Meine Fraktion vertritt auch hier die Ansicht, dass, wenn uns schon ein Gesetzentwurf vorliegt, wir als Oppositionsfraktion auch zwingend mitarbeiten müssen, da nicht zu erwarten ist, dass die Mehrheitsfraktionen – und hier schließe ich mal ausnahmsweise Herrn Schoenenburg aus – die Minderheitenrechte in ausreichendem Maße schützen würden.
(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Die Fraktion Schoenenburg, oder was?! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)
Ich weiß, dass er in dem Fall immer ein eifriger Verfechter für die Festschreibung von Minderheitenrechten ist.
Ich will nicht auf alle Einzelheiten des Gesetzentwurfes eingehen, sondern nur auf einige Besonderheiten hinweisen, über die wir meines Erachtens in den Ausschusssitzungen diskutieren und reden sollen.
Erstens. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses soll nach Paragraph 1 Absatz 2 des Gesetzentwurfes zulässig sein, wenn unter anderem „die Aufklärung des Sachverhaltes im öffentlichen Interesse liegt“. Diese gesetzliche Regelung widerspricht eindeutig der Begründung des Gesetzentwurfes zu Paragraph 1. Dort wird ausgeführt: „Nach der Konstruktion der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern …, wonach ein Viertel der Abgeordneten die Einsetzung des Untersuchungsausschusses erzwingen kann, ist davon auszugehen, dass ein ,öffentliches Interesse’ auf jeden Fall zu vermuten ist, wenn das Einsetzungsquorum erreicht wurde. Anderenfalls würde das Minderheitsrecht mit der Formel ,öffentliches Interesse’ ausgehebelt.“
Dann frage ich mich natürlich, ob Sie hier absichtlich die Minderheitenrechte aushebeln wollten, indem Sie das öffentliche Interesse als Zulässigkeitsvoraussetzung normieren. Denn aufgrund der gegenwärtigen Gesetzesformulierung kann der für die Prüfung der Zulässigkeit zuständige Rechtsausschuss mit der Formel „(kein) öffentliches Interesse“ jederzeit die Minderheitenrechte aushebeln.
Zweitens. Der Gesetzentwurf sieht in Paragraph 6 Absatz 1 vor, dass „bei der Einsetzung jedes neuen Untersuchungsausschusses der Vorsitz unter den Fraktionen in der Reihenfolge ihrer Stärke (wechselt).“ Gemeint ist nach der Begründung, dass der Vorsitzende im Wege des Zugriffverfahrens von der jeweiligen Fraktion bestimmt werden soll. Dies ist wegen der gesetzlichen Regelung in Paragraph 6 Absatz 2, in der die Möglichkeiten einer Abwahl des Vorsitzenden geregelt werden, aber nicht eindeutig. Aufgrund des systematischen Zusammenhanges der Absätze könnte man hier auch zu der Auffassung gelangen, dass der Vorsitzende zu wählen ist, denn nur dann macht die Möglichkeit einer Abwahl einen Sinn.
Meine Damen und Herren! Bereits anhand dieser wenigen Ausführungen wird deutlich, dass der Gesetzeswortlaut des Entwurfs teilweise in diametralem Gegensatz zu den aus der Begründung ersichtlichen Absichten der Entwurfverfassers steht. Da jedoch letztlich der Gesetzeswortlaut entscheidend ist, bedarf der Gesetzentwurf dringend der Überarbeitung und Anpassung in den Ausschüssen. Unsere Aufgabe in den Ausschussberatungen wird es sein, die Einhaltung folgender Eckpunkte einzufordern:
Erstens. Es muss sehr genau abgewogen werden, welche Befugnisse man einem Untersuchungsausschuss im Hinblick auf seine Beweiserhebungen einräumen will. Hier wird die Frage zu prüfen sein, welche Vorschriften der Strafprozessordnung mit der Arbeit eines letztlich doch politisch agierenden Gremiums vereinbar sind und übernommen werden sollten. Eine unkritische Übernahme einzelner Bestimmungen der Strafprozessordnung bei Weglassen anderer Bestimmungen birgt letztlich die Gefahr einer Unausgewogenheit der Verfahrensregeln.
