Protokoll der Sitzung vom 04.03.2004

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Es war sicherlich angezeigt, hier in diesen Bereich einzugreifen. Aber es ist, wie gesagt, ja auch geschehen.

Im Zusammenhang des lange schon überfälligen Zuwanderungsgesetzes, was nun offensichtlich kommen wird, ist an eine Kompetenzerweiterung der Härtefallkommission gedacht. Das begrüßen wir. Der Innenminister hat einiges dazu gesagt, unter anderem, dass dieses neue Zuwanderungsgesetz eine Härtefallkommission für alle Bundesländer vorschlagen wird. Das finden wir sehr beachtlich, Kollege Thomas. Und was wir in diesem Zu

sammenhang auch deutlich anmahnen, ist eine Regelung der so genannten Altfälle.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ach so!)

Wer sich mit der Materie befasst hat, weiß, dass es hier erhebliche Härten gibt, die dringend zu regeln sind.

Mit diesem Antrag wollen wir noch einmal unterstreichen, dass wir die Existenz der Härtefallkommission für unabdingbar für unser Land halten und wir sie, solange wir das können, auch sichern werden. Die allgemeine Arbeit der Härtefallkommission im letzten Jahr, letztendlich im vierten Geschäftsjahr – der Innenminister hat Zahlen gebracht zu den gesamten fünf Jahren –, im vierten Jahr ihrer Tätigkeit beschränkte sich, Kollege Thomas, insgesamt auf 17 Anträge. 17 Anträge von 35 Personen waren sozusagen Beratungsgegenstand im letzten Jahr.

Nun möchte ich Ihnen einen Fall kurz vorstellen, der auch in der Härtefallkommission eine Rolle gespielt hat, und dann urteilen Sie selbst, ob diese Kommission mit ihrer Empfehlung ein moralisches Recht hat.

(Reinhardt Thomas, CDU: Dr. Körner, egal, wie die Fälle sind, Recht bleibt Recht. Was glauben Sie, was einige Gerichtsurteile für Reaktionen bei einigen Betroffenen hervorrufen? – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Kollege Thomas, warten Sie noch einen Augenblick. Ich zitiere jetzt aus dem Geschäftsbericht, dem Tätigkeitsbericht der Kommission: „Auf den Antrag eines pakistanischen Staatsangehörigen sprach die Härtefallkommission gegenüber der Ausländerbehörde die Empfehlung aus, anstatt der beabsichtigten Abschiebung zunächst eine Aufenthaltsbefugnis und anschließend aus humanitären Gründen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die Kommission betonte dabei, dass der Antragsteller zugleich nachweisen muss, seinen Lebensunterhalt ohne öffentliche Mittel selbst bestreiten zu können.“ – Das ist also eine Auflage. –

(Heiterkeit bei Ilka Lochner-Borst, CDU)

„Die Besonderheit des Falles lag in dem überlangen Asylverfahren. Der Asylantrag aus dem Jahr 1990“ – ich wiederhole: aus dem Jahr 1990 – „wurde erst im Jahr 2002 mit der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtswirksam abgelehnt.“

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

„Verzögerungen in dem Verfahren, das fast neun Jahre beim Verwaltungsgericht anhängig war, waren dem Antragsteller nicht zuzurechnen. Auch mit Blick auf die inzwischen merkliche Entfremdung vom Herkunftsstaat wäre ein Vollzug der erst jetzt festgestellten Ausreisepflicht eine besondere Härte, die aus Sicht der Kommission nach ihrem Verständnis des Ausländergesetzes vermeidbar ist.“

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Born?

Am Ende meiner Ausführungen bitte.

„Auch wenn das Ausländergesetz die Problematik überlanger Verfahrenszeiten nicht ausdrücklich als Vollzugshindernis regelt, ermöglicht es nach Auffassung der Härtefallkommission bei verfassungskonformer Auslegung letztlich doch, solche außergewöhnlichen Umstände

entsprechend zu berücksichtigen. Insofern ist die Härtefallkommission aufgrund aller Besonderheiten dieses Einzelfalles … von der Unmöglichkeit des Vollzugs der Abschiebung des Antragstellers ausgegangen.“

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

„Die Ausländerbehörde prüft derzeit, ob sie der Empfehlung folgt.“

Meine Damen und Herren von der Union, Sie wissen genauso wie ich, dass Recht und Gerechtigkeit nicht immer beisammen sind.

