Protokoll der Sitzung vom 02.06.2021

Verehrte Kolleg:innen! Seit zehn Jahren eröffnet unsere Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit die Sitzung, und es ist gute Tradition, dass sie vor Eintritt in die Tagesordnung Mitgliedern des Hauses, die Geburtstag haben, gratuliert. Heute hat sie selbst Geburtstag, und deswegen ergreife ich nun vor Beginn der Sitzung das Wort und möchte ihr sehr herzlich im Namen des gesamten Hauses zum Geburtstag gratulieren.

(Lang anhaltender Beifall)

Ich bin sehr gerührt, das ist sehr lieb, vielen Dank, liebes Präsidium, liebe Vizepräsidentin, liebe Vizepräsidenten. Meine Damen und Herren! Herzlichen Dank und danke auch, dass ich diesen Tag mit Ihnen allen verbringen darf. So viele Gäste dürfte man ja sonst nicht haben zum Geburtstag.

Damit eröffne ich dann auch unsere heutige Sitzung und damit den zweiten Tag unserer Beratungen über den Haushaltsplan-Entwurf 2021/2022. Wir setzen die Beratungen von gestern fort mit unserer heutigen Tagesordnung. Die beginnt mit unseren Unterrichtungen aus den Drucksachen 22/4651, 22/4710 und dem Bericht des Verfassungsausschusses zur Einundvierzigsten und Zweiundvierzigsten Verordnung zur Änderung unserer SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung. Es gibt einen Zusatzantrag der Fraktion DIE LINKE.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Einundvierzigste Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – Drs 22/4651 –]

[Bericht des Verfassungs- und Bezirksausschusses zum Thema: "Einundvierzigste Verordnung zur Änderung der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung" (Selbstbefassungsangele- genheit) – Drs 22/4693 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Zweiundvierzigste Verordnung zur Änderung der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – Drs 22/4710 –]

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Versammlungsfreiheit nicht länger aushebeln – Keine Benachteiligung der Versammlungsfreiheit bei der Öffnungsstrategie – Drs 22/4754 –]

Wir gestalten die Debatte jetzt so, dass die Fraktionen jeweils eine Redezeit von zehn Minuten pro

Fraktion, auch zehn Minuten für den Senat und fünf Minuten für die fraktionslosen Abgeordneten zur Verfügung haben, und steigen direkt ein.

Das Wort erhält Frau Loss für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Präsidentin, auch von mir noch einmal allerherzlichste Glückwünsche zu Ihrem Geburtstag und schön, dass Sie den Tag mit uns verbringen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hamburg ist auf einem guten Weg. Nach langer Zeit können wir endlich Änderungen der Eindämmungsverordnung debattieren, die umfangreiche Öffnungsschritte umfassen. Dass das möglich ist, haben wir dem vorsichtigen und besonnenen Handeln unseres Senates, den angemessenen Maßnahmen und nicht zuletzt der guten Umsetzung der Hamburger Bürgerinnen und Bürger zu verdanken.

(Beifall)

Der Hamburger Weg ist erfolgreich, und wir werden auch weiterhin umsichtig und besonnen handeln. Deshalb ist es gut, dass wir viele Dinge wieder zulassen, aber auch bestimmte Bereiche im Auge behalten, damit wir die gute Entwicklung bei den Inzidenzwerten beibehalten können. Wir dürfen nicht den Fehler machen und wegen der rückläufigen Zahlen denken, die Pandemie sei überstanden. Dem ist nicht so. Das Wetter und das Fortschreiten der Impfkampagne sind Faktoren, die den Verlauf begünstigen, aber wir müssen vorsichtig sein. Es sind weitere Mutationen auf dem Vormarsch, und wie schnell die Verbreitung gehen kann, haben wir bei der dritten Welle gesehen. Das Wichtigste ist jetzt, dass wir mit der Impfkampagne weiterhin gut vorankommen. Da ist es wenig hilfreich, wenn Ansagen des Bundesgesundheitsministers die Arbeit in den Impfzentren und in den Arztpraxen unnötig erschweren und die Gefahr schwerer Krankheitsverläufe gar keine Rolle mehr zu spielen scheint. Von Beginn an war vorgesehen, dass die Impfpriorisierung fällt, wenn ausreichend Impfstoff zu Verfügung steht. Solange das nicht der Fall ist, laufen die Argumente, dass eine Priorisierung das Impftempo verlangsamt, komplett ins Leere.

