Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Dr. Margret Seemann, SPD)

Herr Rehberg stellt sich erst hier vorn hin und greift den Minister an, er habe nicht schnell genug gehandelt, schnell genug auf die demographische Entwicklung reagiert, und es kann ja bei drastisch sinkenden Schülerzahlen eigentlich auch nur heißen, in gewissem Umfang Lehrerstellen abzubauen. Wenig später tritt Frau Fiedler-Wilhelm hier auf und wirft genau dies den Regierungsfraktionen vor

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Sie haben auch Wahrnehmungsprobleme, Herr Brodkorb!)

und der Regierung, dass es dort zu einem Abbau von Lehrerstellen kommt. Also ich würde vorschlagen, Sie tragen Ihren fraktionsinternen Streit erst einmal aus, bevor wir uns zu diesem Thema hier noch einmal unterhalten.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Wir haben keinen Streit. Das hätten Sie wohl gerne!)

Es wurde in den vergangenen Jahren immer wieder gesagt, dass eigentlich zwischen den beiden großen Volksparteien SPD und CDU kaum noch inhaltliche Unterschiede wahrnehmbar sind. Meine Damen und Herren, bei diesem zentralen Thema Schule kann man das nun wirklich nicht behaupten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die SPD steht klar für ein Bildungssystem, das gleiche und gerechte Lebenschancen für alle Kinder und Jugendlichen garantiert,

(Wolfgang Riemann, CDU: Deshalb kürzen Sie ja bei den Förderschülern. – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

und die CDU wird nicht müde, den guten alten Elite-Gaul zu reiten, ohne zu merken, dass der schon längst tot ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg Heydorn, SPD: So ist es. – Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Ja, ja. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Meine Damen und Herren, steigen Sie ab!

Wir hatten vor einer der letzten Landtagssitzungen hier den kleinen CDU-Bundesparteitag. Und auf Parteitagen ist es ja so, dass man auch in eine Rechenschaftsdebatte eintritt, und das wollen wir doch mal machen.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Dann machen Sie mal über zehn Jahre SPD-Bildungspolitik!)

Soweit ich informiert bin, haben die Delegierten der CDU Mecklenburg-Vorpommerns auf diesem Bundesparteitag dem Leitantrag zugestimmt. Und dieser Leitantrag beinhaltet folgende Sätze, ich zitiere: „Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängt nicht zuletzt von seinen Eliten ab. Unser Land braucht Eliten in allen Bereichen kultureller, forschender, wirtschaftlicher, handwerklicher und sozialer Tätigkeiten.... Deshalb müssen wir alles daran setzen, dass unsere Eliten in Deutschland attraktive Ausbildungs-, Studien- und Arbeitsbedingungen vorfinden...“

Nein, meine Damen und Herren, wir müssen alles dafür tun, dass alle Menschen attraktive Ausbildungs- und Berufschancen vorfinden

(Wolfgang Riemann, CDU: Genau! Ringstorff hat mehr als 20.000 neue Arbeitsplätze versprochen!)

und nicht nur eine selbsternannte Elite, von der Sie hoffen und offenbar glauben, dass sie zu Ihren Wählergruppen gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg Heydorn, SPD: So ist es. – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Und es wird hier immer das Märchen erzählt, wir könnten in Mecklenburg-Vorpommern entsprechende Bildungsreformen nicht durchsetzen, weil wir nicht in Finnland seien. Nur, meine Damen und Herren, es ist vielleicht ab und zu mal hilfreich, einen Blick auf die Realitäten zu werfen,

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Ja, machen Sie das mal! Machen Sie das mal! – Wolfgang Riemann, CDU: Zwei Lehrer in der Klasse, Herr Brodkorb, und keine Ausfallstunden.)

Dann kann man sich den OECD-Bericht mal ansehen und stellt Folgendes fest: Es geht um die Frage: Verfügen wir über die nötigen Voraussetzungen...

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Sie wollen zum Verfahren reden. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Herr Brodkorb, wenn Sie so weiter- reden, wird’s Frau Keler schlecht. Sie muss das nämlich bezahlen.)

Bitte nur einmal zuhören, dann können Sie weiter schreien!

