Sehr geehrte Angehörige von Süleyman Tasköprü! Im Namen der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt spreche ich Ihnen unser Mitgefühl und tiefstes Beileid aus und möchte Sie um Entschuldigung dafür bitten, dass dieses Leid durch mit einem falschen Verdacht geführte Ermittlungen noch verstärkt wurde. Ich schließe mit dem Zitat von Bertolt Brecht:
Sehr geehrte Familie Tasköprü! Ich versichere Ihnen: Süleyman Tasköprü wird nicht vergessen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion und ich teilen das Mitgefühl für den Verlust von Herrn Süleyman Tasköprü. Ich kann ebenso nachvollziehen, dass die Ermittlungen gegen die Familie als große Belastung – ich wiederhole: als große Belastung – empfunden wurden. Doch es gehört zu einer unbefangenen Ermittlung der Sicherheitsbehörden dazu, dass zunächst in alle Richtungen ermittelt wird.
Ich würde daher von keinen falschen Verdächtigungen sprechen, sondern vertrete die Meinung, dass sich die Ermittlungen erst im Nachhinein als unzutreffend herausstellen konnten.
Die umfassenden parlamentarischen Aufklärungsarbeiten haben sich an die Ermittlungen angeschlossen. Sie waren und sind dem Rechtsfrieden zuträglich und haben zu einer Sensibilisierung im Umgang mit fremdenfeindlichen Motiven gesorgt. Darauf können dieses Hohe Haus und auch die Sicherheitsbehörden stolz sein. Mit diesem heutigen Tag, mit jedem Gedenken an die Opfer und die Hinterbliebenen mahnen wir an, dass eine derartig schreckliche Tat nicht erneut geschehen darf. Sie macht kein Unrecht ungeschehen, doch sie stiftet Hoffnung.
Wir haben parlamentarisch in vielen Sitzungen alles dafür getan, dass sich so ein schreckliches Ergebnis hoffentlich nicht wiederholen darf oder kann. Mit diesem Wissen gedenken wir des Opfers und sprechen der Familie unser ganz herzliches Beileid aus. Insofern halte ich es für sinnvoller, aus diesen Gräueltaten Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, um Fremdenfeindlichkeit mit allen Mitteln zu begegnen. – Vielen Dank.
Heute vor 17 Jahren wurde Süleyman Tasköprü in Hamburg ermordet. Er war das dritte von zehn Mordopfern des Terrornetzwerks NSU. Sein Tod wurde bis zur Selbstenttarnung seiner Mörder nicht aufgeklärt, ebensowenig wie der Mord an Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Habil Kilic, Ismail Yasar, Mehmet Turgut, Theodorus Boulgarides, Mehmet Kubasik, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. Bis heute sind die Morde nicht umfassend aufgeklärt, auch nicht im Münchner Prozess.
"Warum Mehmet? Warum ein Mord in Dortmund? Gab es Helfer in Dortmund? […] Und für mich so wichtig: Was wusste der Staat? Vieles davon bleibt unbeantwortet nach diesem Prozess."
Auch die Familie Tasköprü hat 17 Jahre nach dem Mord keine Antworten auf ihre Fragen: Warum Süleyman? Warum ein Mord in Hamburg? Gab es Helfer in Hamburg? Und was wusste der Staat? Solange diese Fragen nicht beantwortet sind, ist, um mit dem US-Schriftsteller William Faulkner zu sprechen, das Vergangene nicht tot, ja, nicht einmal vergangen.
Heute wird die Bürgerschaft – ich hoffe, mit großer Mehrheit – gegenüber der Familie Tasköprü eine Entschuldigung aussprechen. Wir unterstützen diese Initiative von GRÜNEN und SPD. Die Entschuldigung kann aber nicht bedeuten, dass dieses Kapitel deutscher Geschichte beendet wird. Dieses Kapitel ist nicht abgeschlossen und auch der Münchner Prozess – so viel ist heute sicher – schließt dieses Kapitel nicht, und zwar aus mindestens zwei Gründen.
