Bei diesem Tagesordnungspunkt sind die Fraktionen übereingekommen, auf die Debatte zu verzichten. Dann können wir sofort zur Abstimmung kommen.
Wer also der Ausschussempfehlung folgen und den Senatsantrag aus Drucksache 22/13024 beschließen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Regierungskoalition, DIE LINKE, die CDU und die AfD. Damit ist das einstimmig so beschlossen.
Wer will den soeben in erster Lesung gefassten Beschluss auch in zweiter Lesung fassen? – Das ist ebenso einstimmig erfolgt. Damit ist auch das in zweiter Lesung …
Ja, dann sicherheitshalber: Wer ist dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Niemand. Dann ist das sicher einstimmig. Das ist damit auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.
Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 47, der Drucksache 22/13767, einem Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN: Zusammenhalt fördern – Prävention von religiösem Extremismus und Antisemitismus verstärken: Radikalisierung im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt rechtzeitig erkennen und entschlossen entgegenarbeiten.
[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Zusammenhalt fördern – Prävention von religiösem Extremismus und Antisemitismus verstärken: Radikalisierung im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt rechtzeitig erkennen und entschlossen entgegenarbeiten – Drs 22/13767 –]
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was am 7. Oktober geschah, wird noch nachhaltig unser Bewusstsein prägen. Der barbarische Angriff der Terroristen der Hamas, der kaltblütige Mord und das Verbrechen an 1 400 Menschen haben uns tief er
schüttert. Für uns ist klar: Wer diesen Akt bejubelt, diesen feiert oder relativiert, hat seine Menschlichkeit verwirkt. Ein "Ja, aber!" darf es nicht geben. Unsere Solidarität gilt den Israelis und den Jüdinnen und Juden, auch hierzulande.
Das Zweifeln oder das Absprechen des Existenzrechts Israels ist weitverbreitet. Es muss klar sein: Wer sich außerhalb dieses Rahmens bewegt, verabschiedet sich vom Diskurs.
Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass wir in den vergangenen Wochen eine Atmosphäre erlebt haben, eine Politik und öffentliche Meinung, bei der die Solidarität mit den Palästinensern fast schon einer Straftat gleichkam. Es ist noch immer nicht überall angekommen, dass pro Palästina zu sein nicht synonym damit ist, gegen Israel zu sein.
Es gibt eine Perspektive, die sich sowohl mit den Jüdinnen und Juden und ihrem Leid solidarisiert als auch Solidarität mit den Palästinenser:innen zulässt. Auf diese Gleichzeitigkeit kommt es an. Empathie und Mitgefühl kann niemals selektiv sein, denn das ist echte Solidarität, die nicht bevormundet. Nur so werden wir einer historischen Verantwortung gerecht.
Bei vielen Menschen, gerade bei jungen, ist der Eindruck entstanden – von manchen Kräften in unserer Gesellschaft leider geradezu künstlich befeuert –, dass wir in Deutschland Sprechverbote hätten. Das sind Fake News. Israel zu kritisieren, die Besetzungen in der Westbank zu kritisieren, die Blockade im Gazastreifen zu kritisieren, die völkerrechtswidrigen Siedlungen zu kritisieren, das militärische Vorgehen im Gazastreifen zu kritisieren, die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens zu kritisieren, die humanitäre Lage und mehrere Zehntausend Tote auf palästinensischer Seite zu kritisieren ist nicht nur legitim, sondern gehört auch zur Meinungsfreiheit in der demokratischen Gesellschaft.
Aber offener Judenhass und das Existenzrecht Israels infrage zu stellen ist die rote Linie. Glauben wir ernsthaft, dass wir Antisemitismus, Judenhass und Radikalisierung durch Debatten, den Ton und die Pauschalisierungen der vergangenen Wochen nachhaltig bekämpfen können? Wer in dieser Situation Antisemitismus sowie Extremismus mit antimuslimischem Rassismus zu begegnen versucht und Antisemitismus als Problem von Migrant:innen oder als Importideologie bewertet, der offenbart seine eigene versteckte Agenda. Das ist ein Teil des Problems und niemals die Lösung.
Solange wir pro-palästinensisches Engagement pauschal kriminalisieren, Palästinenser und auch Muslime hierzulande unter Generalverdacht stellen, sie mit einem Misstrauen belegen, verlieren wir auch diese wichtigen Verbündeten im Kampf gegen Antisemitismus und religiösen Extremismus.
