Protokoll der Sitzung vom 17.10.2001

1990, alle Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeiter und so weiter und so weiter und natürlich auch die Studenten, die zum Teil durch eine bewusste Studienplatzwahl als auch durch Zuweisung seitens der ZVS ihren Weg in die Hochschulen des Landes gefunden haben.

Die Attraktivität der Hochschulen ist ungebrochen groß. Keine der Hochschulen hat mit Einbrüchen aufgrund des 13. Schuljahres zu kämpfen. Man höre und staune! Im Gegenteil, besonders die Fachhochschulen legen noch einmal kräftig zu. Die Fachhochschule Stralsund sieht sich momentan mit einer Überlast von 53 Prozent – ich wiederhole, einer Überlast von 53 Prozent – gegenüber ihren Studentenzielzahlen konfrontiert und den anderen beiden Fachhochschulen geht es dabei nicht besser. Ja, ich sage ganz bewusst, es geht ihnen nicht besser, da nämlich bei einer wachsenden Studentenzahl die Zahl der Professoren nicht mitwächst, sondern, im Gegenteil, durch Frau Keler und Herrn Professor Kauffold noch abgesenkt wird.

Die 151 kw-Stellen, die bis zum November benannt werden müssen, schweben wie ein Damoklesschwert über den Hochschulen und zeigen einmal mehr, dass Frau Keler – als Finanzministerin schon gar nicht – nichts von der infrastrukturellen Bedeutung der Hochschulen für die Wirtschaft des Landes verstanden hat

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

und Professor Kauffold eine Enttäuschung ist, weil er nicht in der Lage ist, als Mann der Wissenschaft – so weist ihn ja sein Professorentitel aus – dem Unverständnis seiner Finanzministerin und dem Desinteresse des Ministerpräsidenten entgegenzutreten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist keine Polemik,

(Heike Polzin, SPD: Das ist ja gut, dass Sie das sagen.)

sondern schauen Sie sich einmal das Protokoll der Auswertung des Anhörungsverfahrens des Bildungsministers vom August diesen Jahres an. Aus dem geht hervor, dass sich in zentralen Punkten der Hochschulautonomie der Vermerk findet „nicht durchsetzbar“. Ja, gegenüber wem denn eigentlich? Dieses Protokoll ist einmal mehr der Beweis dafür, wer in diesem Land Bildungspolitik betreibt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Da können wir den Minister noch einsparen.)

Das schlägt sich nieder in der Änderung des Schulgesetzes, das schlägt sich nieder in der Neufassung des Landeshochschulgesetzes. Die Bildungspolitik wird im Finanzministerium gemacht, meine Damen und Herren. Ausschließlich Geld, nicht fachliche Notwendigkeiten bestimmen die Bildungspolitik dieses Landes.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig. – Zurufe von Heidemarie Beyer, SPD, und Wolfgang Riemann, CDU)

Meine Damen und Herren, dieses Spannungsverhältnis spüren wir in jeder Ausschussberatung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur, in dem sich Finanz- und Bildungsministerium gegenseitig Vorwürfen aussetzen. Es wäre schön, wenn dies alles nur billige Polemik wäre, aber leider belehrt uns die Realität eines Besseren.

Meine Damen und Herren, die Schwäche des Bildungsministers widerspiegelt sich auch in anderen Facetten. Anscheinend ist es ihm peinlich, den nunmehr dem Landtag vorgelegten Gesetzentwurf in einer offiziellen Mitteilung den Hochschulen zur Kenntnis zu geben. Bis heute – zwei Wochen nach Verkündung in der Landespressekonferenz – haben die Hochschulen keine offizielle Mitteilung vom Bildungsministerium erhalten, dass das Anhörungsverfahren beendet wurde,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Oh! Oh! Oh!)

das Kabinett den Entwurf verabschiedet hat und dem Landtag zugeleitet hat.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Oh, oh! Ein Glück, dass wir das Internet haben! – Sylvia Bretschneider, SPD: Gut, dass wir Sie haben.)

Und, Herr Minister, wieder war es die CDU, wie schon einmal vor fast einem Jahr, die die Hochschulen von der Verfügbarkeit des Gesetzentwurfes im Internet unterrichtete. Und dies, meine ich, ist der richtige Wege. Wir können die Hochschulen hier nicht im Dunkeln stehen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wenn Sie mal im Internet des Bildungsministeriums reingucken, dann sehen Sie, dass es seit dem Tag drinsteht, Frau Kollegin. Das ist einfach nicht wahr. – Sylvia Bretschneider, SPD: So eine breite Schleimspur kann man doch gar nicht ziehen! – Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist eine kleingeis- tige Haltung! So behandeln Sie die Universi- täten und Hochschulen in unserem Land.)