Zweitens. Gerade weil der Gesetzentwurf den Anspruch erhebt, die sich aus einer entsprechenden Anwendung der Strafprozessordnung ergebenden Unsicherheiten klarstellen zu wollen, sind an seine Genauigkeit in Bezug auf einzelne Regelungen sicherlich erhöhte Anforderungen zu stellen. Diesen Anforderungen wird meiner Ansicht nach der Entwurf jedoch nicht immer gerecht. Auch dies sollte und müsste Gegenstand der Ausschussberatungen sein.
Drittens. Es wird zu prüfen sein, ob der Minderheitenschutz angemessen beachtet worden ist. Hier reichen zum Beispiel Regelungen, die einer Minderheit einen Widerspruch einräumen, nicht aus, wenn durch diesen Widerspruch eine Mehrheitsentscheidung nicht verhindert werden kann, wie dies zum Beispiel bei dem Ausschluss von Ausschussmitgliedern nach der Zeugenvernehmung der Fall ist.
Viertens. Es wird zu prüfen sein, ob der Gesetzentwurf unangemessene Eingriffe in die Rechte der Abgeordneten und Fraktionen beinhaltet. Hier denke ich zum Beispiel an die Regelung, dass für ein ausgeschiedenes Mitglied des Untersuchungsausschusses nur dessen Stellvertreter als ordentliches Mitglied des Ausschusses nachrücken darf. Eine derartige Regelung würde ohne erkennbaren Grund das Benennungsrecht der Fraktion aus Paragraph 8 Absatz 5 der Geschäftsordnung des Landtages wiederum einschränken.
und dann ist mit den trockenen Ausführungen, glaube ich, hinreichend darauf hingewiesen, dass es für uns viel zu tun gibt – wird zu überprüfen sein, ob bestimmte Regelungen praktikabel sind, um die Arbeit der Untersuchungsausschüsse zu erleichtern und zu einer zügigen Erledigung ihres Auftrages beizutragen.
Aus diesen wichtigen Hinweisen, die ich sicherlich hier und da noch ergänzen könnte, wird deutlich, dass durchaus ein Überarbeitungsbedarf besteht. Wir werden uns konstruktiv an den Beratungen beteiligen und stimmen daher einer Überweisung in die Ausschüsse zu. Ich denke, dass wir in den Ausschussberatungen die hier angesprochenen Regelungen einvernehmlich werden lösen können, um dann auf der Grundlage eines solchen Gesetzes bestimmte Diskussionen, die es bei Einsetzung dieser Ausschüsse immer wieder gegeben hat, dann vielleicht nicht mehr zu haben. Nichtsdestotrotz bedauere ich das ein wenig, wie ich eingangs sagte, denn wir hätten durchaus darüber reden können, ob wir, da die Geschäftsführer bei diesem Tagesordnungspunkt ja sowieso sehr intensiv miteinander arbeiten, über gemeinsame Regelungen schon im Vorfeld hätten sprechen sollen.
Ich wünsche den Ausschussberatungen einen guten Verlauf und einen möglichst schnellen Erfolg. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Engländer haben ein Sprichwort: „Nichts ist dauerhafter als ein Provisorium.“
Natürlich haben die Engländer damit nicht unser demokratisches Musterländle Mecklenburg-Vorpommern im Auge gehabt. Diese fortschrittskeptische Auffassung hat sich – so scheint es jedenfalls – bisher auch bei uns durchaus bestätigt, sieht man auf unsere parlamentarischen Beschlussfassungen zu Untersuchungsausschüssen und Enqueten. Es ist somit aus unserer Sicht an der Zeit, Herr Caffier, den unhaltbaren Zustand eines schwammigen und formlosen Rechtsraumes, der durch das Fehlen eines soliden Untersuchungsausschuss- und Enquete-Kommissions-Gesetzes entstanden ist, zu beenden.
Im Land – und da befinde ich mich im Dissens mit Ihrer Aussage – haben wir inzwischen fünf Untersuchungsausschüsse und zwei Enquetekommissionen erlebt beziehungsweise erleben sie noch. Wir liegen damit nicht an der Spitze, sondern im Durchschnitt aller deutschen Parlamente,
Ich wollte Ihnen ja nur noch einmal deutlich machen, dass wir Verhältniszahlen dann vielleicht auch mal gesamt nehmen.
