Protokoll der Sitzung vom 17.01.2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben hier zwei elendig lange Papiere zum Diskutieren bekommen, also nicht zur Entscheidung, sondern nur, dass wir einmal darüber gesprochen haben. Ich habe mich da durchgequält und musste dauernd aufpassen, dass ich beim Lesen nicht einschlafe.

(Heiterkeit bei Dr. Alexander Wolf AfD – Mi- chael Kruse FDP: Geht uns bei Ihren Reden auch so!)

Klar ist, dass die Gleichstellung in Hamburg, weil sie offenbar sehr erfolgreich ist, in der Phase der Bürokratisierung angekommen ist. Meine Vorrednerinnen haben dazu schon einiges gesagt. Was mich aber immer wieder wundert, ist die Tatsache, dass gleichstellungspolitische Protagonistinnen hier in der Bürgerschaft sich mit allen möglichen Luxusproblemen befassen, aber die gravierendsten Probleme völlig übersehen oder wohl eher bewusst wegsehen. Damit meine ich die katastrophale Lage vieler muslimischer Frauen in unserer Gesellschaft. Diese werden unterdrückt, verachtet und müssen nicht selten in der Familie und in der Gesellschaft, in ihrer Community Gewalt erleiden. Absolut jede und jeder weiß das auch, natürlich auch hier in der Bürgerschaft. Solche Frauen bräuchten wirklich die Hilfe des Staates und der Zivilgesellschaft hier in Hamburg und anderswo. Die Muslima können sich nämlich nicht selbst helfen.

(Nebahat Güçlü fraktionslos: Blödsinn, ein- fach Blödsinn!)

Dazu fehlen ihnen in jeder Hinsicht alle Mittel im Gegensatz zu den Frauen der deutschen Mehrheitsgesellschaft, die das selbst können und eigentlich den Kampf auch längst gewonnen haben. Individuelle Frauenrechte sind Menschenrechte,

sie sind universelle Rechte, sie gelten unabhängig von Ethnie und Religion. Frauenrechte nur für deutsche Frauen durchzusetzen und die vielen Muslima, die hier leben, zu vernachlässigen, ich könnte auch sagen, bewusst zu ignorieren, ist eine Form von Rassismus.

(Cansu Özdemir DIE LINKE: Das ist eine Lüge! – Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Professor Kruse, bitte beachten Sie den parlamentarischen Sprachgebrauch.

Ich werde mir Mühe geben.

(Cansu Özdemir DIE LINKE: Reden Sie zum Thema!)

Ich rede sehr genau zum Thema und Sie alle wissen das auch.

Diese Probleme, die ich eben angesprochen habe, hätten in dem Papier, das wir gelesen haben, ein eigenes Kapitel verdient gehabt. Aber selbst dort, wo die Überschriften so klingen, als könne etwas kommen, zum Beispiel auf den Seiten 41 und 46 ff. – Fehlanzeige und nur allgemeine Sprüche. Der große Elefant steht mitten im Raum, aber der Staat drückt sich drum herum. Das nenne ich politische Feigheit, Frau Senatorin. Sie wollen links sein. Was heißt denn links? Für mich heißt links zum Beispiel Identifizierung von diskriminierten Gruppen der Bevölkerung und Verbesserung ihrer Situation. Das kann materiell sein oder rechtlich oder in anderer Hinsicht.

(Farid Müller GRÜNE: Das muss nicht links sein!)

Ich könnte auch sagen, links heißt Emanzipation nicht nur für Frauen, aber auch für Frauen, und zwar für alle Frauen, auch für muslimische Frauen. Solange Sie das in Bezug auf die muslimischen Frauen nicht beachten und umsetzen, finde ich Ihre langen Gleichstellungspapiere eher überflüssig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Professor Kruse. – Frau Senatorin Fegebank, Sie haben nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich sehr frohgemut hier nach vorn treten und mich bedanken für diese konstruktiven Debattenbeiträge, die die Bedeutung des Themas Gleichstellung, Gleichstellungspolitik, gleichberechtigte Teilhabechancen von allen Seiten des Hauses hier so ins Zentrum gestellt haben, und

(Christel Nicolaysen)

dann hat mich Ihr Beitrag, lieber Herr Kruse, doch etwas stutzig gemacht.

