Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist immer eine dankbare Aufgabe, als Letzter in solchen Debatten zu reden, wenn schon sehr viel Richtiges gesagt worden ist, zuletzt von meiner Vorrednerin. Ich versuche es trotzdem noch einmal.
Für die Innere Sicherheit und Ordnung eines Landes ist eine gut und schnell funktionierende Rechtsprechung ein zentrales Element; da sind wir uns sicherlich einig. Einen maßgeblichen Einfluss darauf haben das Verwaltungs- und das Verfassungsgericht. Daher sollte es die Aufgabe der Parlamente sein, dafür zu sorgen, dass diese Gerichte nicht durch offensichtlich verfassungswidrige Verfahren unnötig belastet werden. Genauso sollte es die selbstverständliche Aufgabe der Parlamente sein, der Exekutive und ihren Vollzugsorganen qualitativ gute Gesetze mit klaren Regelungen und vor allem Verfassungsrechtssicherheit anhand zu geben, die sich einfach und sicher anwenden lassen – hoffen wir einmal, dass das mit dem neuen Hamburger Polizeigesetz so sein wird; das werden wir ja sehen.
Aber genau hier geht der Antrag der AfD in die falsche Richtung, da er nach bayerischem Vorbild im Ergebnis lediglich auf größtmögliche Rechtsunsicherheit für die Vollzugsbediensteten und ABMMaßnahmen für Prozessbevollmächtigte und Richter der Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit setzt. Sie wollen nach bayerischem Vorbild die Konturen des rechtsstaatlich eingehegten Polizeirechts, für das konkretisierte Gefahrenprognosen und klare Verantwortlichkeiten unverzichtbar sind, durch einen diffusen neuen Gefahrenbegriff auflösen und das zulässige polizeirechtliche Instrumentarium auf Unbeteiligte ausweiten. Das lehnen wir ab.
Mit diesem Paradigmenwechsel wollen Sie, vergleichbar den bayerischen Änderungen des dortigen Polizeigesetzes, die funktionelle Entflechtung
und grundsätzliche informationelle Trennung zwischen dem Nachrichtendiensten vorbehaltenen Gefahrenvorfeld und der polizeilichen Abwehr konkreter Gefahren durchbrechen. Es würde eine Polizei entstehen, die informationelle wie operative Eingriffsbefugnisse in sich vereinigen will. Ich denke, in der jüngeren deutschen Geschichte haben wir damit keine guten Erfahrungen gemacht.
Abgesehen von diesem rechtstaatlich grundsätzlich falschen Ansatz machen Sie in der konkreten Ausgestaltung Ihres Antrags denselben handwerklichen Fehler, den auch die bayerische Regierung gemacht hat. Sie beziehen sich in fehlerhafter Weise – Frau Schneider hat es mir schon vorweggenommen – auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz von 2016, in dem in der Tat die drohende Gefahr erwähnt wird. Sie vergessen dabei im Eifer des Gefechts allerdings, dass man aus Rechtsfällen nie selektiv aus dem Zusammenhang zitieren sollte, wie es einem gerade passt. Es empfiehlt sich vorher, den ganzen Passus, idealerweise den ganzen Text zu lesen.
Sie unterschlagen, dass sich das Bundesverfassungsgericht in Sachen drohender Gefahr in expliziter Weise allein auf terroristische Straftaten bezieht – Frau Schneider hat es bereits gesagt. Außerdem definierte das Bundesverfassungsgericht hier die drohende Gefahr nicht in einer Weise, auf die sich eine Gesetzesbegründung beziehen könnte, sondern behandelte unter diesem Begriff vielmehr die Voraussetzung für eine hinreichend konkretisierte drohende Gefahr. Da das Gericht im Folgenden auch Konkretisierung in sachlicher, zeitlicher und personaler Hinsicht fordert, grenzt es gerade deutlich vom Gefahrenvorfeld ab, im genauen Gegensatz zu dem von Ihnen abgeschriebenen bayerischen Entwurf. So weit die exemplarische Kritik an Ihrem Antrag.
Es wird Sie nicht überraschen, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden. Wir als Freie Demokraten werden auch zukünftig unserer Verpflichtung als Rechtsstaatspartei nachkommen, wie wir es bereits mit unseren Partnern in der Allianz für den Rechtsstaat mit der Normenkontrollklage nicht vor dem Bayerischen Verfassungsgericht, sondern vor dem Bundesverfassungsgericht, lieber Herr Gladiator, gegen das neue bayerische Polizeigesetz getan haben. Diese Allianz besteht aus drei Parteien: aus Bundestagsabgeordneten der GRÜNEN, der LINKEN und der FDP – eine durchaus bemerkenswerte Allianz, wie ich finde.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist vorgeworfen worden, ich hätte übersehen, dass diese neue Eingriffsbefugnis vorwiegend für Terrorgefahren besteht. Wissen Sie, die ersten zwei Sätze in meiner Rede hießen: Deutschland steht nach wie vor im Fokus des internationalen Terrorismus.
