Protokoll der Sitzung vom 19.10.2000

Und lassen Sie mich hier eine dritte Vorbemerkung machen: Herr Minister Eggert, was wir eigentlich ganz besonders beklagen, das ist einfach die Umgangsweise – das ist aber auch sehr höflich jetzt ausgedrückt – der Deutschen Bahn mit diesem Land Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Erhard Bräunig, SPD: Das ist richtig. – Minister Dr. Rolf Eggert: So gehen die mit allen um.)

Und wissen Sie, ich will ja gar nicht darauf rumreiten, dass wir, Herr Bräunig, im Wirtschaftsausschuss auf den Proppen gesetzt wurden, dass man bei einem Unternehmen mit 500.000 Mitarbeitern keinen findet, der uns Auskunft geben kann.

(Erhard Bräunig, SPD: Richtig.)

Darauf will ich gar nicht rumreiten. Das kann ich auch noch wegstecken. Aber sehen Sie mal, wenn Sie selbst sagen, dass man Sie vorgestern – jetzt denken Sie mal alle bitte zurück – informiert hat über die Schließung des Bahnbetriebswerkes in Neustrelitz gleichzeitig mit der Information an die Presse, dann empfinde ich so etwas einem Land gegenüber als einen Skandal.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig.)

Und jetzt lassen Sie uns doch mal über die Dinge im Einzelnen reden. Ich will nur versuchen darzustellen, wie sich das jetzt entwickelt hat. Und da gibt es noch ganz andere Merkwürdigkeiten.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber, Herr Seidel, da sind wir uns doch ganz einig darüber.)

Das ist doch schön.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Deshalb doch unser Antrag, deshalb doch unser Antrag, den Sie heute früh niedergestimmt haben.)

Dann lassen Sie uns doch mal feststellen, das ist doch gar nicht so schlimm, wenn wir mal sagen, dass wir uns da einig sind.

Ich will die Dinge noch einmal etwas Revue passieren lassen, also einmal die Fakten: Im Juli 2000, glaube ich, war es, da kamen die ersten Nachrichten, dass die Deutsche Bahn AG Reduzierungen plant bei den InterregioStrecken. Es gingen dann die ersten Aktionen auch gleich los. Es ist ja klar, dass viele Menschen sich da eingeschaltet haben. Ich sage nur, ich habe viele Briefe bekommen von Studenten zum Beispiel aus Greifswald. Es sind

Unterschriftensammlungen gemacht worden in Rostock, in Ostvorpommern, bei mir in Waren. Ich habe selbst 2.000 Unterschriften gesammelt. Der Wirtschaftsminister hat dann eine Sonderverkehrsministerkonferenz angekündigt. Das war unmittelbar danach. Gut, zur Sonderverkehrsministerkonferenz ist es dann nicht gekommen.

(Vizepräsidentin Kerstin Kassner übernimmt den Vorsitz.)

Es hat die planmäßige Verkehrsministerkonferenz stattgefunden Ende September. Das Resultat war allerdings – so habe ich es gehört, es kann ja noch mal korrigiert werden, wenn es denn falsch ist –, dass sich da zwar alle beschwert haben über das Problem, aber es gab zumindest zu dem Zeitpunkt keine konkreten Ergebnisse aus dieser Konferenz.

Wir haben im August erlebt, das wurde schon erwähnt, dass der Minister Holter mit der frohen Botschaft zurückkam, wir kriegen 400 Millionen DM zum Ausbau der Strecke Rostock–Berlin. Das war im August, meine Damen und Herren. Am 20.09. in der OZ wird der Konzernbeauftragte der Deutschen Bahn befragt. Wann es denn nun losgeht, war die Frage des Journalisten, mit der Bahnstrecke Berlin–Rostock. Jetzt zitiere ich die Antwort der Deutschen Bahn AG: „In unserem Investitionsplan bis 2002 ist die Strecke nicht enthalten. Uns freut die Zusage des Bundeskanzlers, die er Herrn Holter gegeben haben soll, wir kennen sie aber auch nur aus der Zeitung. Die Verhandlungen zwischen Bund und Bahn über die Investitionen ab 2003 laufen noch.“ Ich gebe das nur Ihrer Bewertung anheim, wie hier gearbeitet wird.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Denn bei der Bahn geht es nicht so schnell. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Im Wirtschaftsausschuss am 06.09. – da waren ja einige mit dabei – haben wir uns mit dem Thema befasst. Dort wurde vom Wirtschaftsministerium berichtet – auch das macht mich natürlich besonders stutzig, Herr Bräunig, Sie werden sich erinnern –, dass zunächst einmal die Aussage der Deutschen Bahn war, Berlin–Rostock und Stralsund–Berlin auf Null zu setzen, also nichts davon zu hören, noch irgendwelche Zugpaare fahren zu lassen, sondern davon, sie auf Null zu setzen. Stellen Sie sich das mal vor – Rostock baut einen schönen Bahnhof, Güstrow hat schon einen –, die Interregio-Strecken auf Null zu setzen!

