Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich finde es erstaunlich, dass Sie den Antrag so kommentiert haben, Herr Riemann, dass ein solcher Antrag selbst auf einem CDU-Parteitag keine Chance hätte durchzukommen.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Auf einem SPD-Parteitag.)

Nein, nein, Sie haben von Ihrem gesprochen,

(Unruhe bei Harry Glawe, CDU – Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Dieser Antrag wie der vorhergehende.)

denn im Jahre 1998 im Juni haben Sie einen solchen Antrag hier eingebracht in den Landtag und zum gleichen Thema.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Insofern bin ich erstaunt, dass Sie einen solchen Kommentar abgeben.

Mit dem vorliegenden Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird ein sehr kontrovers diskutiertes Thema im Landtag behandelt. Ich glaube, es ist vielleicht ganz günstig, dass wir eine Besuchergruppe haben, bei der so viele junge Leute dabei sind, weil sie dieses Thema wahrscheinlich auch sehr interessiert. Ich will mal mit drei Fragen beginnen und sie dann auch gleich selbst beantworten, um damit das Problem deutlich zu machen.

Eine erste Frage könnte lauten: Wer von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, besitzt ein Handy? Ich denke, die Antwort ist,

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

praktisch jeder von uns besitzt ein Handy.

(Harry Glawe, CDU: Na, wer besitzt kein Handy? Das hätten wir auch fragen können.)

Die zweite Frage: Wie viele Ihrer Kinder sind im Besitz eines eigenen Handys? Die Antwort würde sicherlich lauten, eine sehr große Anzahl Ihrer Kinder im Alter ab 14 besitzt ein Handy.

Und eine dritte Frage:

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Wer hat die Handys gekauft?)

Ja, die können Sie dann stellen.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Das hatte ich in meiner Rede auch drin.)

Wer von Ihnen sieht sich durch die Benutzung seines Handys und die damit verbundene elektromagnetische Strahlung ernsthaft gesundheitlich gefährdet? Die Antwort darauf würde sicherlich lauten, kaum jemand sieht eine reale Gefährdung der eigenen Gesundheit durch die Benutzung der Handys. Trotzdem gibt es dazu – und, ich denke, berechtigt – eine gesellschaftliche Diskussion.

(Harry Glawe, CDU: Ja, selbst im Vatikan.)

Auf diesem Gebiet des Mobilfunks ist in den letzten Jahren sehr massiv und sehr schnell ein Konsumentenbedürfnis geweckt worden, erzeugt worden, das sicherlich bei mehr als 80 Prozent der Handybesitzer nicht wirklich eine erforderliche Voraussetzung für die Arbeit oder für das Wohlbefinden ist. Gleichwohl wurde hier in den letzten Jahren eine Konsumentenpower erzeugt, die nicht mehr aufzuhalten ist. Das Handy ist in. Es ist ein Statussymbol geworden und jede realistische Lageeinschätzung muss davon ausgehen, dass dieser Boom nicht zu stoppen ist, sondern sich weiterentwickeln wird. Dennoch gibt es in der Öffentlichkeit erhebliche Bedenken wegen der Belastungen durch hochfrequente Strahlungen, im Übrigen auch von denen, die diese Technik nutzen. Der Begriff „Elektrosmog“ steht synonym dafür.

Eingangs ist festzuhalten, dass die Anzahl der Mobilfunkstationen, die unsere Landschaft verzieren, direkt proportional mit der Zahl der Handys ist, denn jeder Umsetzer kann nur eine bestimmte Anzahl von Gesprächen gleichzeitig führen. So erfordert die Unzahl von Mobiltelefonen, die inzwischen die Zahl der Festnetzanschlüsse überboten hat, eine Vielzahl von entsprechenden Antennen und Sendemastanlagen. Eigentlich müsste auch jeder informierte Bürger wissen, dass die größte Gefährdung nicht von den Sendeanlagen ausgeht, sondern von der unmittelbaren Benutzung des Handys zum Gespräch.

Völlig unterschätzt in der Öffentlichkeit wird auch, dass die schnurlosen Festnetztelefone permanente Sendeanlagen sind, die auch dann, wenn keine Gespräche geführt werden, ständig eine Trägerfrequenz im unmittelbaren Wohnbereich absenden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Aber die sind so schön praktisch!)

Aber selbst, wenn alle Gefahren transparent und bekannt wären, kann wohl nicht davon ausgegangen werden, dass dadurch die Zahl der Mobiltelefone sinken würde, sondern der Trend ist ungebrochen positiv oder, ich werde frei sagen, steigend, denn ob er positiv ist, ist sicherlich eine andere Bewertung. Und daran wird, mit Verlaub gesagt, wohl auch eine Landtagsdebatte nichts ändern, zumal die hier vorgetragenen Punkte einer vertieften Diskussion in den Ausschüssen bedürfen und meines Erachtens so nicht beschlussfähig sind. Insofern denke ich, die Überweisung ist in den Sozialausschuss auch richtig empfohlen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Umweltausschuss aber auch!)