(Beifall)

Der Bundesgesundheitsminister sollte ehrlich gegenüber denen sein, die in der dritten Prioritätsgruppe sind, und ihnen erklären, weshalb ihre Vorerkrankungen den gleichen Stellenwert bekommen wie die Urlaubswünsche anderer. Und denen ohne erhöhtes Risiko sollte er erklären, dass sie ab 7. Juni theoretisch Anspruch auf eine Impfung haben, es praktisch aber noch mehrere Wochen oder gar Monate dauern kann, bis man überhaupt einen Impftermin bekommt. Klare Ansagen würden die Hausärzte entlasten. Sie verbringen nämlich seit Bekanntgabe des 7. Juni einen großen Teil ihrer

Zeit damit, Wartelisten für Patientinnen und Patienten zu erstellen und sie zu vertrösten, und wünschen sich die Zeiten zurück, in denen ihr Impftempo nur durch die Priorisierung ihrer Patientinnen und Patienten verlangsamt wurde.

(Beifall)

Bei den Hausärzten liegen die Lieferungen, von einem Zwischenhoch von einigen Wochen abgesehen, immer unter den Ankündigungen. Dazu werden die Impfdosen für die Betriebsärzte von ihrem Teil abgezogen, und sie müssen ab dem 7. Juni zusätzlich mehr als 5 Millionen 12- bis 18-Jährige mitimpfen. Nicht wenige Arztpraxen erwägen wegen der Unwägbarkeiten, wieder komplett aus der Impfkampagne auszusteigen. Einige haben das schon getan – was für ein Irrsinn. Der Bundesgesundheitsminister hat seine Hausaufgaben nicht gemacht, er chaotisiert mit seinen Ankündigungen und setzt damit den Erfolg der so wichtigen Impfkampagne aufs Spiel.

(Beifall)

Es ist nicht hilfreich, wenn weder das Impfzentrum noch die Arztpraxen sich auf die Lieferzusagen aus dem Bund verlassen können. 40 000 Impfdosen hat der Bund Hamburg vorenthalten. Wir fordern die umgehende vollständige Auslieferung dieser Impfstoffdosen, und nicht nur anteilig, Anfang Juli.

(Beifall)

Da ist es doch sehr beruhigend, dass wenigstens unsere Gesundheitssenatorin keine Versprechungen macht, die sie nicht halten kann. Sie kann nämlich rechnen und hat festgestellt, dass die angekündigten Liefermengen nicht ausreichen werden, um die Ankündigungen des Bundesgesundheitsministers umzusetzen. Sie sorgt dafür, dass die Priorisierung im Impfzentrum erhalten bleibt, damit Menschen mit erhöhtem Risiko nicht auch dort noch mit allen anderen um Impftermine kämpfen müssen.

(Beifall – Glocke)

Frau Loss, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grutzeck?

Nein.

Hamburg wird sich auch weiterhin an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission halten. Ich finde es grundfalsch, wenn Druck und Erwartungshaltung von politischer Seite auf die Empfehlungen der STIKO und anderer Expertenkommissionen aufgebaut werden. Für wirksame Maßnahmen und glaubwürdige Politik brauchen wir unabhängige wissenschaftliche Expertisen und keine Gefälligkeitsgutachten.

(Beifall)

In meiner letzten Rede sprach ich von dem in meinen Augen wichtigsten Pfeiler zur Bekämpfung der Pandemie: die Solidarität. Ich kann wirklich sehr gut verstehen, dass die Menschen sich nach über einem Jahr nach Normalität sehnen, dass sie Urlaub brauchen und Gemeinschaft, Ungezwungenheit, Gemeinsamkeit. Aber, bitte, halten Sie sich nach wie vor an die AHA-Regeln, die Hygienevorschriften und nutzen Sie die Corona-Warn-App. Wir alle halten an der Hoffnung fest, dass wir bis zum Ende des Sommers genügend Impfstoff haben werden, damit jede und jeder, der es möchte, ein Impfangebot bekommen. Bitte bleiben Sie der Impfkampagne gewogen. – Vielen Dank.