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, ja, die Privaten sind ganz schön böse.)

Dann hat es den Widerstand gegeben, auch vom Ministerium, das ist richtig. Dann wurde reagiert. Dann hat man sich zunächst einmal herabgelassen zu sagen, wir machen für Berlin–Rostock drei Zugpaare.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: So ist es mit den Profitinteressen.)

Ich will noch mal sagen, was das eigentliche Ziel war. Die Frage ist ja, ob dieses Ziel aus den Augen verloren worden ist, ob es aufgegeben wurde oder ob man sich dort nur taktisch irgendwie anders verhält. Das muss man ja noch mal prüfen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Also das wird nicht so, wie das die Bahn will.)

Jetzt noch eine andere Geschichte, die mich auch sehr stutzig gemacht hat. Am 29.08. erlebten wir den Besuch

des Bundeskanzlers. Da freut sich natürlich jede Stadt, das ist doch ganz klar, ein großer Menschenauflauf.

(Torsten Koplin, PDS: Das stimmt.)

Ich habe mir bei diesem Besuch erlaubt, dem Bundeskanzler ein paar Unterschriften mit zu übergeben, und habe vorsorglich, weil man schon weiß, wie so was geht – dafür habe ich auch Verständnis, das ist keine Frage, dass man da nicht zu einem Gespräch kommt, leuchtet mir ein –,

(Torsten Koplin, PDS: Hätte ja sein können.)

ein Schreiben beigelegt. Ich muss auch gestehen, nach vierzehn Tagen war prompt eine Antwort da.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na! – Torsten Koplin, PDS: Ja, das ist die neue Qualität.)

Nein, das ist vielleicht gar keine neue Qualität, sondern das ist eigentlich nur anständig.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, ja, wir erreichen die Geschwindigkeit nicht immer. – Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS)

Ich will Ihnen, meine Damen und Herren, diese Antwort auch gar nicht vorenthalten. Dort hat der Ministerialdirektor Heinrich Thiemann aus dem Bundeskanzleramt geschrieben, also nicht der Bundeskanzler persönlich, aber einer seiner Mitarbeiter. Er schrieb mir am 19.09.2000: „Meine Rückfrage im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen hat ergeben, dass die Pläne der Deutschen Bahn AG im Einzelnen bislang dort nicht bekannt sind.“ Auch da bitte ich, überlegen Sie mal, was hier eigentlich los ist im Staate Dänemark? – Ich will es mal so formulieren. – Was ist hier eigentlich los?

(Lutz Brauer, CDU: Das ist die neue Qualität.)

Der Eigentümer schreibt mir, die Pläne der Deutschen Bahn AG sind in Bezug auf diese Interregio-Problematik nicht bekannt.

Jetzt, meine Damen und Herren, eine weitere Merkwürdigkeit: Wo bleibt denn hier eigentlich die Stimme unseres berühmten Ostbeauftragten? Das ist doch wohl ein Problem, was die neuen Länder wirklich beschäftigt.

(Reinhardt Thomas, CDU: Das hat Herr Dr. Ringstorff mit übernommen.)

Hat er sich irgendwo mal sehen lassen? Hat er irgendwo mal eine Haltung dazu deutlich werden lassen? Ich habe nichts gehört, Sie können mir gerne auf die Sprünge helfen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, wir sind auch nicht so ganz zufrieden.)

Herr Schoenenburg, das sind ja eine ganze Menge Fakten. Die können Sie nicht einfach wegdiskutieren, die machen mich schon ein bisschen unruhig, weil das eine Frage des Umgangs ist mit diesem Lande.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig.)

Insofern werden Sie auch gestatten müssen, dass wir natürlich hier gerade in einem solchen Punkt auch ganz deutlich den Finger – wie man so schön sagt – auf die Wunde legen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist ja auch die Aufgabe der Opposition.)

Meine Damen und Herren! Ich will nur der Vollständigkeit halber erwähnen,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Was soll’s!)

wir haben damals nach der Wirtschaftsausschusssitzung am 06.09. natürlich vereinbart, dass ich Schreiben an den Bundesverkehrsminister und an die Deutsche Bahn AG absende. Das ist auch alles gleich am nächsten Tage geschehen. Eine Antwort – 06.09. bis heute – habe ich natürlich nicht bekommen. Also in dem Fall, müssen wir sagen, ist das vielleicht nicht so anständig.

(Torsten Koplin, PDS: Aber auch nicht unanständig.)

Ich sagen Ihnen, ich werde mehr und mehr unruhig,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herrn Seidel könnte ich mir ganz gut als Oppositionsführer vorstellen.)

was den Umgang – ich betone das noch mal –

(Torsten Koplin, PDS: Anständig.)