Dass Pflege und professionell Pflegende gebraucht werden, um unsere Zukunft lebenswert zu gestalten, ist, denke ich, den meisten klar. Trotzdem möchte ich kurz auf die Potenziale eingehen, die akademisiertes Pflegepersonal für die Neuausrichtung unseres Gesundheitssystems mitbringt. Bei uns in Hamburg können wir am Beispiel des Gesundheitskiosks, der lokalen Gesundheitszentren und der Poliklinik auf der Veddel bereits sehen, wie Pflegende in den Quartieren wirken können.
Die Lebensqualität der Menschen in den Stadtteilen wird durch die Arbeit der Community Health Nurses deutlich verbessert. Sie gewährleisten eine enge Begleitung von chronisch Erkrankten über lange Zeiträume hinweg. Sie unterstützen bei akut auftretenden gesundheitlichen Problemen aller Art, und sie sind vernetzt mit anderen Präventions- und Beratungsangeboten.
Für die Menschen in den Quartieren bedeutet das eine ausgezeichnete bedürfnisorientierte und niedrigschwellige Versorgung, für Praxen und Notaufnahmen eine Entlastung. Für die dort arbeitenden Pflegefachpersonen ist es ein attraktives Arbeitsfeld, welches ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Fachkompetenz voraussetzt. Das ist die Richtung, in die es auch mit der Krankenhausreform gehen soll. Die Reform birgt die Chance, die Potenziale von Pflege weiter auszuschöpfen, neue Verantwortungsbereiche zu erschließen und Karrierewege zu eröffnen.
Mit den angedachten Level-1i-Krankenhäusern, die unter pflegerischer Leitung stehen können, soll ein niedrigschwelliges Versorgungsangebot vor Ort geschaffen werden, welches besonders auch akut pflegerische Leistungen beinhalten wird. Auch hier
brauchen wir hoch qualifizierte Pflegefachpersonen, die nicht nur Berufserfahrung, sondern ein hohes Maß an Fachwissen mitbringen und in der Lage sind, pflegewissenschaftliche Erkenntnisse richtig zu verstehen, zu interpretieren und in der Praxis anzuwenden.
Angesichts dieser Beispiele wundert man sich fast, dass der Wissenschaftsrat nur eine Akademisierungsquote von 10 bis 20 Prozent in den Gesundheitsberufen empfiehlt. Noch verwunderlicher ist es allerdings, wenn man hört, dass diese Quote in Deutschland bisher noch nicht einmal ansatzweise erreicht wurde. Hamburg ist hier allerdings im Bundesschnitt deutlich führend.
Wenn man dann aber an die Hochschulen geht und sich mit Pflegestudierenden unterhält, macht das Ganze wieder Sinn; denn während Auszubildende in der Pflege ein gutes Ausbildungsgehalt bezahlt bekommen, gehen Studierende in dem grundständigen Bachelor-Studiengang Pflege bislang komplett leer aus. Nun könnte man sagen, dass Studierende anderer Fachrichtungen auch kein Gehalt bezahlt bekommen, das stimmt. Diese Menschen haben aber deutlich mehr Möglichkeiten, sich in den Semesterferien oder am Wochenende etwas dazuzuverdienen. Studierende in der Pflege hingegen müssen in ihren umfangreichen Praxisphasen Vollzeit arbeiten und haben häufig weder die Zeit noch die Kraft, sich zusätzlich dazu an die Supermarktkasse zu setzen oder hinter eine Bar zu stellen.
"Our Nurses. Our Future.": Pflege betrifft uns alle und unsere Zukunft, und darum müssen wir so schnell wie möglich die Bedingungen für Pflegestudierende verbessern.
Ein entsprechender Gesetzentwurf auf Bundesebene liegt hier bereits vor und eine Vergütung wird kommen, wann genau wissen wir allerdings noch nicht. Ich würde mich freuen, wenn wir in Hamburg hier noch etwas schneller sind. Die Praxispartner der HAW wissen, dass sich die Investition in die Zukunft lohnt, und ich hoffe, dass sie auch hier ins Handeln kommen und die Pflegestudierenden an der HAW Hamburg zum Wintersemester ihre Nebenjobs an den Nagel hängen können.
Einen Punkt habe ich noch: Jetzt, wo wir uns alle einig sind, dass Pflege für unser aller Zukunft wichtig ist und akademisierte Pflege unverzichtbar und eine Vergütung endlich absehbar ist, müssen wir auch das tolle Studienangebot, das es an der HAW bereits gibt, noch deutlich besser und sichtbarer bewerben, zum Beispiel im Rahmen der bestehenden Kampagne "Das ist Pflege!". Dort muss neben
der Ausbildung in der Pflege ganz selbstverständlich auch das Studium in der Pflege auftauchen. In Hamburg machen über 50 Prozent der Schulabgänger:innen Abitur. Auch denen wollen wir eine weitere Option für eine Karriere in der Pflege schmackhaft machen.
