Protokoll der Sitzung vom 08.04.2021

Bei der Rekrutierung von Personal zur Verstärkung der Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen brauchen wir die Stadtteilzentren, Stadtteilbeiräte, Sportvereine, Senioren- und Jugendeinrichtungen, ehrenamtlich tätige Bürgerinitiativen, Religionsgemeinschaften, Apotheken und Arztpraxen. Maßnahmen können sein: Haus-zu-Haus-Gänge von Teams, Plakate und Aufklärungsschriften in allen dort gesprochenen Sprachen in den Hauseingängen, Lebensmittelläden, bei Getränkehändlern und an S-Bahnhöfen, massive Social-Media-Kampagnen, Training und Finanzierung von Ehrenamtlichen. Wir müssen gezielt kostenlose FFP2-Masken verteilen und kostenlose Tests in der lokalen Nachbarschaft und entsprechende Maßnahmen auch an Arbeitsplätzen, insbesondere für Arbeitnehmer:innen in prekären Arbeitsbedingungen, anbieten. Der Top-down-Mechanismus der Eindämmungsverordnung muss durch einen Bottom-upAnsatz ergänzt werden, der auf Eigenverantwortung, Wir-Gefühl und Selbstwirksamkeit setzt. Da

für müssen wir Geld in die Hand nehmen, denn es rechnet sich, jedes Quartier mit erhöhter Inzidenzrate gezielt zu unterstützen. Das ist am Ende viel billiger als der Verlust an Wirtschaftskraft und Steuereinnahmen und die entstehenden Sozial- und Behandlungskosten für die Stadt.

Das gilt im Übrigen auch für die Impfungen. Wir müssen in Stadtteilen mit hohen Infektionszahlen die Impfangebote verstärken und darüber öffentlich und über Social-Media-Kanäle informieren. Es darf nicht auch hier eine Schere zwischen Arm und Reich entstehen. Das ist unser Ziel, daran arbeiten wir. Wir haben alle Menschen in unserer Stadt im Blick. – Vielen Dank.

(Beifall)

Das Wort erhält Herr Professor Dr. Wiese für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich in Ergänzung zu dem, was Dennis Thering angesprochen hat, noch ein paar Punkte aus Sicht der Wirtschaft anführen, erstens die Test- und Impfstrategie und zweitens die Wirtschaftshilfen.

Zum ersten Punkt: Die Menschen erwarten, dass wir hier besser werden, dass Bund und Länder hier besser werden. Hamburg ist, Stand heute, wir haben gerade die Zahlen gesehen, auf Platz 11 in der Verimpfung abgerutscht. Aber das sind alles nur marginale Unterschiede. Insgesamt müssen wir hier die Kräfte bündeln und dem Ganzen einen wirklich massiven Push geben, sodass dadurch die Bevölkerung tatsächlich schneller geimpft werden kann.

(Beifall)

Die Wirtschaft wird sich hier mit voller Kraft einbringen. Das Testen ist, wie gesagt, viel zu langsam in Gang gekommen und immer noch nicht ausreichend. Wir müssen noch einmal überlegen, wie wir das Testen tatsächlich mehr in die Breite bringen, wie wir auch die Möglichkeiten digitaler Nachverfolgung verbessern. Da ist insgesamt zu wenig geschehen. Und wir müssen auch über die betrieblichen Testungen noch einmal nachdenken. Die Wirtschaft ist auf kooperativer Basis nicht nur dazu bereit, sondern auch schon in vielerlei Hinsicht in Vorleistung getreten, ebenso wie beim Homeoffice. Ich glaube, wir dürfen auch Danke sagen, dass die Wirtschaft, dass die Betriebe sich in großem Umfang an diesen Maßnahmen beteiligen.

Von einer Testverpflichtung, wie sie verschiedentlich angesprochen worden ist, halte ich nichts, sondern ich glaube, wir sollten die richtigen Anreize setzen, und zwar für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen, um hier zu einer verstärkten Testung zu kommen. Die Kosten für präventive

(Dr. Gudrun Schittek)

Tests muss dann der Staat tragen, nicht die Wirtschaft.

