Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Die kommunale Kulturpolitik ist von den Rahmenbedingungen – und das ist hier immer noch so und das wollen wir auch gar nicht anders haben –, die wir als Land in Mecklenburg-Vorpommern schaffen, abhängig. Das bedeutet aber auch, dass die Kommunen und Landkreise ihre eigenen Kulturentwicklungsplanungen vorzulegen haben, denn in die Glaskugel zu gucken und im Nebel herumzustochern, welche Kultur hinter Vorpommern/Ostvorpommern gefördert oder nicht gefördert werden solle, das halte ich schlechterdings für eine theatereigene Version. Da gibt es genug Zauberer, die das hinbekommen, aber nicht die Kultur.

Im Übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, aus der Notwendigkeit zu sparen und dem Kampf um knappe Ressourcen ergeben sich für die Kulturpolitik – und wir haben das im Haushalt erlebt – vor allem erst einmal die zwei Fragen: Wo und wie wird gespart? Wie positioniert sich die Kultur im Verteilungskampf der Ressorts? Da helfen Marktgesetze kaum, vielleicht aber die Erkenntnis, und nun bitte ein Zitat, von Herrn Oliver Scheytt, der verantwortlich mit tätig war in der Enquetekommission Kultur in der vorigen Legislaturperiode des Bundestages, der sagte: „Ein nur an ökonomischen Zielen orientiertes Denken und Handeln führt in die geistige Leere.“ Das ist einfach so.

(Beifall Heinz Müller, SPD, und Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS)

Die Landesregierung – und das hat die umfängliche Beantwortung, die wir hier vorliegen haben, bewiesen – ist sich der Unwägbarkeiten kommunalpolitischen Handelns bewusst. Ich gehe deshalb extra darauf ein, weil Sie, Frau Fiedler-Wilhelm, einen gewissen breiten Raum den kommunalen Problemen in Ihrer Rede gewidmet haben.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Die Beantwortung der Großen Anfrage Kultur zeigt deutlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass sie mit ihren Leitlinien zur Kulturarbeit und durch ihr praktisches Handeln Prioritäten setzt. Das macht die Landesregierung und da wird sie sich auch nicht und von niemandem abhalten lassen! Diese Prioritäten dienen dazu, die kulturelle Infrastruktur unseres Landes zu sichern, und sie wird sie entwickeln helfen. Und finden wir nicht alles gleich so, wie es sein soll, gibt es immer noch genügend Arbeit für die nächste Legislaturperiode, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD)

Das enthebt aber auch nicht die Kommunen und Landkreise ihrer Verantwortung als politisch legitimierte Gremien, den Rahmen zu bestimmen, in dem Kunst und Kultur sowie kulturelle Bildung stattfinden sollen in den Städten. Natürlich ist es so, dass die Ausgestaltung der kulturellen Infrastruktur eine kommunalpolitisch zu begründende und zu treffende Ermessensentscheidung ist. Und natürlich ist es auch so, dass in Abwägung aller kommunalen Notwendigkeiten und unter Beachtung der Grenze der Leistungsfähigkeiten der Landkreise die Finanzierung der Kultur hinsichtlich ihrer Haushaltsspielräume, Frau Fiedler-Wilhelm, zu gewichten ist.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Das ist es.)

Aber es ist auch so, dass pflichtgemäßes Ermessen kommunaler Gremien nach einer Zielfindung, einer Zielsetzung und Bewertung des Stellenwertes Kultur nur durch tragfähige Kulturentwicklungskonzepte ermöglicht werden kann. Das ist so. Und wer inhaltliche Zieldimensionen in den Kommunen ausblendet und sich über den üblichen Ritualen von Finanzstrukturdebatten ausschließlich diesen Ritualen hingibt, der vergisst die integrale Bedeutung von Kultur, von Tourismus, Standortmarketing und Integration.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Weder Grundgesetz noch Landesverfassung – und da können Sie auch nachlesen – und schon gar nicht unsere Landesverfassung verbieten es politisch legitimierten Gremien, ihre Kulturstruktur selbst zu bestimmen.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Langsam! So schnell kann ich nicht zuhören.)

