Protokoll der Sitzung vom 19.01.2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen, vielen Dank! Krankenpfleger, ungeimpft, mit langjähriger Intensiverfahrung sucht neuen Wirkungskreis oder: Examinierte Kinderkrankenschwester und Rettungssanitäterin, ungeimpft, sucht ab 15. März eine neue Arbeitsstelle. Das ist der Pflexit, wie eine Zeitung kürzlich titelte. Solche Sätze liest man in den letzten Tagen erschreckend oft. Ab Mitte März gilt im Pflegebereich die Impfpflicht. Der Personalmangel bei Pflegefachkräften hat sich im Coronajahr 2021 zugespitzt. Viele haben ihre Arbeit wegen der hohen Arbeitsbelastung gekündigt, und das kann man auch mit einem Bürokratieabbau oder Coronaboni nicht einfach rückgängig machen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft bestätigt, dass schon jetzt 8 000 Pflegestellen auf den Intensivstationen und 14 000 auf den normalen fehlen. Prognose für 2030: eine halbe Million Pflegekräfte, die uns in Deutschland fehlen.

Unsere Große Anfrage im UKE brachte den Status quo an den Tag: Überlastung, hoher Krankenstand, Personalfluktuation, viele Kündigungen. In anderen Krankenhäusern ist es natürlich ähnlich. Die Impfpflicht in diesem Bereich wird in einer Katastrophe enden. Es wird sich ein Teil – ich sage nicht ein großer, aber ein Teil – gegen eine Impfung entscheiden, was ihr gutes Recht ist. Konsequenz: Sie verlieren ihren Beruf und wir unsere Pflegekräfte.

Wir haben es jüngst auch im Wissenschaftsausschuss erfahren: Die Impfquote beispielsweise im UKE liegt bei knapp über 90 Prozent. Wie mit den übrigen round about 10 Prozent umgegangen wird, ist noch nicht geklärt. Eines steht jedoch fest: Dieses Problem geht uns alle an, und zwar schon deshalb, weil es das Gesundheitssystem tatsächlich an die Grenzen bringen wird. Fangen wir an, die Betroffenen wirklich zu unterstützen und die Impfpflicht zurückzunehmen. Denn ob wir sie wollen oder nicht, ist dabei gänzlich irrelevant. Wir können sie uns, das zeigen die Zahlen, schlicht und ergreifend nicht leisten. – Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall)

Der nächste Redner ist nun Herr Görg für die GRÜNE Fraktion. – Und jetzt funktioniert die Uhr auch wieder.

Frau Präsidentin, werte Kolleg:innen! Ich hatte mich aufgrund der Anmeldung dieser Debatte inhaltlich natürlich noch einmal vertieft, mich auch mit der Ausschussberatung zu diesem Thema beschäftigt. Darauf sollte meine Rede eigentlich auch abzielen. Jetzt haben Sie die Debatte doch ein bisschen abgebracht von dem, worum es eigentlich in dieser Ausschussbefassung ging, nämlich um die Sachen, die das UKE als Arbeitgeber unternimmt, um gute Arbeitsbedingungen vor Ort und die Prozesse, die dort laufen, zu ermöglichen. Stattdessen sind Sie in eine Richtung abgebogen, die damit wahrlich wenig zu tun hatte und die gesamte Ausschussdebatte an dieser Stelle ehrlicherweise ein Stück weit ad absurdum führt.

Sie haben die Zahlen grundsätzlich zum UKE genannt. Deutlich über 90 Prozent sind dort geimpft. Diese Zahl wird noch einmal deutlich gesteigert, wenn man sich die Bereiche anguckt, und diese Zahlen haben Sie spannenderweise nicht zitiert. Auch in den besonders prägnanten Bereichen wie der Zentralen Notaufnahme, wo es quasi keine ungeimpften Mitarbeiter gibt, und auf den Intensivstationen sind deutliche Steigerungen. Von daher ist dieses Versorgungsproblem, das Sie hier aufmachen, bedingt durch eine Impfpflicht, im Verhältnis zu anderen sicherlich ein kleines Problem, und das wird es auch bleiben. Denn der überwiegende Anteil der Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, ist sich der Gefahren des Coronavirus bewusst, für sich selbst, sowie aber auch für die Menschen, die sie betreuen. Sie nehmen diese Verantwortung ernst, indem sie sich impfen lassen, Risiken und Gefahren abwenden und damit einen solidarischen Beitrag sowohl zur Pandemiebekämpfung als auch zur Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten leisten. – Vielen Dank.

