Ja, meine Damen und Herren, die Schüler, die sich heute der PISA-Studie unterzogen, wurden Anfang der 90er Jahre eingeschult. Die Ergebnisse der Studie sind aber nicht so schlecht, weil die CDU Anfang der 90er Jahre die Stundentafel anpasste.
Meine Damen und Herren! Diese Vereinfachung, Herr Kollege Bluhm, trägt nicht, denn ich bin nicht bereit, die Verantwortung für ganz Deutschland zu übernehmen.
Ich – und auch keiner meiner Fraktionskollegen – werde gewiss nicht im Büßerhemd durch das Land ziehen, wie Sie es im Dezember gefordert haben.
Es ist zudem vermessen und unangebracht, wenn gerade die PDS hier im Landtag religiöse Anwandlungen bekommt.
Zum Büßerhemd besteht kein Anlass. Sie haben heute die Verantwortung. Und die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern sagt auch nicht, dass die Opposition ausschließlich Rückschau halten sollte, sondern sagt, und das ist unser Verfassungsauftrag, dass wir die Arbeit der Regierung kritisch zu begleiten und Alternativen zur Regierungspolitik zu entwerfen haben.
Und dass wir Alternativen zur Regierungspolitik entworfen haben, das haben Sie, sehr geehrter Herr Bluhm, im Juni vergangenen Jahres angesichts unseres Schulgesetzentwurfes eingeräumt.
Sie werden sich wohl noch an Ihre eigenen Worte erinnern, Herr Bluhm. Wir sind auch nicht die rettenden Engel. Wir hätten nur von Ihnen erwartet, Herr Bluhm, dass Sie Ihre hehren Ansprüche aus Oppositionszeiten in der Regierung aufrechterhalten hätten, so zum Beispiel im Umgang mit Anhörungsergebnissen.
Meine Damen und Herren, Sie hatten in den vergangenen Jahren nichts zu bieten, außer der CDU wieder und wieder ihre bildungspolitische Geschichte vorzuhalten. Das Einzige, was man Ihnen anrechnen kann,
ist das zielstrebige Bemühen, Ihre bildungspolitischen Vorstellungen in praktische Schulpolitik umzusetzen. Ihr Landesarbeitskreis Bildung, sehr geehrter Herr Bluhm, hat ja ausgesprochen, was Sie praktizieren, und das ist die Rückkehr zur zehnklassigen Oberschule. Das zu leugnen dürfte Ihnen in der Zwischenzeit schwer fallen.
Aber Sie haben wenigstens ein Konzept, im Gegensatz zu Ihrem Koalitionspartner. Der hat ja bis heute wahrscheinlich nicht die Tragweite der vorliegenden Beschlussempfehlung abschätzen können und er läuft in seinen bildungspolitischen Ansichten und Vorstellungen entweder der CDU hinterher oder unterwirft sich dem Druck der PDS.
Denn nur so kann ich Frau Polzin interpretieren, wenn Sie im „Nordkurier“ zitiert wird, dass die Koalition fast allen Anträgen der CDU inhaltlich gefolgt sei.
Darum lohnt die Auseinandersetzung mit der SPD nicht, meine Damen und Herren, das haben sogar die Menschen im Land begriffen. Denn das kennzeichnet die bildungspolitische Auseinandersetzung in MecklenburgVorpommern seit 1998, die sich im Wesentlichen nur zwischen der CDU und der PDS abgespielt hat, obwohl die SPD den Bildungsminister stellt. Dabei ist es beispielsweise bezeichnend, wenn Herr Bürgermeister Siegfried Friese von der SPD die PDS und ihre Mitarbeiter bemüht, um die Regionale Schule in Bad Kleinen erklären zu lassen, und dies dann gründlich misslingt.
Es ist schon bezeichnend, wenn besorgte Eltern auf einem Bildungsforum in Stralsund vor einigen Tagen dem Bildungsminister das Wort entziehen, weil er nachweislich nicht über den schulischen Alltag und die Probleme von Eltern und Lehrer unterrichtet ist. Die Menschen werden das Gefühl nicht los, dass die engsten Mitarbeiter ihrem Minister die zahlreichen Beschwerdebriefe vorenthalten, die an alle Fraktionen und das Ministerium gehen.
Ich denke, auch Sie, Herr Bluhm, werden einmal mehr in Stralsund erfahren haben – ich sprach zur gleichen Zeit mit Lehrern und Eltern in Ueckermünde –, wo die tatsächlichen Probleme von Schule und Unterricht liegen. Und Sie werden gelernt haben, Herr Bluhm, dass Ihnen der Bildungsminister Ihrer Koalition dabei keine große Hilfe für die Umsetzung Ihrer Schulpolitik ist, wenn er immer wieder und immer wieder für seinen Statistikkurs in der Volkshochschule übt und wirbt. Ich bin gespannt, wie Herr Professor Kauffold dort in einem Kurs mit 30 Schülern die Grundlagen der Statistik vermittelt bekommt. Sollten ihm das zu viele Kursteilnehmer sein, dann können wir ihn mit der Aussage beruhigen, dass im Durchschnitt nur 22,4 Teilnehmer einen Kurs in der Volkshochschule belegen. Damit wird er dann ja wohl fertig werden.
