Zwei zentralen Fragen müssen wir uns widmen. Die erste Frage: Wie gelingt es uns in der Zukunft, die Begabungen unserer Kinder unabhängig vom Wohnort, vom Geschlecht, von der familiären Herkunft so zu fördern, dass noch mehr Schüler als bisher gute Bildungsabschlüsse erreichen? Und die zweite Frage: Wie schaffen wir es, die Qualität von Bildung und Erziehung in der Schule kontinuierlich weiterzuentwickeln, so dass die Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit haben, lebenslang – sei es in der beruflichen Bildung, sei es in der Hochschule, sei es in anderen Weiterbildungseinrichtungen – erfolgreich zu lernen und darüber hinaus aktiv am Leben dieses Landes teilhaben zu können?
Nun zu den Bausteinen des Schulgesetzes. Da sind zum Ersten die Regelungen zur Bildung von Eingangsklassen mit dem Gebot der Effizienz und Effektivität in der Nutzung der Ressourcen. Unser vorrangiges Bemühen gilt der Absicherung eines qualitativ hochwertigen Bildungssystems im Land. Das ist doch selbstverständlich. Und jedes Kind und jeder Jugendliche soll unabhängig von seinem Wohnort Zugang zu guten Bildungseinrichtungen haben. Die schulgesetzlichen Regelungen zur Bildung von Eingangsklassen sichern das Schulangebot im Land. Jeder Schüler muss auch künftig in Wohnortnähe die Möglichkeit haben, bei entsprechender Eignung jeden möglichen Bildungsgang aufzunehmen. Das ist eine Grundvoraussetzung für Bildungsgerechtigkeit auch in unserem Lande und bei den uns allen bekannten demografischen Veränderungen in unserem Lande eine ganz besondere Herausforderung.
Die Konzentration der Schulen folgt dem Gebot der Effizienz und Effektivität. Und dieses Ziel ist nur erreichbar, nur realisierbar, wenn Konzentrationen im Schulsystem vorgenommen werden, wenn Schulen kooperieren, wenn Schulzentren entstehen. Diese Schulen haben aus pädagogischer Sicht eine Mindestgröße, um effektiv arbeiten zu können. Sie verfügen dann auch über ein breiteres Angebot an Wahlpflichtfächern, an Arbeitsgemeinschaften. Der Vertretungsunterricht ist fachlich leichter abzusichern, der Austausch zwischen mehreren Fachkolleginnen und -kollegen kann hier wirksam werden.
Im Hinblick auf die Qualität der pädagogischen Arbeit wollen wir nicht zu kleine Schulen und in Zeiten der Haushaltskonsolidierung, das dürfen wir nicht einfach negieren, können wir uns zu kleine Schulen auch gar nicht leisten. In Schulverbünden, Gesamtschulen und größeren Schulen in der Region, sei es ein Gymnasium oder eine Regionale Schule, ist eine höhere Effizienz in diesem Bereich zu erreichen und die Arbeit der einzelnen Lehrkräfte kommt mehr Schülern zugute. Auch die sächlichen Mittel, sei es für die Ausstattung der Schulen mit Lehr- und Lernmitteln, die Nutzung der Fachräume, Turnhallen, Theaterbühnen, Bibliotheken, können besser genutzt werden.
Ein zweiter Baustein sind die Ganztagsschulen. Schule befindet sich, wie wir immer wieder im Vergleich mit anderen Ländern sehen, überall in einem grundlegenden Wandel. Vom mehr oder weniger ausschließlichen Lernort entwickelt sie sich zu einer Einrichtung, in der Bildung und
Erziehung und Betreuung als ganzheitlicher Prozess gesehen werden. Und wenn wir den zusammenbringen, politisch, juristisch, gesellschaftlich in der Lebenswirklichkeit, dann haben wir einen Weg, auf dem wir einiges besser machen können. Ganztagsschulen gehören bereits seit über zehn Jahren zur Bildungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Sie sind heute so gefragt wie nie. Diese zukunftsweisende Schulform bietet nicht nur neue Öffnungszeiten, sondern sie ist der Raum für neue pädagogische Konzepte und individuelle Förderung, für weiterentwickelte Konzepte. Soziale Herkunft, mangelnde Betreuung in der Familie, veränderte und geschrumpfte Räume für soziale Beziehungen sollen nicht über den schulischen Werdegang und Bildungserfolg unserer Kinder entscheiden. Deshalb ist eine Antwort auf PISA der weitere Ausbau von Ganztagsschulen im Land.
