Protokoll der Sitzung vom 16.03.2000

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Die SPD/Grünen, die sind doch nicht vier Jahre dran. Was erzählen Sie denn für einen Schnee?)

Herr Schoenenburg, Sie scheinen die Geschichte der Ökosteuer nicht richtig verfolgen zu wollen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ich verfolge das ganz ordentlich. – Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

Am 1. Januar 1999 der erste Schritt, der letzte Schritt am...

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Sie haben eben gesagt, in den letzten vier Jahren. Das haben Sie eben gesagt, Herr Rehberg.)

Dann korrigiere ich mich. Seit anderthalb Jahren und in den nächsten zweieinhalb Jahren. Dann korrigiere ich mich.

(Siegfried Friese, SPD: Und um wie viel ist der Preis gestiegen seit 1990? – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Aber die Preise sind schon gestiegen, obwohl... – Zurufe von einzelnen Abgeordneten der PDS)

Herr Friese, es gibt eine alte Forderung – auch bei Ihnen –, eine Angleichung der Mineralölsteuer im europäischen Rahmen. Und weisen Sie mal nach, dass im letzten Jahrzehnt die unionsgeführte Bundesregierung nicht in diesem Rahmen geblieben ist, währenddessen Sie heute an der Spitze in Europa liegen! Das ist die Realität!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und was Sie nicht tun, im Kontext zu Ihrer rot-grünen Steuerreform, ist, diejenigen echt zu entlasten, die Sie belasten. Noch mal: Sozialhilfeempfänger und Rentner belasten Sie nur, Sie entlasten sie nicht.

(Harry Glawe, CDU: Die Bauern und Landwirte...)

Sagen Sie mir die Stelle, wo die Rentner entlastet werden! Und obendrein kappen Sie noch die Renten entsprechend der Inflationsrate.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Nee, nee, noch nicht mal entsprechend der Inflationsrate, nur die Hälfte.)

Und da nennen Sie sich Sozialdemokratische Partei Deutschlands! Sie sollten erst mal wirklich dafür sorgen, dass gerade die Rentner in den neuen Bundesländern die Rentenangleichung so bekommen, wie sie auch mal vereinbart worden ist, und nicht Herr Riester nach Kassenlage mit dem Rotstift bei den Renten durch die Gegend zieht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Herr Borchert, Sie sind ja wieder hier,

(Zuruf von Siegfried Friese, SPD – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wir sind doch hier nicht auf einem Politfrühschoppen. – Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

Sie haben vor zwei Monaten den Kopf geschüttelt, als ich Ihnen dargelegt habe, dass Unternehmen gerade in den neuen Bundesländern

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Mein Gott!)

Gewinne brauchen,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Mein Rehberg!)

die auch ausgeschüttet werden können. Das heißt, dass in Unternehmen Kapital reinkommt. Was brauchen heute junge Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern?

(Rudolf Borchert, SPD: Eigenkapital.)

Sie brauchen Eigenkapital. Und wenn sie es selber nicht haben, dann müssen sie es von außen reinkriegen. Wenn dieses Kapitel, das von außen reinkommen soll, mit dem Spitzensteuersatz belegt wird, dann wird es doch nicht reinkommen. Das ist doch völliger Unfug! Glauben Sie doch nicht, dass nur dadurch, dass Sie Gewinne, die im Unternehmen bleiben, niedriger besteuern,

(Rudolf Borchert, SPD: Ja.)

dass sie dann auch reinvestieren!

(Rudolf Borchert, SPD: Ja.)

Das ist doch völlig daneben.

(Rudolf Borchert, SPD: Nein.)

Das heißt, Sie haben damals den Kopf geschüttelt, so wird es nicht kommen. Sie benachteiligen mit dieser Steuerreform von Rot-Grün

(Rudolf Borchert, SPD: Nein. Nein.)

gerade die jungen Personengesellschaften in Mecklenburg-Vorpommern.

(Siegfried Friese, SPD: Das ist falsch und das wissen Sie.)