Auch die Impfung muss massiv beschleunigt werden. Es wurde schon viel darüber gesprochen, neben dem Impfzentrum auch tatsächlich die Impfung durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und auch durch die Betriebsärzte zu intensivieren. Wir wollen das insgesamt in der Fläche deutlich ausweiten.

Zum zweiten Punkt, der mir an der Stelle auch aus Sicht der Wirtschaft wichtig ist, die natürlich ein Interesse daran hat, dass das Testen und das Impfen gelingen: Wir müssen den Betrieben, die mit dem Rücken zur Wand stehen, weiterhin zur Seite stehen und sie unterstützen, wo immer wir es können. Wir haben das Versprechen abgegeben, dass Betriebe, Unternehmen und Arbeitsplätze, die aufgrund von Corona gefährdet sind, nicht verloren gehen, und wir werden weiterhin alles daransetzen.

(Beifall)

Dazu findet morgen die Runde beim Bundeswirtschaftsminister statt, und ich glaube, wir alle haben die Erwartung, dass wir hier aus dem Ad-hoc-Modus herauskommen. Wir müssen genau hinschauen, welche Branchen weiterhin Unterstützung und Entlastung brauchen. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer in Hamburg – das wird verschiedentlich an mich herangetragen, und das werden auch Sie im Wahlkreis hören –, fühlen sich in der Krise alleingelassen und nicht hinreichend betreut. Es bleibt weiterhin die Pflicht der Stadt, dazu beizutragen, dass hier vor Ort die Härten entsprechend abgedeckt werden.

Aus meiner Sicht – schade, ich habe Herrn Senator Dressel eben gesehen, aber er ist jetzt gerade nicht im Saal – war der Senat insoweit zuletzt viel zu passiv. Zu Anfang ist hier tatsächlich sehr gute gemeinschaftliche Politik geleistet worden, aber zuletzt wurde die Hamburger Überbrückungshilfe abgelehnt. Der Hamburger Stabilisierungsfonds und der Hamburg-Kredit Liquidität funktionieren nicht, Herr Senator Dressel. Der Recovery Fonds Hamburg wurde jüngst angepasst; da bleibt abzuwarten, wie dieses Instrument künftig angenommen wird. Es drängt sich zuletzt der Eindruck auf, dass der Senat bei den Hilfezahlungen nunmehr weitgehend das Thema dem Bundeswirtschaftsministerium überlässt.

Bei den städtischen Mieten, bei den Gebühren und auch bei den Stundungen durch die Finanzämter sieht es schon besser aus. Aber insgesamt sollte der Senat noch einmal mit einem kraftvollen und funktionierenden Zusatzpaket helfen, so wie es zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen und in Bayern gemacht worden ist. Ich fordere den Senat auf, nach den morgigen Besprechungen beim Bundeswirtschaftsminister genau zu schauen, wie hier vor

Ort nachgelegt werden kann. Auch insoweit sind neuerlich Kreativität und Kraft gefragt.

(Beifall)

Corona geht in eine entscheidende Phase. Wir wollen dieses Virus besiegen, und wir wollen vor allen Dingen unsere Freiheit wiedererlangen dort, wo sie im Augenblick eingeschränkt ist und eingeschränkt sein muss. Neben den Einschränkungen gilt es aus Sicht der Wirtschaft auch zu testen, zu impfen, Hilfe zu leisten. Wir, die Abgeordneten der CDU-Bürgerschaftsfraktion, stehen weiterhin fest an der Seite der Betriebe und der Beschäftigten. – Vielen Dank.

(Beifall)

