Protokoll der Sitzung vom 24.04.2002

Meine Damen und Herren, und damit zum zweiten Punkt: Werden wir mit unserem Schulgesetz, seinen Änderungen und mit dem Entwurf für ein Landeshochschulgesetz diesen veränderten Anforderungen gerecht? Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Der Bildungsminister hat es in seiner Eingangsrede schon deutlich gemacht: Wir haben in den letzen Jahren an den Schulen entscheidende Weichenstellungen vorgenommen für Qualitätssicherung und -entwicklung von Bildung und Erziehung, für mehr Chancengleichheit und nicht zuletzt auch für mehr Leistungsorientierung. Mit der Entwicklung eines zukunftsfähigen Schulnetzes und der Umsetzung des Lehrerpersonalkonzepts wird zudem der Schülerrückgang auf sozial verträgliche Weise abgefedert. Wir haben den Schulen auch mehr Freiraum gegeben zur Profilbildung.

Maßstab unseres Handelns war und ist bei allem, was wir tun: so viel Verlässlichkeit und Kontinuität wie möglich, so viel Veränderung wie nötig! Das tun wir. Wir bilden die Lehrerinnen und Lehrer gezielt fort. Wir haben die von der ersten Landesregierung vorgenommene Kürzung des Grundschulunterrichts wieder rückgängig gemacht und qualitative Verbesserungen durchgeführt. Wir haben eine Orientierungsstufe geschaffen, die durch gezielte Förderung und Durchlässigkeit die Chancengleichheit erhöht und zugleich leistungsorientiert ist. Das Angebot an Ganztagsschulen bauen wir kontinuierlich aus zur Verbesserung der Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler, aber auch um Müttern und Vätern eine chancengleiche Teilnahme am Berufsleben zu ermöglichen. Dazu will die SPD zukünftig auch jedem Kind in MecklenburgVorpommern ab dem zweiten Lebensjahr bis zur Beendigung der Grundschulzeit einen Kinderbetreuungsplatz garantieren, wenn es gewünscht wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Dabei erhalten wir umfassende Unterstützung der Bundesregierung. Sie will den Ländern und Kommunen 4 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um die Kinderbetreuung auszubauen, und damit helfen, auch mehr Ganztagsschulen zu ermöglichen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Mit der Einführung der Regionalen Schule ziehen wir die Konsequenz aus dem Rückgang der Schülerzahlen,

verbessern das Unterrichtsangebot für mehr Schüler und bereiten unsere Schülerinnen und Schüler besser auf eine Berufsausbildung vor, während das Gymnasium gezielter auf das Studium vorbereitet. Wir verkürzen den gymnasialen Bildungsgang für alle auf zwölf Jahre, damit unsere Schülerinnen und Schüler international wettbewerbsfähig sind. Dies tun wir auf eine Weise, dass unser Abitur auch weiterhin bundesweit anerkannt bleibt.

Frau Schnoor, ich stimme Ihnen zu, dass die absolute Stundenzahl eigentlich nicht das Kriterium für die Qualität von Schule und Bildung sein sollte. Aber wenn es nun einmal so ist und so war, dass 265 Wochenstunden das Maß für die Anerkennung des Abiturs in der gesamten Bundesrepublik waren, dann dürfen wir unsere Schüler nicht mit einem Abitur in die Welt schicken, das in anderen Bundesländern nicht anerkannt wird. Und müssen wir uns nicht auch die Frage stellen, ob wir nicht zu kritiklos einiges übernommen haben im Bereich des Bildungssystems? Ich bin beileibe kein Freund des ideologisch durchsetzten Bildungssystems der DDR gewesen. Aber die Frage muss erlaubt sein, weshalb Schülerinnen und Schüler auf DDR-Schulen zumindest ein besseres naturwissenschaftliches Wissen vermittelt bekamen, als das heutzutage der Fall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Und trotz allgemeinem Konsolidierungszwang halten wir die Bildungsausgaben auf hohem Niveau konstant. Mit dem Doppelhaushalt 2002/2003 heben wir sie sogar noch an. Sparen ja, aber nicht in der Bildung – dafür steht diese Landesregierung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und was für die Schulen gilt, gilt erst recht für die Hochschulen. Zwischen 1991 und 2000 wurden für den Ausbau der Hochschulen Mittel in Höhe von rund 609 Millionen Euro eingesetzt und auch in den nächsten Jahren werden die Hochschulen kontinuierlich weiter ausgebaut. Und ich bin stolz darauf, dass unsere Hochschulen schon heute Spitzenplätze in den Rankings belegen. Die steigende Nachfrage von Studenten aus dem In- und Ausland ist, glaube ich, ein Beweis für die Attraktivität unserer Universitäten und Fachhochschulen.

(Beifall Ute Schildt, SPD)

Wer effektiv studieren will und wem eine gute Betreuungsrelation zwischen Hochschullehrern und Studenten wichtig ist, der ist in Mecklenburg-Vorpommern gut aufgehoben. Wir bieten moderne Studiengänge mit internationalen Abschlüssen und vielerorts eine enge Kooperation mit der Wirtschaft. Diesen Weg gilt es weiter auszubauen, um unsere Hochschulen national wie vor allem auch international zukünftig noch attraktiver zu machen. Der Entwurf für ein neues Landeshochschulgesetz, das in diesem Hause zur Beratung ansteht, gibt den Hochschulen dafür ein höheres Maß an Freiheit und Autonomie durch mehrjährige Zielvereinbarungen, budgetierte Globalhaushalte und durch verbesserte Möglichkeiten für die unternehmerische Tätigkeit der Hochschulen als bisher.

