Meine Damen und Herren, mit der Erweiterung der Europäischen Union steigt die Bevölkerungszahl von 380 auf 454 Millionen in der EU der 25 und auf 485 Millionen in der EU der 27 Mitgliedsländer. Auch wenn die zukünftigen Mitgliedsstaaten ein dynamischeres Wachstum als die heutige EU – 4 Prozent zu 2,5 Prozent – bezeichnen, fällt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf um 12,5 Prozent mit dem 1. Mai diesen Jahres und dem Beitritt von zehn neuen Mitgliedsländern sowie um 18 Prozent, wenn Rumänien und Bulgarien beitreten und die Europäische Union dann 27 Länder umfasst. Damit steigt die Anzahl der Menschen, die in Ländern mit weniger als 90 Prozent des durchschnittlichen Inlandsproduktes leben, also im Bereich des Ziels Konvergenz, von 84 auf 123 Millionen. Der Entwicklungsabstand der Regionen, also die Differenz innerhalb Europas, verdoppelt sich. Wenn heute der Durchschnitt der aktuellen Ziel-1-Regionen bei 69 Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes liegt, liegt er in den neuen Mitgliedsstaaten bei 46. Damit stellt sich die Frage, wie diese gewaltige Herausforderung bewältigt werden soll.
Der vorliegende dritte Kohäsionsbericht geht davon aus, dass die gegenwärtige Grenze der Mitgliedsbeiträge der Mitgliedsstaaten von 1,24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auch zukünftig nicht überschritten werden soll. Die Kommission schlägt vor, den gegenwärtigen Finanzrahmen trotz dieser Herausforderungen nicht zu überschreiten. Doch selbst dieses enorme Unterfangen geht eben einigen Mitgliedsstaaten nicht weit genug. Wenige Wochen bevor diese gewaltige Erweiterung der Europäischen Union ansteht, fordern die Finanzminister eine Senkung der Beiträge und konterkarieren damit die gesamte Politik der Europäischen Union seit 1994 in Bezug auf die Erweiterung der Europäischen Union. Wenn gleichzeitig die Wiedereinführung nationalstaatlicher Strukturpolitik gefordert wird, kommt dies einer Renationalisierung der Wirtschaftspolitik gleich, die nur und ausschließlich den wohlhabenden Ländern nützt und der Europäischen Union eine wesentliche Basis entzieht. Diese Basis ist nämlich festgelegt. Und auch da empfehle ich Ihnen einen Blick hinein in den Artikel 158 des EG-Vertrages in der Fassung von Nizza, der festlegt, ich zitiere: „Die Gemeinschaft entwickelt und verfolgt weiterhin ihre Politik zur Stärkung ihres wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, um eine harmonische Entwicklung der Gemeinschaft als Ganzes zu fördern. Die Gemeinschaft setzt sich insbesondere zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete oder Inseln, einschließlich der ländlichen Gebiete, zu verringern.“
So harmlos und verständlich das Anliegen einiger Finanzminister der Mitgliedsstaaten klingt, so verheerend ist jedoch die Konsequenz. Wenn sich die Europäische
Union nicht mehr diesem Ziel, nämlich der Herstellung vergleichbarer Lebensverhältnisse in ganz Europa, stellt, wird Europa wieder auf einen einheitlichen Markt reduziert und damit die Legitimation als politisches Modell entzogen.
Die PDS-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern – wie die PDS insgesamt – steht zu diesem Modell. Für uns kann es ein Europa nur als soziales, friedliches, solidarisches und demokratisches Europa für alle Mitgliedsländer geben. Dies liegt auch in unserem Interesse und im Interesse des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb werden wir uns der Aufgabe stellen und auch Partner außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns für diesen Kampf suchen und finden. Wenn die CDU-Fraktion meint, dieses Thema sei ein Nichtthema zum gegenwärtigen Zeitpunkt, dann verschläft sie die Politik der Europäischen Union ab 2007 nämlich jetzt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Tatsachen sind schon alle erwähnt. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Ich möchte die vier zentralen Punkte, um die es in nächster Zeit gehen wird, hier noch einmal klar herausstellen:
Die erste Frage ist: Wie groß wird der Kuchen sein, der in Zukunft verteilt wird? Darüber wird im Moment heftig gestritten und es wird nicht nur zwischen einzelnen Staaten gestritten, sondern auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland findet ein heftiger Streit statt. Auf der einen Seite gibt es den Bundesfinanzminister assistiert von einer Reihe von Bundesländern, die sagen, wir wollen möglichst wenig Geld nach Brüssel zahlen, ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist die Obergrenze. Auf der anderen Seite gibt es Länder, die auf die Zahlungen aus Brüssel mehr angewiesen sind, die sagen, wir sehen das etwas anders, wir wollen möglichst viel aus Brüssel bekommen. Diese Länder neigen dazu, dass sie mit der Anhebung der Obergrenze auf 1,14 dann im Durchschnitt bis 2013 nicht nur liebäugeln, sondern sehr einverstanden sind.
