Protokoll der Sitzung vom 27.06.2002

Erstens. Ihre Aussagen haben mit der Realität nichts, aber auch gar nichts zu tun.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Torsten Koplin, PDS: So ist es.)

Zweitens. Herr Dr. Born, erlauben Sie den Ausdruck, Ihre Bewertungen sind hanebüchen

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie sind jenseits jeder Realität.)

und sie sind völlig unhaltbar.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Und was Sie bezwecken ist klar. Sie werfen hier mit Vorwürfen um sich, in der Annahme, in der Erwartung, es bleibt schon irgendetwas hängen.

(Torsten Koplin, PDS: Genau das ist die Taktik. – Heidemarie Beyer, SPD: Richtig.)

Was Sie hier machen, ist Wahlkampf pur. Er ist unter der Gürtellinie

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja, ja, ja!)

und er ist diesem Parlament und seiner Arbeit nicht würdig. – Danke sehr.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Sie sind nicht mal Mitglied des Parlaments. Sie sind überhaupt nicht mal Mitglied des Parla- ments, Sie können das überhaupt nicht sagen. – Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Es steht Ihnen über- haupt nicht zu, das zu kritisieren. Es steht Ihnen überhaupt nicht zu, das Parlament zu kritisieren.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion der PDS.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin. Auf der Regierungsbank bitte ich um Ruhe!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde jetzt in die gleiche Kerbe schlagen, weil ich zu meinen Ausführungen zwei Vorbemerkungen machen möchte. Ich denke, Polemik ist belebend für dieses Haus, aber Unredlichkeit ist nicht belebend.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Meinen Sie damit sich selber?)

Zu den Auffassungen, die Sie hier wiedergegeben haben und die den Eindruck erwecken, als wäre das Auffassung des Ausschusses, muss ich Ihnen sagen, dieser Ausschuss hat festgestellt im Fall von Teterow und im Fall auch von Blähton, der damalige Wirtschaftsminister und heutige Ministerpräsident hat eine vorzügliche Arbeit geleistet und um jeden Standort gekämpft.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Ha, ha, ha!)

Ja, und zweitens, während ich da saß, habe ich mal überlegt, wie würde es mir gehen, wenn ich im Ausschusssekretariat gearbeitet hätte all die Zeit,

(Zurufe von Beate Mahr, SPD, und Wolfgang Riemann, CDU)

hier zu Beginn Lob erfahre und anschließend nur die Arbeit mies gemacht wird und gesagt wird, war sinnlos, war Verschwendung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Das ist ein aus meiner Sicht vergiftetes Lob

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS: Jawohl.)

und das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats und auch unserer Fraktionen nicht verdient.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Es wäre, sehr geehrte Damen und Herren, töricht und überheblich, wollte man mit heutigen Erkenntnissen über historische Ereignisse ein Urteil abgeben. Das gilt auch für die Privatisierung ehemals volkseigener Betriebe. In keiner Zeugenbefragung und auch nicht bei der Erarbeitung der Beschlussempfehlung hat die PDS die damalige Situation missachtet. Die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Mecklenburg-Vorpommern, egal welcher politischer Couleur, standen unter einem ungeheueren Druck. Reihenweise sind Arbeitsplätze weggebrochen. Es gab eine geringe Arbeitsproduktivität, veraltete Infrastruktur, ungeklärte Eigentumsverhältnisse, ungesicherte Finanzausstattung, Schwierigkeiten im Umgang mit dem Recht der Bundesrepublik Deutschland und Umweltprobleme. Es ließe sich also noch fortsetzen, was damals alles sozusagen an Aufgaben und Herausforderungen vor den Akteuren stand.

Diese Rahmenbedingungen haben wir in der Ausschussarbeit ständig im Hinterkopf gehabt. Gleichwohl,

auf die Leimrute der CDU sind wir nicht getreten. Sie bringt alles auf eine einfache und schlichte Formel, die da heißt: Wer die Drucksituation von der damaligen Zeit her anerkennt, der respektiert, ein anderes Handeln war überhaupt nicht möglich. Und das, sage ich, ist in zweierlei Hinsicht falsch, ganz zu schweigen davon, dass wir hier von Menschenschicksalen sprechen. Es ist zum einen falsch, weil es immer Alternativen gibt. Und zum Zweiten ist es falsch – Frau Monegel hat darauf schon hingewiesen –, weil die Realität hier bewiesen hat, unter anderem auch durch die Herausarbeitung des Ausschusses, es gab faktische Einflussmöglichkeiten der Landesregierung. Es gab im Wirtschaftsministerium ein eigenes Referat, es gab in Treuhandgremien die Anwesenheit von Beamten und es gab Einflussmöglichkeiten über die Bundesorgane, so gering sie auch waren, aber es gab sie.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren, der Anspruch der PDS an das Wirken des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses deckt sich mit dem Einsetzungsbeschluss. Im Kern ging es um zwei Dinge – das Handeln der Landesregierung zu untersuchen und im Speziellen den Umgang mit den Fördermitteln. Und für uns stand die Frage, warum sind die Privatisierungen gescheitert. Ganz sachlich: Was war daran politisch begründet? Was war strukturell bedingt? Und wo gab es menschliches Versagen? Und lassen Sie mich sagen, wir saßen nicht zu Tribunal, wir haben auch nicht die Säge mitgebracht, um irgendwelche Posten abzusägen. Das ist gar nicht der Anspruch gewesen. Uns interessierte, welche Lehren lassen sich auch heute noch ziehen und was lässt sich auch heute noch besser machen. Dabei nahmen wir uns bei der Analyse immer die Sicht der Betroffenen vor. Und eine Sicht der Betroffenen bestätigt einen weisen Spruch von Bertolt Brecht. Er hat im Stück „Die Mutter“ geschrieben – da ging es um das immer weniger werdende Geld: „Über das F l e i s ch, das euch in der Küche fehlt, wird nicht in der Küche entschieden.“

