Protokoll der Sitzung vom 14.11.2001

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Kapazitätsobergrenzen für die Werften in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/2392 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Schildt von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wahrscheinlich sind Sie verwundert, dass Sie auf der heutigen Tagesordnung das Thema Werften erneut vorfinden, denn erst kürzlich haben wir darüber debattiert.

(Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Wir als Koalitionsfraktionen halten es für extrem notwendig, nicht nur zu fordern und zu meckern, sondern Probleme anzugreifen und über Erreichtes zu diskutieren und Bilanz zu ziehen.

(Dr. Christian Beckmann, CDU: Bravo! Bravo!)

Das wollen wir an dieser Stelle tun, meine Damen und Herren von der CDU. Wir haben Ergebnisse vorzuweisen und darüber haben wir guten Grund zu sprechen,

(Dr. Christian Beckmann, CDU: Ja natürlich.)

ganz nach dem Grundsatz: Tue Gutes und rede drüber.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Dr. Ulrich Born warf in seiner Rede am 21. September diesen Jahres der Landesregierung vor, sie lasse leider ein nachhaltiges Engagement zur vorzeitigen Aufhebung der Kapazitätsobergrenzen der Werften vermissen. Woher wissen Sie das, Herr Dr. Born?

(Dr. Ulrich Born, CDU: 1999 sollte das doch schon gelöst sein.)

Haben Sie Einsicht in den Kalender des Ministerpräsidenten und des Wirtschaftsministers gehabt? Oder zeugt Ihre Aussage vielmehr von der Unkenntnis, dass Politik nun einmal bedeutet, in zähen langwierigen Verhandlungen Kompromisse einzugehen?

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ich habe nur ernst genom- men, was der Ministerpräsident versprochen hat.)

Hier reicht es nicht, laut herumzuwettern und Forderungen aufzustellen, wie Sie es uns vorgemacht haben. Die Kunst der Diplomatie ist,

(Lutz Brauer, CDU: Zu schweigen.)

im Rahmen der Kompromissfindung das Bestmögliche für die eigene Seite zu erzielen. Und genau das wurde erreicht. Verschiedenste Interessenlagen – die EU-Kommission, die Mitgliedsländer der Europäischen Union, Bundesregierung, Bundesländer und natürlich die Werften im In- und Ausland – wurden miteinander vereint und es ist nach unserer Auffassung ein guter Kompromiss geschlossen worden. Kompromisse schließen heißt jedoch auch, dass nie alle eigenen Forderungen durchgesetzt werden können, auch wenn die Opposition genau dieses gefordert hat und noch fordert, und das bedeutet für mich, wider besseres Wissen irreale Hoffnungen zu wecken.

Die im Land bestehenden Kapazitätsbeschränkungen durch die Europäische Union sind eine Seite eines Vertrages, das wissen Sie. Die andere Seite sind ausgereichte Subventionen. Wir haben in den Verhandlungen Enormes erreichen können. Daher haben wir den Punkt Werften heute erneut aufgerufen und sind natürlich sehr neugierig auf Ihre Meinung.

Meine Damen und Herren, das mit der EU ausgehandelte Ergebnis lässt sich sehen.

Erstens. Es können jetzt cgt-Kapazitäten aus der Produktionsbilanz der Werft herausgerechnet werden, die ohnehin nicht mehr von ihr, sondern infolge von Outsourcing durch Zulieferer beziehungsweise Dienstleister erbracht werden. Das bedeutet faktisch eine Erhöhung der Kapazitäten um bis zu zehn Prozent.

Zweitens. Ab dem Jahr 2001 wird es den Werften erlaubt sein, das in einem Jahr nicht genutzte cgt-Volumen in das nächste Jahr zu übertragen.

Und drittens. Nunmehr ist es gestattet, nicht genutzte cgt-Kapazitäten einer Werft auf andere Werften in Mecklenburg-Vorpommern zu übertragen. Damit wurde eine deutlich größere Flexibilität erreicht.

Ich sage es noch einmal: Dieses Verhandlungsergebnis ist ein Erfolg. Erstmals ist es unter Bundeskanzler Gerhard Schröder gelungen, die besonderen Bedingungen der Nordländer zu thematisieren. Die Küstenländerkonferenz ist das Ergebnis eines unnachgiebigen Ringens unserer Landesregierung und des Ministerpräsidenten Harald Ringstorff.