Die gebundenen Formen schaffen bessere Voraussetzungen für die Realisierung der Ziele der Ganztagsschulen. Qualitative Veränderungen können hier effizienter umgesetzt werden. Die Definition der Ganztagsschule durch die Kultusministerkonferenz, nach der diese Form einen für alle Schülerinnen und Schüler verbindlichen Aufenthalt in der Schule an mindestens drei Wochentagen mit mindestens sieben Zeitstunden am Tag vorsieht, soll in unserem Land den Mindeststand bestimmen.
Viele Schulen des Landes haben das Potenzial der Ganztagsschule in voll gebundener Form erkannt und richten gegenwärtig ihre Schulprogramme an diesem Konzept aus. Die Ganztagsschule stellt sich als bedürfnisorientierte Schule dar. Sie ist kein Ersatz eines Betreuungsdefizites, sondern sie ist für Schüler ein Angebot mit einer neuen inhaltlichen Qualität. In der Ganztagsschule stehen größere Zeiträume zur unterschiedlichen Nutzung zur Verfügung. So ergibt sich die Möglichkeit erweiterter Bildungs- und Fördermöglichkeiten sowohl für die benachteiligten und leistungsschwächeren als auch für die hoch begabten Schülerinnen und Schüler.
Mit dem neuen Schulgesetz wird den Schulkonferenzen und Schulträgern die Möglichkeit gegeben, über die bislang auf freiwillige Teilnahme der Schüler angewiesenen Ganztagsschulprojekte hinaus selbst am Standort die gebundene Ganztagsschule einzuführen. Das wissenschaftliche, das bildungsadministrative, das bildungspolitische und das allgemeine öffentliche Interesse an Bildung und Erziehung hat sich aufgrund verstärkter einzelschulischer Autonomie immer deutlicher auf Qualitätsentwicklung von Schule konzentriert. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, in regelmäßigen Abständen das Erreichen pädagogischer Ziele und die Umsetzung ganztagsspezifischer Arbeitsschwerpunkte zu überprüfen.
Die Verpflichtung der Einzelschule, nicht nur Ganztagsschule, sondern auch kontinuierlich qualitätsgeprüfte Ganztagsschule zu sein, schlägt sich nieder im Schulgesetz in den Passagen zur internen und externen Evaluation, schulart- und schulübergreifenden Vergleichen sowie zentralen Schulleistungsuntersuchungen, wie in vielen Schulen darüber hinaus, das müssen wir festhalten, auch im Schulalltag. Mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 wurde eine Evaluation von Ganztagsschulen auf Landesebene unter Berücksichtigung der für Mecklenburg-Vorpommern spezifischen Indikatoren begonnen. Wir beteiligen uns mit zwei Stichproben an der Bundesstudie zur Entwicklung von Ganztagsschule, die sich mit den laufen
den Länderaktivitäten an dieser Stelle abstimmt. Das Interesse an der Entwicklung der einzelnen Schulen am individuellen Standort ist groß und dabei geht es dann auch um die Rahmenbedingungen zur Unterstützung der Schulentwicklung.
