Protocol of the Session on May 22, 2019

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(Beifall bei der CDU)

Sie planen doch immer noch auf den alten Grundlagen. Das Demografiekonzept des Senats von 2013, wonach Hamburg in gut zehn Jahren, im Jahr 2030, nur rund 1,85 Millionen Einwohner haben sollte, ist doch längst überholt. In der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung der Statistikämter ist Hamburgs Einwohnerzahl sogar zuletzt nach unten korrigiert worden. Das sind alles veraltete Zahlen,

(Farid Müller GRÜNE: Die kommen von Ih- rem Bundesamt!)

die reichen nicht mehr. Der aktuelle Flächennutzungsplan kommt sogar von Oktober 1997 und basiert ebenfalls auf Zahlen, die eine sinkende Bevölkerung prognostizieren. Eine Neufassung des Flächennutzungsplans haben Sie abgelehnt, mehrfach. Wir brauchen jetzt aber eine Überprüfung des

(Richard Seelmaecker)

gesamtstädtischen Flächennutzungsplans, um der veränderten Bevölkerungszahl Rechnung zu tragen. Wir müssen endlich mit den Kreisen und Gemeinden des Umlands wieder sprechen. Seit Scholz redet kein Bürgermeister mehr mit den Bürgermeistern der Umlandgemeinden. Nicht jede Wohnung muss in Hamburgs Stadtgrenzen gebaut werden, wir müssen wieder ins Gespräch kommen. Wir brauchen kreative Lösungen, die den ruhenden und den fließenden Verkehr unter die Erde bringen. Das sind Voraussetzungen, um qualitatives Wachstum zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich mit einem Zitat schließen:

"Wachstum ist (…) möglich – allerdings nicht als Selbstzweck. Gefragt ist ein gesteuertes, intelligentes Wachstum (…). Intelligentes Wachstum ist Ausdruck einer (…) Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen."

Das sind weise Worte. Wissen Sie, woher sie kommen? Sie kommen aus dem Leitbild "Metropole Hamburg – Wachsende Stadt" vom 11. Juli 2002, damals vorgestellt von Ole von Beust.

(Beifall bei der CDU – Farid Müller GRÜNE: Oh, wow!)

Sie haben das seit 2011 aus den Augen verloren. Knüpfen Sie daran wieder an und sorgen Sie dafür, dass Hamburg auch qualitativ wachsen kann.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Koeppen von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Wolf, leider hat Ihr Redebeitrag jetzt nicht dazu beigetragen, dass man Ihren Ansatz auch nur ansatzweise verstehen könnte.

(Beifall bei der SPD und bei Phyliss Demirel GRÜNE)

Sie werfen Äpfel und Birnen in einen Topf, und meine fünf Minuten werden sicherlich nicht einmal ansatzweise dafür ausreichen, die Widersprüche in Ihrem Antrag aufzulisten.

Sie fordern, die grundlegende Überprüfung des gesamtstädtischen Flächennutzungsplans und ein Änderungsverfahren auf den Weg zu bringen. Die einzige Schlussfolgerung, die man aus einer solchen Forderung ziehen kann, ist: Sie wollen den Wohnungs- und den Gewerbebau und den Ausbau der Infrastruktur in Hamburg zum Erliegen bringen.

(Beifall bei der SPD)

Als Begründung führen Sie dazu im ersten Absatz aus:

"In den Neubaugebieten fehle eine differenzierte Infrastruktur. Ursache dessen ist auch, dass immer mehr Gewerbeflächen für die Wohnnutzung umgewidmet werden."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit 2011 wurde der Flächennutzungsplan rund 43-mal geändert, und in der Auflistung lassen sich nur vier Änderungen von Gewerbe- in Wohn- oder gemischte Baufläche finden. Im selben Zeitraum gab es aber sieben Änderungen zugunsten von Gewerbe. Damit ist diese Aussage widerlegt.

Dann zitieren Sie die Prognose des Instituts der Deutschen Wirtschaft, die von einem Bevölkerungswachstum in Hamburg bis 2035 von rund 160 000 Menschen ausgeht, um im selben Absatz das "Hamburger Abendblatt" zu zitieren, das sagt, wir bräuchten dann rund 200 000 neue Wohnungen. Wenn man das einmal zusammenzählt, heißt das im Grunde genommen, je künftiger neuer Mitbürgerin oder künftigem neuen Mitbürger, egal wie alt, brauchen wir 1,25 neue Wohnungen.

Sie fordern Wachstum mit Augenmaß und einen Ausbau der Infrastruktur – Verkehr, Schule, Kitas, Grün- und Sportflächen, Ärzte, Apotheken – und der Nahversorgung, verbunden mit der Aufstockung von Polizei und Feuerwehr. Ihren vermeintlichen Konflikt zwischen Grünflächen und Wohnungsbau wollen Sie durch Aufstockung von vorhandenen Gebäuden, der Verlegung von Parkplätzen unter die Erde und der Über- oder Untertunnelung von Straßen auflösen.

(Dr. Jens Wolf CDU: Richtig!)