(Lorenz Caffier, CDU: Gut. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wir sind doch jetzt ein Land, Herr Caffier. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
Wir sind nicht das einzige Bundesland ohne ein ordentliches Untersuchungsausschuss-Gesetz und auch der Bund ist bekanntlich seit über 50 Jahren nicht zu einem solchen Gesetz gekommen, obwohl es genügend Gesetzentwürfe gegeben hat. Es scheint nunmehr auch im Berliner Reichstag dafür rot-grünes Licht zu geben. Ein Erfolg versprechender Gesetzentwurf ist veröffentlicht. Und ich verrate auch kein Geheimnis, Herr Caffier, wenn ich sage, dass er in unserem Gesetzesvorschlag berücksichtigt worden ist. Und warum, so frage ich, sollten wir uns an den schlechten Beispielen jener Länder und des Bundes messen, die bisher kein Gesetz zustande gebracht haben? Einige werden vielleicht bei uns auf das vorhandene – Sie haben es ja auch getan – Vorläufige Untersuchungsausschussgesetz verweisen. Bitte schön, wir haben doch ein Gesetz und wir haben dazu noch die Verfassungsregelung und die Geschäftsordnung. Gewiss haben wir mit der Verfassung, meine Damen und Herren, einen guten, brauchbaren Rahmen, aber mehr auch nicht. Und da befinde ich mich eben im Dissens zu Ihren Aussagen in der Vorrede.
Die Geschäftsordnungen, die für die jeweiligen Ausschüsse beschlossen wurden, mag man beurteilen, wie man will. Sie haben zwei gravierende Mängel: Sie sind weitgehend binnengerichtet, das heißt, sie sind bindendes Recht für die Ausschussmitglieder und den inneren Verfahrensgang. Das zum einen. Und da sie zweitens von Fall zu Fall beschlossen werden, sind sie mehrheitsabhängig und werden von der Mehrheit nach Opportunitätsgründen als Satzungsrecht zurechtgeschneidert. Dabei kommen häufig schon zu Beginn die Minderheitenrechte, das haben Sie ja auch beklagt, unter die Räder. Das ist der wesentliche Krebsschaden der Geschäftsordnungen. Dies alles haben wir zur Genüge auch in unserem Land kennen gelernt. Und die Landtagsgeschäftsordnung lässt in ihren Festlegungen zu Ausschüssen die allermeisten Fragen der Untersuchungsausschüsse naturgemäß außen vor und gibt nur das wieder, was bereits in der Verfassung steht. Zum Thema Enquetekommissionen herrscht fast völliges Schweigen im Walde der Geschäftsordnungen.
Diesen unbefriedigenden Zustand nunmehr wirksam zu verändern, darauf haben sich die Koalitionsfraktionen verständigt. Es gilt dabei auch dem Kuriosum abzuhelfen, dass wir zwar einerseits ein Untersuchungsausschussgesetz haben – wenn auch ein vorläufiges –, andererseits aber doch keins haben, weil da im Prinzip wenig drin steht. Es trägt eben den Makel seit seiner Geburt schon in der Überschrift: vorläufig. Mein Kollege Dr. Schoenenburg charakterisierte den Zustand bereits deutlich.
Aber warum wurde dieses Gesetz denn nur so dürftig, fragt man sich verwundert. Liest man nämlich in der Debatte des Landtages vom April 1991 einmal nach, in der über einen SPD-Gesetzentwurf beraten wurde, so erklärten sich damals alle Fraktionen des Hauses – auch Ihre Fraktion, Herr Caffier – deutlich für ein Untersuchungsausschuss-Gesetz. Danach schien diesbezüglich alles klar. Und das Protokoll trieft besonders von Erklärun
gen der CDU und der F.D.P., wie nötig, schön und wie heilsam Untersuchungsausschüsse für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und politische Reinheit wären. Im Verhältnis zu diesen hehren Worten war beispielsweise die schlichte Argumentation der damaligen Linke Liste/PDSFraktion richtig Eintopf. Mit dem Reinheitsgebot der CDU war sowieso nicht zu konkurrieren.