Erstens ist der Komplex NSU nicht aufgeklärt. Wir von der LINKEN teilen die gut begründete Auffassung vieler Menschen, dass der NSU keine kleine abgeschottete Zelle von drei Menschen war. Der NSU war ein Netzwerk Gleichgesinnter, das dabei geholfen hat, die Opfer auszusuchen, und das womöglich auch weitere terroristische Straftaten begangen hat. Gerade erst wurde durch journalistische Recherche bekannt, dass die Spur eines Bombenanschlags in Nürnberg im Jahr 1999 womöglich zu einer engen Freundin von Zschäpe führt. Warum mordete der NSU in Hamburg? Warum Süleyman Tasköprü? Wer waren die Helfer? Diese Fragen müssen beantwortet werden und dazu brauchen wir auch in Hamburg sowie in allen anderen Tatortländern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Zweitens: Warum ist es trotz des NSU-Komplexes in Deutschland so schwer, eine ernsthafte Debatte über gesellschaftlichen und institutionellen Rassismus zu führen? Nicht nur der Staat, die ganze Mehrheitsgesellschaft hat im Zusammenhang mit dem Terror des NSU versagt. Als während der Mordserie Tausende Migranten in Dortmund und Kassel demonstrierten, blieben sie unter sich, fanden keine Aufmerksamkeit, keine Unterstützung. Aber versagt hat eben auch und maßgeblich der Staat. Als Süleyman Tasköprü vor 17 Jahren ermordet wurde, war es wie bei den NSU-Morden vorher und nachher für die Polizei von Anfang an ohne Hinterfragung klar, dass die Täter aus dem als kriminell vorausgesetzten Milieu des Opfers kommen mussten. Die Ermittlungen gingen in jedem einzelnen Mordfall über die ganzen Jahre hinweg von falschen Vorannahmen aus. Sie diskriminierten die Opfer und die Hinterbliebenen, auch im Fall Süleyman Tasköprü. In alle Richtungen wurde
ermittelt: Drogen, organisierte Kriminalität, Rotlichtmilieu. Nur in eine Richtung wurde nicht ermittelt. Es gibt jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass es auch nur eine einzige konkrete Ermittlungsmaßnahme in Richtung auf ein rassistisches Motiv und rassistische Täter gegeben hat, in Hamburg nicht und in den anderen Tatortländern auch nicht. Dafür waren die Sicherheitsbehörden blind, aber auch die Medien, die Politik und nahezu alle anderen gesellschaftlichen Akteure.
Die migrantischen Communitys, die der NSU mit seiner Mordserie verunsichern und verängstigen wollte, blieben mit ihrer Angst allein. Mehr noch, sie wurden durch die Art und Weise der Ermittlungen und durch die öffentliche Begleitung stigmatisiert und gesellschaftlich isoliert. Ich erinnere an einen Artikel im "Hamburger Abendblatt" am 30. Mai 2006 – Zitat –:
Gerade in der heutigen Zeit, in der die Rechte gesellschaftliche Räume erobert und Menschen mit migrantischen Wurzeln immer wieder offen droht, brauchen wir eine gründliche, eine kompromisslose und selbstkritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichem und institutionellem Rassismus, damit das schreckliche Vergangene tatsächlich Vergangenheit wird.
Meine Damen und Herren, bevor ich jetzt Herrn Jarchow das Wort gebe, möchte ich aus gegebenem Anlass noch einmal auf unsere Hausordnung hinweisen, die Sie alle kennen und nach der für die Nutzung von Geräten zur Wiedergabe von Bild und Ton in diesem Plenarsaal während der Sitzung eine gesonderte Genehmigung der Präsidentin erforderlich ist. Ich kann mich nicht erinnern, eine solche Genehmigung erteilt zu haben, und ich finde es ausgesprochen unangemessen, ausgerechnet während dieser Debatte hier Fußball zu gucken. Und ich finde es mehr als instinktlos, dass Sie sich dann auch noch als Fotomotiv für Bildjournalisten anbieten. Ich würde Sie wirklich bitten, der Ordnung des Hauses zu folgen. Wenn Sie Fußball gucken möchten, gehen Sie raus; das ist ja kein Problem. Aber jetzt lassen Sie uns diese Debatte bitte in Würde zu Ende führen.
Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wir Liberalen werden natürlich dem vorliegenden Antrag
zustimmen und halten das, was im Petitum formuliert ist, für eine Selbstverständlichkeit. Diese Entschuldigung erscheint viele Jahre nach der schockierenden Erkenntnis, dass sich dieser Hamburger Fall in eine bis dahin nicht für möglich gehaltene politisch motivierte Mordserie einreihte, zwar etwas verspätet, aber sie setzt ja lediglich einen Konsens fort, der hier im Hause seit Beginn der Aufklärung in Sachen NSU zum Glück bestanden hat.
Eine solche Deklaration hat allerdings aktuell durchaus eine Berechtigung, da in Kürze ein Urteil im NSU-Prozess in München zu erwarten ist. Dieser hat leider nicht die umfassende Aufklärung erbracht – und als rechtsstaatlicher Strafprozess wahrscheinlich auch nie erbringen können –, die viele Angehörige der Opfer erwartet hatten. Leider hatten manche politische Akteure diese unrealistische Hoffnung vor und während des Prozesses gefördert und die Aussicht vermittelt, dass dort Erkenntnisse zu erwarten wären, die wesentlich über das hinausgehen würden, was PUAs und Ermittlungen der Behörden ergeben hatten.
Letztendlich bleibt dem Parlament aber nur übrig, die Entschuldigung noch einmal formal auszusprechen, die die Betroffenen wahrlich erwarten können. Bedauerlich und sicherlich nicht zielführend ist es aber, dass der Antrag in seiner Begründung, ohne irgendwelche neuen Erkenntnisse zu präsentieren, doch wieder ungeklärte regionale Tätigkeiten und Vernetzungen des NSU mit dieser Entschuldigung verknüpfen will. Aus dem schlichten Sachverhalt, trotz umfangreicher Suche schlicht keine Hinweise dafür gefunden zu haben, kann man nicht zwingend ableiten, dass es solche Vernetzungen gegeben hat.
Hiervon völlig unabhängig möchte ich für die FDP am Ende nochmals wiederholen, dass wir der Familie Tasköprü unser Mitgefühl und tiefes Beileid für den erlittenen Verlust aussprechen und uns für das bei ihnen erlittene Leid entschuldigen, das auch die durch unter falschen Verdacht geführten Ermittlungen hervorgebracht haben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der NSU ist nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft für zehn Morde zwischen 2000 und 2007 verantwortlich. Opfer waren weitestgehend Kleingewerbetreibende mit Migrationshintergrund. Ein weiteres Op
fer war allerdings auch die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn; das wird zuweilen übersehen. Staatliche Organe haben bei der Aufklärung dieser Verbrechen in unvorstellbarer Weise reihenweise versagt. War es nur mangelnde Weitsicht? War es Schlamperei? Kritikwürdig sind diese Vorgänge allemal. Bei vielen Ermittlungsverfahren ist falsch ermittelt worden. Bei sehr vielen Ermittlungsverfahren in ganz Deutschland ist häufig zu lange in die falsche Richtung ermittelt worden. Eine Entschuldigung habe ich in den letzten Jahren oder Jahrzehnten in keinem dieser Fälle zur Kenntnis nehmen können, weder von einem Landesparlament noch von einer Exekutive – und in der Regel ermittelt die Exekutive falsch, wir ermitteln ja nicht.
Das, was passiert ist, ist schrecklich. All das, was passiert ist, muss Mahnung für die Strafverfolgungsbehörden sein, um künftig in allen Fällen strafrechtlicher Ermittlungen ergebnisoffen in alle Richtungen zu ermitteln und nicht von vornherein aus politischen Gründen bestimmte Ergebnisse auszuschließen.
Die AfD-Fraktion trauert mit allen Opfern von Gewalttaten in Deutschland oder wo auch immer. – Vielen Dank.