Hierzu fordern Sie eine Überprüfung und Anpassung der Hamburgischen Bauordnung und des Flächennutzungsplans. So ein Kuddelmuddel habe ich in meinem Leben selten gelesen, und ich empfehle einmal die Lektüre der Hamburgischen Bauordnung und des Baugesetzbuches.

(Beifall bei der SPD)

Dann: Im Petitum ist Ihnen doch noch einmal aufgefallen, dass es neben dem Flächennutzungsplan und der Hamburgischen Bauordnung auch noch Bebauungspläne gibt. In Punkt 3 fordern Sie:

"in Bebauungsplanverfahren zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen, um den Erhalt von Landschaftsschutzgebieten und schutzbedürftigen Grünflächen (…) zu gewährleisten sowie die Hamburgische Bauordnung dahin gehend zu überprüfen und anzupassen."

Übrigens, Landschaftsschutzgebiet fällt nicht einmal in der Hamburgischen Bauordnung, aber die Änderung und Aufhebung von Landschaftsschutzgebieten erfolgt in eigenständigen Verfahren durch die Behörde für Umwelt und Energie mit Festset

(Dr. Jens Wolf)

zung durch den Senat. In bezirklichen Bebauungsplänen können keine Änderungen vorgenommen werden, es besteht keine Ermächtigung der Bezirke, Landschaftsschutzgebiete zu ändern.

Als Fazit kann ich nur zum Anfang meiner Rede zurückkommen: Sie wollen mit Ihrem Antrag den Wohn- und Gewerbebau und den Bau der Infrastruktur zum Erliegen bringen. Angesichts der aktuellen Wohnungsbauzahlen von fast 11 000 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2018 ist das aus Ihrer Sicht sicherlich nachvollziehbar, aber aus unserer Sicht werden wir auch weiterhin neue Wohnungen inklusive der notwendigen Infrastruktur errichten und den CDU-Antrag nicht überweisen, sondern ablehnen.

(Beifall bei der SPD und bei Phyliss Demirel GRÜNE)

Das Wort bekommt Herr Duge von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU war für mich wie eine Offenbarung, als ich das gelesen habe. Ich kann auch sagen, 'ne olle Kamelle. Das ist ein Replikat, das Sie vor zwei Jahren, am 15. Mai 2017, mit der Drucksachennummer 21/ 9116 schon einmal eingebracht haben.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Hört! Hört!)

Auch schon da forderten Sie, den Flächennutzungsplan grundlegend anzupassen, aber hauptsächlich mit anderer Begründung, nämlich wegen angeblichen Grünverlustes, den Sie fürchteten – gerade Sie, das hat mich schon gewundert. Heute muss die Infrastruktur für diesen Antrag herhalten, denn mit Grünverlust geht es natürlich jetzt nicht mehr, wo wir den Vertrag mit der Initiative für Hamburgs Grün abgeschlossen haben, und zwar sowohl in Qualität als auch in Quantität, da ist beides mit enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dennis Thering CDU: Tolles Ergebnis!)

Sie dokumentieren geradezu, dass Sie da eigentlich in den letzten Jahren überhaupt nichts dazugelernt haben, was Stadtentwicklung betrifft. Sie gehen sogar von falschen Voraussetzungen aus, denn der Flächennutzungsplan von 1997 ging nicht von einem sinkenden Wohnungsbedarf aus, Sie unterliegen da einem Trugschluss. Auch bei gleichbleibender Wohnungszahl kann gerade bei Singularisierung der Gesellschaft und einer demografisch alternden Gesellschaft der Wohnbedarf durchaus auch größer werden. Im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan 1997 heißt es auf Seite 9 – ich zitiere:

"Die Wohnfunktion in Hamburg ist weiterhin umfassend auszubauen und zu fördern.

Hierfür ist erstrangig Wohnraum zur Deckung des Nachholbedarfs zu schaffen."

Und weiter:

"Potenziale für zusätzlichen Wohnungsbau sollen zur Flächenschonung und zur optimalen Ausnutzung der vorhandenen Infrastruktur in besonderem Maße im Rahmen der inneren Entwicklung erschlossen werden."

Das bedeutet Stadtumbau, und das war damals schon die Formulierung des Primats der Innenverdichtung, die im Flächennutzungsplan aufgegriffen ist; das haben Sie bis heute nicht verstanden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Stattdessen, was machen Sie? Den Bau von Grünflächen haben Sie in den 2000er-Jahren vorangetrieben, zum Beispiel durch die Evokation der Fläche in Wohldorf-Ohlstedt, direkt neben dem Naturschutzgebiet

(Dennis Thering CDU: Das ist ja wohl eine Unverschämtheit!)

ja, ich weiß, dass Sie anfangen zu schreien – Wohldorfer Wald, direkt nebenan, da haben Sie den Bebauungsplan Wohldorf-Ohlstedt 13 auf der letzten Sitzung vor der Wahl 2008 beschlossen und damit genau diese Sache in Gang gebracht. Das war Ihr Werk.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Moni- ka Schaal SPD)