Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Gegenwärtig ändern sich die Rahmenbedingungen und Rahmenvorschriften in viel zu kurzen Abständen. Insbe

sondere bei den Umweltparametern haben wir diese Probleme immer wieder im Agrarbereich. Ich setze deshalb auf Klarheit, auf Kontinuität sowie auf die Begrenzung der gesellschaftlichen Vorgaben auf das unbedingt Erforderliche. Eine zweite Hennenhaltungsverordnung darf es in Deutschland nicht geben!

Wir stehen aber auch vor einem anderen Problem. Landwirtschaft ist heute ein moderner Wirtschaftszweig, in dem mit hochentwickelten Techniken in der Spezialisierung und in der Arbeitsteilung gearbeitet wird. Allerdings sind es immer weniger Menschen im ländlichen Raum, die selbst von und mit der Landwirtschaft arbeiten und leben können. Viele Medien dagegen stellen die Landwirtschaft und den ländlichen Raum einerseits in eine nostalgische Ecke und andererseits wird der Landwirt immer wieder als Umweltsünder Nummer eins charakterisiert. Daran ist ja der eine oder andere von Ihnen nicht ganz unmaßgeblich beteiligt gewesen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wen meinen Sie da ganz konkret?)

Daher ist es nicht verwunderlich, wenn ehemalige Stadtbewohner aus Ost oder West, die jetzt im ländlichen Raum wohnen, die schöne Landschaft genießen wollen, aber andererseits Geruch oder Geräuschpegel, die in der Landwirtschaft nun mal notwendig und heutzutage meistens auch unvermeidlich sind, als Einschränkung ihrer Lebensqualität ablehnen. Herr Petters, Sie haben doch auch in Ihrem Heimatort mitgemacht.

(Zuruf von Renate Holznagel, CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Bei mir ist der Bauer noch im Dorf.)

Frau Holznagel, ich komme noch darauf. Warten Sie ruhig ab!

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Aus dem politischen Raum, und zwar auf allen Ebenen und von allen Parteien, muss deutlich gegen diesen unsachlichen Widerstand aufgetreten werden. Das ist meine dringende Bitte. Lassen Sie uns hier gemeinsam an einem Strang ziehen, denn nur so können wir Tierproduktionsanlagen überhaupt noch in den ländlichen Raum bringen! Eine solche politische Kultur bedingt auch, dass ein Anspruch auf die Genehmigung eines Stallbauprojektes gleichwertig mit den Ansprüchen zum Tier- und Umweltschutz zu beachten ist und umgesetzt werden muss. Aufklärungsarbeit ist hier nach wie vor intensiv zu leisten. Gerade im Schweinehaltungsbereich verdeutlicht sich diese deutsche Misere wirklich am Besten. Alle wollen Wohlstand, alle wollen Arbeit, alle wollen Sicherheit und alle wollen ein Maximum an persönlicher Freiheit! Jawohl, das ist so! Wenn dafür aber Einschränkungen erforderlich werden, wie zum Beispiel Gerüche von einer Schweinemastanlage, dann heißt es: Aber bitte nicht vor der eigenen Tür, sondern gefälligst woanders, am besten in Spanien, in Italien oder in Dänemark, koste es, was es wolle! Auf diese Art und Weise bringen wir im Großen wie im Kleinen das ins Schwanken gekommene Schiff „Deutschland“ beziehungsweise die Landwirtschaft nur schwer wieder auf Kurs. Das gehört auch zur ganzen Wahrheit!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist richtig.)

Nun gibt es bekanntlich unterschiedliche Wege, um ein positives Klima für die Ansiedlung von Tierproduktionsanlagen zu erreichen.

(Vincent Kokert, CDU: Da können wir doch nichts dafür.)

Diese Koalition setzt dabei auf den Dialog und auf positive Rahmenbedingungen. Ich glaube, das kann ich für meine Zeit und für die letzten viereinhalb Jahre absolut nachweisen. Wir unterstützen Unternehmen, die in diesem Bereich investieren, beispielsweise mit langfristigen Verpachtungen landeseigener Flächen. So etwas hat es vorher nie gegeben. Ich sage auch noch mal ausdrücklich: Gewerbehaltende Unternehmen oder reine Gewerbebetriebe unterstützen und fördern wir finanziell in keiner Weise! Wir wollen eine Flächenbindung für die Tierproduktion, denn das ist nach wie vor der richtige Weg.

Umwelt- und Landwirtschaftsministerium haben einen gemeinsamen Leitfaden zur Ansiedlung von Schweinehaltungsanlagen erarbeitet. Auch die Verbände der Umweltallianz sind in den letzten Jahren in diesen Prozess eingebunden worden. Auch das hat es vorher nie gegeben. Zugegeben, die Ergebnisse befriedigen mich überhaupt noch nicht, aber ich darf Sie daran erinnern, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU, wie Sie das Problem angegangen sind und wie Sie es lösen wollten. Kennen Sie eigentlich noch die schwarzen Listen, Herr Born?

(Peter Ritter, PDS: Die sollen ja damit aufgehoben werden.)

Kennen Sie noch die schwarzen Listen aus dem Hause Brick? Das waren doch die Slogans, die hier gelaufen sind! Damals sollten jene Gemeinden keine Fördermittel mehr für die ländliche Entwicklung bekommen, die eine Ansiedlung von Tierproduktionsanlagen (reine Gewerbe- anlagen: 17.000 bis 25.000 Tiere unter einem Dach) befürworten.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU: Nein, so viele waren es gar nicht.)

Wissen Sie das noch?