Deshalb müssen wir über neue Regularien nachdenken. Wenn wir hier eine Debatte führen, dann muss das eine lebendige, lebhafte und vor allem aktuelle sein und dann hilft es niemandem, wenn Sie sich vor drei Wochen eine Rede schreiben lassen und überhaupt nicht auf das eingehen,
was ich Ihnen hier vorwerfe nach dem Motto, wir von der AfD hätten uns genauso wie die Bayerische Staatsregierung nicht ordentlich in irgendetwas eingelesen. Sie alle wissen doch als Parlamentarier ganz genau, wie viele Expertenanhörungen einem derartigen Gesetz vorausgehen. Da können Sie doch nicht behaupten, die Bayerische Staatsregierung hätte sich vorher nicht damit auseinandergesetzt. Absurd ist das, völlig absurd.
Frau Möller von den GRÜNEN – fast hätte ich es erwartet –, Sie sagen hier, man dürfe so eine gesetzliche Regelung nicht übers Knie brechen, das, was die AfD mache, seien alles nur Schnellschüsse, man müsse das alles sorgfältig diskutieren und dann noch einmal diskutieren. Und dann ist der Terroranschlag passiert. Das ist genau der Grund, warum die Bevölkerung allmählich das Vertrauen in diesen Rechtsstaat verliert,
und weil man überhaupt nicht darauf erpicht ist, gewisse Dinge wirklich zu regeln. Frau Schneider, Sie sprachen davon, wir seitens der AfD hätten einen autoritären Staat gefordert.
Sind Sie der Auffassung, dass die Tatsache, dass der NSU zehn Jahre mordend und raubend durch Deutschland gezogen ist, daran gelegen hat, dass die drohende Gefahr …
Entschuldigung, bitte wiederholen. Ich habe das akustisch nicht verstanden. Machen Sie bitte noch einmal.
Sind Sie der Auffassung, dass die Tatsache, dass der NSU zehn Jahre mordend und raubend durch Deutschland gezogen ist, daran gelegen hat, dass die drohende Gefahr nicht im Polizeigesetz verankert war, dass die Polizei keine Eingriffsmöglichkeiten hatte?
Sind Sie der Auffassung, dass bei dem Anschlag von Amri auf dem Breitscheidplatz die Polizei ihre Mittel nicht genutzt hat, weil die drohende Gefahr nicht im Gesetz verankert war, oder sind Sie der Meinung, dass da Fehler gemacht worden sind?
Nicht nur ich bin der Auffassung, dass im Fall Alois Amri Fehler gemacht worden sind, massive Fehler gemacht worden sind. Das können Sie doch überall nachlesen.
Na gut, der Herr Amri heißt vielleicht nicht Alois, das ist kein Bayer, den Vornamen habe ich jetzt nicht richtig verstanden.
Wir alle wissen genau, dass man den entsprechenden Behörden Fehler nicht nur vorhält, sondern sogar nachweisen kann und dass Untersuchungen zu einem Ergebnis gekommen sind. Wissen Sie, einen Beispielfall für drohende Gefahr kann ich Ihnen gern geben. Jemand, der im Ausland für den IS gekämpft hat und dann zurückkommt, ist eine drohende Gefahr. So etwas würde schon Eingriffsmöglichkeiten geben.
All das, was wir hier an Regelungen vorgeschlagen haben, steht natürlich unter einem Richtervorbehalt. Es ist also nicht so, dass ein Hauptwachtmeister oder ein Polizeiobermeister entscheiden müsste, ob er nun so eine Maßnahme durchführt. Nein, das Ganze wird vorher gerichtlich überprüft, ist doch wohl klar.
Herr Gladiator, Sie sagten gerade, der Begriff der drohenden Gefahr sei richtig und man solle ihn übernehmen, aber gleichzeitig warfen Sie uns vor, dass unsere Regelung in keinem Punkt zu mehr Sicherheit in Hamburg führen würde. Wie das zusammenpasst, können Sie nachher gern erklären. Dann sagten Sie, die AfD würde ihre Beiträge hier nur halten, um sich selbst auf YouTube zu inszenieren – ja Herrgott.
Herrgott, ja, natürlich wollen wir der Bevölkerung draußen klarmachen, wofür wir stehen. Natürlich ist es so, dass wir Tag für Tag für Freiheit, aber auch für die Rechte und zusätzlichen Eingriffsgrundlagen der Polizei kämpfen. Wenn wir diese Möglichkeiten nicht hätten, wer würde das dann darstellen? Die Medien etwa? Mitnichten. Das haben wir erlebt. Wir werden mit unseren Anträgen totgeschwiegen und deswegen ist es unsere einzige Möglichkeit.