Machen wir uns aber nichts vor: Auch Extremisten, Judenhasser und die Sympathisanten der Hamas sind nicht untätig. Auch ihre Propaganda und ihre Opfernarrative zeigen Wirkung, gerade bei jungen Leuten über Social Media, die diese Bilder auf ihren Smartphones empfangen und multiplizieren. Nicht immer sind diese auf Fakten geprüft. Pauschalisierungen, der Ton der vergangenen Wochen und die gleichzeitige Omnipräsenz dieser Bilder sind Brandbeschleuniger und der Nährboden für Radikalisierung.
Wir können aber froh sein, dass der muslimischjüdische und auch der interreligiöse Dialog in dieser Stadt eine sehr lange Tradition haben und fest verankert sind und dass wir auch sehr verlässliche Partner gegen Radikalisierung und Antisemitismus an unserer Seite wissen. Genauso können wir auch sehr froh sein, dass wir frühzeitig Handlungsstrategien und Radikalisierungsprävention entwickelt haben. Diesen Konzepten lag schon immer die Erkenntnis zugrunde, dass Diskriminierungserfahrung, Emotionalisierung von politischen Konflikten und die eigene Wahrnehmung als Opfer der Ausgang von Radikalisierung sind.
Diese Konzepte müssen jetzt im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen weiterentwickelt werden. Wir brauchen aufsuchende soziale Arbeit, die die jungen Menschen dort abholt, wo sie sich aufhalten: in der virtuell-digitalen Welt. Diese Konzepte werden wir verbessern und an die aktuelle Lage anpassen. Geben wir den Spaltern, den Extremisten, den Antisemiten keine Chance. Holen wir uns die Deutungshoheit zurück; beweisen wir, dass die Extremisten, die Rattenfänger nicht die besseren Sozialarbeiter sind. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleg*innen! Lieber Herr Malik, vielen Dank für die Rede. Ich kann jedes Wort, das du gerade gesagt hast, unterstreichen und mich vollumfänglich anschließen.
Ich möchte den Verweis auf die Bilder auf dem Smartphone aufgreifen und Sie zu einem kurzen Blick in den Instagram-Feed zum Thema Israel/Ga
za mitnehmen. Wenn man das dort eingibt, sieht man eine halb nackte Frau auf einem Jeep, die mit dem Gesicht nach unten liegt, eingeklemmt zwischen den Beinen eines Hamasterroristen, um ihn herum johlende Männer, die die Frau immer wieder bespucken. Wenn man weiterscrollt, sieht man als Nächstes ein überfülltes Krankenhaus im Gazastreifen; die wacklige Kamera zeigt tote und halb tote Menschen, die im Flur des Krankenhauses liegen, weitere rennen orientierungslos herum, dazwischen ein circa zehnjähriges eingestaubtes Mädchen mit blutender Kopfwunde, die Kamera verfolgt sie, wie sie panisch ihre Mutter zwischen den verwirrten Menschen sucht. Und so kann man durch die sozialen Medien weiterscrollen und weiterscrollen.
Seit dem 7. Oktober lebt die Welt in einem neuen Krieg; Maschinenpistolen und Raketen sind die aktuelle Realität in Israel und im Gazastreifen, und weltweit sind die Bilder in Social-Media-Feeds. Dadurch ist das Schlachtfeld nicht 5 000 Kilometer weit entfernt, sondern auch hier, in Hamburg, mitten unter uns. Es erreicht uns bei jedem unkontrollierten Griff zum Handy auf der Arbeit, in der Bahn und beim Einkaufen, und die Bilder in den sozialen Medien schlagen auf unsere Psyche ein, ohne ein Raketenabwehrsystem wie Iron Dome.
Im Jahr 2023 verbrachten Jugendliche im Alter zwischen 12 und 19 Jahren in Deutschland durchschnittlich 224 Minuten – also fast vier Stunden – pro Tag im Internet. Das heißt eben auch: fast vier Stunden Teil des Schlachtfelds der Hamas. Jugendliche müssen tagtäglich die komplexe Gleichzeitigkeit der aktuellen Ereignisse aushalten, heruntergebrochen auf visuelle Schnipsel ohne jegliche Einordnung. Die Voraussetzungen, um das verarbeiten zu können, sind Medienkompetenz und emotionale Bildung. Wer diese nicht aus der Familie, der Schule oder dem Freundeskreis mitbringt, kocht über. Und wo Emotionen überkochen und Unsicherheit oder gar Wut dominieren, ist der Nährboden für Extremismus geschaffen.
