Auch das zeigt die PISA-Studie. Es geht nicht um die Zahl der absolvierten Schulstunden, sondern es geht um die Lernkultur, um die Bildungskultur in Deutschland schlechthin.
(Dr. Margret Seemann, SPD: Das sind ja ganz neue Töne. – Angelika Gramkow, PDS: Sind Sie nicht Pädagogin?!)
(Angelika Gramkow, PDS: Schon mal was von Wissenserwerb, Üben und so weiter gehört? – Barbara Borchardt, PDS: Überfordere sie nicht! Du kannst sie nicht überfordern.)
Ich erwähnte es bereits, für Deutschland wird der nationale Vergleich interessant, es wird interessant, welche Regionen in Deutschland mit welchen Schulsystemen das Land so extrem nach unten gezogen haben. Auf jeden Fall, sehr geehrter Herr Bluhm, lässt die differenzierte K enntnisnahme der ersten nationalen Auswertung durch das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung noch nicht den Schluss zu, dass die integrierten Systeme für Deutschland – und ich betone, für Deutschland – das Allheilmittel sind.
Internationale Vergleiche bringen uns letztendlich wenig – damit will ich nicht sagen, dass wir sie nicht beachten sollten –, sie bringen uns wenig, weil die Lernkulturen, also das gesellschaftliche Bildungsverständnis, extrem unterschiedlich sind, weil das Verhältnis der verschiedenen sozialen Gruppen zur Bildungsfrage so extrem unterschiedlich ist.
(Andreas Bluhm, PDS: Ja, das ist doch aber ein Produkt. Das ist doch ein Produkt! – Angelika Gramkow, PDS: Aber wenn sie dazu Ergebnisse bringt. – Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist schwach, was Sie hier erzählen.)
In der DDR, sehr geehrter Herr Bluhm, haben Sie es auf dem Weg der staatlich verordneten Sozial- und Bildungsnivellierung geschafft,
niederen sozialen Gruppen den Zugang zu höherer Bildung zu ermöglichen, aber auch nur, indem Sie zeitweise Kindern höher gebildeter Schichten den Zugang zu höherer Bildung erschwerten. Aber das nur so nebenbei.
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heidemarie Beyer, SPD, und Dr. Margret Seemann, SPD: Ach! – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)
PISA sagt auch, dass nicht nur extern differenzierende Schulsysteme in Deutschland für den hohen Anteil lernschwacher Schüler verantwortlich sind. Selbstverständlich, und das werden Sie mir bestätigen, werden die Entscheidungen über Bildungsverläufe vor der Schulzeit beziehungsweise in der Grundschulzeit getroffen,
Sie können es, meine Damen und Herren, wenn die lernschwachen Schüler überproportional gut gefördert werden, ja, auch gefordert werden. Das war schon immer Ziel unserer Bildungspolitik.
Diese Schüler sind nicht nur förderbedürftig, das hat so etwas Mitleiderregendes an sich. In ihnen muss der Ehrgeiz geweckt werden zu lernen und sie müssen Lernerfolge verspüren.
Meine Damen und Herren, was wurde denn seit 1994 in Mecklenburg-Vorpommern vernachlässigt? Herr Minister Kauffold, Herr Bluhm, ich frage Sie das. Die SPD hat seit 1994, Sie, Herr Bluhm, seit 1998 die Förderung der Lernschwachen extrem vernachlässigt. Den Förderschulen mangelt es an ausgebildeten Sonderschullehrern und Pädagogen mit sozialpädagogischer Ausbildung. Sie drängen durch die Stigmatisierung der Hauptschule die Hauptschüler in die Förderschulen ab, wo diese überhaupt nicht hingehören. Und es ist bemerkenswert, gerade an den Förderschulen ist trotz der demographischen Entwicklung kein dramatischer Rückgang der Schülerzahlen zu verzeichnen. Es gibt einen Schulamtsbezirk, da steigen die Schülerzahlen wieder an. Was machen Sie mit diesen Schülern im Rahmen der Regionalen Schule? Darauf gibt Ihr Konzept keine Antwort. Sie haben die potentiellen Hauptschüler, die Förderschüler nie ernst genommen. Und das hat auch die Anhörung zum CDU-Antrag zur Integration behinderter Kinder in den Schulen eindeutig unter Beweis gestellt. Ihre Bereitschaft, positive Veränderungen herbeizuführen, tendierte gegen null.
