Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Ich versuche es, wenn Sie im Grunde genommen nicht gewillt sind zuzuhören, jetzt von der Argumentation her an dieser Stelle mal damit, dass wir natürlich unstrittig der Meinung sind, dass es Reformbedarf gibt. Das ist unstrittig zwischen unseren drei Parteien. Aber bereits bei der Bewertung der Gründe, warum es den Reformbedarf gibt, haben wir völlig unterschiedliche Auffassungen. Sie begründen, wenn man die Begründung des Antrages liest, um den geht es ja, den Reformbedarf allein nicht damit, dass die Bundesregierung eine Situation herbeigeführt hätte, die unerträglich ist und die in den finanziellen Ruin führen würde.

(Friedbert Grams, CDU: Das ist so.)

Sie weissagen diesen ja auch voraus. Sie haben aber dabei völlig ausgeblendet, dass sowohl bis 1998 als auch in Ihren jetzigen Parteidokumenten deutlich wird, dass Sie bereit sind, die Belastungen, die es im Gesundheitswesen gibt, auf die Patientinnen und Patienten abzuwälzen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist der Punkt. Das ist der Punkt.)

Wie es Ihre Art war, fingen Sie dabei, wenn ich an die Seehofer’schen Reformen denke, bei den Schwächsten und Jüngsten an.

(Harry Glawe, CDU: Das ist ein beitragfinanziertes solidarisches Sys- tem, was wir hier haben, Herr Koplin! – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Glawe, lassen Sie doch mal die Sprechblasen!)

Das Erste, was Sie angefasst haben, war sozusagen die Zuzahlung beim Zahnersatz für Kinder, die nach 1979 geboren wurden.

(Barbara Borchardt, PDS: Sie denken, dass sie was mit Augenmaß gemacht haben, und dabei waren sie blind.)

Junge Menschen, die sich so nicht wehren können gegen solche Maßnahmen, sozial Schwache sind betroffen. Das war Ihnen damals einerlei.

(Zurufe von Dr. Christian Beckmann, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Sie bestrafen die Behandlungsbedürftigen mit massiven Selbstbeteiligungserhöhungen und damit haben Sie die Solidarität im Gesundheitssystem erheblich beschädigt.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Mit all Ihrem Handeln haben Sie bis Herbst 1998 keine Maßnahmen initiiert, die die Entwicklung der SV-Beiträge günstiger gestalten.

(Harry Glawe, CDU: Das ist unerhört! Das ist eine glatte Lüge! – Barbara Borchardt, PDS: So was sagt man nicht. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Präsident!)

Und weil dem so ist, finde ich es wirklich fragwürdig, hier so ein Herz für die Lohnnebenkosten zu offerieren.

(Nils Albrecht, CDU: Jetzt zur Zukunft, Herr Koplin!)

Sie haben seinerzeit bestehende Unwirtschaftlichkeiten nicht beseitigt. Der Gesundheitsbereich war für Sie immer nur der Steinbruch des Bundeshaushaltes,

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU – Beifall Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, genau so!)

den man abtragen kann. Die Begründung Ihres Antrages offenbart die wahre Absicht. Da geht es nämlich um eine Generalabrechnung mit der Bundesregierung, um etwas anderes geht es nicht.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist die Wahr- heit, um mit Herrn Rehberg zu sprechen.)

Ich halte diese Generalabrechnung einfach schlicht und ergreifend für untauglich, denn da wird sehr viel spekuliert, wie zum Beispiel der kurz bevorstehende finanzielle Ruin der GKV. Für gar abenteuerlich und beleidigend zugleich halte ich die Behauptung, die Qualität der medizinischen Versorgung würde abnehmen. Wissen Sie, was sich dahinter verbirgt? Gegenüber den 2.736 Hausärzten zum Beispiel oder Tausenden Arzthelferinnen sprechen Sie unisono hiermit eine Beleidigung aus.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist doch gar nicht wahr. – Nils Albrecht, CDU: Sie wissen doch genau, dass sie nicht anders können, weil der medizinische Dienst da jedes Mal antanzt und sie unter Druck setzt.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Gegenzug zu Ihrer Meinung unterstützt die PDS-Fraktion im Landtag einige Eckpunkte der geplanten Gesundheitsreform der jetzigen Bundesministerin Ulla Schmidt.

