Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Studierende der Pflege sollen während des Studiums eine Ausbildungsvergütung bekommen. Das ist ein wichtiges Anliegen, denn seit der Reform der Pflegeberufeausbildung und der Abschaffung des dualen Studiums gibt es keine Ausbildungsvergütung mehr. Das ist wirklich ein Webfehler dieser Reform, der dringend korrigiert werden muss.
Wenn wir uns das einmal genauer anschauen: Studierende müssen zurzeit entweder BAföG in Anspruch nehmen, wovon man nicht leben und nicht sterben kann, und mit BAföG-Schulden auch in den Beruf starten oder Studierende sind angewiesen auf die Unterstützung ihrer Eltern. Beide Faktoren – die Rahmenbedingungen – machen gerade das Pflegestudium nicht sehr attraktiv. Die niedrige Zahl der Studierenden belegt auch, dass das jetzige System der Finanzierung nicht funktioniert. Zudem ist es ungerecht.
Bisher gehen wir mit Ihrem Antrag d'accord und werden ihm zustimmen. Trotzdem stellen wir uns die Frage: Warum jetzt dieser Antrag und diese Debatte? Es drängt sich bei uns so ein bisschen der Eindruck auf, dass Sie in einer Sache, die längst auf den Weg gebracht worden ist – Herr Görg, Sie sagen, es ist absehbar, dass das jetzt umgesetzt wird –, hier anlässlich des Tags der Pflege händeringend nach einem Thema gesucht haben. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist wichtig, dass wir zum Tag der Pflege auch über den Pflegenotstand sprechen, und das Hamburger Bündnis für mehr Pflegepersonal spricht auch vom Tag des Pflegenotstands. Deshalb ist es wichtig und richtig, darüber hier zu debattieren, wie wir diese Pflegeberufe attraktiver gestalten werden, und deshalb haben wir als Thema die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Löhne für die Aktuelle Stunde angemeldet.
Aber, wie ich bereits erwähnt habe: Es ist längst auf den Weg gebracht, dass der Bundesratsbeschluss jetzt umgesetzt wird. Es soll zeitnah ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, und es gibt einen Referentenentwurf; das haben auch die Vorredner:innen gesagt. Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie im Petitum 1 eine schnelle Umsetzung fordern, was jetzt gerade geschieht. Da habe ich den Eindruck, entweder hegen Sie ein großes Misstrauen gegenüber Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Regierungsfraktionen des Bundestages, dass es am Ende doch gestoppt werden sollte, oder – was für mich sehr viel wahrscheinlicher ist – Sie haben hier eine Scheindebatte angemeldet, die in der Sache eigentlich längst entschieden ist. Das finde ich ein Stück weit unehrlich und auch zu wenig angesichts der Herausforderungen, denen wir beim Pflegenotstand gegenüberstehen.
Darüber hinaus regt der Antrag an – das ist der zweite Punkt –, dass eine Hamburger Übergangslösung gefunden werden soll, damit die Pflegestudierenden jetzt in der Übergangszeit eine Vergütung bekommen und nicht länger warten müssen, bis das neue Gesetz in Kraft getreten ist. Das ist kein schlechtes Anliegen – im Gegenteil, das unterstützen wir –, aber im Antrag haben Sie offenbar keinerlei eigene Ideen entwickelt, wie man das in der Praxis umsetzen kann; Sie machen keinen konkreten Vorschlag. Stattdessen soll wieder geprüft werden, wie eine Übergangslösung aussehen kann, und das finden wir extrem windelweich und auch sehr unverbindlich formuliert, sodass wir befürchten müssen, dass am Ende nicht wirklich viel passiert.
Weniger windelweich agiert man zum Beispiel in Bayern. Schauen Sie dorthin, wo Studierende seit dem letzten Jahr ein Stipendium vom Land bekommen. Das ist ein gutes Vorbild, das man vielleicht auch mal in Hamburg umsetzen könnte.
Wenn sich Hamburg oder Rot-Grün in Hamburg konkret auf der Bundesebene für eine Verbesserung des Pflegestudiumstärkungsgesetzes einsetzen möchte, haben wir noch zwei wichtige Anregungen beziehungsweise Arbeitsaufträge, die wir mitgeben möchten: Sorgen Sie doch dafür, dass das Pflegestudium – und nicht nur die schulische Ausbildung – über Jobcenter und Arbeitsagenturen gefördert werden kann. Das wäre ein wichtiger, richtiger, konkreter Schritt, wie man das Studium wirklich attraktiver machen könnte. Zweitens: Setzen Sie sich dafür ein, dass die tatsächliche Ausbildungsvergütung nicht über Pauschalen finanziert wird – von Pauschalen profitieren die Ausbildungsträger, die unter dem Tarif bezahlen –, sondern machen Sie ein Umlageverfahren, damit es sich auch für die Träger lohnt, nach Tarif zu bezahlen. Das wären zwei sehr konkrete Schritte, um das Pflegestudium in Hamburg hier und jetzt attraktiv zu machen. Deshalb kann ich Ihnen nur empfehlen: Folgen Sie unseren Vorschlägen. – Vielen Dank.