Meine Damen und Herren von der Opposition, eines finde ich wirklich bemerkenswert: Sie sind die Fraktion und Partei, die in diesem Land durch die Gegend zieht und die Wiedereinführung von Kopfnoten fordert, aber Sie selbst benehmen sich in jeder Landtagssitzung vollkommen daneben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Jörg Heydorn, SPD: So ist es.)

Das ist Heuchlerei, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Also zu den Fakten. In Finnland werden in der Sekun

darstufe nicht mehr US-Dollar ausgegeben je Schüler/-in, sondern weniger als in Deutschland. Wir haben im Jahr 2001 in Deutschland Ausgaben in Höhe von 6.620 Euro und in Finnland von 6.537. Das ist der erste Punkt.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Hören Sie doch auf!)

Der zweite Punkt: Es wird immer so getan, als würde in Finnland neben jedem Schüler ein Lehrer stehen. Das ist leider auch eine Illusion. Wenn man sich die Schüler-Lehrkräfte-Verhältnisse ansieht, dann kommt man auf folgende Werte: Finnland 13,4 Schüler, Deutschland 15,1. Es ist wahr, hier besteht ein Unterschied, aber dass der nun extra terrestrisch groß ist, kann man nicht feststellen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ein bisschen kleiner sind die Schulen schon. Ein bisschen kleiner sind die Schulen schon. – Heike Polzin, SPD: Fast so groß wie bei uns. – Heiterkeit bei Jörg Heydorn, SPD – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Dritter Punkt. Die Frage muss man ja mal beantworten, Herr Dr. Born. Wie schaffen es die Finnen, mit demselben Geld, das wir aufwenden, eine bessere Betreuungsrelation zu erreichen? Wie denn, meine Damen und Herren? Meine Damen und Herren, wie denn?

(Eckhardt Rehberg, CDU: Weil die Lehrer 40 Prozent weniger verdienen. 80 Prozent sind Personalkosten an Schulen.)

Nein, das ist in Schweden so, nicht in Finnland, Herr Rehberg.

Die finnischen Lehrer – das ist ein Faktum, es ist vielleicht eine unangenehme, aber eine wahre Tatsache – verdienen 20 Prozent weniger als die Lehrer in Deutschland.

(Eckhardt Rehberg, CDU: 40, 40! – Dr. Ulrich Born, CDU: 2 mal 20. – Eckhardt Rehberg, CDU: 2 mal 20 sind 40.)

Dann haben Sie den OECD-Bericht nicht zur Kenntnis genommen. In der Presse liegen die Zahlen dann auch aufbereitet aus. Ich darf Ihnen das vorlesen: Wir haben in der Sekundarstufe 50.805 US-Dollar in Deutschland und 40.482 in Finnland. Wenn das 40 Prozent sind, dann sollten Sie vielleicht auch noch mal zur Schule gehen und ein bisschen Nachhilfe nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Eckhardt Rehberg, CDU: Sie müssen ja noch netto und brutto nehmen.)

Dies alles ändert nichts an der Tatsache, dass die Lehrer in diesem Land aufgrund des Lehrerpersonalkonzepts und der Teilzeit hohe Lasten zu tragen haben. Deswegen sage ich auch: Für die SPD kommt eine Debatte zur Absenkung der Lehrergehälter unter den Bedingungen des Lehrerpersonalkonzepts nicht in Frage.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Aber man muss auch sagen – Herr Renz, als gelernter Lehrer, Frau Fiedler-Wilhelm, als gelernte Lehrerin –, man muss bereit sein zu sagen, wir könnten dieselben Betreuungsverhältnisse gewährleisten, wenn wir auch dieselben Löhne hätten wie in Finnland.

(Lorenz Caffier, CDU: Wir haben gar nichts gelernt.)

Das gehört eben auch zur Wahrheit.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Vierter Punkt. Die deutschen Schülerinnen und Schüler erhalten nicht weniger, sondern mehr Unterricht.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Das wollen sie aber nicht hören.)

Je nach Altersstufe ist der Unterricht in Finnland um 5 bis 18 Prozent der Unterrichtsstunden geringer.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und zum letzten Punkt, das ist der spannende. Das Geld, das in Finnland genauso hoch ist wie bei uns, wird völlig anders ausgegeben, meine Damen und Herren. Genau jetzt kommt der ideologische Knackpunkt: