Protokoll der Sitzung vom 16.03.2000

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Dabei übersehen wir allerdings nicht,

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

dass ein Teil der Steuersenkung im Bereich der Unternehmensbesteuerung durch die Verschlechterung von Abschreibungsmöglichkeiten finanziert werden soll. Davon betroffen sind aber insbesondere Unternehmen des produzierenden Gewerbes.

(Wolfgang Riemann, CDU: Vor allem innovative Unternehmen.)

Banken und Versicherungen werden begünstigt und freuen sich zudem darüber, dass sie ihre Firmenanteile

verkaufen können, ohne dass sie dafür Steuern zahlen müssen. Im Kern scheint es nicht um Dezentralisierung, sondern um Konzentration und Zentralisation zu gehen. Und wie hat Herr Koplin auf einer Veranstaltung am letzten Wochenende so schön gesagt? – Ein Schelm, der so auf die Fusion von Deutscher und Dresdner Bank schaut.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Aber auch das Steuerkonzept der CDU und CSU, meine Kolleginnen und Kollegen – in Ihrem Antrag teilweise verpackt –, ist völlig unzureichend.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die PDS hat gar keins.)

Steuersenkungen werden zum Hauptziel deklariert, den Spitzensteuersatz wollen Sie sogar von derzeit 51 Prozent auf bis zu 35 Prozent herabsetzen. Die Reduzierung auf 45 Prozent, wie im Regierungsentwurf, ab einem zu versteuernden Einkommen von 98.000 DM ist Ihnen zu wenig. Sie wollen das Einkommen auf 110.000 DM erhöhen. Sie bezeichnen außerdem die Regierungspläne als zu zaghaft, denn Sie legen gleich noch einen schnelleren Gang ein. Ihre Nettoentlastung von 50 Milliarden DM soll schon in den nächsten drei Jahren funktionieren. Was heißt das eigentlich für die Haushalte der Länder und der Kommunen?

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Und hier stellt sich doch die Frage: Wie wollen Sie denn Ihre, wenn vorhanden, oppositionellen Vorschläge zur Entwicklung unseres Landes verwirklichen angesichts dessen, was Sie dem Land über Ihre Steuersenkungsmodelle zumuten?

Aber für beide Steuersenkungskonzepte, sowohl das der Bundesregierung als auch das der CDU/CSU, gelten alte Thesen: Eine Senkung der Steuerbelastung wirkt sich positiv auf das Investitionsgeschehen aus, die Kaufkraft und damit die Produktion werden angekurbelt, es entstehen Arbeitsplätze. Meine Damen und Herren, der Praxisbeweis dieser Politik wurde bisher nicht erbracht.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Steuergeschenke an die Reichen und Besserverdienenden haben bisher nie zu Wirtschaftswachstum und weniger Arbeitslosigkeit geführt, sondern immer nur zu massivem Sozialabbau in den Ländern. Und unter dem Strich bleibt, und das ist für mich eine bittere Einschätzung: Auch SPD und Bündnis 90/Die Grünen ziehen keine Lehren aus der Ära Kohl. Sie geben wie auch ihre Vorgänger dem Druck der Konzerne und Spitzenverdiener nach Steuersenkungen nach.

Dringend geboten, meine Damen und Herren, wäre eine Steuerreform, die für Entlastung und gleichzeitig für notwendige Einnahmen von Bund, Ländern und Kommunen sorgt.

(Harry Glawe, CDU: Da helfen nur Kombinate.)

Das heißt für die PDS – und, Herr Riemann, Sie hatten so einen netten Zwischenruf, es gibt ein Steuerkonzept der PDS und ich würde es Ihnen gerne zur Verfügung stellen, aber vielleicht sollte ich es Ihnen vorher lieber erklären:

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

1. Wiedereinführung der privaten Vermögenssteuer beziehungsweise alternativ Einführung einer befristeten Vermögensabgabe, um die Vermögen abzuschöpfen, die keine Steuern zahlen

2. eine gezielte Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen zum Beispiel über eine steuerfreie Akkumulationsrücklage, eine rechtsformunabhängige Besteuerung aller unternehmerischen Einkünfte, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für arbeitsintensive Dienstleistungen

Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, könnte man ja dem Vorschlag folgen, die Sollbesteuerung von kleinen Unternehmen bis zu einem bestimmten Jahresumsatz nicht zum Zeitpunkt der Rechnungslegung,

(Wolfgang Riemann, CDU: Hat man das alles in Amerika gemacht, Frau Gramkow?)

sondern zum Zahlungseingang vorzunehmen.

Ich komme gleich dazu.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Frau Gramkow war ja schon mal in Moskau.)