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Herren! Mehr als 3 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig, circa 816 000 Menschen werden in den Pflegeheimen gepflegt, in Hamburg werden 2030 112 000 Pflegebedürftige leben. Unsere Anfrage ergab, dass seit 2015 bereits 154 ambulante Pflegedienste, 139 Tagespflegeeinrichtungen und ins
Experten stellen fest, dass 2035 deutschlandweit eine halbe Million Pflegekräfte fehlen werden; Frau Loss hat es auch schon erwähnt. Der Pflegenotstand ist dramatisch. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft bestätigt: 22 000 Pflegekräftestellen sind unbesetzt. Eine ordentliche Bezahlung, eine angemessene Personalausstattung und eine gute Nachwuchsförderung sind hier die richtigen Bausteine. Darüber hinaus sollte die Pflege so gestaltet werden, dass Pflegekräfte auch die Leistungen erbringen können, für die sie ausgebildet worden sind. In Deutschland ist die Ausbildung oft viel besser als das, was dann in der Pflege geleistet werden kann, weil viele Eingriffe, viele Verrichtungen den Pflegekräften nicht erlaubt sind, obwohl diese sie sehr gut vornehmen könnten. Es ist daher richtig, den Beruf zu professionalisieren und stärker zu akademisieren, um ihn in voller Blüte zum Tragen kommen zu lassen.
Durch eine höhere akademische Qualifikation könnten Pflegende auch Tätigkeiten übernehmen, die bisher Ärzten vorbehalten sind. Dadurch sind zusätzliche berufliche Autorität und Selbstständigkeit zu gewinnen. Zudem wird die Wertschätzung der Pflegeberufe deutlich erhöht – und auch die finanzielle Perspektive, denn wer Alte und Kranke pflegt, kann seine Familie kaum ernähren. Laut Bundesagentur für Arbeit erhält ein Krankenpfleger durchschnittlich keine 3 750 Euro brutto. Eine einfache, aber unverzichtbare Helfertätigkeit in der Altenpflege ist in Deutschland nur 2 241 Euro wert. Die Qualität der Pflege zu verbessern ist immer richtig und gelingt nur durch entsprechende personelle Ausstattung, adäquate Bezahlung und die verstärkte Weiter- und Ausbildung von Spezialkräften.
Wir unterstützen diesen Antrag. Zudem möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Pflegekräften für ihren Einsatz bedanken. Sie leisten einen grandiosen Dienst für unsere Kranken, für pflegende Mitmenschen und somit für unsere Gesellschaft. – Vielen Dank.
Ich musste mich noch einmal kurz zu Wort melden, weil ich das jetzt doch nicht so stehen lassen kann. Herr Gamm, es ist ein netter Versuch, uns an dieser Stelle rot-grüne Untätigkeit vorzuwerfen, aber ich wollte Sie daran erinnern – das haben Sie als Zwischenfrage nicht zugelassen – beziehungsweise nachfragen: Wer
hat denn eigentlich diese Reform als Bundesgesundheitsminister damals verantwortet? Und wem ist diese Problemstellung, die wir jetzt hier debattieren, zu dem Zeitpunkt anscheinend nicht aufgefallen, obwohl sie von vielen Seiten herangetragen wurde? Der Bundesgesundheitsminister kam, glaube ich, aus der CDU. Von daher ist es, finde ich, eine ziemliche Farce, hier davon zu reden und uns an dieser Stelle Untätigkeit vorzuwerfen.
Noch einmal: Ja, die HAW – und das darf man ihr auch hoch anrechnen – war tatsächlich eine der ersten Hochschulen, die dieses primär qualifizierende Studium umgesetzt hat. Dabei geht es nicht nur darum, zu sagen: Gibt es jetzt eine Ausbildungsvergütung oder nicht? Sondern es geht tatsächlich auch darum, den Kern der theoretischen Ausbildung an die Hochschulen zu holen – und eben nicht weiter die Parallelität und das Nebeneinander von dualer Ausbildung und Studium zu haben – und dieses neue Modell voranzutreiben. Ich finde es großartig, dass die HAW hier vorangegangen ist und das inhaltlich so schnell umgesetzt hat.