(Beifall Heike Polzin, SPD)

Aber diese CDU-Strategie der Nötigung, das muss ich noch mal sagen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Fordern und fördern.)

die einigermaßen, um es noch ein bisschen einzuschränken, diktatorisch war, erwies sich als absolut untauglich. Absolut untauglich! Und damals …

(Renate Holznagel, CDU: Sie haben doch damals dazu beigetragen, dass sie untauglich werden!)

Ach, wissen Sie nicht mehr, was auf den Veranstaltungen los war? Ich habe die eine oder andere Anlage, da können wir mal hinfahren, ich weiß nicht, ob Sie mal da gewesen sind, die dann neu errichtet wurden, und zwar in angepasster Form.

Ich habe Ihnen doch gerade dargestellt, dass in meiner Dienstzeit der Tierbestand zumindest um 25.000 bis 30.000 Tiere angestiegen ist.

(Wolfgang Riemann, CDU: Herr Backhaus, die Zahlen stimmen nicht! Herr Backhaus, die Zahlen stimmen nicht, die Sie hier genannt haben!)

Da haben wir zumindest ein bisschen was erreicht. Zum Glück, zum Glück, das sage ich noch mal, haben SPD und PDS diese Zeit der Stille auch wirklich gekippt.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU )

Ich bin mir sicher, dass wir heute nicht eine einzige Stallanlage mehr hätten, aber dafür viele schöne Dörfer weniger. Das war der richtige Weg, in den Konsens mit den Bürgermeistern, auch mit Ihrem, zu gehen. Und fragen Sie doch einmal nach, mit wie viel Bürgermeistern wir gesprochen haben, um hier weiter voranzukommen! Also, meine Damen und Herren von der CDU, erzählen Sie mir nichts von Ansiedlungs- und Investitionspolitik. In dieser Frage sind Sie unfähig!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, und Alexa Wien, PDS – Zurufe von Kerstin Fiedler, CDU, und Renate Holznagel, CDU)

Damit haben Sie sich wirklich selber ein Armutszeugnis ausgestellt.

(Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

Ich möchte dennoch konkret zu Ihrem Antrag Stellung beziehen, und zwar insbesondere zu der Fragestellung 1:1-Umsetzung der EU-Schweinehaltungsverordnung und deren Richtlinien. Die abstrakte Forderung kann ich aus heutiger Sicht nicht mehr ganz nachvollziehen. Die CDU und auch einige Verbandsfunktionäre bauen hier wieder einen Pappkameraden auf. Und zum Glück, sage ich Ihnen, führe ich auch gute Gespräche mit einigen Kollegen von Ihrer Seite. Darauf komme ich später noch einmal zurück.

Ich darf Sie noch mal daran erinnern, auch Sie, Frau Holznagel: Tierschutz ist mittlerweile als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen worden. Ich verstehe gar nicht, warum Sie vorhin gerade geklopft haben, als es um die 1:1-Umsetzung ging. Mit der Hennenhaltungsverordnung der Bundesrepublik Deutschland ist gleichzeitig die Schweinehaltungsverordnung als nicht verfassungskonform tituliert worden. Das wissen Sie ganz genau! Sie stellen hier einen Pappkameraden auf, der in Wirklichkeit gar nicht mehr da ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Renate Holznagel, CDU)

Der Tierschutz ist im Grundgesetz geregelt, darüber sind wir sehr froh. Es hat lange gedauert, ehe die CDU dazu überhaupt bereit war, und das wissen Sie auch ganz genau!

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Ja, nachdem der Druck der Wahlen so auf Sie zugekommen ist, dass Sie nicht mehr anders konnten,

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

das wissen Sie doch auch ganz genau! Ich gehe davon aus, dass demnächst auch in unserem Lande der Tierschutz als Bestandteil der Landesverfassung mit aufgenommen wird. Was genauso schwer wiegt, ist, dass die Praxis selbst längst weiter ist. Frau Schlupp hat das zum Glück dargestellt und insofern fand ich die Rede schon bemerkenswert. Ich bin gespannt, ob ich rausfinden kann, wer die aufgeschrieben hat.

(Wolfgang Riemann, CDU: Na, na, na!)

Eben, eben.

(Unruhe und Heiterkeit bei Abgeord- neten der SPD, CDU und PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Hören Sie doch bitte einmal zu! Es ist ja lustig, es ist ja wirklich lustig, dass es hier zum Feierabend noch interessant wird.

(Zuruf von Michael Ankermann, CDU)

Hören Sie bitte einmal zu!

(Kerstin Fiedler, CDU: Bitte keine persön- lichen Differenzen hier, Herr Dr. Backhaus!)

Jetzt wird es wirklich noch mal interessant.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Die Mehrheit der Landwirte wirtschaftet bereits heute tierschutzrechtlicher als die Richtlinie. Sie haben es richtigerweise angesprochen, ohne Wettbewerbsnachteile hinnehmen zu müssen, sind wir auf einem sehr guten Weg. Für die Genehmigungsverfahren zur Errichtung beziehungsweise Änderung der Schweinehaltungsanlagen wurde im Übrigen in Zusammenarbeit mit den betroffenen Verbänden, dazu gehört auch der Bauernverband, ein Erlass und damit eine landesrechtliche und einheitliche Rechtsgrundlage erarbeitet. Bereits am 9. Mai 2001 wurde ein entsprechender Erlass für das Land Mecklenburg-Vorpommern herausgegeben. Dieser mecklenburgische Erlass ist seinerzeit in Anlehnung an die EU-Vorschriften – da können Sie lachen, wie Sie wollen, das ist bitterer Ernst, das wissen Sie auch ganz genau –

(Renate Holznagel, CDU: Na, das ist so. Das stimmt.)