Attraktivität für den Endnutzer zu erhöhen.

Dann brauchen wir die Unterstützung der Wissenschaft bei der Entwicklung von Batteriesystemen. Wir müssen die qualitative und quantitative Vorbereitung der beruflichen Aus- und Weiterbildung auf die Herausforderungen der Elektromobilität fördern. Wir brauchen aber auch gezielte Fördermodelle für handwerkliche Betriebe in Hamburg.

(Dorothee Martin SPD: Das hatten wir doch!)

Wir müssen auch eine stärkere Verknüpfung von Elektromobilität mit dem ÖPNV erzielen und noch vieles mehr. Da das Thema durch diesen Antrag meiner Meinung nach nicht vollends ausgeschöpft wird, sondern deutlich mehr Facetten erfordert, die in der Betrachtung berücksichtigt werden müssen, werden wir uns in der ziffernweise erfolgenden Abstimmung jeweils zu den einzelnen Punkten entscheiden.

Vielleicht als kleine Kritik an die Kollegen der FDP: Es wirkt ein bisschen so, als sei dieser Antrag im Rahmen eines Brainstormings entstanden, wo anschließend Ideen in Form von Pappkarten in diesen Text gegossen wurden.

(Michael Kruse FDP: Dann haben wir mal gebrainstormt!)

Dieses Thema ist wichtig, und da der Senat eine solche Flanke bietet, dass es erheblichen Hand

lungsbedarf gibt, würde ich mich freuen, das Ganze an den Verkehrsausschuss zu überweisen, um es noch einmal intensiver diskutieren zu können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Sparr von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst eine kurze Erwiderung an Herrn Gamm: Um den Luftreinhalteplan brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Er ist in Arbeit, wie Sie vielleicht auch wissen, und wird im kommenden Jahr sicherlich vorgestellt werden. Dass er noch nicht öffentlich diskutiert wird, heißt nicht, dass nicht daran gearbeitet wird.

(Birgit Stöver CDU: Was ist mit kurzfristigen Maßnahmen?)

Man verteilt doch keine ungelegten Eier.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was die Fahrverbote angeht, sind sie leider eine reale Option, wenn die Autoindustrie ihrer Verantwortung nicht nachkommt. Dem muss man schon ins Auge sehen.

Aber jetzt möchte ich zu dem FDP-Antrag sprechen, denn er ist Anlass der Debatte. Er umfasst viele Punkte, auf die ich nicht alle in der kurzen Redezeit eingehen kann; deshalb greife ich nur einige heraus. Die in der Überschrift des Antrags vermittelte Intention, Schadstoffbelastung durch den Verkehr zu senken, ist richtig und durchaus begrüßenswert. Aber die im Petitum des Antrags formulierten Ziele dienen weniger dazu, die Schadstoffbelastung zu senken, als vielmehr sicherzustellen, dass der Autoverkehr nicht beeinträchtigt wird. Wenn wir die Schadstoffbelastung durch den Autoverkehr minimieren wollen, müssen wir zuallererst dafür sorgen, dass weniger Autos auf der Straße sind.

Deshalb ist es so wichtig, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Deshalb bauen wir die U5, verlängern die U4 und bauen die S4 nach Oldesloe. Deshalb fördern wir auch Carsharing, besonders in Verbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr, denn wer den Weg zur U-Bahn per Carsharing zurücklegt, braucht keinen eigenen Parkplatz am Bahnhof. Wenn wir allerdings, wie die FDP es will, die P+R-Häuser wieder gebührenfrei zur Verfügung stellen, dann werden sie als kostenlose Quartiersgarage genutzt

(Dennis Thering CDU: Dafür haben Sie im Wahlkampf auch gekämpft und sind wieder umgefallen!)

und würden damit gerade keinen Anreiz bieten, auf das eigene Auto zu verzichten.

(Stephan Gamm)

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Da wir die Schadstoffbelastung senken wollen, ist auch die Förderung des Fahrradverkehrs so wichtig. Rot-Grün will die Velorouten bis 2050 fertigstellen, sich um 50 Kilometer Radverkehrsanlagen kümmern und auch die Bezirksrouten wieder stärken. Das alles sind bereits wirksame Beiträge zum Umweltschutz. So mindern wir die Schadstoffbelastung.

(Beifall bei Dr. Monika Schaal SPD)

Was dagegen die FDP vorschlägt, ist ein Sammelsurium aus der Mottenkiste. Die Stellplatzabgabe solle wieder eingeführt werden. Liebe FDP, auch das neue Baurecht verbietet niemandem, Stellplätze zu bauen. Doch gerade in der Innenstadt verzichten immer mehr Menschen auf das eigene Auto. Wozu also die Baukosten unnötig in die Höhe treiben? Sie sind doch sonst auch für Flexibilität.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann wollen Sie die Elektromobilität fördern. Das wollen wir auch, sofern sichergestellt ist, dass der Strom für diese Fahrzeuge aus erneuerbaren Quellen stammt, sonst sieht die Ökobilanz von EAutos, wenn man die Produktion und die dadurch entstehenden Schadstoffe mit betrachtet, nicht mehr ganz so positiv aus. Dazu gibt es eine sehr eindeutige Studie des Fraunhofer Instituts, die übrigens das Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben hat.