Ja, ich würde mich freuen, wenn Sie mich auch dazu einladen würden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das wollte ich nämlich noch beantragen!)

Sie berühren mehrere Tätigkeitsfelder der Landesregierung, so dass ich als Umweltminister, der hier heute federführend für die Landesregierung zu Ihnen spricht, auch Sachverhalte darzustellen habe, die einer fachlichen Bewertung in meinem Hause nicht direkt zugänglich sind.

Lassen Sie mich eingangs einige Bemerkungen zu den Ziffern 5 und 6 des Antrages machen, die das Umweltministerium direkt betreffen und die sich mit der Definition der Grenzwerte in der 26. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz befassen. Dazu müssen Sie jedoch wissen, dass Immissionsschutzrecht ausschließlich Bundesrecht ist und eine gesetzgeberische Kompetenz der Länder hier nicht besteht. Die Länder haben lediglich den Vollzug der Verordnung sicherzustellen. Insofern hält mein Haus weder Personal- noch Fachkompetenz vor, um eine solide Bewertung der Problematik zu ermöglichen. Damit hat sich das Bundesamt für Strahlenschutz, das wissen Sie sicherlich, zu beschäftigen. Dieses Bundesamt verfügt über entsprechende Mittel und auch die entsprechenden Empfehlungen und Beschlussentwürfe werden von diesem Bundesamt vorbereitet.

Mir ist bekannt, dass die Bundesregierung, Herr Rißmann hat auch darauf hingewiesen, beabsichtigt, die 26. Bundesimmissionsschutzverordnung noch im Laufe dieser Legislaturperiode zu novellieren. Dabei geht es um die Berücksichtigung der EU-Empfehlung, die einen größeren Frequenzbereich definiert, als das zurzeit im deutschen Recht vorgesehen ist. Neben der Erweiterung des Frequenzbereiches und der Überprüfung der geltenden Grenzwerte muss eine Novellierung auch dazu genutzt werden, Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung bei der Standortwahl vorzusehen.

Gegenwärtig enthält die Bundesimmissionsschutzverordnung keine Regelungen zur Vorsorge bei der Errichtung von Hochfrequenzanlagen, da die entsprechenden Befunde zum Teil widersprüchlich sind und der Nachweis einer pathogenen, also krankheitserregenden Rolle der in

Frage stehenden Effekte meines Wissens noch nicht endgültig erbracht ist. Ich weiß aber von meinem ehemaligen Kollegen an der Universität in München, dass neuere Untersuchungsergebnisse zu Wirkungen auf Tiere vorliegen, die eine Berücksichtigung finden müssen, zumindest bei den weiteren Diskussionen eine große Rolle spielen sollten.

Ich gehe davon aus, dass durch die zuständigen Behörden der wissenschaftliche Erkenntnisstand durch die Sachverständigen soweit analysiert wird, dass die bei der Novellierung der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung neu festzusetzenden Grenzwerte auch Vorsorgecharakter haben, was wir im Moment noch nicht wissen. Dahin gehende Initiativen und Entwürfe der Bundesbehörden werde ich persönlich unterstützen. Ich bitte allerdings um Ihr Verständnis, dass ich selbst dazu nicht initiativ werden kann, da es mir und meinem Haus nicht möglich ist, eine solide und wissenschaftlich fundierte Vorlage dazu zu erarbeiten.

Die Einhaltung und Überwachung der festgestellten Personenschutzgrenzwerte im Zusammenhang mit der Errichtung von ortsfesten Sendefunkanlagen obliegt der so genannten Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens ist für jeden geplanten Bau eines Antennenträgerstandortes eine von der Regulierungsbehörde ausgestellte Standortbescheinigung vorzulegen, in der der erforderliche Sicherheitsabstand festgelegt wird. Genutzte Antennenträgerstandorte werden in den Raumordnungskatastern der Ämter für Raumordnung und Landesplanung registriert. Von daher ist die Forderung im Antrag nach einer landesweiten Datenbank über genutzte Sendestandorte bereits realisiert. Diese Datenbank existiert.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann haben wir gut was erledigt.)

Richtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe durchaus umweltmedizinischen Forschungsbedarf. Ich sehe mich jedoch gegenwärtig nicht in der Lage, wie im Antrag gefordert, Forschungsvorhaben zu Gesundheitsgefahren durch elektromagnetische Strahlung, insbesondere durch Mobilfunk sowie Effektmonitoring im Umkreis von Kurzwellensendern, zu fördern. Dafür sind in meinem Haushalt keine Mittel vorgesehen. Ich gehe auch davon aus, dass die Sozialministerin andere Schwerpunkte gesetzt hat. Sofern das Parlament, und Sie sind ja unser Dienstherr, wenn man so will, dieser Aufgabe einen politischen Schwerpunkt zumessen sollte …

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Nicht nur, wenn man es will.)