Und weil ich von Herrn Celik auf den Zeitpunkt angesprochen wurde: Wir sind tatsächlich schon länger an diesem Thema dran. Umso mehr freut es mich, dass jetzt, wie gesagt, durch die Bundesratsinitiative und den Bundesratsbeschluss, aber eben auch durch den Referentenentwurf auf Bundesebene endlich Fahrt reinkommt.
Nichtsdestotrotz haben wir in unserem Antrag – das hatten Sie erwähnt – auch noch andere Punkte mit aufgenommen, die konkret die Lage in Hamburg betreffen und mit denen wir eine weitere Verbesserung hervorbringen wollen. Von daher finde ich es gut und richtig, zu diesem Zeitpunkt und zum Tag der Pflegenden genau darüber hier zu debattieren.
Dass Sie nun bezüglich anderer Ideen und Initiativen ausgerechnet auf Bayern verweisen und ein Stipendiumsmodell vorschlagen – von dem erstens gar nicht alle wirklich profitieren können, das zweitens zum Beispiel aber auch beinhaltet, dass man sich nach dem Studium für drei Jahre binden muss, etwa, in jedem Fall in Bayern zu arbeiten –, finde ich irgendwie schwierig. Denn ich glaube nicht, dass dies das Modell ist, das wir Studierenden in Hamburg anbieten wollen. – Vielen Dank.
Wer also möchte dem Überweisungsbegehren der CDU-Fraktion folgen und die Drucksache 22/11765 an den Gesundheitsausschuss überweisen? – Wer möchte das nicht? – Wer enthält sich? – Dann ist die Überweisung abgelehnt worden.
Wer möchte also den Antrag der GRÜNEN und SPD annehmen? – Wer nicht? – Wer enthält sich? – Dann ist das einstimmig geschehen.
Ich rufe auf Punkt 13, Große Anfrage der GRÜNEN Fraktion: Aufarbeitung der Gerichtsverfahren gemäß dem Transsexuellengesetz im Hinblick auf einen Entschädigungsfonds.
[Große Anfrage der GRÜNEN Fraktion: Aufarbeitung der Gerichtsverfahren gemäß dem Transsexuellengesetz im Hinblick auf einen Entschädigungsfonds – Drs 22/11498 –]
Die Linksfraktion möchte diese Große Anfrage an den Ausschuss für Gleichstellung und Antidiskriminierung überweisen. Zudem möchte ich darauf hinweisen, dass es sich um eine Kurzdebatte handelt.
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleg*innen! Das Transsexuellengesetz regelt in Deutschland seit 1981, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen transgeschlechtliche Menschen ihren Vornamen und Personenstand ändern können. Immer wieder ziehen trans*Menschen vor das Bundesverfassungsgericht, um gegen widerliche und menschenverachtende Teile des TSG zu klagen – und das immer wieder mit Erfolg.
Nachdem 2008 der Scheidungszwang vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt wurde und 2011 ebenso die Zwangssterilisation abgeschafft wurde, ist vom ursprünglichen Transsexuellengesetz nur noch eine Regelungsruine zurückgeblieben, die wir endlich durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen müssen.
Das Leid, das dieser Staat transgeschlechtlichen Menschen angetan hat und – mittlerweile in abgemilderter Form – noch antut, lässt sich nicht wiedergutmachen. Ich spreche hier von durch den Scheidungszwang zerstörten Familien, die durch das geforderte Trennungsjahr auseinandergerissen wurden. Ich spreche hier von unwiederbringlich zerstörten Wünschen nach leiblichen Kindern, von zerstörten Lebensentwürfen und von unheilbar verwundeten Körpern durch Zwangssterilisation.
Ich spreche hier auch von verlorenen Lebensjahren im richtigen Geschlecht all jener, die sich geweigert haben, sich zwangssterilisieren zu lassen und stattdessen jahrelang ihre Transition nach hinten verschoben haben. Dieses Unrecht muss entschädigt werden.
Im Eckpunktepapier der Bundesregierung zum Selbstbestimmungsgesetz wurde ein Entschädigungsfonds angekündigt, der für diese Menschen wenigstens eine finanzielle Entschädigung vorsieht. Unsere Große Anfrage hat ergeben, dass in Hamburg bisher 1 290 Verfahren nach dem TSG stattgefunden haben, von denen es bei rund 300 zu einer Zwangsscheidung oder Zwangssterilisation gekommen sein kann, was sich aus dem Zeitraum und den angewendeten Paragrafen ableiten lässt.
Darüber hinaus wurde zugesichert, dass bis zum Jahr 2030 keine weiteren Akten vernichtet werden, um eine gründliche Aufarbeitung zu ermöglichen. Das werden wir nun weiter vorantreiben.