Meine Damen und Herren, wir werden im nationalen Vergleich sehen, wo die Südländer stehen und wo wir stehen. Wir werden sehen, wo Nordrhein-Westfalen steht, wo Hamburg steht. Und wir werden dann deutlich sehen, an welcher Stelle Mecklenburg-Vorpommern rangiert. Das werden die für uns relevanten Aussagen sein. Der internationale Vergleich belehrt uns darüber, dass es in Deutschland über die Jahre hinweg gelungen ist, über Beliebigkeit, über Leistungsverteufelung, über Verteufelung von Leistungseliten eine Lern- und Leistungskultur in der Gesellschaft zu erzeugen, die diese Ergebnisse erst hervorbringt.
Gefährdet sind doch die sozialen Gruppen, die nicht mit ihren Kindern im Kindergartenalter Bücher lesen.
(Angelika Gramkow, PDS: Eine Penetranz legen Sie hier an den Tag! Wer ist eigentlich für das Kita-Gesetz, für die Abschaffung des Erziehungsauftrages zuständig?)
Diese Kinder werden mit dem Fernseher groß. Unsere Kinder sind Weltmeister im Gameboy-Spielen. Und die Eltern, meine Damen und Herren? Wir alle kennen die Sprüche der Väter, die ihren Kindern anraten, schnell die Schule hinter sich zu bringen,
einen vernünftigen Beruf zu erlernen und Geld zu verdienen. Und dann gibt es die Eltern, die es vermeintlich gut mit ihren Kindern meinen und sie überfordern, indem sie sie gleich auf dem Gymnasium anmelden.
Und dann haben sie natürlich die Eltern, die von Anfang an mit ihren Kindern arbeiten, die ein ausgeprägtes Bildungsbewusstsein haben. Und auch diese Eltern wählen für ihre Kinder den Weg auf das Gymnasium oder verstärkt, wo denn das Angebot da ist, in die Privatschulen. Von denen haben wir übrigens zu wenig. Das haben wir an anderer Stelle hier schon deutlich diskutiert. Die pädagogischen Möglichkeiten, die Privatschulen bieten, übertref
fen bei weitem die der staatlichen Schulen. Erinnert sei wieder an die Niederlande mit einem Privatschulanteil von 75 Prozent, wobei diese Schulen alle durchweg staatlich finanziert werden und effizienter arbeiten. Aber Privatschulen sind in Mecklenburg-Vorpommern politisch nicht gewollt, weil damit das Lehrerpersonalkonzept gefährdet wird
Den Trend hin zum Gymnasium werden Sie mit der Regionalen Schule verstärken, trotz der Übergangsentscheidung nach der 6. Klasse.
Solange in Deutschland Ihren Vorstellungen von integrierter Schulbildung das Gymnasium gegenübersteht, so lange werden die integrierten Formen die Verlierer sein, weil ihnen nämlich die Leistungsspitzen fehlen.
Herr Bluhm, Sie werden mit einem integrierten Modell wie dem japanischen in Deutschland nicht die gleichen Ergebnisse erreichen. Ich möchte auch nicht das japanische Schulsystem in Mecklenburg-Vorpommern haben,
denn, auch das wissen Sie, die Japaner, auch die Koreaner erzeugen aufgrund eines hohen, quasi schichtenunabhängigen Bildungsbewusstseins, das tiefe historische Wurzeln hat und kein Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts ist, einen derartig hohen Druck auf ihre Kinder,
dass die Japaner weltweit das meiste Geld für Nachhilfeunterricht ausgeben und Japan einen sehr hohen Privatschulanteil hat. Meine Damen und Herren, das sind Wahrheiten, die zu solchen Ergebnissen wie bei PISA beitragen,
Und vergessen wir es bitte nicht, auch PISA ist nur eine empirische Studie, die nichts über die Vergleichbarkeit der Systeme aussagt, sich nicht mit Kausalitäten auseinander setzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bleiben wir bei der Ursachenforschung. Was hat die SPD, Herr Bluhm, für die Grundschulen bis heute getan? Das haben uns die Vergleichsarbeiten in den 5. Klassen des Schuljahres 1998/99
gezeigt. Und schon da haben wir die Ergebnisse präsentiert bekommen, die uns PISA heute im internationalen Vergleich vorhält. Wenn in der Grundschule Sprachkompetenzen über Lückentexte erworben werden, meine Damen und Herren, dann brauchen wir uns nicht über die Leistungen der 15-Jährigen zu wundern.