(Beifall)

(Erste Vizepräsidentin Mareike Engels)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nun nicht.

Dann stelle ich abschließend fest, dass die Bürgerschaft vom Bericht des Wissenschaftsausschusses aus Drucksache 22/6840 Kenntnis genommen hat.

Und wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt, Antrag der AfD-Fraktion: Neue Altstadt in Hamburg – Neugestaltung des Hopfenmarktes – Wiederaufbau der Nikolaikirche.

[Antrag der AfD-Fraktion: Neue Altstadt in Hamburg – Neugestaltung des Hopfenmarktes – Wiederaufbau der Nikolaikirche – Drs 22/6731 –]

Diesen Antrag möchte die AfD-Fraktion federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen.

Zudem hat die AfD-Fraktion auch diesen Tagesordnungspunkt als Kurzdebatte angemeldet, das heißt, allen Redner:innen stehen maximal zwei Minuten Redezeit zur Verfügung.

Wer wünscht nun das Wort? – Herr Wolf, Sie erhalten es.

Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Ein Symbol zur Versöhnung ist die eigentliche Überschrift unserer Initiative, die mittlerweile auch bundesweit viel positives Echo gefunden hat. Wir haben eine ganze Menge erfreulicher Zuschriften erhalten, und offenbar gibt es eine Menge Befürworter, die zum einen diese Wunde in der Innenstadt schmerzt und die sie gern schließen wollen und das begrüßen, und zum anderen diejenigen, die sich selbst oder deren Familien sich an die Nächte des Bombardements Hamburgs 1943, Operation Gomorrha, erinnern. Es star- ben damals 37 000 Menschen, und 277 000 Woh- nungen wurden zerstört.

(Vizepräsident Frank Schmitt übernimmt den Vorsitz.)

Auch die Nikolaikirche wurde ein Opfer der Bomben, auch wenn sie nicht völlig zerstört worden war und man sie in der Grundstruktur hätte erhalten und wiederaufbauen können. Der Senat entschied nach dem Krieg leider anders.

Knapp zwei Jahre nach der Zerstörung der Nikolaikirche musste die Frauenkirche unserer Partnerstadt Dresden dieses traurige Schicksal teilen. Nach der Bombennacht im Februar 1945 blieb nur die Ruine stehen. 1966 wurde die Ruine von der DDR-Regierung zum Antikriegsdenkmal erklärt, ein Stück weit durchaus vergleichbar mit der Hamburger Nikolaikirche und dem dortigen Mahnmalcharakter. Nach der Wende beschloss man für Dres

den den historischen Wiederaufbau, der nach zehn Jahren 2005 abgeschlossen wurde. Die Kirche ist heute einer der Hauptanziehungspunkte der Stadt, Zentrum nicht nur für Fremdenverkehr, sondern auch für das Selbstverständnis der Dresdner.

(Glocke)

Herr Wolf, Ihre Redezeit ist zu Ende. Kommen Sie bitte zum Schluss.

− Schlusssatz, und dann können wir in einer zweiten Runde fortsetzen:

Nehmen wir das als gutes Beispiel, beginnen wir eine öffentliche Diskussion und ergänzen wir die Neubeplanung und die Wiederherstellung des Hopfenmarktes um die Wiederherstellung der Nikolaikirche – Vielen Dank.

(Beifall)

Danke schön, Herr Dr. Wolf. – Dann hat sich als nächste Rednerin Frau Dr. Oldenburg zu Wort gemeldet und erhält es.

Herr Präsident! Fangen wir mit den unproblematischen Punkten des AfD-Antrags an. Sie wünschen wieder eine Marktnutzung des Hopfenmarktes; diese wird von den Marktbeschickern zurzeit nicht gewünscht. Sollte sich diese Meinung ändern, wird es kein Problem sein, ein Sondernutzungsrecht für diesen Platz zu erteilen.

