Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

Internationale Zusammenarbeit ist wichtig und unverzichtbar beim Thema Schiffssicherheit. Entscheidenden Einfluss auf entsprechende Vereinbarungen zum Schutz vor Ölkatastrophen können wir aber nur nehmen, wenn wir unsere eigenen nationalen Hausaufgaben so erledigen, dass wir unsere internationalen Partner damit überzeugen können, und das heißt praktisch die Umsetzung der Konzepte Nord- und Ostsee, die seit Jahren von allen Experten gefordert und im April vorigen Jahres zum wiederholten Male bestätigt wurden. Dazu gehört vor allem eben der Sicherheitsschlepper, das Sicherheitsschiff für die Nord- und für die Ostsee.

Mit drei unserer Kernforderungen, die seit 1999 auf dem Tisch lagen und denen Sie sich ja dann auch in vielen Bereichen Gott sei Dank angeschlossen hatten, hätte die Katastrophe vor Møn vielleicht verhindert werden können. Das waren erstens Weitbereichsradar, zu der AIS bis heute eben nur eine Ergänzung sein kann, und Meldepflicht, zweitens Lotsenpflicht in stark befahrenen und nautisch schwierigen Revieren wie der Kadet-Rinne, und drittens ein Sicherheitsschlepper, ein Sicherheitsschiff, das die manövrierunfähige „Baltic Carrier“ schnell auf den Haken nehmen und aus der Gefahrenzone hätte vielleicht schleppen können.

Was aber ist praktisch im Bereich der staatlichen Notschleppkapazität nach der Katastrophe vor der Insel Møn passiert? Das Bodewig-Konzept blieb schon bei seiner Ankündigung im Sommer vorigen Jahres und bei seiner Bestätigung im November weit hinter den Forderungen von Experten und engagierten Politikern aus den fünf norddeutschen Küstenländern zurück. Weder die Erfahrung nach der „Pallas“-Havarie noch die nach der Ölkatastrophe vor der Insel Møn wurden angemessen berücksichtigt, ganz zu schweigen von zukünftigen Gefährdungspotentialen, die sich aus der dynamischen Entwicklung des Seeverkehrs in der westlichen Ostsee ergeben, und ganz zu schweigen von weiteren zukünftigen unkalkulierbaren Gefährdungspotentialen durch Offshorewindanlagen für die Schiffssicherheit in der westlichen Ostsee.

Bundesverkehrsminister Bodewig kündigte ein Notschleppkonzept an, womit er sich – und das muss man wohl so interpretieren – offensichtlich wohl nur über die Wahl retten will. Der in Warnemünde stationierte Schlepper „Fair Play 26“ hat 65 Tonnen Pfahlzug, aber nur einen Chartervertrag bis Ende Oktober diesen Jahres. Das ist natürlich besser als gar nichts, das muss man anerkennen. Bodewig setzt aber im Kern mit seiner Konzeption auf ein Nachsorgekonzept, das den Erfordernissen der 80er, Anfang der 90er Jahre entspricht. Rückgrat seiner Flotte bleibt das für 2006 geplante Mehrzweckschiff „Rügen“, obwohl sich das Mehrzweckschiffsnachsorgekonzept nicht bewährt hat und die „Pallas“-Havarie eindeutig begünstigte. Der Holzfrachter „Pallas“ ist gestrandet, weil zwei hochgelobte Mehrzweckschiffe den 10.000Tonnen-Havaristen eben nicht bei Sturm auf den Haken nehmen und nach Helgoland schleppen konnten. Deswegen wurde nach der „Pallas“-Havarie die „Oceanic“ als Sicherheitsschiff vor Helgoland stationiert.

Rückgrat bei der Verbesserung der maritimen Notfallvorsorge, das heißt der Notschleppkapazität im Bereich

der Kadet-Rinne und bis Rügen, kann nur ein Sicherheitsschiff mit circa 150 Tonnen Pfahlzug sein, nicht aber ein schon heute technisch und konzeptionell veraltetes Mehrzweckschiff. Hinzu kommt, dass das Mehrzweckschiff „Rügen“ erst dann in Saßnitz stationiert werden soll, wenn mit Offshorewindanlagen weitere für die Schiffssicherheit nicht ganz ungefährliche Fakten in unserem sensiblen Küstengewässer geschaffen worden sind.