Der Anstieg der antisemitischen Gewalttaten in Deutschland, die erneute Warnung vor islamistischen Anschlägen, die Festnahme von mutmaßlichen Mitgliedern der Hamas machen deutlich: Die Gefahr des Extremismus ist nicht räumlich begrenzt, sondern sie betrifft auch uns. Hamburg – darauf hat Herr Malik auch gerade hingewiesen – ist eine interreligiöse und tolerante Stadt mit einer langen Geschichte des Zusammenhalts unter den Religionen. Vertreter*innen der Schura, dem Rat der islamischen Gemeinschaften, sowie der jüdischen Gemeinde sind seit dem 7. Oktober gemeinsam auf Veranstaltungen aufgetreten und haben für Zusammenhalt und Dialog geworben. Solchen Schrittmacher*innen in der ganzen Stadt haben wir es zu verdanken, dass die angespannte Situation in Hamburg noch relativ friedlich verläuft.
Doch in Gesprächen mit unterschiedlichen Schlüsselpersonen vernehme ich immer wieder, dass Druck auf dem Kessel ist. Gerade die Jugend ist verunsichert; viele stehen im Konflikt zwischen den Bildern in Social Media, der Meinung in den Familien und der Haltung der Politik und der Medien. Muslimische Menschen fühlen sich überhört, jüdische Gläubige nicht sicher. Die Stimmung ist angespannt; extremistische Organisationen sind auf Kundenfang.
Was uns bei alldem bleibt: Zum einen sollten wir klare Kante in Sachen Antisemitismus zeigen. "Nie wieder!" ist jetzt, gilt jetzt und für immer; der Schutz jüdischen Lebens und die Positionierung gegen Antisemitismus haben in Hamburg oberste Priorität.
Zum anderen sollten wir empathisch, wachsam und aufmerksam bleiben, uns mit geradem Rücken dem Extremismus entgegenstellen und Jugendliche in Hamburg schützen. Deshalb fordern wir mit unserem Antrag den Senat auf, die Maßnahmen in der Prävention von Extremismus zu überprüfen und zu verstärken. Dabei richtet sich unser Fokus vor allem auf den verstärkten Einsatz von OnlineStreetworker*innen. Diese begegnen Jugendlichen direkt auf den Social-Media-Kanälen und geben ihnen hier den nötigen emotionalen Halt, sie nehmen sich Zeit und ordnen ein.
Darüber hinaus fordern wir, dass die Zusammenarbeit mit relevanten Bildungsmultiplikator*innen, auch mit Religionsgemeinschaften, ausgebaut wird. Nicht zu vergessen ist der Blick auf die Umsetzung unserer Landesstrategien gegen Antisemitismus und Extremismus sowie die Arbeit an den Schulen. Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung hat schon unmittelbar nach dem 7. Oktober reagiert und Materialien bereitgestellt. Mit unserem Antrag wollen wir sichergehen, dass diese Maßnahmen zur Prävention von Extremismus weiter im Fokus behalten und ausgebaut werden.
Wir nehmen die Lage ernst und bündeln alle Kräfte für ein friedvolles Zusammenleben in unserer Hansestadt. Was wir uns alle wünschen, ist ein Leben frei von Angst und Schrecken. Die meisten in diesem Raum können das noch, doch viele Menschen in Hamburg können das seit dem 7. Oktober nicht mehr. Tun wir alles dafür, damit auch sie Hamburg wieder als sicheren Ort erleben können. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte meine Rede mit einem Zitat des ehemaligen Bundestagspräsidenten und Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Norbert Lammert, beginnen, der sich wie kaum ein anderer für die deutsch-israelische Freundschaft starkmacht. Das Zitat lautet:
Unerträglich war der menschenverachtende Angriff der Hamas auf israelische Zivilisten. Unerträglich sind auch die Bilder aus Israel und dem Gazastreifen, die die Nachrichten seit diesem Angriff bestimmen. Und unerträglich ist das, was seither in unserem Land passiert. Nicht nur in Berlin gehen Menschen auf die Straße und feiern das Leid Israels. Auch in Hamburg finden pro-palästinensische Kundgebungen statt, vor allem, wenn sie Hass und Gewalt gutheißen.