Denn Pflege – und das sage ich auch als Pflegefachmann – ist vielfältig, interessant und ein Beruf der Zukunft. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Pflegenotstand – das ist keine Worthülse – ist in Deutschland in den Pflegeeinrichtungen, Kliniken, ambulanten Diensten vielerorts Realität. Zur Bekämpfung brauchen wir tragfähige und vor allem zukunftsfähige Lösungsansätze. Deshalb ist es auch nicht das erste Mal, dass wir das in diesem Hohen Hause debattieren. Uns in Deutschland könnten bis zum Jahr 2035 bis zu einer halben Million Pflegekräfte fehlen. Im letzten Jahr hatten wir seit Langem einen Rückgang bei der Besetzung von neuen Ausbildungsplätzen; das ist alarmierend. Ein "Das wird schon irgendwie" ist hier genauso fehl am Platz wie die Hoffnung, die Digitalisierung würde alle Probleme lösen. Wir müssen alles tun, um Pflegekräfte im Beruf zu halten und Kräfte aus anderen Bereichen dazuzugewinnen. Und – das Wichtigste – wir müssen uns intensiv und mit Nachdruck um die Pflegeberufe kümmern.
Der Wissenschaftsrat – das hat Herr Görg schon gesagt – empfiehlt bei Pflegeberufen einen Akademisierungsgrad von mindestens 10 Prozent, um die Qualität in der Pflege zu halten. Das sollte auch unser Ziel sein. Ich möchte aber betonen, dass das Kernproblem des Pflegenotstandes nicht die Qualität der Arbeit der Pflege ist, sondern die Quantität der fehlenden Fachkräfte. Wenn wir diese Akademisierungsquote von 10 Prozent erreichen wollen, müssen wir darauf achten, dass die Rahmenbedingungen so sind, dass die Studierenden die Studiengänge, die angeboten werden, auch annehmen und durchstehen können. Eine angehende Pflegekraft sollte sich nicht aus finanziellen Gründen gegen ein Studium entscheiden müssen, denn sie fragt sich zu Recht, ob der Vorteil eines Studiums gegenüber der normalen Ausbildung groß genug ist, um mehrere Jahre auf eine Vergütung zu verzichten.
Im Gespräch mit einer Studierenden, die ihren Einsatz auf meiner Station hatte, ist mir erst deutlich geworden, was es eigentlich bedeutet, dieses Studium zu absolvieren. Die Arbeit in der Pflege
ist das Schönste, das ich mir beruflich vorstellen kann; das habe ich hier schon an verschiedenen Stellen kundgetan. Sie ist erfüllend und bereichernd, sie ist aber auch immer körperlich und sehr oft auch emotional anstrengend. Die wenigsten, die eine Vollzeitstelle in der Pflege ableisten, haben noch die Kraft, sich in einem Nebenjob etwas dazuzuverdienen. Da macht es auch keinen Unterschied, ob ich schon jahrelang im Beruf oder in der Ausbildung bin. Außerdem widerstrebt mir als Sozialdemokratin die Ausnutzung von Arbeitskräften zutiefst. Krankenbeobachtung, Umgang mit Patientinnen und Patienten und kultursensible Pflege kann man nur am Menschen direkt erlernen. Die Studierenden sind somit unterstützend in der Arbeit, in der Einrichtung. Und meine Auffassung ist: Gute Arbeit sollte immer auch finanziell entlohnt werden.
Wir dürfen die, die sich für diesen schönsten Beruf entschieden haben, nicht verlieren, weil sie in der Ausbildung merken, dass sie einfach nicht in der Lage sind, die Anforderungen, die das Studium und die eigene Lebensführung an sie stellen, zu bewältigen. Auch der Bundesrat hat die Dringlichkeit erkannt und die Regierenden in Berlin aufgefordert, diese Regelungslücke zu schließen. Auch wir wollen die Koalition mit unserem Antrag daran erinnern, dass sie sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen haben, genau hierfür Lösungen zu finden.
Wir in Hamburg wollen nicht warten, bis aus dem Referentenentwurf ein Gesetz geworden ist. Wir wollen jetzt schon mit der HAW und den Kooperationspartnern ins Gespräch gehen und Wege finden, wie wir den Studierenden Vergütung für ihre Praxiseinsätze zukommen lassen können. Es muss auch im Interesse der Einrichtungen selbst sein, dass ihnen der Nachwuchs nicht ausgeht. Es sind gerade sie, die am lautesten und sicher auch zu Recht den Fachkräftemangel in ihrer Branche beklagen.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass mehr Menschen aus der beruflichen Praxis bei der Ausarbeitung neuer Gesetze befragt werden. Ihre wertvolle Erfahrung hilft sicher dabei, dass wir die Lücken in den neuen Regelungen schon vor der Einführung erkennen und nicht mehr so viel und so oft nachbessern müssen. Bitte unterstützen Sie diese dringend notwendigen Verbesserungen für unsere Pflegestudierenden, und stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.
grafieren im Plenarsaal nicht gestattet ist. Das einfach noch einmal an alle zur Erinnerung, dass dies nicht erlaubt ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich verspreche, von hier aus kein Foto zu machen.