Eine solche Erkenntnis, eine solche Optik führt schnell zum Kern der Dinge. Und das weiß auch Herr Dr. Born und greift zu einem Trick, der funktioniert zuweilen und äußerst sich darin, dass Dr. Born immer gesagt hat: Dieser Ausschuss hat sinnlose Arbeit geleistet und das war die reine Mittelverschwendung. Und, Herr Dr. Born, lassen Sie mich etwas Persönliches sagen: Unbestreitbar, Ihre Stärken haben mich schon fasziniert und ich hab also die Methodik der Fragestellung von Ihnen immer ein bisschen ablauschen wollen. Aber auch eine Schwäche möchte ich Ihnen heute mal sagen. Ihre Schwäche ist, wer sich die Mühe macht, erkennt schnell, dass Sie leicht zu durchschauen sind. Und diese Durchschaubarkeit zeigt sich aus meiner Sicht darin, dass Sie mit dem Märchen von der sinnlosen Ausschussarbeit drei Ziele verfolgen:

Das erste Ziel ist, Sie wollen ablenken von der eigenen Verantwortung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Die Lage nach der Wende war nicht nur Erblast der Ökonomie der DDR. Das war sie sehr wohl, aber nicht nur, sondern Ergebnis einer Politik, die auf Selbstheilung des Marktes hoffte. Und bereitwillig haben Sie die Treuhandanstalt Weichen stellen lassen in den ersten Jahren nach der Wende. Und die Ergebnisse einer solchen Politik

haben Sie sich sogar selbst noch attestiert. Im Wirtschaftsbericht des damaligen Wirtschaftsministers Herrn Lehment im Jahre 1994 ist nachzulesen: Die Industriedichte, also die Anzahl der Beschäftigten in der Industrie auf tausend Erwerbstätige, ging im Zeitraum von 1990 bis 1994 von 85 auf 28 Prozent zurück und es ist ein Arbeitsplatzdefizit zu verzeichnen von 39,2 Prozent. Auf die damalige Zeit umgerechnet sind das 294.200 Arbeitsplätze. Heute instrumentalisieren Sie politisch das Thema Abwanderung. Und das halte ich ausdrücklich für unaufrichtig,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

denn die Abwanderung ist heute maßgeblich die Auswirkung Ihrer eigenen Politik, Ihrer eigenen Verantwortungslosigkeit von damals.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Und da bitte ich Sie ganz einfach, sich mal an Ihren eigenen Größen zu orientieren. Franz Josef Strauß sagte mal: Eine Wirtschaft wirkt wie ein Supertanker auf hoher See.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Zu Ihrer Zeit gab es keine Abwanderung.)

Wenn der einmal,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Die haben Sie wirksam verhindert, Herr Kollege Koplin.)

wenn der einmal auf Kurs gebracht ist, dann ist er schwer wieder umzumanövrieren und erst nach vielen Seemeilen wieder umzusteuern. Und das ist mir klar, dass Sie jetzt an dieser Stelle aufbegehren – getroffene Hunde bellen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Das zweite Ziel, das zweite Ziel, was Sie verfolgen:

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie haben die Abwanderung verhindert.)

Sie wollen vertuschen, dass Sie mit verstaubten und gescheiterten Konzepten wieder regieren wollen. Ihr Programm „3 mal 40“ bedeutet, der Markt wird es schon richten. Und Sie wollen Niedriglohnjobs schaffen, wie Sie schreiben, um den Weg aus der Arbeitslosigkeit zu erleichtern. Aber ich frag noch mal: Wie sind denn die Menschen arbeitslos geworden? Der Markt funktioniert nicht! Er funktioniert nicht, weil die Nachfrage fehlt. Und diese fehlt, weil unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern ein Niedriglohnsektor vorhanden ist. Und dann muss ich mal Folgendes sagen: Wer darin ein Allheilmittel sucht, wenn Niedriglohn ein Heilmittel wäre für die Wirtschaft, hätten wir in Mecklenburg-Vorpommern doch schon wesentlich mehr Arbeitsplätze als zum Beispiel in Baden-Württemberg.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS, Rudolf Borchert, SPD, und Detlef Müller, SPD)

Und da gibt es auch noch eine Gefahr: Der Niedriglohnsektor vertieft die 2-Klassen-Ökonomie. Und eine 2-Klassen-Ökonomie in einem Staat bildet einen erstrangigen politischen Sprengsatz. Und vor Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, kann man nur warnen: Ihre Politik setzt Mecklenburg-Vorpommern wieder auf ein Pulverfass!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)