Die Hochschulen waren ihrerseits mit zahllosen Presseanfragen konfrontiert, konnten aber keine Stellung nehmen, weil sie aktuell keine, zumindest keine offiziell autorisierten Informationen hatten.

Und, Herr Minister, das frage ich mich auch: Wie lange ist eigentlich der neue Abteilungsleiter der Abteilung 3 „Hochschulen“ schon im Amt? Sind es vier Wochen, sind es sechs Wochen? Auch über die Einsetzung des neuen Abteilungsleiters haben die Hochschulen bis heute keine offizielle Information erhalten.

(Zuruf von Minister Dr. Peter Kauffold)

Zwischen Ihnen, sehr geehrter Herr Minister Kauffold, und den Hochschulen scheint die Kommunikation stillzustehen, besser, es gibt wohl gar keine mehr. Alleine diese beiden Beispiele, meine Damen und Herren, zeigen, dass jegliche Vertrauensbasis zwischen Bildungsministerium und Hochschulen dahin ist. Darüber kann auch nicht die Vereinbarung zwischen der Greifswalder Universität und der Landesregierung zum Hochschulklinikum hinwegtäuschen, denn die wurde maßgeblich vom Finanzministerium gestaltet und verhandelt. Wieder das Finanzministerium!

Meine Damen und Herren, ich habe in den vergangenen Wochen die Erfahrung machen müssen, dass in den Ländern, in denen es ein von Respekt und Vertrauen geprägtes Verhältnis zwischen Hochschulen und Landesregierungen gibt, der Ruf nach Autonomie weitaus verhaltener ist. Mecklenburg-Vorpommern scheint mir bundesweit eine Ausnahme zu sein. Der fast ungebremste Drang der Hochschulen nach allumfassender Autonomie wird vor allem aus Misstrauen gespeist.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Und geschürt. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Alle Hochschulen verfolgen aufmerksam die Verhandlungen zwischen dem Bildungsministerium und der Universität Rostock zur Zahnmedizin. Was sich nämlich dort derzeit abspielt, hat Wolfgang Riemann im Juli bereits vorausgesagt.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Riemann der Hellseher – ha, ha!)

Das Misstrauen zwischen Land und Hochschulen wird dadurch genährt, ich wage zu behaupten, es wird potenziert. Dadurch verstärkt sich auch der Drang nach Autonomie oder aber auch der Hang zum Fatalismus. Beide Extreme kann ich in der Hochschullandschaft ausmachen. Wir brauchen aber weiter den Drang zu mehr Autonomie, denn dieser Drang bringt die kreativen Kräfte hervor, die wir vor allem in den Fachhochschulen mit ihren Modellversuchen immer und immer wieder erleben. Aber, Doppelhaushalt und Landeshochschulgesetz konterkarieren, ja, ich würde sogar sagen, verspotten diese Kreativität und stärken den Hang zum Fatalismus, den wir für die Entwicklung unseres Landes überhaupt nicht gebrauchen können. Dass Sie das, sehr geehrter Herr Bildungsminister, in dem einen Jahr mehr oder weniger intensiver Diskussionen mit den Hochschulen nicht bemerkt haben, wird für das Land mit katastrophalen Folgen verbunden sein, für die wir Sie und Ihre Partei verantwortlich machen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ein Minister muss auch mal gegen den Strom schwimmen, das weiß ich sehr gut aus eigener Erfahrung.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das stimmt.)

Aber wenn Sie immer gegen den Strom schwimmen und nicht rechtzeitig und an den passenden Strudeln umkehren, Herr Minister, dann saufen Sie ab, weil Ihnen die Puste ausgeht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig. Genau so ist das.)

Sie können sich als Professor Kauffold nicht gegen Entwicklungen stemmen, die vor allem international determiniert sind, die national längst um sich greifen. Sie haben den Rettungsring, der Ihnen durch die Hochschulen in Basthorst im Januar diesen Jahres zugeworfen wurde, wieder weggeworfen und ich bin mir sicher, nun haben auch die Hochschulen nichts mehr dagegen, wenn Sie zusammen mit Ihrem Gesetz absaufen.

Meine Damen und Herren, so und nicht anders ist die Lage. Entgegen all Ihren blumigen Behauptungen haben Sie kein innovatives Gesetz auf den Tisch gelegt. Sie sagen, dieses Gesetz ist vergleichbar mit anderen Hochschulgesetzen in Deutschland. Aber womit vergleichen Sie denn Mecklenburg-Vorpommern? Mit Sachsen, mit Thüringen oder gar vielleicht mit Baden-Württemberg? Haben Sie immer noch nicht begriffen, dass wir besser sein müssen, dass wir weiter gehen müssen, dass wir mehr Geld in den Hochschulbereich investieren müssen als andere Bundesländer?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heidemarie Beyer, SPD: Warum haben Sie das denn nicht gemacht?)