Mit circa 60.000 Schiffsbewegungen ist die Kadet-Rinne bis heute ein gefährliches Nadelöhr, in circa 10 Jahren werden es nach Expertenschätzungen bis 180.000 Schiffsbewegungen sein, darunter auch Aframaxtanker mit 130.000 TDW. Hinzu kommt der steigende Passagier- und Fährverkehr in der westlichen Ostsee mit Schwerpunkt Mecklenburger Bucht, Kadet-Rinne, Rügen sowie Pommersche Bucht. Das damit verbundene und steigende Risiko einer Ölkatastrophe oder eines Großschadensereignisses wird beim jetzigen Bodewig-Konzept völlig ausgeblendet und das ist die Situation ohne Offshorewindparks. Mit Offshorewindparks erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe mit nachfolgender Meeresverschmutzung dramatisch. Genau wie bei der Katastrophe vor der Insel Møn steuern wir, und dessen müssen wir uns klar sein, wahrscheinlich auf die nächste Katastrophe zu. Und ich meine, es ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, durch politische Entscheidungen die Schiffe zur Verfügung zu stellen, mit denen Katastrophen verhindert und Großschadensereignisse in der Ostsee optimal bekämpft werden können.

(Minister Dr. Wolfgang Methling: Na, das glauben Sie doch selber nicht.)

Aus diesem Grund benötigen wir in der westlichen Ostsee mindestens ein Sicherheitsschiff, das vor Warnemünde beziehungsweise nahe der Kadet-Rinne einsatzbereit auf Warte- und Überwachungsposition liegt. Mit hoher Schleppleistung, wie gesagt 150 Tonnen werden benötigt, hoher Schwerwettergeschwindigkeit, hoher Manövrierfähigkeit und variablem Tiefgang kann mit diesem Schiff die erforderliche Notschleppkapazität auch bei schwersten Wetterlagen vor unserer Küste sichergestellt werden.

Wir waren mit dieser Forderung einmal Vorreiter in Deutschland, der schleswig-holsteinische Landtag hat uns mit seinem parteiübergreifenden Antrag vom Januar 2002 überholt. Und die Diskussion um Offshoreanlagen hier im Parlament hat aus meiner Sicht gezeigt, dass die Politik mehrheitlich dabei ist, die Gefahren kleiner zu reden, als sie sind, zu ignorieren oder gar zu belächeln. Diese Einstellung ist es, die direkt in die Katastrophe führt, wenn nicht gegengesteuert wird. Wenn du denkst, Sicherheit ist teuer, dann lass es zum Unfall kommen. Auch mit einem falschen und der Entwicklung des Seeverkehrs eben nicht angemessenen Notschleppkonzept kann man es zum Unfall kommen lassen. Denken Sie bei Ihrem Votum bitte an die Zukunft unseres Landes, vor allen Dingen an die Zukunft des Tourismus. Mit der nächsten Ölkatastrophe wird diese Zukunft aufs Spiel gesetzt.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Aus diesem Grunde bitte ich um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Thomas.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Redezeit von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Umweltminister Herr Professor Dr. Methling.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Sicherheitskonzept für die westliche Ostsee ist ja nicht zum ersten Mal Gegenstand der Debatte in diesem Hohen Haus, sondern zum wiederholten Male beschäftigten wir uns mit diesem Thema mit verschiedenen differenzierten Inhalten, mit Anträgen der Opposition, mit Einzelanträgen, in diesem Fall mit einem Einzelantrag von Herrn Thomas. Ich stelle mir schon die Frage, warum es ein Einzelantrag ist. Haben Ihre Gefährten Sie verlassen in der Unterstützung bei Ihrem Anliegen?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Nichtsdestotrotz will ich wie bei allen anderen Gelegenheiten sachlich auf diesen Antrag eingehen und dann auch eine Bewertung vornehmen, zumindest aus der Sicht der Landesregierung.

Der Antrag gibt mir Gelegenheit – und dafür bin ich sehr dankbar –, über die Ergebnisse der vielfältigen Initiativen von Landesregierung und Parlament zu berichten, und ich hätte zumindest erwartet, Herr Thomas, dass Sie dieses etwas mehr würdigen,

(Beifall Bodo Krumbholz, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

weil es Ergebnisse der Arbeit des Parlamentes und der Landesregierung sind. Ich darf Ihnen ein paar Beispiele aufzählen. Wir sind sicherlich noch nicht am Ende des Weges angekommen, den wir alle gemeinsam gehen, aber ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen und aus meiner Sicht kann ich sagen, das ist viel mehr als nichts:

Als Erstes darf ich benennen die Neubetonnung der Kadet-Rinne zur Erweiterung des Tiefenwasserwegs „East of Gedser“.