(Michael Kruse FDP: Herr Professor Kruse bitte!)

Erstens, Herr Professor Kruse, ist das ein Vorwurf, den ich nicht bereit bin zu akzeptieren. Das ist ein sehr schwerwiegender Vorwurf, den Sie machen,

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Ewald Aukes FDP)

und zweitens lohnt es sich dann vielleicht doch einmal, in die von Ihnen so dargestellte Papierwüste genauer hineinzugucken. Denn genau das, was wir mit diesem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm tun, übrigens wie mit allen anderen Programmen, auf die dieses Programm ja auch Bezug nimmt … Es ist manchmal ein bisschen schwergängig, sich mit einem Demografiekonzept auseinanderzusetzen, sich mit der Fachkräftestrategie auseinanderzusetzen, sich mit dem Integrationskonzept auseinanderzusetzen, alles Konzepte, die genau diese Frage adressieren: Wie schaffen wir es, gleichberechtigte Lebensbedingungen zu schaffen für alle Menschen, die bei uns in dieser Stadt leben, ob Männer oder Frauen oder das dritte Geschlecht, ob Christin, ob Muslima, ob Buddhistin? Wir adressieren alle, Diskriminierungen abzubauen und ihre Menschenrechte auf ganzer Linie verwirklichen zu können. Ich verstehe nicht, wieso Sie das aus diesem Papier nicht heraussehen können.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Aber es zeigt umso mehr, und das ist der eigentliche Punkt, den ich machen wollte, weil Sie ja sehr intensiv, liebe Vorrednerinnen und Vorredner, auch auf die Programmatik des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms, einzelne Felder, auch neue Felder, eingegangen sind, Sie haben auf ganzer Linie bestätigt: Es ist immer noch wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. Es wird auch auf lange, lange Zeit wichtig bleiben, sich mit der Frage der Gleichstellungspolitik auseinanderzusetzen, weil sie eben nie fertig ist, weil wir im Moment in einer Zeit Rollbacks erleben, angefangen bei den USA, aber auch bei unseren europäischen Nachbarn. Aber wir müssen gar nicht weit gucken. Wir können nach Berlin gucken und sehen, dass das erste Mal seit knapp 20 Jahren nur noch 30 Prozent Frauen im Deutschen Bundestag sitzen. Von der ungleichen Bezahlung für gleichwertige Tätigkeit oder in erster Linie Teilzeitarbeit oder geringfügige Beschäftigung für Frauen muss ich, glaube ich, gar nicht sprechen. Da sind wir sehr schnell auch da, wo Deutschland und wo dann auch unsere Stadt ins Gespräch kommen, nämlich: Wie können wir es schaffen, individuell an Lebensentwürfen und an Lebensperspektiven Chancen zu verbessern, Diskriminierungen abzubauen, Strukturen

aufzubrechen, Machtverhältnisse, etablierte Rollenbilder aufzubrechen und die Geschlechter jeweils in ihren Möglichkeiten und ihren Chancen zu erkennen? Ihr Beitrag hat mir noch einmal so deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass es hier in diesem Haus über alle gesellschaftlichen Bereiche, Lebensbereiche, Zuständigkeitsfelder im behördlichen Kontext, im politischen Raum, im gesellschaftlichen Raum immer wieder nötig ist und auch nötig sein wird, die Errungenschaften der letzten Jahre und Jahrzehnte, die von einigen immer wieder gerade infrage gestellt werden, zu verteidigen, sie hochzuhalten und auch weiterzuentwickeln.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich finde, das sieht man, wenn man sich jetzt die Fortschreibung anguckt. Wir hatten eine sehr solide Grundlage mit dem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm und haben in der Evaluierung festgestellt, dass viele der angestoßenen Maßnahmen erfolgreich waren und auch tauglich sind, um fortgesetzt zu werden. Wir hatten da einen intensiven Prozess mit allen Behörden, Fachämtern. Ich möchte an dieser Stelle auch einen sehr großen Dank aussprechen für die Beratungen von Unterstützerverbänden und Gruppen von außerhalb, die noch wertvolle Impulse geliefert haben. Die Themen der Digitalisierung, aber auch der Frage Flucht und Frauen oder Flucht und Gleichstellung sind hier eben zentral angesprochen worden. Wir haben zum ersten Mal versucht, mit Indikatoren und Messgrößen zu erreichen, dass wir die Herausforderungen und die Fortschritte tatsächlich noch besser abbilden können, als es bisher der Fall gewesen ist.