Ich bin beim dritten Baustein, dem längeren gemeinsamen Lernen. Das längere gemeinsame Lernen in den Jahrgangsstufen 5 und 6 soll im Schuljahr 2006/2007 beginnend mit der 5. Klasse eingeführt werden. Ziele und Inhalte des längeren gemeinsamen Lernens sind mit dem Konzept der Ganztagsschule eng verbunden. Die Elemente, die dort verknüpft werden sollen, heißen individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler, Entwicklung einer neuen Unterrichtskultur, Entwicklung einer neuen Schulkultur, Kooperation mit außerschulischen Partnern, Verbesserung der Chancengleichheit. Das ist ein erweiterter Anspruch an die inhaltlichen und pädagogischen Zusammenhänge, eine Verknüpfung zwischen längerem gemeinsamen Lernen und Ganztagsschule.
Das wird bestimmt durch eine Anzahl organisatorischer Maßnahmen, eine komplizierte Verflechtung dieser Maßnahmen, Gebäudebelegung, Stundentafeln, abgestimmte Lehrwerke, Lehrereinsatz, Zusammenspiel der Strukturen im Kollegium und in Förderkursen. Und dies alles könnte dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler je nach schulischer Binnenorganisation das Anspruchsniveau wechseln und eine gezielte Förderung oder Hilfe bei erkannten Schwächen erfahren. Die Verbindung einer längeren gemeinsamen Schulzeit mit einer verbesserten individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler ist notwendig, um die vielfältigen Begabungen gerecht aufzeigen zu können, Schwächen zu minimieren, individuelle Fähigkeiten jeder und jedes Einzelnen zu entwickeln.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, brauchen wir eine neue Lernkultur, die die individuelle und bestmögliche Förderung aller Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt der schulischen Arbeit stellt. Neben der Wissensvermittlung ist dann auch der Erwerb von methodischen Kompetenzen wichtig. Das Lernen zu lernen ist eine wichtige Voraussetzung für das lebenslange Lernen in unserer Informationsgesellschaft. Unsere Kinder können unter der Berücksichtigung des individuellen Lerntyps, des Lernrhythmus, der Lernvoraussetzungen in sozialer, musischkultureller und in kognitiver Hinsicht besser geführt werden. Und die Lehrkräfte sind darauf ausgerichtet, individuelle Begabungen früh zu erkennen oder gleichermaßen zu fordern und zu fördern. Den Erfolg der Schule müssen wir dann daran messen, inwieweit es gelingt, sowohl Defizite auszugleichen als auch auf der anderen Seite Talente zu finden und zu fördern.
Erfahrungen aus ganz Europa zeigen, dass durch gemeinsames Lernen von Schülern unterschiedlicher Leistungsniveaus die Interessen und Neigungen wachsen sowie die schulischen Leistungen insgesamt steigen. Leitmodell einer zukünftigen Unterrichtskultur ist die Veränderung der methodischen und didaktischen Unterrichtseinheiten, die auf einem rhythmisierten Schulalltag beruhen, sprich einem Wechsel von gelenkten und ungelen k t e n Lernphasen mit offenen Aktivitäten, lehrgangsorientiertem Unterricht, fächerübergreifendem Lernen, Projektgruppen, Einzelarbeit, Spiel und Freizeit, Neigungsangeboten und dem Einbinden der Funktion von Hausaufgaben. Gute schulische Leistungen und die Entwicklung sozialer Kompetenzen hängen entscheidend ab von der
Ich komme zum vierten Baustein, mehr Selbstständigkeit für Schulen. In direktem Zusammenhang mit der inhaltlichen Ausgestaltung von Ganztagsschulen, dem Strukturwandel durch das längere gemeinsame Lernen, ist das Modellvorhaben, mehr Selbstständigkeit für Schule zu sehen, das im Schuljahr 2004/2005 an 20 Schulen startete. Dieses Modellvorhaben ist eine Konsequenz aus den PISA-Studien. Schulen in erfolgreichen Ländern haben diese größere Selbstständigkeit in der Schulgestaltung. Sie üben sie aus und übernehmen damit auch eine größere Verantwortung für die Ergebnisse ihrer Arbeit. Nach dem ersten Jahr des Modellvorhabens mit 20 Schulen sind erste Ergebnisse sichtbar. Die Arbeit der Schulen wird von Lehrern der 20 Schulen, den Schulleitern der Schulen und den zuständigen Schulräten als insgesamt besonders motiviert und engagiert eingeschätzt. Die Lehrer können mehr Initiative und Veränderungsbereitschaft entwickeln. Die Identifikation mit der Schule wirkt sich positiv aus auf die Leitbildfindung und das Erstellen von schulinternen Qualitätsstandards. Ein umfassendes und substanzielles Qualitätsmanagement hat an allen 20 Schulen begonnen. Durch das Übertragen von Entscheidungsbefugnissen auf die Lehrkräfte entwickelte sich eine erhöhte Verantwortungsübernahme und daraus Arbeitsbereitschaft.