Wie kam es also zu dem parlamentarischen Sinneswandel der CDU, frage ich. Nun, ich denke, es ist wie heute, die CDU witterte Stunk: periculum in mora – Gefahr ist im Verzuge. Denn die SPD wollte mit einem Battenberg-Trick mit dem Gesetz gleich einen Werftenuntersuchungsausschuss einrichten, um Herrn Krause ans Leder zu gehen. Das konnte der CDU natürlich nicht lieb sein. Und so wurde die an sich sehr gute Vorlage der SPD erst einmal sicherheitshalber in den Ausschuss überwiesen und dort, was nicht so selten war, wurde gehobelt, dass die Fetzen flogen und heraus kam ein Kretin, nämlich dieses Vorläufige Untersuchungsausschussgesetz. Es war also billiger politischer Eigennutz der CDU, der zu diesem Ergebnis des Vorläufigen Untersuchungsausschussgesetzes führte. Dieses wohlverstandene Parteieigeninteresse war letztlich maßgebend dafür, dass alles so blieb, wie es schon im Jahr 1991 war. Und ich denke, das bezieht sich nicht nur auf dieses Jahr, sondern das haben wir in zehn Jahren hier genauso erlebt, und eben haben Sie das ja an praktischen Beispielen wieder deutlich gemacht.
Aber ich möchte noch einmal Sie zitieren, Herr Caffier, beispielsweise in der Debatte 1997 über einen Antrag der PDS zum Entwurf eines Untersuchungsausschussgesetzes. Sie sagten damals: „Das politische Instrument ,Untersuchungsausschuß’ darf nicht stumpf werden durch eine Überregelung des Sachverhaltes.“ Gewiss nicht, meine Damen und Herren, und darum beließ es die CDU auch dabei, sicherheitshalber in den Jahren zuvor gar nichts zu regeln, um nämlich je nach Laune und Opportunität mal wild politisch mit dem Säbel dreinzuschlagen, mal eine deftige Spiegelfechterei vorzuführen. Der entsprechende Gesetzentwurf der PDS kam deshalb damals nicht einmal in die Ausschüsse.
Allein schon, meine Damen und Herren, die Herkunft war der Ablehnungsgrund. So kommt es, dass wir heute ein Untersuchungsausschussrecht haben, das genauso viele Regelungslücken aufweist, wie ein Schweizer Käse Löcher hat.
Meine Damen und Herren, auch wenn die CDU sich im Vorfeld bisher nicht definitiv – aber wir haben ja jetzt einiges gehört – zu dem Gesetzentwurf wie überhaupt zu seinem Anliegen geäußert hat, kann man dennoch konstatieren, dass in Bezug auf die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschuss-Gesetzes ein bestimmter Sinneswandel stattgefunden hat. Niemand kann und will beispielsweise die CDU daran hindern, wenigstens in diesem Punkt inzwischen klüger geworden zu sein. Wir sollten nach zehnjähriger praktischer Erfahrung mit Untersuchungsausschüssen ohne ausreichenden Gesetzesboden übrigens parteiübergreifend klüger geworden sein, meine Damen und Herren. Die Fraktion der PDS wollte, wie man den Protokollen und Drucksachen des Landtages seit 1991 immer wieder entnehmen kann, schon
immer ein Untersuchungsausschuss-Gesetz, und wir freuen uns, dass es nun offenbar endlich zustande kommt. Steter Tropfen höhlt, wie man sieht, den Stein!
Zum politischen Pro für eine klare Gesetzesregelung gehört schließlich, dass Untersuchungsausschüsse jederzeit als politische Druckmittel – allerdings als rechtsstaatliche, legale, politische Druckmittel – eine bestimmte Realität haben müssen. Denn es ist ja so, dass die Drohung mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses unter Umständen Regierungen und Verwaltungsbeamte mehr diszipliniert, als es das spätere Untersuchungsverfahren vermag, zumal wenn man im Ausschuss starke politische Freunde, seien es Verhinderer oder Trickser, hat.
Meine Damen und Herren! Alles in allem, Sinn und Ziel des Gesetzentwurfes ist es, die Arbeit der Untersuchungsausschüsse zu verbessern und zu erleichtern, vor allem aber zu beschleunigen. Dasselbe gilt für die Enquetekommissionen, für die überhaupt erst eine klare und verlässliche Rechtsgrundlage geschaffen wird. – Ich danke Ihnen.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 3/1990 zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Tätigkeitsberichtes 2000 des Petitionsausschusses gemäß § 31 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern – Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Landtages Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2000, Drucksache 3/1969.
Tätigkeitsbericht 2000 des Petitionsausschusses gemäß § 31 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern: Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Landtages Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2000 – Drucksache 3/1969 –