Und es geht nun quer durch die Länder und weht quer über die Republik hinweg. Der Bundesfinanzminister findet mit seiner eher restriktiven Haltung Unterstützung von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Niedersachsen. Ich vermute, da kann sich noch der eine oder andere dazugesellen. Das müssen noch nicht alle gewesen sein. Aber es heißt, es gibt eine klare Position. West ist mehr auf der Seite des Standpunktes, wir zahlen weniger nach Brüssel, während sich der Osten auf der Seite derjenigen befindet, die wollen, dass Brüssel größere Handlungsmöglichkeiten, auch größere finanzielle Handlungsmöglichkeiten hat. Das hat auch damit zu tun, wo man sich mit seinen Problemen besser aufgehoben fühlt. Das ist der erste Punkt.
Die Größe des Kuchens steht noch nicht fest. Der zweite Punkt ist der, wie wird er dann verteilt. Da sind wir, glaube ich, inzwischen so weit, dass wir eine sehr begründete Vermutung haben können, dass MecklenburgVorpommern auch in Zukunft noch Ziel-1-Gebiet sein wird, auch wenn die 75-Prozent-Grenze, die Wohl
standsgrenze in Europa, natürlich einen statistischen Effekt hervorruft, aber wir sind wahrscheinlich dann noch unterhalb dieses Schwellenwerts, bei dem man hier herausfällt.
Hier gab es auch im Vorfeld verschiedene Überlegungen und es gab auch von Seiten der CDU aus Vorpommern einmal heftige Vorwürfe an die Landesregierung, weil wir das Land nicht aufgeteilt haben, wie Brandenburg das gemacht hat, und weil wir dadurch, so war damals die Aussage der CDU, Vorpommern als Ziel-1-Gebiet gefährdet hätten. Es zeichnet sich jetzt allmählich ab, dass diese Vorwürfe völlig unberechtigt waren und dass wir wahrscheinlich einen Fehler gemacht hätten, wenn wir diesen Vorschlägen gefolgt wären.
Wenn Mecklenburg-Vorpommern weiter Ziel-1-Gebiet ist, dann haben wir weiterhin mit der Höchstförderung zu rechnen. Ich denke, das ist natürlich auch wichtig angesichts der Aufgaben, vor denen wir stehen.
Wichtig ist noch ein weiterer Punkt, der ist mir bis jetzt ein bisschen untergegangen. Da gibt es doch den Artikel 87 Absatz 3 a EG-Vertrag, in dem festgelegt wird, wie hoch denn gefördert werden darf, also was überhaupt gefördert werden darf in der Wirtschaftsförderung. Unabhängig davon, ob die Mittel aus Brüssel kommen oder nicht, der nationale Förderrahmen, was zulässig ist an Förderung, ist hier auch noch ganz wichtig. Das dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren. Wir müssen auch hier darauf achten, dass uns die Fördermöglichkeiten zum Beispiel bei der GA-Förderung oder bei sonstiger Förderung nicht eingeschränkt werden.
Auch das ist ein Gesichtspunkt, der wichtig ist, und wir brauchen diese Möglichkeiten – zumindest für nationale Förderung – in Zukunft noch, auch wenn es hier nicht um Gelder aus Brüssel geht.
Der vierte Punkt, Herr Petters, Sie haben ihn angesprochen, ist die Bürokratie. Wir leiden darunter, wir leiden kräftig darunter. Inzwischen merke ich doch auch bei der EU-Kommission eine gewisse Einsicht, dass das mit der Bürokratie wohl nicht so weitergehen kann, dass man hier einfach überzogen hat,...