Diese ersten Ergebnisse sollen schrittweise schon jetzt auf unsere Schulen übertragen werden. So ist im Juli 2005 allen Schulen die Befugnis erteilt worden, Neueinstellungen selbstständig vorzunehmen. Dieses ist ein erster Schritt, dem weitere folgen sollen. Größere Ergebnisverantwortung erfordert einen größeren Handlungsspielraum. Die Selbstständigkeit der Schulen soll erhöht werden, damit sie nach ihren örtlichen Verhältnissen die Voraussetzungen für gute Schule schaffen können. Die Schulen planen und gestalten den Unterricht, die Erziehung und die Organisation ihrer inneren Angelegenheiten eigenverantwortlich und ihnen soll Verantwortung für Personal und Sachbedarfsfragen übergeben werden. Das Land und die Schulträger sind in dem neuen Schulgesetz verpflichtet, die Schulen in ihrer Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu fördern und zu unterstützen. Angesichts der Zuständigkeiten der Schulträger und deren Rechte auf kommunale Selbstverwaltung sowie der Regelung des Lehrerpersonalkonzeptes zum Lehrkräfteeinsatz gilt es hier, noch eine ganze Reihe von Klärungen herbeizuführen.
Ein fünfter Baustein betrifft Qualitätsentwicklung, Qualitätsmanagement und Schulprogrammarbeit. Zentrale Bedeutung im Rahmen der Änderungen des Schulgesetzes hat die Einführung von Regelungen zur Qualitätsentwicklung und zum Qualitätsmanagement sowie zu einer intensiveren Schulprogrammarbeit. In der Folge von PISA 2000 sind von der Kultusministerkonferenz bundesweit Veränderungen bei der Steuerung des Systems Schule und bei der Qualitätssicherung verabredet worden. Wesentliche Ansätze sind zum einen die Veränderung von einer Eingabensteuerung zu einer Ergebnissteuerung und zum anderen eine größere Selbstständigkeit der Schulen, aber auch eine größere Verantwortung für die Ergebnisse schulischer Arbeit.
Mit den Bildungsstandards, die von der Kultusministerkonferenz erarbeitet worden und in Mecklenburg-Vorpommern bereits eingeführt worden sind, wird festgelegt,
welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe in inhaltlich wesentlichen Bereichen erlangt haben sollen. Das Schulgesetz soll nun die Schulen und die Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich zu kontinuierlicher Qualitätssicherung verpflichten. Die Qualitätssicherung schulischer Arbeit erstreckt sich auf die gesamte Unterrichts- und Erziehungstätigkeit, die Organisation der Schule, das Schulleben sowie die außerschulischen Kooperationsbeziehungen. Bei der Qualitätsüberprüfung sollen Methoden der empirischen Sozialforschung angewandt werden. Hierzu zählen insbesondere die interne und externe Evaluation, schul- und schulartenübergreifende Vergleiche sowie zentrale Schulleistungsuntersuchungen. Und im Schulprogramm legt dann jede einzelne Schule dar, wie sie den Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie die Grundsätze seiner Verwirklichung ausfüllen will. Dieses Schulprogramm muss Auskunft geben, welche Entwicklungsziele und Leitideen die Planung der pädagogischen Arbeiten und Aktivitäten der Schule bestimmen. Die Handlungen der in der Schule tätigen Personen müssen in diesem Programm koordiniert sein und die Ergebnisse der internen und externen Evaluation müssen dann bei der Fortschreibung des Schulprogramms berücksichtigt werden.
