Protokoll der Sitzung vom 16.03.2000

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Heidemarie Beyer, SPD)

Herr Rißmann, dass Sie uns nicht unterstützen können, das überrascht mich ja nun nicht. Ich will Ihnen nur noch einige Aspekte sagen, die uns bewogen haben, diesen Antrag hier vorzutragen.

1. Es gibt nach unserem Erkenntnisstand 18 Einrichtungen, die derzeitig von der LVA keine Zulassung haben. Die übliche Praxis ist, wenn man in den anderen Bundesländern vorstellig wird bei anderen LVAen oder BVAen, dass immer gefragt wird: Wie sieht es denn eigentlich aus, haben sie eine Zulassung in ihrem eigenen Land, da, wo sie ihren Standort haben? Und dann stehen die meisten Geschäftsführer, die sozusagen auch andere Länder für den Standort MecklenburgVorpommern interessieren und die Belegungszahlen für Mecklenburg-Vorpommern akquirieren wollen, ein bisschen dumm da. Dass Sie das nicht unterstützen können, das verstehe ich jetzt, weil Sie sich mit dem Thema nicht befasst haben, Herr Rißmann.

2. Aus unserer Sicht ist auch Folgendes ein wichtiger Aspekt: Es geht um Arbeit für Frauen. In Reha-Einrichtungen sind von den 4.000 Arbeitsplätzen weit über 80 Prozent Frauenarbeitsplätze. Davon sind etwa 3.600 im mittleren medizinischen Bereich angesiedelt. Wenn das es nicht wert ist, darüber zu reden, dann weiß ich nicht, dann können Sie den Antrag ruhig ablehnen.

3. Es gibt noch einen dritten Aspekt, den will ich hier zumindest gesagt haben. Wir haben eine Reha-Landschaft, die eigentlich eine sehr hohe Qualität darstellt, da es sich um sehr viel Neubauten handelt, wo auch die Konzepte anerkannterweise in fast allen Reha-Einrichtungen unstrittig sind. Deswegen geht es darum, auf der einen Seite Qualitätssicherung zu betreiben, auf der anderen Seite aber auch das, was wir machen können – und Frau Bunge ist ja auf dem richtigen Wege in dieser Richtung – zu unterstützen. Dass Sie als SPD das nicht verstehen, verstehe ich nun persönlich überhaupt nicht.

4. Der letzte Aspekt, den ich hier noch nennen möchte, ist die Tatsache, dass viele Reha-Einrichtungen zur Zeit Vereinbarungen mit Banken haben, die zwei Dinge beinhalten: zum einen, dass zur Zeit Zinszahlungen eingestellt sind, und zum anderen auch Tilgungen sozusagen storniert sind.

(Angelika Gramkow, PDS: Ausgesetzt.)

Sie haben etwa noch ein Jahr Zeit, um die Probleme mit den Belegungszahlen zu regeln, und dann stehen andere Dinge an – Insolvenz oder Konkurs. Ich wollte es Ihnen nur gesagt haben, nicht dass Sie nach einem Jahr sagen, das haben Sie alles nicht gewusst.

Meine Damen und Herren! Es geht um den Standort Mecklenburg-Vorpommern in der Reha-Landschaft, es geht aber auch darum, den Standort weiter im Gesundheitsbereich auszubauen. Und deswegen hätte ich eigentlich gehofft, dass Sie sich aufraffen könnten, diesen Antrag zu unterstützen, zumal ich den Eindruck hatte, dass die Sozialministerin zumindest in die richtige Richtung denkt,

(Angelika Gramkow, PDS: Er geht rechtlich nicht. Das hat die Ministerin gesagt.)

auch wenn Sie mit der Gesetzgebung Seehofers 1996 Ihre Probleme haben. Das kann ich verstehen, ich hatte sie damals ebenfalls, aber immerhin, ich will Sie auffordern, unseren Antrag einfach zu unterstützen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Glawe.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Glawe, als Sie das erste Mal hier vor das Mikrofon getreten sind, hatten Sie gesagt, Sie freuen sich auf die Diskussion. Die Freude ist ganz meinerseits, denn ich sehe mich bei diesem Antrag doch schon motiviert, Ihnen politisch die Leviten lesen zu wollen.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Heinz Müller, SPD: Na denn man tau!)

Nachdem die CDU-Fraktion während der 35. Landtagssitzung ihren Antrag zur Belegung der Rehabilitationskliniken in unserem Land zurückgezogen hat, liegt heute ein neuer Antrag mit derselben Zielrichtung vor. Dieser Antrag ist zwar ausgewogener formuliert, jedoch in der Sache wiederum fachlich unkorrekt.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Insofern ist unsere grundsätzliche Meinung zum Antrag keine andere als zum vorhergehenden. Wir sind, das möchte ich ausdrücklich betonen, ganz bestimmt einig darin, dass die Auslastung von Rehabilitationskliniken gesundheitspolitisch wünschenswert und auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht wertvoll ist. Davon aber einmal abgesehen, ist es fachlich nicht richtig, die Anwendung der Rechtsgrundlage zur Rehabilitation im Bereich der Krankenhausversicherung, wie das das SGB V, insbesondere dessen Paragraph 111, darstellt, auf das SGB VI mit seinen Regelungen zum Bereich der Rentenversicherung der Paragraphen 9 bis 32 zu übertragen. In der Rehabilitation gibt es rechtlich keine Zertifizierungswirkung – Herr Dr. Rißmann hat das bereits gesagt – wie im Bereich der

Krankenhäuser, wo die Grundlagenverträge zwischen den Vertragspartnern, also Kassen und Krankenhäusern, entsprechende Folgen für die Vertragspartner haben. Im Klartext heißt das: Wenn eine vertragliche Absichtserklärung zwischen der LVA Mecklenburg-Vorpommern und der Klinik Waren mit deren besonderen Kompetenz in der Rehabilitation von beispielsweise Erkrankungen der Lunge abgeschlossen wird, so hat diese keine Bindewirkung für die Landesversicherungsanstalten anderer Länder.

(Harry Glawe, CDU: Das habe ich so nicht behauptet.)

Die Frage, die sich für die PDS-Fraktion stellt...

Das haben Sie sicherlich nicht so behauptet, aber ich möchte das noch mal in Erinnerung rufen. Die ordnungspolitische Sache ist doch eine sehr entscheidende. Und Frau Ministerin Bunge hat darauf hingewiesen, dass ordnungspolitisch der Rahmen gesetzt ist, und darüber hinaus – und ich finde es wichtig und das muss noch mal gewürdigt werden – leistet sie das, was sie leisten kann. Das hätten Sie auch anerkennen sollen, denke ich.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS: Das hat er doch gemacht. Das hat er gelobt. – Harry Glawe, CDU: Das habe ich doch. Haben Sie nicht zugehört oder wo waren Sie da? – Wolfgang Riemann, CDU: Das hat er doch gemacht.)

Sie drehen sich immer weg, wenn ich rede, das finde ich unhöflich, also spreche ich weiter.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Die Frage, die sich die PDS-Fraktion stellt, haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, vergessen, und zwar wie das System der Träger der Rehabilitation gegliedert ist. Haben Sie vergessen, auf welcher rechtlichen Grundlage die LVA mit den Rehabilitationskliniken zusammenarbeitet? Haben Sie vergessen, nach welchen Kriterien eine derartige Kooperation erfolgt? Jede LVA ist frei in der Wahl der mit ihr kooperierenden Rehabilitationskliniken.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das wissen wir doch alles.)

Es gibt auch rein rechtlich keine Möglichkeit, dass wir eine Bindung zum Beispiel der LVA Hessen zu Rehabilitationseinrichtungen unseres Landes beschließen.

(Harry Glawe, CDU: Ach, was soll denn das, Herr Koplin? Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

Die vertraglichen Bindungen werden vor allem entsprechend der medizinischen Indikation getroffen.

(Harry Glawe, CDU: Wer hat Ihnen denn diese Rede geschrieben? Das waren Sie doch nicht selbst.)

Für die LVA unseres Landes sind vor allem Rehabilitationen im orthopädischen Bereich und auf dem Gebiet des Suchtverhaltens notwendig. Andere LVAen müssen hier ganz andere Prioritäten setzen.

Aber was für uns das Entscheidende ist, meine Damen und Herren von der CDU: Haben Sie bereits vergessen, wer den Zustand, den Sie jetzt beklagen, eigentlich verursacht hat? Sie wollen heute den Eindruck erwecken,

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: 16 Jahre Helmut Kohl. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

die LVA – darüber spreche ich lieber nicht – handele in Fragen der Rehabilitation willkürlich und erzeuge bewusst unter den Kliniken Wettbewerbsverzerrungen. Auch das ist sachlich falsch und in dieser Art der Darstellung irreführend.