Zweitens nenne ich die Schaffung der technischen Voraussetzungen für die Kontrolle der Schifffahrt mittels AIS in der Revierzentrale Warnemünde.

Drittens wurde die Vereinbarung zwischen der deutschen und der polnischen Wasser- und Schifffahrtsverwaltung über gegenseitige Hilfe und Information bei Gefahren im Grenzgebiet abgeschlossen. Diese Vereinbarung ist im November 2001 unterzeichnet worden.

Viertens wird ein neues Ölbekämpfungsschiff „Strelasund“ noch in diesem Sommer bereitgestellt. Finanziert wird dieses Schiff durch die Küstenländer. Bei der Gelegenheit darf ich dazusagen, weil es Leserbriefe in Zeitungen dazu gegeben hat, dass es ein gemeinsames Schiff der Küstenländer ist. Mecklenburg-Vorpommern ist daran beteiligt mit 17 Prozent. Es ist nicht unser Schiff, sondern unser gemeinsames Schiff. Demzufolge entscheiden wir gemeinsam, wer den Auftrag zum Bau bekommt, und nicht Mecklenburg-Vorpommern allein, das will ich an dieser Stelle noch einmal sagen. Üblicherweise läuft es über Ausschreibungen, in denen man sich durchsetzen muss. So weit zum Verfahren, was dort in Frage gestellt worden ist.

Fünftens darf ich hier feststellen, dass der Bau eines neuen Ölbekämpfungsschiffes des Bundes, dieses Mal vom Bund finanziert, für 2004 festgelegt ist. Das hat Herr Thomas auch schon angesprochen.

Sechstens sind Untersuchungen eingeleitet worden zu weiteren Methoden der Ölaufnahme auf See. Dieses sind Untersuchungen, die von uns unterstützt werden.

Siebtens gibt es inzwischen einen Beschluss der IMO zur Errichtung eines empfohlenen Gebietes für die Pflicht zur Annahme von Lotsen in der Kadet-Rinne. Dieses betrifft jetzt Schiffe ab einem Tiefgang von 11 Metern, vorher waren es 13 Meter. Auch dort würde ich lieber weiter gehen als bisher beschlossen. Das wissen wir doch alle gemeinsam. Andererseits kennen wir die rechtliche Situation.

Achtens haben sich inzwischen die baltischen Staaten verpflichtet, mitzuwirken bei der Hafenstaatkontrolle, eine wichtige Forderung. Die baltischen Staaten haben diese Verpflichtung abgegeben bei der letzten Sitzung der HELCOM im September 2001.

Neuntens sind Untersuchungen eingeleitet worden zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Ausweisung eines PSSA-Gebietes (das ist ein Gebiet mit besonderer Sensi- bilität) in der Kadet-Rinne. Auch dieses war Gegenstand der Diskussion der Parlamentarierkonferenz hier im Hause, ob das dienlich sein könne. Das ist also auf den Weg gebracht. Zu welchen Beschlüssen es führt, kann ich noch nicht sagen.

Zehntens gibt es eine Zustimmung des Bundesrates zum Seesicherheitsuntersuchungsgesetz. Auch dieses ist, denke ich, ein Beitrag, die Rahmenbedingungen zu verbessern.

Elftens ist inzwischen das Erika-I-Paket der Europäischen Union verabschiedet worden.

Zwölftens wird in der nächsten Woche eine weitere deutsch-dänische Ölbekämpfungsübung vor Warnemünde stattfinden, dieses Mal mit Simulation von Ölflächen.

In aller Bescheidenheit will ich darauf hinweisen, dass das auf eine Anregung von mir zurückgeht. Ich habe gefragt, warum immer Trockenübungen gemacht werden, statt mal Material zu benutzen, was dann wirklich einzufangen ist, und das wird dieses Mal getan.