(Beifall)

Frau Jasberg hat nun das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Werte Geburtstagspräsidentin, liebe Zuschauer:innen, liebe Kolleg:innen! Wir unterbrechen unsere dreitägige Haushaltsdebatte heute, um in guter Tradition die Aktualisierung der Eindämmungsverordnung zu besprechen. Es ist zum Ritual geworden, aber was sich drastisch geändert hat, ist die Grundstimmung, in der wir das tun. Das Infektionsgeschehen wurde gebremst, sodass wir jetzt bei einer Inzidenz erfreulicherweise unter 30, und da sind wir bundesweit sehr weit vorn, unsere Öffnungen entsprechend dem Stufenplan vollziehen können. Wir alle haben uns sehr danach gesehnt, und vieles ist jetzt auch wieder möglich: der Feierabenddrink mit Kolleg:innen, das kulturelle Erleben, und vor allem die Kinder bekommen ihren Alltag unter Gleichaltrigen zurück. Es ist nicht nur das Wetter, sondern natürlich auch der politische Wille, aber insbesondere das rücksichtsvolle Verhalten der Hamburgerinnen und Hamburger, die uns das ermöglicht haben. Ich freue mich genauso wie wahrscheinlich alle hier und auch draußen auf einen Sommer der Begegnungen und auch auf Momente der Unbeschwertheit. Die haben wir uns alle verdient.

Nichtsdestotrotz möchte ich einen mahnenden Wehrmutstropfen in den verdienten Feierabenddrink schütten. Die Kollegin Loss sprach bereits von den Problemen der Impfkampagne. Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Sollten wir den Wettlauf zwischen Impfung und Ausbreitung neuer Virusmutationen gewinnen, kommen wir in eine stabile Lage, in der wir die Pandemie in Ruhe bewältigen können. Und auch das wird schon nicht leicht. Viele Menschen wurden abgehängt, leben in prekären Situationen. Viele Kinder haben einen eklatanten Verlust an sozialer Interaktion und auch Bildung erlitten. Wir wollen sie nicht verlieren und müssen uns insbesondere um sie kümmern in den

(Claudia Loss)

kommenden Monaten, denn sie sind unsere Zukunft.

Wir haben am Wochenende erschreckende Bilder von feiernden Jugendlichen in der Schanze gesehen und müssen fürchten, dass sich so was wiederholen kann. Jugendliche, die angereist sind, haben offensichtlich den Sinn dafür verloren, dass die Pandemie noch nicht zu Ende ist. Ihnen wurde viel zugemutet, und wir müssen Angebote für sie − neben beispielsweise Kreuzfahrten oder auch Theaterbesuchen − stärker konkretisieren, wenn wir die weiteren Öffnungen besprechen, denn ein solch gefährdendes Verhalten ist nicht zu tolerieren. Abstandsregeln und Kontaktgebote gelten weiterhin – für alle.

Wir müssen uns aber leider auch auf den hoffentlich nicht eintretenden Fall vorbereiten, dass wir den Wettlauf nicht gewinnen. Die indischen Virusmutanten, jetzt Delta und Kappa genannt, sind in Europa auf dem Vormarsch und nach jetzigem Kenntnisstand aufgrund der Infektiosität auf einem guten Weg, dominant zu werden, nicht nur in Großbritannien. Und da nur nach zweifacher Impfung gegen diese Mutante der Schutz sicher zu sein scheint, sind Ende der Sommerferien wohl immer noch etwa 60 Millionen Menschen in diesem Land nicht ausreichend vor dieser Infektion geschützt. Hinzu kommt noch, dass Urlaubsreisen nicht ausschließen können, dass weitere möglicherweise gefährlichere Varianten wieder zu uns kommen und die dann hier stattfindenden Infektionsgeschehen als fruchtbaren Nährboden auffinden.

Unter gar keinen Umständen können wir uns leisten, dass nach all der Zeit der solidarischen Entbehrungen eine weitere Welle die Gesellschaft im Herbst lahmlegt. Daher werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um das Monitoring der Lage noch zu verbessern. Dazu zählen das Testen, Abwassermonitoring, Sequenzierung der PCR-Tests und das konsequente Kontrollieren von Reiserückkehrenden.