Das Sozialgesetzbuch bestimmt, dass jeder Sozialversicherte das Recht auf die notwendigen Leistungen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit hat. Demzufolge kommen Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung, also auch der LVA, in Betracht, wenn damit die Auswirkung einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbstätigkeit maßgeblich verringert oder behoben werden kann. Ausgehend von dieser Handlungsgrundlage arbeitet die LVA.

Ihr Pressesprecher Herr Bodin schreibt in einer Erklärung, die meines Wissens nach in Reaktion auf den ersten CDU-Antrag herausgegeben wurde: „Als Leistungserbringer gegenüber unseren Versicherungen und als Kostenträger achtet die Landesversicherungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern darauf, dass ihre Rehabilitanten eine wirksame medizinische Heilbehandlung in dafür geeigneten Rehabilitationskliniken gewährt wird.“ Allein diese kurze Passage weist auf zwei Dinge hin, die die CDU bereits absichtlich vergessen will.

Es gibt ein ganzes System von Trägern von Rehabilitationen. Dieses ist nach Aufgaben strukturiert. Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, also die Krankenkassen, sind vordergründig zuständig für Akuterkrankungen. Die Rehabilitation nach Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und bei Berufskrankheiten fällt in die Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Bundesanstalt für Arbeit wiederum ist zuständig für einen Großteil an Arbeits- und Berufsförderung Behinderter. Die Rehabilitation von Gesundheitsschädigungen infolge oder im Zusammenhang mit dem Wehr- oder Zivildienst fällt in die Zuständigkeit der Träger der Kriegsopferversorgung. Die LVA wiederum ist Teil der Trägergruppe der Rentenversicherung, zu der die BfA, die Bahnversicherungsanstalten und andere mehr gehören. Insofern ist die LVA nur ein anteilmäßig kleiner Faktor in der Frage der Zuweisung in Rehabilitationskliniken.

Ich habe mich über die Dimension des Anteils der LVA kundig gemacht. Demnach ist die LVA in der Lage, 300 Reha-Klinikbetten im Jahr auszulasten. Bei einer Klinikgröße von etwa 200 Betten durchschnittlich wäre die LVA in der Lage 1,5 Kliniken im Jahr voll auszulasten. Wir haben aber 63, wie bemerkt wurde. Bevor Sie Ihren Antrag, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, formuliert haben, hätten Sie sich diese Relation vor Augen halten sollen, nein, müssen.

(Harry Glawe, CDU: Sehen Sie jetzt rot, oder was?!)

Ein Vertragsabschluss ist abhängig vom Ziel der jeweiligen Rehabilitation aufgrund medizinischer Indikationen, vom vorhandenen Standard und von strukturellen Erwägungen. Es handelt sich um privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Träger und Klinik, in die Sie von der CDU auffordern einzudringen. Im Übrigen fordern Sie indirekt zu unsolidarischem Verhalten auf, denn wenn die LVA ihre

Rehabilitanten – auch das hat Herr Dr. Rißmann bereits gesagt – lediglich in Kliniken unseres Landes einweisen würde, dann hätten andere Träger ein Motiv, wiederum ihre Patienten in ihren Ländern zu belassen. Das wäre unsolidarisch, medizinisch gewiss kontraproduktiv und erinnert sehr unangenehm an konservative Attacken gegen den Länderfinanzausgleich.

(Harry Glawe, CDU: Rede ich hier gegen eine Wand oder was?! Das ist doch völlig ideologisch verblendet.)

Das Erfordernis eines Vertrages der LVA mit der Behandlungsstätte ermöglicht ihr, auf die Qualität der Behandlung Einfluss zu nehmen.

(Harry Glawe, CDU: So schwach habe ich Sie noch gar nicht erlebt.)

Um die Leistungsfähigkeit der medizinischen Rehabilitationseinrichtungen weiter zu verbessern, hat die Rentenversicherung ein Qualitätssicherungsprogramm eingeführt.

(Zuruf von Jürgen Seidel, CDU)

Bei dieser Gelegenheit stellt sich auch gleich die Frage, wie in dieser Hinsicht die Krankenkassen verfahren. Unserer Erkenntnis nach wird bei diesen Trägern nicht nach Qualitätssicherungsprogrammen gearbeitet. Ich möchte Sie, sehr geehrte Frau Sozialministerin, namens meiner Fraktion bitten, diesbezüglich mit den Krankenkassen das Gespräch zu suchen und dort ebenfalls Qualitätssicherheitsprogramme anzuregen.