Wenn nun dennoch Stimmen im Land laut werden, die das Ergebnis kritisieren und die noch höhere Forderungen aufstellen, dann kann ich nur dem Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums und Koordinator für die maritime Wirtschaft Dr. Axel Gerlach zustimmen. Dieser hat auf der 2. Nationalen Maritimen Konferenz in der vergangenen Woche in Warnemünde bekräftigt, dass weitere Maßnahmen der Bundesregierung bei der EU nicht geplant seien, denn eine über diesen Kompromiss hinaus

gehende Zustimmung der anderen EU-Mitgliedsländer sei nicht zu erwarten. Das heißt, auch die Bundesregierung wird sich erst einmal nicht für weitere Forderungen einsetzen können, da das derzeitige Maximum erreicht ist.

Auch wenn die Forderung, besonders von Ihnen, meine Damen und Herren der CDU, noch so laut und vehement vorgetragen wird, aufgrund der EU-Rechtslage, insbesondere der Siebten Richtlinie über Beihilfen für den Schiffbau, kann zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung zur Aufhebung der bis 2005 fortbestehenden jährlichen Kapazitätsobergrenzen für die Werften herbeigeführt werden. Mehr kann die Landes- und Bundespolitik an dieser Stelle nicht leisten, wie auch Gerlach in seiner Rede eindeutig bekräftigt hat.

Also, meine Damen und Herren von der CDU, alle Anzeichen sprechen dafür, dass es bei Ihnen wie beim Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ ist. „Buttje, Buttje in der See“ –

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

immer neue Forderungen werden aufgemacht und irgendwann ist das Ende der Fahnenstange auch für die Menschen in unserem Land erreicht. Das vehementeste Rufen kann nicht gehört werden. Mit überzogenen Forderungen wird nur eines erreicht: Erwartungen bei der Bevölkerung und in der Wirtschaft zu wecken, die unrealistisch sind und nicht erfüllt werden können. Das ist nicht unser Stil.

(Heiterkeit bei Dr. Christian Beckmann, CDU)

Stattdessen suchen wir alternative Wege, die auch zum Erfolg führen werden. So unterstützen wir das Vorhaben der EU-Kommission, eine WTO-Klage gegen die unlauteren Wettbewerbspraktiken der koreanischen Schiffbauindustrie zu erheben. Dies ist der Weg, mit dem endlich wirksame Hebel durch harte Handelssanktionen gegen koreanische Exporte weltweit nicht nur in der Werftenindustrie, sondern auch in anderen Branchen angesetzt werden können. Das heißt, die Sanktionen müssen sich nicht auf den Schiffbau beschränken, sondern können zum Beispiel auch auf koreanische Fahrzeug-, Textil-, Technologieexporte ausgeweitet werden. Und wir alle wissen, was wir an solchen Produkten in unserem Land antreffen. Das kann ein harter Schlag werden, das heißt, da muss dann auch Verhandlungsbereitschaft signalisiert werden.

Während der Zeit der Klage hat sich die EU-Kommission zudem für auftragsbezogene Wettbewerbsbeihilfen für Werften in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union entschieden. Das hat auch der Koordinator für die maritime Wirtschaft der Bundesregierung Dr. Gerlach bekräftigt.

Meine Damen und Herren, wir haben gesehen, dass die Politik nun erst einmal alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die Werften im Land wettbewerbsfähig zu machen. Das Übrige liegt nun in der Verantwortung der Unternehmen. Dazu gehört besonders auch die Bereitschaft zur Kooperation zwischen den Werften, um die erreichte Flexibilität maximal ausnutzen zu können.

Ich bitte um Ihre Zustimmung für den vorliegenden Antrag und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Karsten Neumann, PDS)

Danke, Frau Schildt.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der CDU Herr Rehberg.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Kapazitätsobergrenzen für die Werften ist in Mecklenburg-Vorpommern von essentieller Bedeutung. Wie Sie aber, meine Damen und Herren von SPD und PDS, und zwar offenkundig auf Initiative der SPD, dieses Thema auf die Tagesordnung des Landtages bringen – ich habe mir ursprünglich überlegt, irgendeine Grußnote, eine Dankesnote anlässlich ehemaliger DDR-Staatsereignisse hier zu zitieren, aber ich habe es mir dann doch geklemmt, weil mir das Thema zu ernst ist! Schon wie Sie in der letzten Landtagssitzung die Landesregierung aufforderten, ein eigenes Verkehrskonzept aufzulegen! Die Steigerung ist nun dieser Antrag hier, der Landtag begrüßt und so weiter und so fort. Kriegen wir dann in der nächsten Landtagssitzung gegebenenfalls einen Antrag, der Landtag möge beschließen, die Landesregierung arbeitet gut, oder so ähnlich?