Meine Damen und Herren, das ist genau die Argumentation, die Herr Professor Kauffold mit jeder Pressemitteilung, mit jedem Statement vorbetet. Genau dies geht aber meilenweit an den Realitäten, an den Schulstandorten vorbei, an denen Schüler durch die neue Schulentwicklungsplanungsverordnung des gleichen Ministers konzentriert werden.
Genauso verhält es sich mit dem Stundenausfall. Statistisch gesehen stehen wir gut da. Aber was nutzt die Statistik den Schülern am Gymnasium in Dorf Mecklenburg, wenn die Eltern uns mitteilen, dass in der Klasse 5/1 zu Schuljahresbeginn von 30 Stunden Mathematik in sechs Wochen nur 3 erteilt wurden? Was sagen Sie denen? Und, meine Damen und Herren, das ist kein Einzelbeispiel. Um alle Beispiele aufzählen zu können, würde ich meine Redezeit um ein Vielfaches überziehen müssen. In wessen Verantwortung, Herr Bluhm, fallen eigentlich diese Statistiken?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur das. PISA hat deutlich gemacht, dass die deutschen Schüler eine außergewöhnliche Schwäche im Verstehen von Texten haben. Richtig ist, das betont der Bildungsminister, das betonen auch Sie, Herr Bluhm, dass wir dazu PISA nicht gebraucht hätten. Richtig ist auch die Nachfrage der Eltern in Stralsund: Wenn dies sattsam bekannt war, warum haben die, die seit 1998 die Verantwortung in diesem Land haben, nicht längst etwas dagegen getan?
Wie kann es sein, dass wir an Realschulen Schüler haben, die Russisch lernen und nicht der eigenen Muttersprache mächtig sind? Auch das sind keine Einzelfälle.
Und viele Einzelfälle ergeben ein Bild von Schule in Mecklenburg-Vorpommern, das in eine Bildungskatastrophe führt.
Ja, meine Damen und Herren, wir müssen den Bildungsnotstand in Mecklenburg-Vorpommern erklären. Die Ergebnisse der Mathematikprüfungen sind doch nicht
so schlecht, weil die Schüler nicht rechnen können. Sie sind so schlecht, weil sie die Aufgaben nicht verstehen. Wir können die Stundentafel so auffüllen, dass die Schüler nur noch in der Schule sitzen. Aber gibt uns das die Gewähr dafür, dass diese Schüler dann häufiger zu Hause ein Buch zur Hand nehmen oder Eltern mit den Kindern lesen? 42 Prozent aller befragten Schüler in Deutschland gaben an, nicht zum Vergnügen zu lesen. Das ist der mit Abstand höchste Wert. Hier bin ich auf die Ergebnisse für Mecklenburg-Vorpommern gespannt.
Mich interessiert weniger, ob das gegliederte Schulwesen oder das integrierte Schulwesen gut oder schlecht ist. Mich interessieren die Fakten dahinter. Mich interessiert die Quote, wie viele Schüler in Mecklenburg-Vorpommern mit Vergnügen lesen, wie viele nicht. Mich interessiert, wie die Rahmenpläne sich auf solche Quoten einstellen, welche Schlussfolgerungen Lehrer aus solchen Quoten ziehen, wie wir die Rahmenpläne, die Gestaltung des Unterrichts auf solche Fragen abstellen.
Sie haben uns belächelt, als wir mit unserem Schulgesetz die Rahmenpläne auf Lehrpläne umstellen wollten, einen höheren Grad der Verbindlichkeit in die Curricula hineinbekommen wollten, um auf diese Defizite reagieren zu können. Ich sagte es eingangs schon, es geht um grundsätzliche Fragen von Bildung, es geht um Bildungsverständnis in der Gesellschaft. Dafür tun Sie sehr wenig. Im Gegenteil, Sie beschneiden die Fördermöglichkeiten für die Schüler, die mit einem hohen Maß an Defiziten aus dem Elternhaus, aus der Grundschule in die Regionale Schule kommen. Fach-Leistungs-Differenzierung im Fach Deutsch setzt in der Regionalen Schule erst mit der 8. Klasse ein, in Mathematik in der 7. Klasse.
Die gleichen antiquierten Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung in der Stundentafel. Der mathematischnaturwissenschaftliche Bereich wird gestärkt. Sicher, Deutsch erhält auch eine Stunde mehr, aber Musik zum Beispiel ist und bleibt ein Einstundenfach. Mit diesem System, das im Gegensatz zur Behauptung von Herrn Bluhm inhaltlich gar nicht auf PISA reagiert, obwohl alle gewusst haben, wie die Ergebnisse dieser Studie ausfallen, werden Sie auch in Zukunft scheitern.
