Und ich denke in diesem Zusammenhang noch an die Rede Ihrer damaligen bildungspolitischen Sprecherin, die sich hier hingestellt und gesagt hat: In der Anhörung haben über 80 oder 85 Prozent der Anzuhörenden gesagt, wir wollen nicht, dass Schule und Hort voneinander getrennt werden, aber wir machen es trotzdem. Dass die Realität Sie schnell eingeholt hat und dank der Initiative der damaligen Oppositionsfraktionen SPD und PDS ein Ausnahmeparagraph 5 ins Schulreformgesetz eingefügt worden ist, der in der Praxis zur Regel geworden ist, wirft doch schon ein Licht auf Ihre „glanzvollen“ Entscheidungen.
Dennoch haben Sie auch weiterhin Ihre Kraft statt in die Verbesserung der Bildungssituation darin investiert,
künstlich die Dreigliedrigkeit aufrechtzuerhalten. Ich denke in diesem Zusammenhang zum Beispiel daran, dass Sie es über Jahre verhindert hatten, dass Gesamtschulen die gymnasiale Oberstufe erhalten. Anschließend haben Sie dann aber das Niveau an Gesamtschulen in Frage gestellt. Ach nein, Sie haben auch noch die Kraft investiert – das fiel heute schon häufiger –,
Nun, wo wir das Ergebnis Ihrer falschen Prioritätensetzung, nämlich nur Strukturveränderungen, und Ihrer Kürzungsorgien haben, schreien Sie: „Haltet den Dieb!“ Wenn Ihre Partei die derzeit in Rede stehende Greencard ablehnt, weil – wie ich den Medien gestern entnehmen konnte, den Reden heute auch – Jugendliche aus Deutschland und aus Mecklenburg-Vorpommern diese Tätigkeiten ausüben sollen, dann frage ich mich, was von Ihnen im Land und auf Bundesebene zu Ihren Regierungszeiten denn im Hinblick auf Qualität in der Bildung getan worden ist, damit unsere heutigen Jugendlichen,
nicht die erst in zehn Jahren, diese Aufgaben übernehmen können. Offensichtlich wurde bei Ihnen Bildungspolitik mit der Brille der Kurzsichtigkeit gesehen, denn ich konnte keinen prognostischen Analysen entnehmen, dass von Ihnen ein derartiger Bedarf überhaupt gesehen worden ist. Folglich wurde auch nicht gehandelt.
Statt Innovation stand Stagnation, statt Modernität stand das Festhalten an alten Zöpfen, statt Investitionen in die Bildung stand Abbau auf der Tagesordnung.
Und Sie verlangen jetzt, dass wir aus Ihrem vertrockneten Samen blühende Landschaften machen, und zwar bis gestern.
Ich bin jedenfalls froh, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir endlich die Stundentafel im Grundschulbereich wieder aufgestockt haben.
In diesem Alter werden wesentliche Grundlagen für die weitere Bildung gelegt. Und ich bin froh, dass wir endlich einen Bildungsminister haben, der sich von Anfang an die Qualitätsentwicklung und -verbesserung auf die Fahnen geschrieben hat.
In der letzten Woche in Güstrow hatte der Bildungsminister umfassend und tiefgreifend zur Erarbeitung des
Ja, das habe ich Ihrer Rede entnommen, dass Sie zwar da waren, aber nicht hingehört haben. Dann wäre zumindest Ihre Forderung nach Ergebnissen der Leistungsüberprüfung hinfällig gewesen. Dies hat heute der Minister noch einmal dargelegt, so dass dazu nichts mehr zu sagen ist. Das Landesprogramm wird in nächster Zeit in einer Endfassung zusammengeführt und regierungsseitig behandelt. Dabei möchte ich schon jetzt die Forderung der Bildungspolitiker erheben, dass zunächst das Notwendige bestimmt wird, erst danach die Kosten ermittelt werden und zum Schluss Machbares gegen Wünschenswertes, dringend Notwendiges gegen weniger Notwendiges abzuwägen sein werden.
Bildungspolitik kann und darf sich dem Kostenargument nicht verschließen, aber umgekehrt darf Bildungspolitik nicht primär finanzpolitisch bestimmt sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Das müssen Sie in Ihrer eigenen Fraktion eigentlich klären.)
Motivationen bei den Pädagogen, Schülerinnen und Schülern, Eltern und anderen im Bildungssystem wirkenden Personen sind nur dadurch zu erreichen, wenn auch Erfolge individuell spürbar werden.
Angesichts aller seit TIMSS anhaltenden Debatten um Leistungsschule versus Kuschelschule wird meines Erachtens die eigentlich notwendige Zielrichtung der anstehenden Bildungsreform verkannt. Ich wundere mich schon, dass die Opposition nicht auch noch in ihrem Antrag aufgenommen hat, in Mecklenburg-Vorpommern pflichtmäßig Kopfnoten einzuführen.
Seit Jahren kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Begriff „Leistung“ vor allen Dingen auch von der CDU zu einem Modebegriff, zu einem Schlagwort verkommt. Der Begriff „Leistung“ wird verwendet, aber nicht definiert und mit starren Bemessungskriterien versehen. Wenn so Bildungspolitik betrieben wird, kann man vorhersehen, dass Begabungspotentiale verschenkt werden.