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das hatten wir alles schon zu CDU-Zeiten. – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,...

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, das ist doch wahr.)

Den Beweis, Herr Kollege Schoenenburg, müssen Sie aber erst noch mal antreten.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das tu’ ich gerne. Das tu’ ich gerne.)

So kurz ist mein Gedächtnis in dem Punkt auch nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Wirtschaftsminister wird ja – und das scheint die neue Angewohnheit der Landesregierung zu sein – nach den Abgeordneten reden, auch auf die Gefahr hin, dass man dann noch einmal erwidert oder erwidern muss.

Ist diese Lösung wirklich die Lösung für die Werften in Mecklenburg-Vorpommern oder ist es ein Tropfen auf den heißen Stein? Frau Kollegin, Sie sind nicht mit einem Wort darauf eingegangen, wie die Lösung aussieht. Sie haben keine Stellung genommen, dass der Deckel weiter bestehen bleibt. Sie haben nicht gesagt, wie die Flexibilisierung über die Jahresscheiben und in der Zeitschiene aussehen soll. Sie haben nichts dazu gesagt, wie denn eine Umverteilung zwischen den Werften aussehen soll. Und Sie haben insbesondere nichts dazu gesagt, wie denn die Relation sein soll, wenn ich Arbeit nach draußen gebe, also Outsourcing mache, wie das berechnet wird, wann es akzeptiert wird von der EU, mit welchem Prüfverfahren, und wie es dann aussieht, wenn es nicht akzeptiert wird. Sie haben auch keine Stellung dazu genommen, wie es denn zum Beispiel ist, wenn ein Reeder drei Schiffe bestellt. Das macht er im Paket, mit einem Termin. Bringt das dann alles noch was, was hier angedeutet worden ist, das heißt, wenn ich verschieben kann? Oder was heißt es, wenn ich Arbeit nach draußen gebe? Welche Arbeit kann ich überhaupt nach draußen geben? Wie ist die Fertigungstiefe im Augenblick auf den Werften? Gerüstbau,

Konservierung liegen schon lange außerhalb der Werften. Aber kann ich bei Passagierschiffen Elektro- und Holzarbeiten zum Beispiel nach draußen geben oder brauche ich dafür Firmen, die Erfahrung haben? Sind Sie darauf eingegangen, ob man überhaupt im Stahlbaubereich Aufträge nach draußen geben kann oder welche Wettbewerbssituation dort besteht? Experten sagen mir, dass unsere Werften so produktiv und hochautomatisiert sind, dass Stahlbaukörper nicht mal in Osteuropa billiger sind, als wenn sie auf den eigenen Werften hergestellt werden. Von der Qualität will ich gar nicht reden.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Frau Kollegin, das, was Sie hier vorgetragen haben, das reicht bei weitem nicht, das reicht wirklich nicht, um sich dieses Problems anzunehmen. Dass der Weg der Werften ein langer schmerzhafter Prozess war, das wissen wir alle, insbesondere was die Arbeitsplätze betrifft. Ich will es Ihnen nur an einigen Zahlen deutlich machen. Während 1990 noch rund 30.500 Menschen auf den Werften des Landes beschäftigt waren, sind es im vergangenen Jahr 5.000 gewesen. Heute wird mit rund einem Drittel der geleisteten Arbeitsstunden ein Umsatz erzielt, der 800 Millionen Mark über dem des Jahres 1991 liegt. Das sind wahnsinnige Produktivitätsfortschritte, die erst möglich wurden, weil in etwa pro Werftarbeitsplatz mehr als 1 Million Mark an Kapital hineingesteckt worden ist, übrigens, überwiegend von der öffentlichen Hand! Und deswegen, das will ich noch mal deutlich sagen, musste man in Kauf nehmen, die Investitionsbeihilfen und 1992 die Kapazitätsobergrenzenbeschränkung zu akzeptieren.

Aber wie sieht es nun aus mit den Hoffnungen und Erwartungen, die geweckt worden sind. Wir, Frau Kollegin, hätten überzogene Forderungen?! Am 5. Mai 1999 sagte der damalige Wirtschaftsminister Rolf Eggert auf einer Betriebsversammlung bei Kvaerner, ich zitiere: „Die Politik werde alles tun, um die unselige Regelung der Neubauobergrenzen für die modernen Werften möglichst noch in diesem Jahr vom Tisch zu bekommen.“