Protokoll der Sitzung vom 13.03.2024

zu der vier Themen angemeldet worden sind.

Die GRÜNE Fraktion beginnt mit der Anmeldung:

Jeder Tag ist Weltfrauentag: Statt einmal Blumen braucht es echte Gleichstellung an allen Tagen im Jahr

Es folgt die Anmeldung der CDU-Fraktion:

Taten statt Worte: Bürgermeister Tschentscher muss Cannabis-Legalisierung im Bundesrat sofort stoppen!

Dann die Anmeldung der Fraktion DIE LINKE:

Preisschock bei der Fernwärme: Zocken Vattenfall, E.ON und Co. Hamburgs Fernwärmekund*innen ab?

Dann die Anmeldung der AfD-Fraktion:

Nancy Faeser gefährdet Demokratie auch in Hamburg – "Demokratiefördergesetz" umgehend stoppen!

Wir beginnen mit dem ersten Thema, das ich hiermit aufrufe. Ich erinnere Sie noch einmal daran, dass wir in der ersten Runde jeweils fünf Minuten Redezeit haben, in den weiteren Runden dann drei Minuten. Frau Jasberg bekommt für die GRÜNE Fraktion das Wort zum ersten Thema.

Wertes Präsidium, liebe Kolleg:innen, werte Zuschauer:innen! Lassen Sie uns heute über die Gefahr für unser aller Freiheit durch toxische Männlichkeit reden –

(Lachen bei Dr. Alexander Wolf AfD)

nicht über extreme Männer 70 plus mit völkischnationaler Gesinnung à la Putin und Trump, sondern über die Wirkung im Alltag.

Warum demonstrierten am letzten Weltfrauentag viele Menschen? Frauen leisten noch immer rund 44 Prozent mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer. Auch der Equal Pay Day letzte Woche zeigte, dass Frauen noch immer etwa 18 Prozent weniger als Männer verdienen, verbunden mit dem größeren Risiko von Altersarmut. Frauen bleiben unterrepräsentiert in Führungspositionen – trotz durchschnittlich besserer Bildungsabschlüsse. Frauen treffen auf ein Gesundheitssystem, das den männlichen Körper lange als Standard setzte; so ist die Diagnose der weitverbreiteten Endometriose relativ neu. Frauen erleben Diskriminierung, strukturell und persönlich, in allen Lebenslagen und in allen sozialen Schichten.

Es gibt also genügend Gründe, sich weiter für gleiche Teilhabe einzusetzen. Dafür brauchen wir statt Politikern, deren Feminismus bei "Ich habe eine Tochter" endet, Mehrheiten zur Abschaffung von Abhängigkeitsverhältnissen wie dem Ehegattensplitting.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir Frauen gelten als mitgemeint, bleiben aber in vielen Bereichen unsichtbar. Marusha und Angela Merkel bleiben Ausnahmen in prominenten Berufen, deren weibliche Bezeichnungen man erst lernen musste. Und Mütter und Väter, die ihre Kinder mit Kitamitbringseln wie Hand-Fuß-Mund pflegen, behalten Probleme beim beruflichen Aufstieg. Frauen sollen doch bitte die wertvolle Care-Arbeit möglichst leise, kostenlos, nebenbei leisten. Die Coronapandemie hat dieses problematische Rollenverständnis verschärft; Karriereknicks und die psychische Belastung vieler Mütter wirken noch nach. Frauen, insbesondere jenseits der Rollenerwartungen, gelten oft als schwierig – zweifelsohne auch wir Politikerinnen. Männliche Kollegen mit Machtanspruch sind lediglich zielstrebig und entsprechend auch seltener die Adressaten sexistischer Hasskommentare. Junge Frauen gelten als schwierig, weil sie unerfahren seien. Mütter gelten oft als schwierig, weil sie eine Karriere wollen. Und, Himmel bewahre: Frauen, die bewusst kinderlos bleiben. Absurder nur noch: Frauen 40 plus – schwierig;

(Zuruf)

angesichts des massiven Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt werden sie immer noch diskriminiert.

Altersunabhängig sollen sich Frauen mit Reaktionen auf ihr Äußeres befassen, ob sie das wollen oder nicht, seien es Schönheitsideale oder Versuche, ihnen vorzuschreiben, wie sie sich zu kleiden

haben. Bodyshaming, aber auch das Machotum berauben viele junge Menschen ihrer Möglichkeit, sich frei zu entfalten.

Und: Ja, Sexualität spielt eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Gefüge. Das Patriarchat steuert darüber die Unterdrückung von Frauen. Spuren davon finden sich in unserem Alltag: Es halten sich hartnäckig Schimpfworte, die sexuelle Unabhängigkeit von Frauen beschreiben, wie – entschuldigen Sie – das Stichwort Schlampe; vergleichbare Herabwürdigungen für umtriebige Männer gibt es nicht. Die Lust an Sexualität und Pornografie findet vor allem aus der Perspektive von Männern statt.

Sangen vor drei Jahrzehnten Salt 'n' Pepa schon "Let's talk about Sex", fehlen heute leider immer noch vielen dafür die Grundlagen. Erst seit Kurzem finden sich korrekte Darstellungen von Vulva und Klitoris in Schulbüchern. Frauen tragen indes privat die Hauptverantwortung für die Reproduktion, Verhütung und auch die gesundheitlichen Risiken. Dass etwa ein Viertel aller Schwangerschaften in Fehlgeburten enden, führt nicht dazu, dass Ärzte in ihrer Ausbildung darauf vorbereitet werden und bessere Beratung leisten können, sondern dazu, dass man in den ersten zwölf Wochen einfach nicht über Schwangerschaften reden soll. Das Thema der Abbrüche ungewollter Schwangerschaften ist gar eines, das Frauen oft zu Gegenständen macht. In Ländern mit harten Verboten sterben zahllose Frauen infolge von Amateurabtreibungen.