Als nächste Rednerin erhält das Wort Frau Boeddinghaus für die Fraktion DIE LINKE.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebes Präsidium! Es ist unstrittig, dass die Pandemie vor allem auch eine soziale Krise ist und sie auch soziale Lösungen und Antworten braucht. Das hat Rot-Grün offenbar jetzt nach einem Jahr Pandemie verstanden. Frau Schittek, ich glaube Ihnen jedes Wort, aber ich bin trotzdem hin- und hergerissen zwischen Weinen und Lachen, denn Hamburg hat seit vielen Jahren, glaube ich, eine wirklich gute Datenbasis in den Bezirken. Und es ist eigentlich nicht zu verzeihen und verantwortungslos, dass man sich nicht mindestens nach ein paar Monaten in dieser Pandemie darauf besonnen hat. Es ist, wie Sie richtig gesagt haben, auch schon lange bekannt, dass Armut und vieles andere, das ich hier nicht referieren muss, gesundheitsgefährdend ist. Sie hätten viel wertvolle Zeit sparen können, Sie hätten in diese Stadtteile gezielt gehen können mit präventiven Maßnahmen, mit aufsuchender Arbeit, mit Unterstützung, und Sie hätten diese Dinge natürlich schon längst tun können. Wir haben schon vor etlichen Wochen, im Dezember, den Antrag auf die Erhebung von stadtteil- und bezirksdefinierten Daten gestellt. Abgelehnt. Wir haben vor zwei Wochen den Antrag gestellt für diese Corona-Guides, Corona-Lotsen, wie auch immer man das nennt, das ist total zweitrangig, aber wir haben darauf aufmerksam gemacht. Jetzt hat der NDR es noch einmal gemacht. Ich finde, Rot-Grün gibt hier wirklich ein peinliches Bild ab.

(Beifall)

Und jetzt dieser Antrag. Mal im Ernst, bei dem Antrag, den Sie hier vorlegen, ist der Punkt 1 konkret, aber alle weiteren Punkte sind sehr unspezifisch, sehr undefiniert und überhaupt nicht mit Euro-Beträgen hinterlegt. Würden wir uns so einen Antrag leisten, würden wir von Ihnen aus dem Haus gescheucht werden, weil wir das Geld wieder in Hülle

(Dr. Götz Wiese)

und Fülle ausgeben und es nicht beziffern würden. Es ist nicht glaubwürdig, was Sie hier vorlegen, sondern einfach nur eine billige Reaktion auf unseren Antrag, den Sie im letzten Verfassungsausschuss ablehnen mussten, weil Sie sich aufgrund Ihrer fehlenden Souveränität nicht leisten können, einmal zu sagen: Die Opposition hat einen guten, wirksamen Antrag vorgelegt, das machen wir jetzt.

Eine Pandemie, eine Katastrophe, wie wir sie nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht hatten, hätte dazu führen können, dass wir als demokratische Parteien hier einmal unsere Expertise zusammengeschmissen hätten, um das Beste für den Gesundheitsschutz aller Menschen in Hamburg zu erreichen. Das bleibt Utopie, aber das wäre wirklich etwas gewesen, was uns insgesamt vorangebracht hätte. – Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Walczak, Sie erhalten das Wort für die AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Loss, immer, wenn Sie die AfD-Position charakterisieren, arbeiten Sie mit Unterstellungen, Halbwahrheiten und Verdrehungen. Um es noch einmal sehr deutlich herauszuarbeiten: Keiner von uns leugnet die Existenz des Coronavirus. Dass Sie wirklich die Infamie haben, das hier immer wieder zu wiederholen, zeigt einfach, mit welchen Fake News hier zum Teil gearbeitet wird, um Ihre missratene Corona-Politik zu stützen. Anstatt selbst einmal eine vernünftige Politik zu machen, schlagen Sie immer auf die Kritiker drauf. Das ist schon mal das Erste.

Das Zweite ist: Auch wir negieren keine Zahlen. Was Ihnen vielleicht nicht gefällt, ist unsere Interpretation der Zahlen. Ich darf Ihnen zum Beispiel nur Folgendes noch einmal vorhalten: Stand heute haben wir 102 intensivmedizinisch behandelte COVID-19-Fälle. Wann hatten wir in der Vergangenheit 102? Ach ja, am 17. Dezember hatten wir genau die gleiche Zahl. Und waren dann am 17. Dezember die Ausgangssperren als das Allheilmittel angepriesen worden? Nein. Gleichzeitig behaupten Sie immer, wir befänden uns in einer katastrophalen Situation, der schwersten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, haben wir gerade von der Linkspartei gehört. Da muss ich Sie doch einmal fragen: Was haben Sie eigentlich das gesamte letzte Jahr gemacht? Da Sie doch Millionen an Geldern in Hilfspakete stecken und noch jede Ausgabe hier irgendwie rechtfertigen können, haben Sie doch die Möglichkeit, einmal entschieden die Intensivkapazitäten zu erhöhen.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Mareike Engels (unterbre- chend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, meine Zwischenfragen werden hier auch nicht zugelassen.