Das ist und das wird Realität sein. Das ist die Realität, Herr Borchert.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Herr Dankert, was richtig ist und was nicht richtig ist, das haben wir in den letzten Monaten auch nach Ihren Reden zum 630-DM-Gesetz gesehen und zum Thema Scheinselbständigkeit.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das kann man wohl sagen.)

Was Sie hier für eine Politik gemacht haben, was Sie auch und Frau Keler zum 630-DM-Gesetz erzählt haben – und Sie haben eben genickt, dass 630 DM brutto gerade mal 300 DM netto werden. Natürlich, das haben Sie noch negiert vor Monaten.

(Reinhard Dankert, SPD: Ach!)

Das ist doch die Realität! Warum führen Sie denn solche Gesetze ein, mit denen Sie gerade sozial schwache Schichten belasten?

(Unruhe bei Ministerin Sigrid Keler)

Herr Dankert, ich kann Ihnen nur eins sagen: Die Quittung für die Politik, die Sie machen, haben Sie im Herbst letzten Jahres drastisch und dramatisch erhalten und bei uns am 13. Juni 1999.

Lassen Sie mich eins zum Schluss sagen, Frau Keler: Die Neiddebatte wird Ihnen nicht weiterhelfen, denn wenn Sie nach Ihren Plänen die Spitzenverdiener postulieren bei 98.000 DM – also Entschuldigung, das ist doch die neue Mitte, die Sie so hofieren. Die Spitzenverdiener, das rechnen Sie doch mal auf ein Monatsbrutto um, die fangen doch nicht bei 98.000 DM an. Das ist doch völlig daneben.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist wohl wahr.)

Deswegen, denke ich, sollten Sie wirklich sehr, sehr gut überlegen, wie Sie die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat vertreten. Und das kann nicht nur sein, ja und amen zur rot-grünen Steuerreform zu sagen, wo ich wirklich die Meinung haben muss, dass Herr Schröder mit seiner Zigarre sich als Genosse der Bosse nun wirklich hinstellt. Wenn ich sehe, was bei den Veräußerungen der Beteiligungen bei Banken und Versicherungen wirklich ablaufen soll, dann habe ich eher für Frau Simonis Verständnis, die sagt, das kann so nicht sein, auf der einen Seite den Mittelstand voll belasten und auf der anderen Seite die Großindustrie, das Großkapital ausnehmen. Das kann doch nicht Ziel von sozialdemokratischer Politik sein. Bei den Grünen habe ich noch teilweise Verständnis, wenn ich deren Wählerpotential gerade in den Vororten von Großstädten im Rhein-Main-Gebiet sehe, dafür habe ich ja noch ein Stück weit Verständnis.

Und deswegen: Warum wollen Sie unseren Antrag eigentlich ablehnen? Warum wollen Sie ihn ablehnen,

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Weil nichts drinsteht.)

wenn wir fordern, wir wollen eine Steuerreform haben?

Also wissen Sie, bei dem, was Frau Gramkow hier vorgetragen hat – und sie hat ja gerade eine Amerikareise hinter sich –, hätte ich nun wirklich erwartet, dass sie die positiven Erfahrungen, die gerade dieses Land hat, denn die haben eine Vollbeschäftigung, mit hineinnimmt. Wir müssen nicht alles übernehmen, was Amerika sagt, aber...

(Siegfried Friese, SPD: Hören Sie auf mit Amerika! Da haben Sie ganz schlechte Karten, wenn Sie das als Beispiel hinstellen.)

Wissen Sie, Herr Friese, im Gegensatz zu Ihnen sehe ich das differenziert. Ich sage Ihnen aber nur eins: Das Positive sollten wir übernehmen – die Unternehmenskultur, die Risikobereitschaft, aber auch das eine oder andere, denke ich, wie man Leute dazu bringt, Arbeit anzunehmen, oder dass man ein Lohnabstandsgebot hat, das es auch möglich macht, gerade im Dienstleistungssektor Arbeit anzunehmen. Ich rede nicht von Lohndumping in Mecklenburg-Vorpommern mit 11 DM oder 12 DM Brutto. Das ist nicht mein Thema.