Haben Sie immer noch nicht begriffen, dass die Hochschulen und Forschungseinrichtungen die einzig wahre und verbliebene Entwicklungsperspektive für Mecklenburg-Vorpommern sind?

(Hermann Bollinger, CDU: Sehr richtig.)

Der Parlamentarische Abend der Landeshochschulrektorenkonferenz im April hat uns gezeigt, welches Selbstverständnis die Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern haben. Es ist ein Selbstverständnis, das wir in dieser Form brauchen. Der Rektor der Hochschule Wismar begreift die Hochschulen als Katalysatoren für die Landesentwicklung. Das war ja gerade das Bedeutsame an diesem Parlamentarischen Abend der Hochschulrektoren im April, dass Sie wider Erwarten nicht über die Unzulänglichkeiten der aktuellen Hochschulpolitik debattierten, sondern ihren Platz in der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes definierten. Dieser qualitative Sprung in der Argumentation der Hochschulen selbst ist in der Landesregierung scheinbar nicht angekommen, sondern an ihr spurlos vorbeigegangen.

Haben Sie nicht die Lehren aus der Evaluation des Institutes für Organische Katalyseforschung in Rostock gezogen, Herr Minister, indem der von Ihnen für allmächtig erklärte und verehrte Wissenschaftsrat Ihnen ins Stammbuch schrieb: „Die Reduktion der Gesamtzahl der grundfinanzierten Positionen, die durch die jüngsten Mittelkürzungen erzwungen wurde, ist nicht angemessen und sollte rückgängig gemacht werden.“?

(Wolfgang Riemann, CDU: Hört! Hört!)

So die Stellungnahme des Wissenschaftsrates vom 18. Mai diesen Jahres auf Seite 21.

Eine Seite vorher führt der Wissenschaftsrat aus und ich zitiere noch einmal: „Die Erfolge des Institutes bei der Drittmitteleinwerbung sind außergewöhnlich, was vor allem auf die große Zahl von Industriekooperationen zurückzuführen ist. Die Leistungsfähigkeit des Institutes lässt erwarten, dass eine Steigerung der Grundfinanzierung in dem Maße, in dem die Infrastruktur verbessert wird, positive Wirkungen entfalten und ein erhöhtes Drittmittelvolumen nach sich ziehen wird. Ein Richtwert von 6 Millionen DM wäre schon kurzfristig sinnvoll.“ Ebendaselbst auf Seite 20. Meine Damen und Herren, aus einer Mark Landesmittel mach zwei, wenn 44 Prozent des Haushaltes dieses Institutes durch Drittmittel gedeckt werden. Das ist Strukturpolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig. So ist das.)

Warum, Herr Minister, folgen Sie dem Wissenschaftsrat in dieser Frage nicht so konsequent, wie Sie ihm bei der Zahnmedizin in Rostock hinterherlaufen?

Das, was ich hier zitiert habe, sagt der Wissenschaftsrat zu einer Einrichtung, deren wissenschaftliche Bedeutung, die Bedeutung der Katalyseforschung, Professor Kauffold 1999 stark in Zweifel zog und damit den Landtag just im Jahr der bevorstehenden Evaluation durch den Wissenschaftsrat von der Plausibilität der Mittelkürzung überzeugen wollte. Sehr gut kann ich mich noch daran erinnern, dass Ihr damaliger Abteilungsleiter Udo Knapp den Abgeordneten klar machen wollte, dass die Katalyseforschung im Abwind ist und das Standing des Institutes beim Bund und bei der Industrie zurückgeht.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU)

Diese wissenschaftspolitische Fehleinschätzung, diese wissenschaftspolitische Fehlbeurteilung hat mich in der Auffassung bestärkt, dass diese Landesregierung für das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht die richtigen Entscheidungen treffen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und, meine Damen und Herren, dieser Vorgang hat mich und die CDU in der Auffassung bestärkt, vehement für eine umfassende Liberalisierung des Hochschulrechts in Mecklenburg-Vorpommern einzutreten.

Ich will hier nicht den Eindruck erwecken, dass ein einzelnes Erlebnis maßgebend für diese Haltung sei, denn in jüngster Zeit musste man erfahren, dass das Bildungsministerium die Hochschulen nachdrücklich aufgefordert hat, sämtliche Forschungsanträge an Projektträger des Bundes dem Ministerium zur Zustimmung vorzulegen und durch dieses weiterzuleiten.