Nach wie vor ist Gleichstellung ein Querschnittsthema, ein Thema, das, wie ich eingangs sagte, in die bestehenden Programme mit einfließt und auch immer gespiegelt wird. Ich bin tatsächlich froh, dass es uns gelungen ist, mit so vielen Unterstützern das Ganze auf den Weg zu bringen. Denn echte Gleichstellung ist nur zu erreichen, wenn Geschlechterfragen nicht nur von einigen Expertinnen und Experten in abgeschlossenen Zirkeln bearbeitet werden, sondern als Arbeitsaufgabe, als Verantwortung auf allen Ebenen in allen Politik- und Verwaltungsbereichen gesehen werden.

Ich habe eben sehr kurz schon angedeutet, dass wir ein recht frisches Verfassungsgerichtsurteil zum dritten Geschlecht haben. Auch daraus ergeben sich Herausforderungen für dieses Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm. Das ist ein Urteil, das wir, weil es möglicherweise unsere hergebrachten Bilder etwas infrage stellt, nicht beiseiteschieben können, sondern das wir sehr aktiv auch in unsere Debatten aufnehmen müssen.

Ich möchte, dass sinnvolle, vor allem nach vorn gerichtete moderne Gleichstellungspolitik nicht auf den fachlichen Blick verzichtet, nicht auf den übergreifenden Blick verzichtet. Das heißt, wir brau

(Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank)

chen nicht in erster Linie mehr gleichstellungspolitische Formate, sondern mehr Gleichstellung in allen Formaten. Und da setze ich auf Unterstützung hier im Haus und freue mich darüber, dass das tatsächlich an alle Ausschüsse überwiesen wird. Wir haben heute wieder gehört, dass es sehr nötig ist, dass wir immer und immer wieder daran erinnert werden, dass es hier um sehr grundlegende Grundrechts- und Menschenrechtsfragen geht. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Senatorin. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zu den Abstimmungen.

Wir beginnen mit der Drucksache 21/11065, der Großen Anfrage der SPD-Fraktion.

Hierzu stelle ich fest, dass die Bürgerschaft Kenntnis genommen hat.

Nun zur Senatsmitteilung aus Drucksache 21/11341.

Wer möchte diese federführend an den Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung und mitberatend an die eingangs genannten Fachausschüsse überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einigen wenigen Gegenstimmen mit großer Mehrheit beschlossen.

Wir machen hier oben eben einen Wechsel. – Herr Duwe, bitte.

(Vizepräsident Dr. Kurt Duwe übernimmt den Vorsitz.)

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 12, Senatsantrag: Umsetzung von Maßnahmen des Masterplans "Active City".

[Senatsantrag: Umsetzung von Maßnahmen des Masterplans "Active City" (MPAC) Haushaltsplan 2018 – Bedarfe in den Einzelplänen 1.2 bis 1.8 – Bezirksämter, 3.1. Behörde für Schule und Berufsbildung, 8.1 Behörde für Inneres und Sport und 9.1 Finanzbehörde – Drs 21/11340 –]

Dazu sind die Fraktionen übereingekommen, über diesen Senatsantrag nicht zu debattieren. Das heißt, wir kommen gleich zur Abstimmung.

Wer diesem Senatsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Zurufe: Das ist eine Überweisung!)

Eine Überweisung?

(Zuruf: Oh nein!)

Okay. Haben wir auch nicht alle bemerkt. Ich bin noch … Ja, genau, hier ist der Sauerstoffgehalt noch etwas geringer als bei Ihnen unten wahrscheinlich.

Also noch einmal:

Wer also möchte nun die Drucksache 21/11340 federführend an den Haushaltsausschuss sowie mitberatend an den Sportausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einer Enthaltung überwiesen.