Nicht umsonst fordern Vertreter der Wirtschaft, dass neben der Vermittlung von konkreten Fakten und Kenntnissen auch endlich mehr Wert auf die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Flexibilität, Kreativität, Risikobereitschaft und so weiter gelegt wer
Der reine Vergleich von nur scheinbar Fakten, wie es Prüfungs- und Testatzensuren wären, reicht nicht für Aufschlüsse über die Qualität von Bildungsleistungen. Ich glaube, das hatte Herr Kollege Bluhm auch schon deutlich gemacht. Insofern geht es eben nicht, wie vom damaligen Bundespräsidenten Herzog in seiner hochgerühmten Berliner Rede dargelegt, um das Verbannen von Zensuren aus den Schulen, sondern um die reale Verbesserung der Bildungsergebnisse bei den Schülern. Wenn nach Expertenaussagen zukünftig 30 bis 35 Prozent hochschulzugangsberechtigt sein müssen, um dem wachsenden Bedarf an Fachkräften in der Wirtschaft nachzukommen, dann muss dies auch in der schulischen Bildung seine Widerspiegelung finden.
Unsere Grundlage und die Aufgabe der Bildungspolitik aus unserer Sicht wurde im – ich sage mal – Berliner Memorandum auf dem SPD-Bildungskongress am 17. Januar diesen Jahres fixiert. Danach muss Bildung erstens das Wissen und die Kompetenzen vermitteln, die morgen den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt bestimmen, und zweitens soziale Ausgrenzung angesichts steigender und neuer Qualifikationsanforderungen verhindern, mit anderen Worten: höchster Bildungserwerb mit höchster Chancengleichheit. Und hierzu wurde ausführlich dargestellt, dass Chancengleichheit der differenzierten Leistungsförderung nicht entgegensteht, wie heutzutage immer wieder und nicht selten wider besseres Wissen unterstellt wird.
Und auch umgekehrt gilt dies, denn differenzierte Leistungsförderung befördert Chancengleichheit, indem sie der Durchlässigkeit dient.
Aber – und ich denke, hier sind wir uns auch einig – wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass einerseits die Menschen auf diesem Wege mitgenommen und nicht mitgeschleift werden und andererseits bestimmte Maßnahmen auch den gewollten Effekt herbeiführen. Relativ klar ist man sich, wenn es heißt, die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen muss verbessert werden. Strittig wird es schon bei der Bestimmung, was denn diese Schlüsselqualifikationen sind, wie sie zu messen oder ihre Qualität schon während der Schulzeit bestimmbar sind, nicht zuletzt auch, wenn es um die Finanzierung der notwendigen Voraussetzungen geht. Insofern will ich ausdrücklich hervorheben, dass das mit der Haushaltsberatung 1999 in Gang gekommene Landesprogramm zur Computerausstattung und die Vereinbarung mit der Microsoft GmbH wichtige Schritte in die richtige Richtung darstellen. Doch dies ist erst, wenn man so will, die Hardware. Und die Software in diesem Prozess – also die Lehrkräfte an den einzelnen Schulen – muss fit und bereit sein, diese Anforderungen zu realisieren.
Noch prekärer erscheint mir die aktuelle Debatte um Strukturveränderungen. Die CDU will sie in ihrem Antrag ausgesetzt sehen und meint natürlich vorrangig die Orientierungsstufe, denn die ganze Rede von Herrn Vierkant bezog sich ja nur auf die Orientierungsstufe,
und die Sicherung des vermeintlich dreigliedrigen Systems, welches als das allein selig machende angesehen wird. Demgegenüber geht es uns – wiederum entgegen landläufiger Meinung – darum, die besten Strukturen unter Beachtung des bildungspolitischen Ziels, der realen Hinterlassenschaften und der demographischen Prozesse zu finden. Dass der Leiter der europaweit einmaligen zwanzigjährigen Längsschnittstudie über Bildungsbeteiligung und Arbeitsmarktchancen Harry Friebel jüngst zu dem Urteil kam, dass es anachronistisch sei, „Kinder bereits im Alter von zehn Jahren auf Gymnasien, Haupt- und Realschulen zu verteilen, während man in Amerika, Frankreich und England“ – und als einer der Spitzenreiter der TIMSS füge ich noch Tschechien hinzu – „viel stärker integrative Systeme bevorzuge“, spricht angesichts der kaum korrigierbaren Entscheidungen in der ersten Legislatur Bände. Er sagt zu Recht – und die Realität hat es ja auch gezeigt –, dass die Dreigliedrigkeit bei uns keine Chance hätte, wäre sie nur als Ausnahme zugelassen. Also nicht einmal als Ausnahme hätte sie bei uns eine Chance.
Man bedenke doch einmal, in Europa sind Deutschland und Österreich die einzigen Länder, die bereits nach Klasse 4 eine Laufbahnentscheidung abfordern. In einigen Ländern erfolgt dies frühestens nach Klasse 6. In vielen Ländern erfolgt der Übergang von der Primar- zur Sekundarstufe I ohne Laufbahnunterschiede und in noch mehr Ländern, so zum Beispiel in den skandinavischen, den Ländern Mittel- und Osteuropas sowie in Portugal, sind Primarstufe und Sekundarstufe I miteinander verkoppelt. Und diese Systeme sind – ich sagte es bereits für die tschechische Republik – mit keinen Leistungsnachteilen verbunden.
Und noch ein Weiteres. Nach den vom BMwF veröffentlichen Grund- und Strukturdaten 1998/99 haben gerade Länder mit integrativem Schulsystem einen hohen Anteil von Abiturienten beziehungsweise Hochschulabsolventen. So lag Deutschland zum Beispiel im Anteil der Absolventen der Sekundarstufe II in der Gruppe der 25- bis 35-jährigen Männer um acht Prozent und der Frauen um sieben Prozent hinter der Tschechischen Republik zurück.
Bei Hochschulabsolventen betrug der Rückstand Deutschlands gegenüber dem gut platzierten Kanada bei Männern fünf Prozent und bei Frauen sogar zwölf Prozent.