Meine Damen und Herren von der Fraktion der CDU, ich bitte doch um mehr Aufmerksamkeit bei diesem wichtigen Thema.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Siegfried Friese, SPD: Wirtschaft interessiert die CDU nicht!)
... dass man mit der Bürokratie nicht nur sich selbst in Brüssel überfordert hat, dass man auch die Mitgliedsstaaten überfordert hat – vielleicht Deutschland noch am wenigsten –,
(Heinz Müller, SPD: Warten Sie bitte draußen! – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, Lorenz Caffier, CDU, und Peter Ritter, PDS – Glocke der Vizepräsidentin)
dass man die Wirtschaft überfordert, und, was auch wichtig sein wird, dass man vor allem die neuen Mitgliedsländer völlig überfordern wird.
Das werden die nicht leisten können. Und wenn diese Einsicht Raum gewinnt, dann können wir zuversichtlich sein, dass sich auch in Bezug auf die Bürokratie hier etwas zum Besseren hin entwickelt.
Meine Damen und Herren, es gibt eine Position der Landesregierung, diese ist schriftlich niedergelegt. Wir werden dieses Positionspapier jetzt aktualisieren und an die neue Entwicklung anpassen. Ich denke, dass wir das im April leisten können. Ich vermute, dass hier anschließend festgestellt werden kann, dass es keine Gegensätze bei uns im Land gibt. – Danke sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind die Ausführungen des sehr geschätzten Kollegen Müller, die mich veranlassen, noch einmal kurz zu einem Aspekt Stellung zu nehmen.
Herr Kollege Müller, Sie haben aus meiner Sicht völlig zutreffend dargelegt, wie bedeutend das Thema Europa inzwischen auch für diesen Landtag ist, und Sie haben auf die Tagesordnungspunkte gestern und heute hingewiesen. Aus Ihren Ausführungen ist deutlich geworden, dass wir zum Glück über den Stand hinaus sind, dass das ein Thema für ein paar wenige ist, die sich so einen Orchideenbereich gesucht haben und sich fern von allem anderen mit dieser Thematik befassen. Die Ausführungen des Wirtschaftsministers haben uns eben, glaube ich, noch einmal wirklich sehr, sehr stark vor Augen geführt, wie bedeutend dieses Thema Strukturfonds gerade für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ist.
Es ist kein Zufall, dass es zwischen den beiden in diesem Bereich besonders kompetenten Ministern, des Ministers für Wirtschaft und des Justizministers, überhaupt keine Frage war, wer zu diesem Thema hier vor dem Hohen Hause spricht zu dem Antrag, den Sie eingebracht haben.
und Europaausschusses. Das sind also die verehrten Herren Friese, Krumbholz, Mohr, Müller, Ankermann und Prachtl, der inoffizielle Außenminister seiner Fraktion,
Ich finde es sehr, sehr gut, Herr Kollege Müller, wenn gerade die genannten Kollegen aus Ihrer Fraktion und
auch die Kollegen Prachtl und Ankermann sich intensiv in die Beratungen zu den Strukturfonds im Wirtschaftsausschuss einbringen. Aber stellen Sie sich gedanklich nur einmal vor, und ich bin hier völlig unbefangen als Selbstmitglied im Rechtsausschuss,
wenn wir ein solches Thema – entschuldigen Sie den Ausdruck, aber ich sage es als Jurist – den Rechtsklempnern überlassen würden.
Ich freue mich sehr, dass er dargestellt hat, dass in Brüssel mittlerweile auch über die Auswüchse einer sich immer mehr verselbständigenden Bürokratie kritisch nachgedacht wird und man das Thema Deregulierung entdeckt hat. Das Thema Deregulierung ist zwar als Deregulierungsthema gut aufgehoben hier beim Justizminister des Landes, aber wenn es um Europäische Strukturfonds geht, dann sollten wir wirklich dafür sorgen, dass die Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, die nun speziell mit der Thematik Wirtschaftspolitik befasst sind, das auch federführend tun. Das ist der einzige wirkliche Dissens, den wir mit Ihnen haben. Ich appelliere also an Sie: Kommen Sie bitte in den Wirtschaftsausschuss! Nehmen Sie an den Beratungen zu diesem Thema teil, damit Sie die ansonsten sehr, sehr umfängliche Arbeit zu Europathemen im Rechtsausschuss auch in vollem Umfang wie bisher weiter bewältigen können! – Vielen Dank.