Ich komme zum sechsten Baustein, Abitur in der Wissensgesellschaft. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Änderung des Schulgesetzes ist die Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe. Die Schüler der Jahrgangsstufe 10 des Schuljahres 2005/2006 werden die Ersten sein, die im Frühjahr 2008 wieder nach zwölf Schuljahren das Abitur ablegen. Hochschulen kritisieren seit Jahren die unzureichende Studierfähigkeit der Abiturienten. Den Grund sehen die Wissenschaftler in der starken Spezialisierung, die zulasten einer breiten, hoch entwickelten Allgemeinbildung geht. Daher stärkt die neue Oberstufe wieder das Ziel der allgemeinen Hochschulreife. Sie stärkt die Kernfächer Mathematik, Deutsch, eine Weltsprache, eine Naturwissenschaft, Geschichte und politische Bildung.
Die Einführungsphase in der Jahrgangsstufe 10 wird wie bisher im Klassenverband unterrichtet und danach geht es in eine Qualifikationsphase, die in wesentlichen Bestandteilen das Kurssystem durch Hauptfächer und Fächer ablösen kann. Und das bewährte Zentralabitur wird selbstverständlich beibehalten, jetzt allerdings mit den Pflichtfächern Deutsch, Mathematik, einer Weltsprache, Geschichte, Politische Bildung und einer Naturwissenschaft. Wir haben die Diskussion um eine bundesweite Zentralabiturprüfung in der Kultusministerkonferenz angestoßen.
Ich komme zum Abschluss, sehr geehrte Damen und Herren. Die Schulen in Mecklenburg-Vorpommern befinden sich bereits in einer guten Entwicklung, die uns die PISA-Ergebnisse andeuten. Das Schulgesetz soll für alle Beteiligten Wegweisung sein. Es soll Aufträge erteilen, es soll Möglichkeiten für eine umfassende Schulentwicklung schaffen. Ich bin mir sicher, dass diese Reformen auch Grundlage für eine umfassende Qualitätssteigerung sein können. Allerdings wissen wir, Erfolge im Bildungsbereich brauchen Zeit. Die Ergebnisse können erst nach Jahren eingesammelt werden und für diese Entwicklungen benötigen wir die notwendige Konsequenz in der Umsetzung des Schulgesetzes sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten. Und wir brauchen ein Schulgesetz, das über jeden verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben ist. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Kultusminister, wer Ihnen zugehört hat, hat am Anfang geglaubt, Sie sprechen zu einer gänzlich neuen Materie.
Wer Ihnen gefolgt ist, hat gemerkt, dass dies eine Rede war, die Sie möglicherweise aus den Versatzstücken Ihrer Diskussionsbeiträge zur Schulgesetzänderung der Vergangenheit wieder aufgewärmt haben. Und da sind wir heute gerade.
Meine Damen und Herren, es wird diesem Landtag zugemutet, sich mit einem Gesetzentwurf zu befassen, weil eine Landesregierung offenbar in sich gegangen ist und sich zugesteht, dass sie möglicherweise etwas schlampig mit der Verfassung umgegangen ist bei der Beratung von Gesetzen. Immer war im Rechtsausschuss der Herr Justizminister dabei. Grundlage ist ein Urteil zu einer Verfassungsklage und damit ein Urteil des Landesverfassungsgerichts, das für die meisten von uns nicht überraschend war, weil es die geltende Rechtslage eigentlich nur deutlich wiedergegeben hat.
Manchmal, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, habe ich den Eindruck, dass man jetzt am Schulgesetz aus lauter Trotz darlegen will, so ist es, wenn das Landesverfassungsgericht uns auf die Finger klopft. Das ist aber nicht die richtige Verfahrensweise.