(Friedbert Grams, CDU: Die zur Zweiklas- senmedizin führt. – Nils Albrecht, CDU: Schmidt-Show. – Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Ja, Schmidt-Show!)

Sie hat bereits beim Jahresempfang der AOK hier in Schwerin im Juli diesen Jahres die Stärkung der GKV

(Wolfgang Riemann, CDU: Sagen Sie mal, was Sie in der nächsten Legislaturperiode machen werden!)

und die Stärkung der Solidaritäten der gesetzlichen Krankenversicherung als eines ihrer Gesundheitsziele benannt

(Nils Albrecht, CDU: Ja, viele.)

und da hat sie unsere volle Unterstützung.

(Nils Albrecht, CDU: Ja, und bei der Pharmaindustrie hat sie es auch gemacht.)

Dazu kommen wir noch mal.

Folgerichtig will sie mehr Gutverdienende in die GKV einzahlen lassen und das begrüßen wir.

(Nils Albrecht, CDU: Jaja. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Unternehmensberatung und so was. – Barbara Borchardt, PDS: Und wenn man das nicht mehr kann, kommt man hierher.)

Ebenso begrüßen wir ihre Bemühungen, die Lotsenfunktion der Hausärzte zu profilieren, oder die Aktivitäten zur besseren Fortbildung der Ärzte. Jedoch halten wir das Ansinnen der jetzigen Gesundheitsministerin – und, Herr Albrecht, jetzt will ich das natürlich schon ein bisschen differenzieren, ein bisschen auseinander halten –, für große Arzneimittelpackungen mehr zahlen zu lassen, für völlig abwegig, übrigens ein Prinzip, das Sie eingeführt hatten mit der Zuzahlung für Arzneimittel.

(Harry Glawe, CDU: Das war auch völlig richtig.)

Preisbestandteile wie die Zuzahlung zu Arzneimitteln an der Packungsgröße festzumachen ist medizinisch sachfremd und wirtschaftspolitisch widersinnig.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und wenn du richtig krank warst, hast du dir Medika- mente aus dem Westen schicken lassen.)

Wir gehen doch auch nicht in den Laden und kaufen eine Tüte Zucker oder Tüte Mehl danach, wie groß die Verpackung ist, sondern wir kaufen nach dem Inhalt, nach dem Gewicht.

(Harry Glawe, CDU: Nein. Es geht darum, dass ohne Schranke auch größere Packun- gen von Medikamenten verschrieben werden können. Darum geht es!)

Bei Arzneimitteln sind doch die Wirkstoffe entscheidend. Sie brauchen mich nicht zu belehren, Herr Glawe, das sehe ich schon so.

(Harry Glawe, CDU: Sie haben doch das System gar nicht begriffen.)

Die von uns unterstützten und benannten Bemühungen der Bundesgesundheitsministerin werden aus unserer Sicht durch den jüngsten Beweis des Bundeskanzlers, den großen Konzernen zu Diensten zu sein, konterkariert.

(Beifall Nils Albrecht, CDU: Ja.)

Dass der Bundeskanzler den Pharmakonzernen ermöglichte, sich in der Auseinandersetzung um die Arzneimittelkosten mit 400 Millionen DM freizukaufen, ist schlicht und ergreifend ein

(Beifall Nils Albrecht, CDU: Ja, bravo! – Beifall Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, genau so. Das ist wohl wahr.)

Skandal.

Das 3 Milliarden schwere Defizit bei den Kassen ist maßgeblich erst durch die Preisbildungspraxis der Pharmaindustrie entstanden.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sehr richtig.)

Mit einer Einmalzahlung von 400 Millionen DM sind Sie nun aus jeglicher Mitverantwortung entlassen und im Gegenzug erhalten Sie aus dem Bundeshaushalt noch 1,5 Milliarden DM für Forschung, zahlen also de facto gar nichts. Sie können das verrechnen. Im Grunde genommen halte ich das für wirklich schlimm.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Gewährleistung der Beitragssatzstabilität stellt die PDS Folgendes in die notwendige gesellschaftliche Diskussion:

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)