Vieles hat sich bei uns bereits verbessert. Und immer wieder haben wir GRÜNEN feministische Forderungen aufgestellt; zunächst oft verlacht, nun allgemein anerkannt.

(Krzysztof Walczak AfD: Tut mir leid, wir la- chen weiter!)

Nicht zuletzt trägt auch Gender-Mainstreaming in Stadtentwicklung und Haushaltsplanung eine grüne Handschrift. Wichtig bleiben aber auch mutige Frauenbewegungen. Zuletzt haben die Kampagnen "Nein heißt Nein" und MeToo das Thema Gewalt gegen Frauen auf eindrucksvolle Weise bewegen können.

Noch in meiner Kindheit galt es als unschick, darüber zu reden: Vergewaltigung in der Ehe gab es nicht. Dass heute die Gewalt gegen Frauen statistisch zunimmt, liegt am Bewusstsein, dass prügelnde Männer und Väter keine Privatprobleme mehr sind, sondern Straftäter. Und wenn es in der Politik um den Schutz von Frauen geht, reden oft Männer – klar, sind ja auch mehr. Da wird meist die Angst vor fremden Tätern geschürt. Viel seltener kommt zur Sprache, dass der private Raum für Frauen der mit Abstand gefährlichste ist: Jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch die Hand ihres Partners oder Expartners. Die vielen Femizide in unserem Land haben ihre Wurzeln in der Idee

der Frau als Besitztum; Rechtspopulisten, die von "unseren Frauen" sprechen, spenden dafür eine Grundlage. Landesfrauenräte warnen – passend aktuell –, dass das Erstarken von Rechtspopulismus Hand in Hand mit der Ablehnung von Geschlechtergerechtigkeit und feministischen Zielen gehe. Dass Nazis einst den Weltfrauentag durch den Muttertag ersetzten, muss uns mahnen, Frauenrechte als Teil der Brandmauer gegen Faschismus zu schützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Lachen bei Dr. Alexander Wolf AfD)

Ein Letztes noch: Dass im Gegensatz dazu einige Länder den 8. März als echten Feiertag begehen, macht hingegen Mut. Und ich hoffe, dass wir auch in Hamburg einmal die politischen Mehrheiten dafür haben werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort erhält Frau Dobusch für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, werte Abgeordnete! Der 8. März – Weltfrauentag, Internationaler Tag der Frauen – ist und bleibt ein besonderer Tag. Er ist kein gesetzlicher Feiertag – leider hat die Mehrheit hier anders entschieden –,

(Lachen bei Krzysztof Walczak AfD)

aber ein wichtiges Datum für Frauen auf der ganzen Welt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist ein Tag, an dem Frauen, bisweilen natürlich auch andere Geschlechter, seit 1911 Errungenschaften im Bereich der Gleichstellung feiern

(Zurufe von der AfD)

und zeitgleich auf noch nicht verwirklichte Frauenrechte aufmerksam machen. Der 8. März ist ein Symbol der Gleichberechtigung und der Emanzipation. Es war ein langer Kampf um Frauenrechte, und er ist noch nicht zu Ende: Ich erinnere an den Kampf um das Frauenwahlrecht, den Kampf um das eigene Geld, das Sorgerecht, das Recht, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, das Recht der selbstbestimmten Sexualität, auch in der Ehe. Nur weil Elisabeth Selbert damals den Kampf um Artikel 3 Absatz 2 in unserem Grundgesetz gewonnen hat, stehen wir jetzt relativ gut da:

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Dieser Absatz hatte, zumindest zeitverzögert, spürbare positive Folgen für uns Frauen und für unsere Gesellschaft; das ist mir wichtig.

(Jennifer Jasberg)

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt hier im Saal Kräfte, die sich die Zeit der gesitteten Hausfrauen der Sechzigerjahre zurückwünschen

(Lachen bei Krzysztof Walczak AfD)

ich bin gespannt, was aus der Ecke nachher noch kommt – oder, schlimmer, die prämierten Mütter der Nazizeit.

(Dr. Alexander Wolf AfD: So ein Stuss!)

Solch einen Rollback werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Da sind mittlerweile viele wegweisende Gesetze und Maßnahmen vor, gerade in Hamburg: beispielsweise neben der Verfassung das Gleichstellungsgesetz, das Gremienbesetzungsgesetz, das annähernd paritätische Verhältnisse in Entscheidungsebenen und Führungsetagen gewährleistet, das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm, das alle Ressorts in die gemeinsamen Bemühungen um die Querschnittsaufgabe Gleichstellung einbindet, und – ganz aktuell eigentlich – die Festlegungen zum Gender-Budgeting. Gemäß Paragraf 1 Landeshaushaltsordnung ist bei der Aufstellung und Ausführung des Haushalts den Grundsätzen der Wirkungsorientierung, insbesondere unter Berücksichtigung des Ziels der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter, Rechnung zu tragen.

Der jetzt vorliegende zweite Bericht dazu – Sie werden das vielleicht schon gesehen haben – trägt dem Rechnung und enthält gerade mal 123 gleichstellungsbezogene Kennzahlen. Ungefähr bei 16 bis 17 Prozent der Produktgruppen gibt es mindestens eine Gender-Kennzahl. Nun ja, bis zur tatsächlichen Steuerung in diesem Sinne ist es noch ein langer Weg. Aber Hamburg ist im Bundesvergleich und auch im europäischen Vergleich mittlerweile ganz vorne dabei.