Meine Damen und Herren, Strukturen, die veränderten Rahmenbedingungen und Anforderungen Rechnung tragen, sind unerlässlich. Ich denke, wir sind hier mit unseren Maßnahmen auf einem richtigen Weg. Aber das allein reicht nicht. Es gilt, den jeweiligen Rahmen auch auszufüllen und zu nutzen. Was wir brauchen, ist eine grundle

gende Diskussion darüber, was Bildung eigentlich heute ist und sein soll. Was ist in diesem Zusammenhang Qualität? Und damit sind wir beim dritten Punkt, den ich eingangs nannte.

In einer Gesellschaft, die sich ständig verändert, ist die Fähigkeit, mit Wandel umzugehen, Wandel zu nutzen und zu gestalten, eine der wichtigsten Fähigkeiten überhaupt. Dazu gehört in unserer globalisierten Welt auch die Fähigkeit, mit Unbekanntem und Fremdem umzugehen. Inwieweit es uns gelingt, uns darauf einzustellen, wird darüber entscheiden, wie zukunftsfähig wir sind.

(Beifall Siegfried Friese, SPD, und Ute Schildt, SPD)

Es ist unerlässlich, dass Kinder heute schon früh lernen, damit umzugehen.

Neben solidem Fachwissen werden Fähigkeiten wie Eigenverantwortung, Urteilsvermögen und Kreativität immer wichtiger. Es geht auch darum, die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen zu wecken. Schule und Hochschule müssen heute verstärkt vermitteln, wie man Probleme löst und wie man über das, was man gelernt hat, mit anderen kommuniziert. Im Team kommt man weiter als allein. Und deshalb gilt es vor allem, soziale Kompetenzen auszubilden. Es gilt, soziales und intellektuelles Lernen stärker zusammenzuführen, denn nicht der mit den besten Noten und mit dem meisten Fachwissen kommt am weitesten, sondern der, der Fachwissen mit sozialer Kompetenz verbindet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Damit verändert sich auch die Rolle der Lehrer. Sie werden zukünftig noch viel stärker als bisher zu Moderatoren dynamischer Gruppen- und Lernprozesse werden.

Lehrer sein ist einer der verantwortungsvollsten und schönsten Berufe, die es gibt. Wir haben viele gute und engagierte Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land. Lehrer zu sein ist aber auch anstrengend – ich glaube, heute mehr denn je. Und mancher gewiefte Unternehmer oder auch Politiker würde diesen Job wohl kaum einen ganzen Tag lang durchstehen, ohne wenigstens einmal an Flucht zu denken.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

Die Lehrerinnen und Lehrer unseres Landes verdienen unsere Anerkennung für das, was sie Tag für Tag leisten, und sie brauchen vor allem eins: Unterstützung!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine Damen und Herren, die Schule kann nicht Reparaturbetrieb einer ganzen Gesellschaft sein.

(Beifall Heike Polzin, SPD)

Sie kann allein nicht auffangen, was sonst verkehrt läuft. Unsere Jugend lernt vor allem von Vorbildern und Beispielen und diese sollten wir ihnen alle gemeinsam geben: in der Familie, im Betrieb, im Verein, in Parteien und Gewerkschaften, in Bürgerinitiativen, in Kirchen- und Bildungseinrichtungen.

„Bildung – Alles, was man wissen muss“ – ein Buch mit diesem Titel war in den letzten zwei Jahren über viele Monate auf den Bestsellerlisten zu finden, was zeigt, Orientierungswissen ist gefragt wie nie zuvor. Alles, was man

wissen muss, auf rund 500 Seiten – das beruhigt und führt doch in die Irre. Denn letztlich ist Bildung Gespräch, ist fragen können und vor allen Dingen, meine Damen und Herren Abgeordnete, es ist zuhören können. Ich denke, da haben wir alle noch Bedarf. Arbeiten wir gemeinsam dafür, dass wir auf konkrete Fragen, die sich stellen, konkrete Antworten finden, die unseren jungen Menschen neue Chancen für die Zukunft eröffnen! Einander zuzuhören wäre dafür der Anfang. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Ministerpräsident.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Aufgrund des Paragraphen 85 unserer Geschäftsordnung

(Volker Schlotmann, SPD: Muss die CDU unbedingt noch mal.)

stehen der Fraktion der CDU laut Absatz 1 und Absatz 2 noch 16 Minuten Redezeit zur Verfügung, da die angemeldete Redezeit durch die Landesregierung überschritten wurde.

(Angelika Gramkow, PDS: Jetzt jeder noch mal zwei Minuten.)

Das Wort hat Frau Schnoor von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, nun rede ich doch noch einmal zur Schulpolitik.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS: So ernst meint sie das hier mit uns.)

Man soll nie nie sagen.

Meine Damen und Herren! Nach dieser Debatte frage ich mich ernsthaft, ob mein Niveau für Sie zu hoch ist

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS)

und Sie nicht in der Lage sind, mich zu verstehen.

(Heike Polzin, SPD: Wahrscheinlich.)

Die andere Möglichkeit wäre, dass Sie politisch unredlich sind und absichtlich den Menschen im Land unsere Politik versuchen anders zu erklären, als sie wirklich ist.

(Volker Schlotmann, SPD: Sehr gut! Fand ich Klasse.)

Das eine kann man positiv sehen und das andere würde man negativ sehen müssen.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS: Dann erklären Sie die doch richtig, Frau Schnoor, wissen Sie!)

Meine Damen und Herren! Ich muss einfach deswegen die Gelegenheit noch einmal wahrnehmen,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na dann machen Sie doch! Tun Sie’s!)