Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Frau Sudmann, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Tjarks?
Vielen Dank, Frau Sudmann. – Der Volksentscheid in Berlin will ja enteignen. Da geht es um Vonovia, die Deutsche Wohnen und Akelius. Vielleicht können Sie uns einmal mitteilen, ob Sie wissen, wie viele Wohneinheiten diese drei Unternehmen in Hamburg besitzen, die in Berlin ja mehrere Hunderttausend Wohneinheiten besitzen. Ungefähr, einfach nur mal so. Sind das 500 oder 100 000? Dieses ganze ausländische Geld, das Sie hier eben gesehen haben, vielleicht können Sie das noch einmal ein bisschen stärker präzisieren.
Ich kann es ganz genau sagen: 11 000 Wohnungen hat die Vonovia, 4 000 Akelius; es sind 15 000 Wohnungen.
Sie lachen gerade darüber, dass 30 000 Mieterinnen und Mieter dort echt in die Verzweiflung getrieben werden. Das ist ein Trauerspiel, Herr Hamann, was Sie gerade machen.
Das ist nichts zum Lachen, sondern das ist etwas, wo wir uns überlegen müssen, was wir machen. Aber ich komme noch zum Thema Enteignung.
Wir wollen die Mieterinnen und Mieter schützen. Wir haben hier im Februar schon einen Antrag eingebracht für einen Mietenstopp, einen Mietendeckel. Sie waren sich alle so einig: never ever. Aber ich merke, langsam, aber sicher kommt Erkenntnis. Ich zitiere einmal einen Lars Klingbeil, der meines Wissens der Generalsekretär der SPD ist. Er hat sich Anfang April wie folgt geäußert:
"In den Ballungsgebieten, dort, wo es Schwierigkeiten mit den Mieten gibt, soll die Miete fünf Jahre nicht erhöht werden. Das würde den Wohnungsmarkt entlasten."
Ich frage mich, wann Herr Klingbeil einmal mit Ihnen spricht, wann Sie sich endlich einmal bewegen und etwas für die Mieterinnen und Mieter tun. Es ist höchste Zeit.
Sie haben es ja eben schon angesprochen, Herr Tjarks: Enteignung. Ich finde, viele Mieterinnen und Mieter müssen mittlerweile so viel von ihrem Einkommen bezahlen, gerade die ärmeren Haushalte zahlen teilweise 40, 50 Prozent, das ist eine
Enteignung der Mieterinnen und Mieter. Die dürfen wir nicht hinnehmen. Die Abzockerinnen und Abzocker zu enteignen, da sollten wir uns vielleicht einig sein, und das Grundgesetz gibt das auch her.
Mein letzter Punkt. Ich höre immer das Argument, gerade von der CDU und der FDP: Mietendeckel und Enteignung schaffen keine neuen Wohnungen.
Sie wollen das Wohngeld erhöhen. Sie wollen in Berlin Mietergeld haben. Eine Milliarde Euro Wohngeld, noch mehr, entgehen dem Staat durch Share Deals. Das schafft keine einzige Wohnung. Aber da machen Sie nichts und sagen, wir wollen das besser hinkriegen. Das, finde ich, ist eine leicht verlogene Debatte.
Unser Ziel als LINKE bleibt: Wir brauchen einen Mietendeckel. Wir brauchen mehr gemeinnützigen Wohnungsbau. Nicht Unternehmen wie Akelius, die jetzt gerade im Schanzenviertel neu bauen, sollen die Wohnungen in Hamburg bauen, sondern diejenigen, die sagen: Wir wollen für unsere Mieterinnen und Mieter langfristig günstigen Wohnraum haben. Das ist der richtige Weg. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Über 83 000 genehmigte Wohnungen, über 50 000 fertiggestellte Wohnungen und fast 20 000 bewilligte geförderte Wohnungen, das ist die Bilanz des Senats seit 2011 und das ist die einzig richtige Antwort auf die steigende Wohnraumnachfrage und damit auch auf die steigende Nachfrage nach bezahlbaren Mieten.
Weitere flankierende Maßnahmen wie flächendeckende Mietpreisbremse, die Kappungsgrenzenverordnung, die Umwandlungsverordnung, das verschärfte Wohnraumschutzgesetz, der 8-EuroWohnungsbau, das SAGA-Systemhaus sind weitere elementare Bausteine, das Wohnen in Hamburg bezahlbar zu machen.
Allein die SAGA investiert jährlich 500 bis 600 Millionen Euro in den Wohnungsneubau und weitere 220 Millionen Euro in die Instandhaltung ihres Bestandes. Hinzu kommen die Investitionen von Ge
nossenschaften, Wohnungsunternehmen und auch von privaten Bauherrinnen und Bauherren in den Wohnungsneubau. Dies führt dazu, dass die Durchschnittsmiete in Hamburg bei 8,44 Euro liegt, bei der SAGA sogar nur bei 6,63 Euro und bei den Genossenschaften bei 6,37 Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts dieser beeindruckenden Investitionen und der Vielzahl von Maßnahmen nun die Enteignungsdebatte von Berlin auf Hamburg zu übertragen, läuft komplett ins Leere.
Von den 640 000 Mietwohnungen in Hamburg sind über 130 000 im Bestand der SAGA, weitere 130 000 im Besitz von Genossenschaften. Und ich sage an dieser Stelle auch: Die überwiegende Zahl der Vermieterinnen und Vermieter von Hamburger Mietwohnungen darf nicht pauschal als Miethaie unter Generalverdacht gestellt werden.
Die Unternehmen, die in Berlin die Debatte entfacht haben, besitzen in der Metropolregion rund – es wurde eben schon gesagt – 20 000 Mietwohnungen, also nicht einmal 3 Prozent des Hamburger Mietwohnungsbestandes.
Mit einer Enteignung wird keine einzige neue Wohnung geschaffen, im Gegenteil, ausnahmslos alle Unternehmen würden ihre Neubautätigkeiten einstellen.
DIE LINKE versucht nun, sich als Partei darzustellen, die sich für die Mieterinnen und Mieter starkmacht und für bezahlen Wohnraum kämpft.
Aber wie sieht denn eigentlich das Handeln der LINKEN vor Ort aus? Wie agiert Ihre Partei, Frau Sudmann, in den Bezirksversammlungen, wenn es um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum geht?
Jüngstes Beispiel ist der Bebauungsplan Lokstedt 67 in Eimsbüttel. Genossenschaften wollen über 200 Wohnungen, davon ein Drittel gefördert, bauen. Geplant sind barrierefreie, altengerechte Wohnungen und Wohnungen für Familien inklusive einer Kita. Eine vorhandene Sackgasse soll entsiegelt und als Parkanlage hergestellt werden. Das Ganze wurde natürlich mit einem breiten Bürgerbeteiligungsprozess flankiert. Man könnte meinen, das entspreche genau Ihren Vorstellungen und Forderungen, Frau Sudmann.
Sie spricht sich vehement gegen dieses Vorhaben aus und hat im letzten Stadtplanungsausschuss gegen die öffentliche Auslegung des Bebauungsplans votiert. Stattdessen solidarisiert sie sich mit den anliegenden Eigenheimbesitzern, die sich massiv gegen die Bebauung aussprechen, und bekämpft das Vorhaben im Sinne der Eigenheimbesitzer gnadenlos.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Liebe Frau Koeppen, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Sudmann?