Und, meine Damen und Herren, Sie haben die Öffentlichkeit getäuscht, und das in mehrfacher Hinsicht. Sie haben der Öffentlichkeit nicht gesagt, dass Sie mit der Schulentwicklungsplanung Geld sparen wollen. Sie haben der Öffentlichkeit nicht gesagt, dass die Regionale Schule eine Sparschule ist. Sie haben der Öffentlichkeit ebenso klar machen wollen, dass nach Klasse 6 die Schule über die weitere Schullaufbahn der Schüler entscheidet, dies so in Ihrem Gesetzentwurf vom Dezember aber gar nicht vorhanden ist. Dies sind nur drei Auswüchse Ihrer Täuschungsmanöver gegenüber den Menschen im Land.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schulentwicklungsplanung und Regionale Schule sind nicht voneinander zu trennen, so, wie es uns auch der Finanzausschuss weismachen wollte. Im Finanzausschuss räumte die Regierung ein, dass dadurch Mittel im erheblichen Umfang für das Land eingespart werden. Die gleiche Aussage wollten Sie aber für die Regionale Schule nicht treffen. Wir wissen es aber besser. An den Staatssekretär im Finanzministerium ist am 22. März 2000 ein Schreiben der Arbeitsgruppe „Strukturmaßnahmen zum Haushaltsplan 2001 – Aufgabenbereich Schulorganisation“ ergangen. Im Finanzausschuss hat die Landesregierung nur vage oder gar nicht den dortigen Darstellungen widersprochen. Ich habe extra
dafür einmal die Protokolle dieser Finanzausschusssitzung gelesen. Und die Realität zeigt, dass vieles aus diesem Brief Eingang in die Schulpolitik gefunden hat.
Dort heißt es, ich zitiere: „Besondere Einspareffekte sind durch die oben genannten Vorschläge zu erwarten, wenn die mehrfach öffentlich dargestellten Vorstellungen des Bildungsministeriums umgesetzt würden, demnach Haupt- und Realschulen bildungsgangübergreifend zu ,Regionalschulen‘ zusammengeführt werden.“ Ende des Zitats. Also, besondere Einspareffekte waren der Grund für die Einführung der Regionalen Schule. Oder wie sollen die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern diese Aussage sonst verstehen? Wie, sehr geehrter Herr Bluhm, wollen Sie Ihre Bildungspolitik weiter glaubhaft vermitteln, wenn es in diesem Schreiben weiter heißt, und ich zitiere: „Die Bildung größerer Klassen und damit einhergehend eine Verringerung der Klassenzahl insgesamt ermöglicht es, sowohl den regulären Unterricht als auch erforderlichen Vertretungsunterricht bei gleichem Lehrereinsatz zu verstärken. Mehrbedarfe für eine zu kleinteilige Organisation werden vermieden. Daraus ergeben sich Umschichtungsmöglichkeiten, die … zur Einsparung genutzt werden können.“ Ende des Zitats.
Meine Damen und Herren, es ist schon eine fachpolitische Zumutung und Offenbarung, wenn Sie Unterrichtsausfall mit größeren Klassen begegnen wollen. Aber das ist konsequent. Warum nicht gleich zwei Klassen zusammenlegen, wenn sie dies bei Unterrichtsausfall ohnehin tun? Hier wird die Ausnahme zur Regel erklärt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bildungsprobleme fangen nicht erst im weiterführenden Bereich an. Sie fangen im vorschulischen Bereich an und setzen sich in der Grundschule fort. Das Trauerspiel dieser Landesregierung im Umgang mit den Kindertagesstätten will ich hier nicht noch einmal aufwärmen.
Wie sollen die Menschen im Land die folgende Aussage bewerten, die auch den Planungen des Bildungsministeriums entspricht? Ich zitiere noch einmal den Brief an den Staatssekretär des Finanzministeriums: „Zudem will das Bildungsministerium den Bandbreitenerlass zum Schuljahr 2000/01 in Nr. 3.2.1. so ändern, dass Grundschulen an Mehrfachstandorten durchschnittliche Klassengrößen von zumindest 24 Schülern zu bilden haben. Beide Maßnahmen führen dazu, dass bei der Klassenbildung in größeren Orten mit mehreren Grundschulen nicht mehr am unteren Rand der Bandbreite orientiert werden kann und somit weniger und größere Klassen gebildet werden.“ Ende des Zitats.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Planung ist zwar nicht umgesetzt worden, aber ernsthafter Bestandteil Ihrer Sandkastenspiele und ein Beweis dafür, dass in Fragen der Bildungspolitik nicht der pädagogische Sachverstand der Schulabteilung nachgefragt wird, sondern allein und ausschließlich die Vorgaben von Frau Keler weitgehend unkritisch realisiert werden
oder im gerade genannten Fall wahltaktisch verschoben werden, denn die Umsetzung dieser Maßnahme würde das Fass endgültig zum Überlaufen bringen, und das wissen auch Sie.
Meine Damen und Herren! Vor einigen Monaten gab ich hier an dieser Stelle zu bedenken, dass die Konzentration von Schulstandorten zu großen Klassen führen wird und
damit einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Qualität von Unterricht hat. Das wurde damals vom Bildungsminister bestritten, obwohl dies nachweislich Bestandteil seiner Planungen ist und war. Ich will hier kein unparlamentarisches Wort gebrauchen