Und dreizehntens, damit will ich die Aufzählung beenden, liegen zwei Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Küstenländern vor zur Errichtung eines Havariekommandos und zur Ölschadensbekämpfung. Diese Vereinbarungen sind inzwischen vom Bundesverkehrsminister Bodewig unterzeichnet worden und, wie ich gestern der Zeitung entnommen habe, von Bremen.

Mecklenburg-Vorpommern hat die Voraussetzung getroffen, dass wir diesen Vereinbarungen zustimmen. Die Landesregierung wird sich in der nächsten Woche im Kabinett damit beschäftigen und ich hoffe, dass wir dann die notwendigen Schritte gehen können.

Fazit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist, es ist außerordentlich viel geschehen seit der 53. Sitzung des Landtages am 1. Februar 2001, wo wir über viele ungeklärte Dinge noch gesprochen haben. Daran – das möchte ich noch einmal hervorheben – haben Landesregierung und Parlament einen hohen Anteil und ich möchte auch den Anteil der Opposition hier fairerweise hervorheben.

(Beifall Gesine Skrzepski, CDU: Danke.)

Mir würde aber daran liegen, dass Sie auch die anderen Anteile mal benennen, aber das haben wir schon öfter diskutiert, das ist wohl zu schwierig für Sie.

Ich hätte in diesem Zusammenhang eine Bitte an das Parlament, das ist eine Bitte an den Präsidenten und an die Fraktionen. Wir werden in der nächsten Woche im Kabinett diese Vereinbarungen behandeln. Es gibt eine Kabinettsvorlage dazu, die Innenminister und Umweltminister ermächtigen, diese Vereinbarung zu unterzeichnen. Allerdings werden diese Unterschriften aus verfassungsrechtlichen Gründen unter Vorbehalt der Zustimmung des Parlaments vorgenommen. Das heißt, die Vereinbarungen sind schwebend unwirksam, und meine Bitte an Sie wäre, dass Sie dazu beitragen, dass dieser Schwebezustand aufgehoben wird

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Annegrit Koburger, PDS)

und wir so schnell wie möglich dieses Zustimmungsgesetz hier behandeln. Wir konnten es nicht eher vorlegen. Wir können doch keine eigene Vereinbarung vorlegen, sondern wir brauchen eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, und die liegt nunmehr vor.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Nächste Landtagssitzung.)

Wir brauchen also die Zustimmung des Parlamentes und meine Bitte wäre es, dass Sie möglichst in der letzten regulären Sitzung des Landtages die Erste beziehungsweise Zweite Lesung durchführen.

Ich denke, meine sehr geehrten Damen und Herren, das sollte unser gemeinsames Anliegen sein. Es ist gewissermaßen der Lohn der Mühe, auch wenn wir noch mehr Löhne einzufahren haben. Ich denke, es wäre auch ein gewisser Höhepunkt unserer gemeinsamen erfolgreichen Bemühungen. Deswegen meine herzliche Bitte: Richten Sie es so ein, wenn es denn geht, dass Sie durch Gesetz diesen Vereinbarungen zustimmen können!

(Beifall Rudolf Borchert, SPD, und Peter Ritter, PDS)

Ich hoffe, dass wir dieses leisten können. Ich bin gerne bereit, dann in den Fraktionen noch dazu zu sprechen, um Ihnen die Inhalte der Vereinbarung auch zur Kenntnis zu geben.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das kriegen wir wohl hin.)

Nun zum Antrag von Herrn Thomas. Nicht zum ersten Mal erhebt Herr Thomas die Forderung nach dem Bau eines privat finanzierten, das hat er in diesem Zusammenhang nicht gesagt, aber eines privat finanzierten Sicherheitsschleppers, eines Sicherheitsschleppers mit vielen Funktionen. Zunächst sollte es ein Alleskönner sein. Insofern bin ich verwundert, Herr Thomas, dass Sie jetzt einen Mehrkönner, der für Rügen stationiert werden soll, in Frage stellen. Sie haben schon viel mehr Funktionen auf einem Schiff gefordert, als sie dort vorgesehen sind.

In Ihrem heutigen Antrag geht es allerdings um eine kleinere Variante, gewissermaßen um ein Spezialschleppschiff, das Sie hier vorschlagen, und Sie beschäftigen sich auch damit, ob dieses richtig ist oder ob andere Konzepte richtig sind, und stellen immer wieder heraus, dass Spezialisten, dass Experten eine andere Bewertung vornehmen als die Bundesregierung und ihre Kommissionen.