(Reinhardt Thomas, CDU: Deswegen muss Recht aber trotzdem Recht bleiben!)

Ich will hier gar nicht weiter auf die Ausführungen des Abgeordneten Thomas eingehen. Kollege Thomas, was Sie hier sagen, das ist in meinen Augen deutlich unter der Gürtellinie von dem,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

was der ehemalige Innensenator von Hamburg Herr Schill gesagt hat.

(Minister Dr. Gottfried Timm: Der ist in Südamerika inzwischen.)

Dessen politisches Schicksal und sein politischer Höhenflug sowie sein Werdegang sind ja klar bekannt. Was Sie hier ausführen, hat nichts mit Recht und Gerechtigkeit zu tun,

(Reinhardt Thomas, CDU: Das sind Zahlen und Fakten gewesen.)

das hat auch nichts mit Humanität zu tun.

(Reinhardt Thomas, CDU: Das sind Rechtsgrundsätze.)

Sie sind überhaupt nicht in der Lage zu differenzieren.

(Reinhardt Thomas, CDU: Mit Rechtsdiffe- renzierung hat jede Diktatur angefangen. – Heinz Müller, SPD: Das muss ein Deutschnationaler sagen! – Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Thomas! Gerade bei diesem sensiblen Thema bitte ich um Sachlichkeit in der Diskussion, auch bei den Zwischenrufen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Bitte, Herr Dr. Körner, Sie haben das Wort.

Kollege Thomas, Sie sind für Ihre Ausführungen bekannt und ich will einfach nicht weiter darauf eingehen. Das ist unter meinem Niveau an diesem Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Aber was ich sehr wohl ansprechen möchte, ist der Applaus einiger Ihrer Fraktionskollegen zu Ihren Äußerungen.

(Ute Schildt, SPD: Genau, das hat mich auch nicht verwundert.)

Meine Damen und Herren von der Union, ich kenne einige von Ihnen und weiß, dass sie humanitäre Standpunkte haben und vertreten. Wenn Sie bei solchen Ausführungen applaudieren, dann ist das für mich ein Schlag in das Gesicht der Mitglieder der Härtefallkommission. Sie wissen, dort arbeiten ehrenamtliche Leute, Vertreter der Kirchen, Vertreter der Wohlfahrtsverbände. Sie bringen ihre Zeit, ihre Kraft, ihr Engagement ein und Sie applaudieren, wenn Ihr Kollege Thomas sagt, dass sie dort in dieser Kommission rechtswidrige Tätigkeiten haben. Das ist doch auch unter Ihrer Gürtellinie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Jetzt reicht es gleich hier!)

Man kann doch zum Zuwanderungsgesetz stehen, wie man will, und für Ihre Position gibt es doch nachvollziehbare Gründe,

(Harry Glawe, CDU: Jetzt reden Sie mal zur Sache!)

für die ich auch Verständnis habe,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

aber in solch einem Fall undifferenziert einfach zu applaudieren wie das Maschinengewehr Schill, das ist nicht gut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Jetzt ist aber Schluss! – Dr. Ulrich Born, CDU: Also nun ist es aber gut! – Zuruf von Torsten Koplin, PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist alles hier nur Diffa- mierung! – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Wir sind doch hier nicht in der Zensur, oder was?! – Harry Glawe, CDU: Wie das Maschinengewehr Schill! Das ist ja unglaublich! – Andreas Bluhm, PDS: Die Koalition mit Schill war in Hamburg.)

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich bitte auch Sie, Herr Dr. Körner, sachlich zu dem Thema zu reden. Bitte, Sie haben das Wort.

Ich will noch auf einen Aspekt hinweisen, wo die Härtefallkommission sehr wohl sehr hilfreich sein kann. Und ich glaube, das ist für Sie auch nachvollziehbar.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von Andreas Bluhm, PDS, und Peter Ritter, PDS – Reinhardt Thomas, CDU: Mein Gott, das stellen Sie doch in Frage damit!)

Die Ausländerbehörde ist die Behörde, die entscheidet, aber sie ist und bleibt das Gegenüber des Antragstellers und ist von daher oft nicht in der Lage, einen Fall von innen her zu beurteilen. Sie steht dem Antragsteller gegenüber.