Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Aber ich sage auch, die Reform der Vermögens- und der Erbschaftssteuer ist ein wesentlicher Ansatz, um den Umverteilungsprozess, der in den letzten 30 Jahren erfolgt ist in der Bundesrepublik Deutschland, nämlich von Vermögen und Finanzierung von unten nach oben, dass wir diesen umkehren müssen, weil es am Ende darum geht, Reichtum auch gerechter zu verteilen und den Umverteilungsprozess von oben nach unten auszugestalten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Dazu gehört die Erbschafts- und die Schenkungssteuer. Denn nur diejenigen, die etwas ansammeln konnten, die Werte und Vermögen ansammeln konnten, können etwas vererben. Und nur diejenigen, die riesige Privatvermögen haben, diese sollen höhere Steuern zahlen, nicht

Sie, die Sie hier sitzen oder diejenigen, die auch ein Haus besitzen.

In etwa 4 Prozent – nur 4 Prozent – der Erbfälle ist das vererbte Vermögen höher als 500.000 Euro. Wir haben gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland 1,5 Millionen Vermögensmillionäre und diese vererben 100 Millionen Euro an Sach- und Geldvermögen, ausgenommen betriebliches Vermögen. Herr Borchert und die Frau Finanzministerin haben es erwähnt. Von diesen Vermögenswerten gehen in die öffentliche Hand, ja, wie viel gehen hinein, wenn es 3 Milliarden im Bund und 3 Millionen Euro fürs Land Mecklenburg-Vorpommern sind? Und dann darüber nachzudenken, dass Erbschaft leistungsloses Einkommen ist? Und dann sagen Sie immer in allen Fragen, besonders im Sozialsystem, Leistung soll sich lohnen. Warum aber nicht dann, wenn es um leistungsloses Einkommen geht für Erben

(Beifall Mathias Brodkorb, SPD)

und diese Frage klar auszusprechen?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Ich sage, auch deshalb müssen wir Immobilienwerte neu beziffern. Wir sind heute bei Werten von 1936. Das kann doch nicht sein! Und das hat doch nichts mit einer Neidkampagne zu tun, sondern einfach damit, dass auch Vermögen sich an der Finanzierung der gesellschaftlichen Leistung in der Bundesrepublik Deutschland beteiligen sollte.

Und jetzt, Herr von Storch, zu Ihren Argumenten, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden dadurch zunehmend belastet und die Wirtschaft schreit. Ja, das tut sie. Aber ich will Ihnen sagen, in der Bundesrepublik Deutschland ist die Vermögenssteuer und die Belastung von Vermögen und Gewinn mit Steuern die geringste im Vergleich zu allen anderen Ländern.

(Erwin Sellering, SPD: Richtig. – Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Und hier werde ich mal zitieren, ich habe es heute Morgen schon gemacht. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung in Halle: Die Beteiligung von Vermögenssteuern am Gesamtbruttoinlandsprodukt beträgt in Deutschland 0,8 Prozent, beträgt in England 3,8 Prozent, in Frankreich 3,25 Prozent, in den USA 3,1 Prozent, selbst in Italien 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. England, die USA, Frankreich haben höhere Vermögenssteuern als Deutschland und da wollen Sie mir erklären, dass die miserable wirtschaftliche Situation durch die Veränderung der Vermögenssteuerwerte noch weiter in den Boden sinkt?! Das ist lächerlich, Herr von Storch!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Aber, ich habe es zu Beginn gesagt, Herr Merz ist inzwischen weiter, weil er sagt, hier haben wir ein Problem. Darüber müssen wir reden. Aber Frau Merkel und Sie auch betreiben die Debatte „Der Kampf der unterdrückten Besserverdienenden gegen Steuererhöhung“ und den müssen wir fortsetzen

(Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD)

und wohlhabende Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht weiter belastet werden. Das ist unerträglich, die Neidkam

pagne, die hier gefahren wird. Und Herr Westerwelle, er spricht geradewegs auch noch von „Teufelszeug“.

Ich sage Ihnen, wir brauchen keinen dürren, ausgemergelten Staat, sondern einen gesund ernährten und leistungsfähigen, der seine Aufgaben im Interesse der Bürgerinnen und Bürger realisiert. Und ohne Steuereinnahmen wird das nicht gehen. Machen Sie so weiter, meine Damen und Herren!