Wir haben, Stand jetzt, 73 freie Betten, 297 in der Notfallreserve. Das heißt also, wenn wir 102 COVID-19-Fälle hätten, könnte sich die Zahl der Fälle verdoppeln und wir hätten noch immer nicht alle Kapazitäten ausgeschöpft. Und wenn Sie sich wirklich so große Sorgen machen, dann könnten Sie die Kapazitäten noch weiter erhöhen, anstatt die Leute einzusperren.

Dann darf ich Sie noch auf Folgendes aufmerksam machen. Das ist nämlich auch mir sehr wichtig, denn im Gegensatz zu dem, was hier immer von der SPD dargestellt wird, sind wir eine wissenschaftsbasierte Partei.

(Lachen im Plenum)

In der Begründung der Achtunddreißigsten Änderungsverordnung wird Bezug genommen auf einen Fachaufsatz, der im Fachmagazin "Nature Human Behaviour" veröffentlicht wurde mit dem Titel "Ranking the effectiveness of worldwide COVID-19 government interventions". Im Gegensatz zum Senat habe ich diese Studie gelesen. Sie sagt nicht, dass Ausgangssperren das Allheilmittel sind, sie sagt im Gegenteil, dass auf Freiwilligkeit basierende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Bevölkerung zu informieren, ungefähr genauso effektiv sind wie die Zwangsmaßnahmen, die der Senat hier ergreift. Unser Plädoyer bleibt deswegen weiterhin: Setzen Sie auf die Eigenverantwortung der Menschen, setzen Sie darauf, dass die Menschen einsichtsfähig sind. Sie bedanken sich immerhin in nahezu jeder zweiten Rede hier für die große Disziplin der Hamburger, nur vom Dank können sich die Hamburger auch nichts kaufen. Das können sie nur, wenn Sie den Einzelhandel wieder öffnen und entsprechende weitere Öffnungsschritte vornehmen. – Vielen Dank.

(Beifall)

Nun erhält gleich Frau Loss für die SPD-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Walczak, das Wort Fachkräftemangel ist Ihnen noch nicht untergekommen, nehme ich an. Ich möchte Ihnen jetzt hier ein Angebot machen, Herr Walczak, weil mich wirklich aufregt, dass Sie immer ignorieren, dass es für meine Berufsgruppe eine große Herausforderung ist, mit Patienten zu arbeiten, sie mit auf den Weg zu nehmen, sie wieder gesund zu machen. Deswegen möchte ich Ih

(Sabine Boeddinghaus)

nen jetzt hier öffentlich anbieten, mit mir einen Tag lang auf einer COVID-19-Station zu verbringen, damit Sie verstehen, worum es geht, wenn wir davon sprechen, dass wir zu wenige Intensivbetten haben, weil wir nicht genügend Mitarbeiter für die Intensivpflege haben. Ich möchte Sie bitten, das Angebot anzunehmen, und dann können wir uns vielleicht später einmal darüber austauschen. – Vielen Dank.

(Beifall)

Der nächste Redner ist Herr Zamory für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Stand der Inzidenz beträgt 134 von 100 000 Einwohnern. Als ich hier das letzte Mal stand, waren es 85. Ja, die Zahl ist gesunken, aber nur schwach. Wir müssen weiterhin vorsichtig und wachsam sein. Wir beklagen 1 404 Tote in unserer Stadt, die auf Corona zurückzuführen sind. Das ist tieftraurig, und diese Zahl darf nicht weiter ansteigen.

Ein Wort zur Opposition. CDU und FDP sind sich einig, dass es keine verbindliche Testpflicht in den Betrieben geben soll. Das ist hanebüchen. Ich sage dazu: Betrieben, die ihrer Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter nachkommen und Tests anbieten, muss man das nicht verbindlich verordnen, allen anderen selbstverständlich schon.

(Beifall)

Ich hatte hier eine überraschende Wahrnehmung. LINKE, FDP und AfD lehnen die Ausgangsbeschränkung, sicher hier und da aus unterschiedlichen Gründen, aber letztlich ab.