Auch wenn man’s nicht will, ja, Herr Klostermann, richtig.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Henning Klostermann, SPD: Danke schön. Das war gut, ja.)

Sofern das Parlament also dieser Aufgabe einen politischen Schwerpunkt zumessen sollte, müsste es entsprechende Haushaltsmittel im Rahmen der nächsten Haushaltsdebatte zur Verfügung stellen.

(Harry Glawe, CDU: Sehr gut. – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Im Übrigen besteht für Effektmonitoring im Umkreis von Kurzwellensendern in Mecklenburg-Vorpommern kein Bedarf, da öffentlich-rechtliche oder andere bedeutende Kurzwellensender in unserem Lande nicht betrieben werden. Ich will das mal einschränkend sagen, ob es in der Bundeswehr solche Betreibungen gibt, ist uns nicht bekannt. Sehr vernünftig sind die Überlegungen, möglichst Sendeanlagen gemeinsam zu nutzen und auch auf bereits bestehenden Masten mit anderer Zweckbestimmung zu installieren. Allerdings ist die Idee nicht neu. Der Landtag hat sich bereits auf Antrag von SPD und CDU im Jahr 1998 unter dem Thema „Landesweites Konzept für Antennenanlagen der Mobilfunknetze Mecklenburg-Vorpommern“ damit beschäftigt. Auf der Drucksache 2/4066 liegt eine entsprechende Unterrichtung der damaligen Landesregierung vor, die die grundsätzlichen Aspekte darstellt und die aus meiner Sicht noch heute zutreffend ist.

Ich kann feststellen, dass Gespräche zur gemeinsamen Nutzung von Antennenträgern bereits seit 1997 durch die Landesplanungsbehörde nicht nur mit Mobilfunknetzbetreibern, sondern mit allen bekannten Funknetzbetreibern durchgeführt wurden. Im Ergebnis dieser Gespräche, bei denen sich die Beteiligten freiwillig bereit erklärt haben, Antennenträger gemeinsam zu nutzen, erfolgen in etwa zweijährigem Abstand Koordinierungsberatungen in den Ämtern für Raumordnung und Landesplanung. Auf der Grundlage der eingereichten Plankonzepte der Netzbetreiber für die nächsten zwei Jahre werden durch die Ämter Standortoptimierungsverfahren für jeden Landkreis vorgenommen. Für die verbleibenden, nicht vermeidbaren Antennenträger wird eine landesplanerische Komplexabstimmung durchgeführt, an denen öffentliche Planungsträger einschließlich der Kommunen beteiligt werden. In diesen landesplanerischen Komplexabstimmungen haben die Kommunen dann die Möglichkeit, ihre Belange in die Standortwahl einzubringen. Innerhalb eines Baugenehmigungsverfahrens kann der raumordnerisch befürwortete Standort innerhalb eines circa einen Kilometer großen Radiusbereiches modifiziert werden.

Der konkrete Bedarf an Sendeanlagen resultiert aus den von den Netzbetreibern vorgesehenen Netzverdichtungen und bedarf einer ständigen Fortschreibung. Die technischen Daten, soweit sie für die Koordinierung von Bedeutung sind, werden durch die Ämter für Raumordnung und Landesplanung erfasst. Die optimale Wahl von Standorten für Antennenträger kann wegen der Vielseitigkeit der zu berücksichtigenden Belange nur in einem Optimierungsverfahren ermittelt werden. Ein Landesnetzplan im vorgeschlagenen Sinne ist wegen der Komplexität nicht durchgängig zu erstellen. Dies gilt umso mehr, als mit Mitteln der Raumordnung nur im Außenbereich koordiniert werden kann. Im Innenbereich regelt sich vieles über privatrechtliche Verträge.

Der Betrieb von Sendeanlagen ist bei Einhaltung der baurechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Belange vom Land aus nicht wesentlich zu steuern. Aber die Gemeinden selbst haben aufgrund ihrer Planungshoheit, beispielsweise über Gestaltungssatzungen, Möglichkeiten, die Verteilung von Mobilfunksendern zu beeinflussen. Dazu möchten wir die Gemeinden ermuntern.

Die Nutzung von Handys, meine sehr geehrten Damen und Herren, durch Kinder ist sicher ein spezifischer Sachverhalt. Hierauf Einfluss zu nehmen ist meines Erachtens aber keine staatliche Aufgabe. Das kann und muss der

Entscheidung in erster Linie der Eltern überlassen werden, die sich ja ohnehin infolge der nicht unerheblichen Folgekosten, jeder von Ihnen hat sicherlich Erfahrungen mit den Folgekosten einer solchen Anschaffung,

(Heiterkeit bei Norbert Baunach, SPD)

damit auseinander zu setzen haben. Zumindest kann Punkt 9 des Antrages – ich gehe davon aus, dass es nicht so gemeint ist –