Wir sind uns sicher alle einig darin, wie wichtig ambulante und stationäre Pflege heute ist und erst recht morgen sein wird. Da unser Pflegebedarf unmöglich allein durch Pflegekräfte aus dem Ausland gedeckt werden kann – diese Vorstellung gibt es doch bei einigen –, muss es uns gelingen, die Ausbildung und den Pflegeberuf insgesamt attraktiver zu gestalten. Das ist die Voraussetzung dafür, Menschen in diesem Berufsfeld zu halten und für die Wahl dieses Berufsfeldes neu zu gewinnen. Auf Basis dieser Intention hat das Pflegeberufegesetz zum 1. Januar 2020 das Altenpflegegesetz und das Krankenpflegegesetz entsprechend abgelöst. Ziel war und ist es, die Ausbildung zur Pflegekraft zu modernisieren, attraktiver zu machen, den Berufsbereich der Pflege insgesamt aufzuwerten. Dabei wurde ergänzend zur Reform der fachlichen Pflegeausbildung eine bundesgesetzliche Grundlage für eine primär qualifizierende hochschulische Pflegeausbildung mit Bachelorabschluss geschaffen. Tatsächlich hat sich nur eine relativ geringe Nachfrage nach den neuen Studienmöglichkeiten gezeigt. Um die Verbesserungen in der Pflege durch wissenschaftlich fundierte Pflege trotzdem zu gewährleisten, ist zwingend eine Steigerung der Attraktivität der hochschulbasierten Pflegeausbildung notwendig.
In Hamburg hat man mit dem Start des reformierten Studiengangs im Wintersemester 2020/2021 die Studenten an der Hochschule angesiedelt und nicht mehr parallel bei einem Träger angestellt. Damit ist die Ausbildungsvergütung durch die Träger weggefallen; diese damit einhergehende Problematik hätte man durchaus vorher erkennen können. So hat das Präsidium der HAW im Mai 2020 – also vor rund drei Jahren – die Prüfungs- und Studienordnung des Bachelorstudiengangs Plege (dual) an der HAW bekannt gegeben. Sie regelt unter anderem, dass es sich um einen Vollzeitstudiengang handelt. Ein Vollzeitstudiengang ermöglicht aber auch die teilweise Finanzierung über das BAföG.
Erste Vizepräsidentin Mareike Engels (unterbre- chend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Görg?
Dagegen ist ein dualer Studiengang per Definition ein Studiengang, bei dem man ein Gehalt bekommt. Allein die oben berichtete Erwähnung des Begriffs "dual" beim Bachelorstudiengang war von vornherein irreführend und erweckte den Eindruck, dass es ein Gehalt gibt, was sich als falsch herausgestellt hat. Zugleich hat ein duales Studium wiederum Nachteile bei der Gewährung von BAföG. So gilt nach Paragraf 23 Absatz 3 des BAföGs, dass die Vergütung aus einem Ausbildungsverhältnis voll angerechnet wird.
Offensichtlich hat es bei der Einführung des Studiengangs und der Ausbildungsreform in Hamburg umfangreiche handwerkliche Fehler gegeben, die es in den Jahren jetzt zu korrigieren gilt. Die Leidtragenden sind die Pflegestudierenden, die Pflegebedürftigen, die unterschiedlichen Träger und am Ende auch die Steuerzahler in unserer Stadt. Und wieder einmal gilt, wie häufiger unter Rot-Grün: gut gemeint und schlecht gemacht.
Das ist der eigentliche Kern und Anlass dieser Debatte, die wir heute führen. Angeregt durch einen Beschluss des Bundesrats liegt mittlerweile ein Referentenentwurf des Bundesministeriums vor. Dieser Entwurf sieht unter anderem vor, dass zwischen dem Träger des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung und dem Studenten ein Ausbildungsvertrag über die Dauer der hochschulischen Pflegeausbildung geschlossen wird. Zweitens hat der Träger des praktischen Teils der Pflegeausbildung dem Studenten während der gesamten Dauer des Vertragsverhältnisses eine angemessene monatliche Vergütung zu zahlen. In dem Antrag von Rot-Grün heißt es nun so schön:
"Pflege war bis vor Kurzem ausschließlich ein Ausbildungsberuf oder dual studierbar. Das haben wir in Hamburg geändert."
Praktisch bedeutet dieser Entwurf nichts anderes als eine Rolle rückwärts. Es ist in der Tat als Fehler anzusehen, dass nicht schon viel früher die Möglichkeit eines primär qualifizierenden Studiums deutlich stärker hervorgehoben wurde.
Bei aller Kritik an der Schlafmützigkeit der Regierungsfraktionen in dieser Frage erkennen wir als CDU-Fraktion aber an, dass Sie aus Ihren Fehlern lernen wollen. Diesem Anliegen wollen wir uns nicht entgegenstellen und werden Ihrem Antrag folglich auch zustimmen. – Vielen Dank.