Bleibt Rot-Grün

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig.)

zum Beispiel bei der Einführung eines proportionalen Steuersatzes von 25 Prozent bei der Körperschaftssteuer für alle Unternehmen,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber sie war auch schon auf Usedom. – Wolfgang Riemann, CDU: Ja.)

fordern wir die Einführung gewinnabhängig steigender Körperschaftssteuersätze. Der Vorteil, nicht alle Unternehmen mit 25 Prozent gleichzeitig zu besteuern, sondern sie progressiv zu gestalten, liegt doch darin:

Erstens. Ein progressiver Steuersatz entspricht am ehesten einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Zweitens. Kleine und mittelständische Unternehmen können aufgrund eines geringeren Steuersatzes deutlich niedriger besteuert werden, was ja klar ist. Dagegen müssen sich große Konzerne einem vergleichsweise höheren Steuersatz unterwerfen. So würden sie endlich entsprechend ihrer stärkeren Leistungsfähigkeit an der Finanzierung der gesellschaftlichen Aufgaben und damit des Staates beteiligt werden.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Drittens. Die komplizierte körperschaftssteuerliche Option, Herr Riemann, könnte nämlich entfallen und dies würde das Steuerrecht tatsächlich vereinfachen und transparenter gestalten.

Die Idee dieses progressiven Steuersatzes entstammt nun wirklich keinesfalls PDS-Phantasien. Unternehmen werden bereits in verschiedenen Ländern mit gewinnabhängig steigenden Steuersätzen besteuert. Zum Beispiel kennt Belgien einen dreistufigen und, Herr Riemann, die USA einen vierstufigen Körperschaftssteuersatz.

(Wolfgang Riemann, CDU: Aber bis zu welcher Höhe, bis zu welcher Höhe! Das müssen Sie dann auch dazusagen.)

Aber Sie, meine Damen und Herren von der CDU, wollen ja gar nicht so eine Steuerreform. Und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke, Frau Gramkow.

Das Wort hat jetzt der Vorsitzende der Fraktion der CDU Herr Rehberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Vor geraumer Zeit wurde hier durch Herrn Borchert, durch die Frau Finanzministerin vorgetragen, es sei ja alles noch nicht so weit, darüber müsse man noch reden, über die eichelsche Steuerreform, und das sei für die Personengesellschaften alles nicht so schlimm.

Jetzt liegen die Pläne auf dem Tisch. Und, Frau Keler, wir haben es gar nicht nötig, bei der Bundesregierung abzuschreiben. Die Bundesregierung hat in weiten Teilen auf den Petersberger Beschlüssen vom Januar 1996 aufgebaut, das ist korrekt. Wir, das ist richtig, haben seit über vier Jahren unser Steuerkonzept fertig und das hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion jetzt noch einmal eingebracht. Und richtig ist – nicht so, wie Sie das vortragen –, dass Ihre Blockadepolitik zum Reformstau geführt hat. Das ist richtig, nichts anderes!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Wir haben auch einen Fehler gemacht, das gebe ich zu. Wir hätten schon Januar 1996 das Steuerkonzept einbringen und nicht auf die Märzwahlen in Rheinland-Pfalz, in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg schielen sollen. Ich wäre hochgespannt gewesen, was passiert wäre, wenn wir diese Debatte in der letzten Legislaturperiode nicht nur ein Jahr, sondern fast drei Jahre geführt hätten. Dann wären wir weiter gewesen.

Und, Frau Gramkow, das sind keine alten Thesen, die wir hier vortragen.

(Angelika Gramkow, PDS: Habe ich auch nicht gesagt.)

Es gibt Länder – das sind die USA, Neuseeland, Holland, Irland und viele andere –, die mit einer massiven Steuerreform, mit Absenkung von Eingangs- und Spitzensteuersatz im Einkommensbereich, mit der Absenkung der Körperschaftssteuer ganz immense Steuerzugewinne erzielt haben, das heißt Wachstum. Und ein Prozent Wachstum beim Bruttosozialprodukt sind nach meiner Kenntnis in Deutschland 14 Milliarden DM Steuermehreinnahmen. Das heißt, darauf angelegt sollte so eine Steuerreform sein.

Ich sage ja nicht, dass die vorgelegte Steuerreform von Rot-Grün in allen Teilen falsch ist. Nur, worum es geht, das ist ganz einfach, dass insbesondere unser eigener einheimischer Mittelstand in hohem Maße benachteiligt wird. Das ist doch das Entscheidende. Und, Frau Keler, es geht doch hier nicht ums Details, es geht um den Grundzug dieser Steuerreform.