Zweitens: Der Vierländerin-Brunnen soll an diesem Standort erhalten bleiben, fordern Sie. Der Vierländerin-Brunnen steht unter Denkmalschutz und wird erhalten. Ob er an diesem Standort erhalten bleibt, wird nach Abschluss der Planung erörtert. Sie hören also: Über diese beiden Punkte kann man zu gegebener Zeit durchaus reden. Worüber wir allerdings nicht verhandeln wollen, ist der Wiederaufbau der Nikolaikirche nach historischer Vorlage. Dieser Vorschlag trifft auf unser entschiedenes Nein, und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall)

Die Nikolaikirche wurde in den Bombennächten der Operation Gomorrha im Sommer 1943 zerstört. Die Bombardierungen der Alliierten waren die Antwort auf den vom NS-Regime angezettelten Angriffskrieg gegen die verschiedenen europäischen Staaten. Der Operation Gomorrha fielen nicht nur 277 000 Wohnungen zum Opfer, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben – aber Sie haben sich ja jetzt in der Rede korrigiert –, sondern eben auch 37 000 Menschen. Der Feuersturm hat sich tief ins

Bornplatz in Eimsbüttel ein Zeichen der Versöhnung und des Wiederaufbaus und des Zusammenwachsens ist – positiv. An die ehemalige Hauptsynagoge erinnert dort ein Bodenmosaik, das den Grundriss und das Deckengewölbe abbildet. Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis der Machbarkeitsstudie zum Wiederaufbau. Wie die Bürgerschaftspräsidentin, die dem Projekt besonders verbunden ist, dort positiv zum Ausdruck gebracht hat, was daraus entstehen kann, auch als positiver Ort: Etwas Vergleichbares stellen wir uns auch für die Nikolaikirche vor.

(Zuruf: Das kann man nicht vergleichen!)

Und noch einmal zurück zum …

(Glocke)

Herr Dr. Wolf, Ihre Redezeit ist zu Ende. Kommen Sie bitte zum Ende.

Gut, dann danke ich erst einmal zu diesem Komplex an dieser Stelle und melde mich in Kürze noch einmal zu Wort. – Vielen Dank.

(Beifall)

Von anderen Fraktionen sehe ich keine Wortmeldung, sodass Herr Walczak als nächster Redner das Wort erhält.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich muss sagen: Auch ich war etwas erschüttert, als ich die Medienberichterstattung zu unserem Antrag verfolgt habe. Wie man auf die Idee kommen kann, dass es sich hierbei um Geschichtsrevisionismus oder dergleichen handelt, ist mir völlig unerklärlich. Denn wir sollten uns doch alle einig sein, dass ein Weltkrieg durch die Nationalsozialisten und durch die nationalsozialistische Ideologie verschuldet wurde und dass es deswegen gerade nicht ein Akt des Geschichtsrevisionismus ist, eine Kirche wiederaufzubauen, die durch diesen Weltkrieg, der von den Nationalsozialisten verschuldet wurde, geheilt wird. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was Sie sagen. Sie behaupten einfach, dass irgendeine Ruine, die durch einen Weltkrieg herbeigezaubert wurde, jetzt auf alle Ewigkeit ein Denkmal ist. Dazu sagen wir Nein. Wir sind für die Rekonstruktion unserer Kultur. Wir sind dafür, dass wir genau mit diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte brechen und unsere Ablehnung zu diesem Kapitel bekunden

(Beifall)

und dass wir eben nicht – denn das ist Ihre eigentliche Motivation – eine ständige Ästhetisierung des Hässlichen, des Abnormen, des Zerstörten und

(Dr. Christel Oldenburg)

kollektive Gedächtnis Hamburgs gebrannt. Die Nikolaikirche wiederaufzubauen hieße, das Mahnmal gegen Nationalsozialismus, Krieg und Gewalt zu zerstören. Das trifft auf unseren entschiedenen Widerspruch.

(Beifall)

Hinter Ihrer Forderung nach einem Wiederaufbau der Nikolaikirche steckt insgesamt ein revisionistisches, restauratives Geschichtsbild der deutschen Geschichte

(Zurufe)

das muss einmal gesagt werden –, das versucht, das zwölfjährige NS-Regime innerhalb der von Ihnen beschworenen tausendjährigen Geschichte Hamburgs zu relativieren. Nicht mit uns.

(Glocke)

Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

(Beifall)