Dann fordern Sie mehr Ladesäulen, und zwar 700 bis zum Jahresende. Auch da liegen wir gar nicht so weit auseinander, denn wir wollen bis zum Sommer bei 600 sein. Wir sind allerdings der Meinung, dass die Ladeinfrastruktur in etwa proportional zur Zahl der Elektrofahrzeuge mitwachsen soll. Momentan sind wir in Hamburg bei 1 800 Fahrzeugen, die diese Ladesäulen nutzen können, und es sollen mehr werden. Der Hamburger Klimaplan nennt als Ziel 3 000 Fahrzeuge bis 2017. Um die Elektromobilität weiter zu fördern, haben wir übrigens auch schon im vergangenen Jahr die Parkgebühren für Elektrofahrzeuge aufgehoben.

Was die Nutzung von Laternenmasten angeht, so zeigen Erfahrungen aus Berlin, dass kaum ein vorhandener Beleuchtungsmast für eine nachträgliche Ausrüstung mit Ladetechnik für Elektroautos geeignet ist. Da ist also erst einmal nicht viel zu holen.

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass die von der FDP formulierten Vorschläge nicht wirklich geeignet sind, die Schadstoffbelastung durch den Autoverkehr zu senken. Hier hat unser rot-grüner Senat schon jetzt weiterreichende Maßnahmen auf den Weg gebracht, und wir sind weiter auf dem Weg. Überlassen Sie das uns, dann wird es auch gut. Ihren Antrag werden wir ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE.

Es ist schon interessant, was drohende Fahrverbote bewirken. Sie bringen immerhin einige zum Nachdenken. Wenn dann aber, Frau Sparr, beim Nachdenken herauskommt, dass ein seit Jahren überfälliger Luftreinhalteplan dazu führt, sich auf die Schulter zu klopfen, weil er 2017 kommt, dann hat man zu wenig nachgedacht.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU)

Aber Nachdenken heißt auch nicht, wie es bei der FDP geschehen ist, man geht einmal durch seinen blaugelben Autogarten und nimmt alle möglichen Blüten und alle möglichen Satzbausteine zusammen. Dies hilft nicht wirklich.

Ohne Frage hat der Straßenverkehr in Hamburg und auch woanders den größten Anteil an den CO2-Emissionen. Der Weg, den Sie vorschlagen, indem Sie auf Elektroautos setzen, ist jedoch ein Irrweg und reicht überhaupt nicht.

Und bei Ihnen, Herr Schinnenburg, fehlt die Analyse. Vielleicht sollten Sie einmal etwas genauer schauen. Sie reden immer davon, man dürfe die Leute nicht beeinträchtigen und müsse die Autofahrerinnen und -fahrer in Hamburg schützen. Ist Ihnen eigentlich bewusst, wie viele Leute in Hamburg ein Auto haben? 32 Prozent aller Hamburger Haushalte haben kein Auto. Im Bereich des Rings 2, also in der Innenstadt, haben sogar 44 Prozent aller Haushalte kein Auto. Für wen machen Sie eigentlich Ihre Politik? Für den gesamten Rest oder auch für die Menschen, die kein Auto fahren?

(Beifall bei Anna Gallina GRÜNE)

Wie ist eigentlich die Entwicklung? Ich sehe gerade, dass Herr Oetzel mich so anstrahlt. Herr Oetzel, Ihr Thema könnte die Jugend sein, aber ich fange einmal mit den Älteren an. Es gab letztes Jahr im Auftrag des Bundesumweltministeriums eine Studie zum Umweltbewusstsein. 82 Prozent der Befragten haben sich dafür ausgesprochen, dass die Städte so umgestaltet werden, dass man sich möglichst ohne Auto fortbewegen kann; bei den 14- bis 17-Jährigen waren es sogar 92 Prozent. Wenn Sie eine zukunftsorientierte Politik machen wollen, sollten Sie sie für diese Menschen machen. Aber Sie haben sich gar nicht gefragt, warum wir Individualverkehr haben. Warum fahren so viele Leute immer noch Auto?

(Michael Kruse FDP: Weil Sie es noch nicht verbieten konnten!)

Mag es vielleicht daran liegen, dass einige noch nicht wissen, wie man mit Bus und Bahn fährt, oder dass einige vielleicht noch nicht gesehen ha

(Ulrike Sparr)

ben, Herr Westenberger, dass man sich in Hamburg sogar ganz gut mit Bus und Bahn fortbewegen kann, aber immer noch relativ viele Querverbindungen fehlen und der HVV immer noch viel zu teuer ist?