Bei all dem Wahlkampfgetöse, das wir leider schon jetzt ertragen müssen, muss aber auch der Bund seiner Verantwortung weiterhin nachkommen, besser nachkommen und sorgfältig bei der Pandemiebekämpfung sein. Er sollte beispielsweise zügig die testenden Hausärzte anweisen, neben dem Alter auch die Prio-Gruppe und auch die Postleitzahl zu dokumentieren, um eine genaue Datenlage zu erhalten. Es ist ohnehin schon jetzt ein komplett elektronischer Prozess, der problemlos angepasst werden könnte. Dadurch könnten wir Impfdurchbrüche viel besser erfassen und schneller ein aktuelles Bild gewinnen.

Geschätzte Kolleg:innen, wir sind in einer euphorisch stimmenden Lage, ja, und das teile ich, und ich freue mich natürlich auch extrem auf die kommende Zeit. Aber wir dürfen wirklich nicht die Feh

ler des vergangenen Jahres wiederholen und im Zuge dessen aus dem Blick verlieren, dass die Pandemie uns weiterhin bedroht und wir uns vor allem um die jungen Menschen kümmern müssen, die Menschen, von denen wir erwarten, dass sie im Alltag in engen Räumen beieinandersitzen sollen, auch nach dem Sommer. Wir müssen auch für uns im Blick haben: Herdenimmunität gerade junger Menschen durch Durchseuchung ist nicht das, was wir ihnen zumuten wollen, sondern wir wollen Sicherheit und Schutzmaßnahmen und Impfungen vorantragen.

Ich persönlich danke dem Senat für den umsichtigen Weg der vergangenen Monate und auch dem gesamten Parlament, zumindest den demokratischen Kräften dieses Hauses, für den verantwortungsvollen Umgang mit genau diesen Fragen. Lassen Sie uns die Öffnungen genießen und dabei den Appell für umsichtiges Handeln aufrechterhalten. – Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Gamm erhält jetzt das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, auch im Namen meiner Fraktion natürlich die herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem heutigen Ehrentag hier in großer Runde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute geführte Debatte zu der jüngsten Corona-Eindämmungsverordnung − es ist mittlerweile sogar die Einundvierzigste − unterscheidet sich grundlegend von allen bisherigen Debatten zu diesem Thema. Erstmals können wir uns allesamt über deutlich mehr positive Entwicklungen und Botschaften freuen als in den vergangenen Monaten. Fest steht, dass wir uns immer noch mitten in einer Pandemie befinden, und das darf auch die Freude über die jüngsten Entwicklungen nicht vergessen lassen. Die Lage ist heute natürlich tatsächlich deutlich besser und darf uns zu Recht zuversichtlich stimmen. Diesen positiven Trend haben wir uns alle gemeinsam hart erarbeitet durch viel individuellen Verzicht, durch viele Härten, durch Vorsicht und Umsicht, durch viel Testen und durch intensives Impfen. Die bundesweite Impfkampagne läuft auf Hochtouren, und so konnte es erreicht werden, dass mittlerweile rund 80 Prozent der über 60-Jährigen mindestens ein Mal geimpft wurden. Das heißt, bis heute hat rund jeder zweite Erwachsene in Deutschland mindestens eine Erstimpfung erhalten.

Und es geht weiter. Für die Monate Juni, Juli, August werden uns weitere 50 Millionen Impfdosen von BioNTech zur Verfügung stehen. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Zahlen unserer Stadt wider. So hatten wir Stand gestern nur noch 108 gemeldete Neuinfektionen, der Inzidenzwert

(Jennifer Jasberg)

mit 25,2 ist im Vergleich zu den Vorwochen und Vormonaten geradezu dramatisch gesunken, und aktuell befinden sich 47 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, denen ich von dieser Stelle aus eine rasche und vollständige Genesung wünsche.

Neben den politischen Maßnahmen, die von der Bundesregierung und den Ländern ergriffen und umgesetzt wurden, gilt unser Dank besonders der überwältigenden Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger. Der Schlüssel für das Brechen der dritten Welle waren und sind die hohe Disziplin und die Bereitschaft, Härten, harte Einschnitte bis an die Belastungsgrenze und für manche sicher auch darüber hinaus anzunehmen. Der Grundgedanke des Leitspruches "Hanseaten halten zusammen" war der richtige Weg durch diese Krise.