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Gramkow.

Um das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Herr Dr. von Storch gebeten. Sie haben das Wort und noch sechs Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Redezeit will ich doch ausnutzen.

Ich bleibe erstens dabei, dass es keinen aktuellen Bedarf für eine solche Initiative gibt, solange das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden hat und wir nicht wissen, woran wir dann sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und ob es überhaupt dazu kommt, wollen wir abwarten.

Das Zweite ist, Sie schulden uns eine Antwort, auch Sie, Frau Gramkow, auf die Frage, warum denn die jetzige Bundesregierung, wo sie denn doch so an der Vermögenssteuer hängt,

(Angelika Gramkow, PDS: Also, Herr von Storch, ich kann das nicht beantworten, ich nicht. – Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)

sie sie nicht längst eingeführt hat. Sie müssen doch Ihre Gründe dafür haben. Auf die warten wir noch heute.

Herr Borchert, Sie haben Recht. Der Anteil der Erbschaftssteuer am Gesamtsteueraufkommen ist gering. Ich sage, Gott sei Dank, weil es eben eine Vermögenssteuer ist, die Substanz vernichtet und damit Schaden macht. Es ist ja keine Ertragssteuer. Aber erschreckend, Frau Gramkow, ist Ihre Aussage, Erbschaft sei leistungsloses Einkommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS: Ja, für den Erben, ja. Für den Erben, ja.)

Barbarischer kann man mit Erbschaften nicht umgehen, denn Erbschaft, meine Damen und Herren, ist das Lebenswerk von Menschen. Dafür haben sie ihr Leben lang gearbeitet. Erbschaft und Erbmasse, Erbnachlass sind bereits längst versteuertes Eigentum.

(Gerd Walther, PDS: Die Erben haben es doch nicht erarbeitet, sie kriegen es von oben!)

Vergessen Sie das nicht!

Sie fördern die Steuerungerechtigkeit, wenn Sie dieses bereits versteuerte Vermögen noch einmal versteuern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Mit der Steuergerechtigkeit haben Sie es ohnehin nicht. Und das ist eigentlich unser Knackpunkt: Sie sehen in

erster Linie die soziale Komponente von Steuern, wir sehen die wirtschaftliche Verantwortung für Steuern und darin liegen die Unterschiede.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Rudolf Borchert, SPD: Gott sei Dank!)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Anfrage der Abgeordneten Frau Gramkow?

Mit Vergnügen.

Herr von Storch, die aktuelle Situation der Mehrheitsverhältnisse führt dazu, dass die Bundesregierung die Erfahrung machen musste, dass Steuerveränderungen nicht mehrheitsfähig werden. Würden Sie es unterstützen und Ihren Regierungen und den Verhandlungspartnern empfehlen, dass eine Initiative der Bundesregierung zur Veränderung der Erbschafts- und Schenkungssteuer durch Sie im Bundesrat positiv beschieden wird?

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Gerne, und zwar muss ich Ihnen das erläutern. Wir wollen doch mal abwarten, was das Bundesverfassungsgericht sagt, und dann ist ohnehin Handlungsbedarf für alle Beteiligten. Dann wollen wir dafür kämpfen, dass das Aufkommen der Erbschaftssteuer neutral ist. Man muss es umschichten, aber es muss neutral sein

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Jawohl.)

und es darf keine Steuererhöhung als Effekt herauskommen. Das Endprodukt muss heißen: Steuerneutralität.

Darf ich eine Nachfrage stellen?

Habe ich es dann richtig verstanden, dass, egal welche Initiative die Bundesregierung ergriffen hätte, sie auf alle Fälle im Bundesrat gegenwärtig an der CDU-Mehrheit gescheitert wäre?

Das ist eine Hypothese, eine Spekulation. Daran beteilige ich mich nicht. Für mich steht nur eins fest: Wenn das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung trifft, die zur Korrektur des Gesetzes führen muss, dann wird sie mit Sicherheit im Rahmen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch geführt. Und das warten wir erst einmal ab. Vorher sind das ungelegte Eier.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Anfrage des Abgeordneten Borchert?