Was ich zu der Rede des Kultusministers Herrn Professor Metelmann feststellen möchte – ich bedanke mich noch einmal, und das ist ganz offen gemeint, dass Sie gestern zu uns in die Fraktion gekommen sind, ich bedanke mich bei dem Herrn Justizminister, dass er uns seinen Staatssekretär Herrn Dr. Litten geschickt hat, und ich bedanke mich natürlich bei der Landtagsverwaltung, dass der Direktor bei uns war. Was sich dann aus dem Nebel eines Gesetzes, welches das gar nicht so deutlich sagt, ergeben hat, war Folgendes: Dieses Urteil des Landesverfassungsgerichts, das dankenswerterweise auch der Herr Kultusminister zitiert hat – übrigens gibt es zwei –, hat sich, was das Schulgesetz angeht, mit einem Sonderfall befasst. Im Übrigen ist für jeden erkennbar und aus dem Tatbestand des Urteils ersichtlich: Das Gericht hat für verfassungswidrig erkannt, dass die Finanzministerin mitten
Und die Besonderheit – das war damals strittig, Frau Finanzministerin, Sie haben eine andere Auffassung vertreten als wir, aber dafür gibt es ja Gerichte – waren neue im ursprünglichen Haushaltsrechtsgesetz nicht schon enthaltene materielle Gesetzesinhalte, also unjuristisch ausgedrückt einige ganz neue Änderungsgesetze, insbesondere auch eine Novelle zum Schulgesetz. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder und Sie, die Koalitionsfraktionen, haben dann im Plenum dieses Gesetz beschlossen und dazu gehörte schließlich dieser Artikel 7, den ich eben ansprach. Da war es in der Tat so, dass das Verfassungsgericht – wie wir glauben, mit Recht und ich hoffe, Sie tun das auch – die Umgehung des Landtages nämlich mit der Ersten Lesung beanstandet hat.
Für die etwas kundigen Thebaner war das nicht so ungewöhnlich, dass eine Erste Lesung stattfinden muss. Das steht alles in dem Urteil, warum das so ist. Diesen Mangel haben wir gemeinschaftlich bereinigt. Wir haben diese achte Änderung des Schulgesetzes dann noch einmal miteinander beraten und ordnungsgemäß mit einer Mehrheit dieses Landtages beschlossen. Erst diese Gespräche zeigten, wo Sie Ihre Bedenken haben. Das ist gar nicht diese Änderung, die Sie in verfassungswidriger Weise so eingebracht haben, sondern Sie haben die neunte Änderung im Visier. Und da haben Sie auf einmal ein schlechtes Gewissen. Manchmal wünscht man sich, dass die Einsicht in parlamentarische Gepflogenheiten etwas früher käme, nämlich während der Beratung.
Es ist richtig, wie der Herr Kultusminister bei uns gestern noch viel ausführlicher und absolut zutreffend vorgetragen hat, dass von der Parlamentsmehrheit relativ überraschend, meine Damen und Herren, neue Regelungsinhalte in die schon laufende Diskussion der Änderung des Schulgesetzes eingebracht worden sind. Aber, meine Damen und Herren, jetzt wird es doch ein bisschen peinlich, wenn zum Beispiel jemand, der uns dort etwas vorträgt, nicht weiß, dass der Ausschuss, dem ich dafür ein besonderes Kompliment aussprechen muss, nachdem diese Änderungen mit eingebracht worden sind ins Gesetzgebungsverfahren, noch eine weitere Anhörung durchgeführt hat.
Möglicherweise hat der Ausschuss das geheilt, was nicht so ganz in Ordnung war. Da muss ich fragen: Was hat denn eigentlich in der Landesregierung zu diesem eigenartigen Gesetzentwurf eines Heilungsgesetzes stattgefunden? Keine Abstimmung, meine Damen und Herren?