Das Budgetrecht der Parlamente, über das die Gestaltung der Politikfelder ganz wesentlich erfolgt, also auch unseres, steht insofern als Schlüsselinstrument einer demokratischen Staatsverfassung über Verfassungsgeboten, aber nicht gegen sie. Und das kann ich hier auch nicht erkennen, dass das anders gewesen wäre mit den Finanzhaushalten.

Ein Kernproblem in der kommunalen Kulturpolitik besteht meist darin, den Kulturbegriff zu operationalisie

ren. Ich versuche es einfach einmal deutlich zu machen: Jeder redet über Kultur, alle durcheinander, manchmal auch nacheinander, und irgendwann, wenn dann jemand nicht die Erbsen nach unten wirft, gibt es nichts zu zählen. Zu oft führt diese Herangehensweise zur kategoralen Einengung des Blickfeldes.

Ein nächster Punkt, Frau Fiedler-Wilhelm, Sie sagten etwas von Kulturwirtschaft. Gänzlich ungeeignet sind diese Systematisierungsversuche letztendlich zur Abbildung des Beziehungsgeflechts zum Bereich der so genannten Kulturwirtschaft, zu allen Produzenten und Vermittlern folglich, die gewinnorientiert und nicht steuerbegünstigt Kunst und Kultur produzieren und anbieten.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Steuer- und zuwendungsrechtliche Kategorien beinhalten aber keineswegs zwingend Urteile über Qualitäten. Kulturwirtschaft ist keine gesonderte Sparte, sondern sie steht in ständiger Wechselwirkung zum Kulturbetrieb. Kommunale Kulturentwicklungsplanung tut sich folglich bislang schwer mit Bedarfsdiskussionen und Kategorienbildung. Auch da, liebe Kommunalpolitikerinnen und -politiker, können Sie Ihren Beitrag in Ihren Kommunen zu Hause leisten. Damit bewegt man sich natürlich im begrenzten Rahmen von Fachplanungen, wenn man da so herangeht, die nach eigenem Selbstverständnis andere Zuständigkeiten nicht zu berühren haben. Wenn aber für Kulturwirtschaft die Wirtschaftsförderung zuständig ist, dann sollten Sie dieses Feld auch aktiv wahrnehmen.

Da gibt es noch einige Fragen, die ich in Ihrer Großen Anfrage nicht gefunden habe.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Ich habe zum Beispiel nicht gefunden, wie es mit der wirtschaftlichen Situation der Kulturberufe in diesem Lande aussieht. Immerhin sind das fast 16.000, wenn man die Kulturberufe so definiert, wie es das Statistische Bundesamt macht, und wenn die Länder übergreifende Vergleiche anstellen, also angefangen vom Journalisten bis zum Philosophieprofessor, bis zum Architekten, Maler, Grafiker, Theaterkünstler et cetera. Das würde mich einmal interessieren und das wäre vielleicht auch eine Aufgabe, die das nächste Parlament noch zu bewältigen hat, weil Kultur Arbeitsplätze bedeutet und nicht nur schafft, das ist ja wohl deutlich.

Man könnte übrigens, das sei mir gestattet, nebenbei auch noch provokativ fragen, in Richtung einiger Städte – in Neubrandenburg zum Beispiel, glaube ich doch, Herr Prachtl, kennen wir uns gut aus,

(Rainer Prachtl, CDU: Was die Stimmung angeht, ja.)

da könnte man das fragen, umgekehrt folgt das daraus –, warum die Existenzsicherung von Künstler/-innen nicht ebenfalls Gegenstand kommunaler Wirtschaftsförderung ist. Das ist in anderen Stadtstaaten und Ländern so schon praktiziert. Ich denke an Hamburg, da geht das. Warum nicht bei uns?

(Heiterkeit und Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Sowohl die Kulturanalyse für Mecklenburg-Vorpommern als auch die Beantwortung Ihrer Großen Anfrage, meine Damen und Herren von der CDU, haben zur Erkenntnis beigetragen, das Land Mecklenburg-Vorpom

mern war, ist und bleibt in der Pflege und Entwicklung der Kultur hervorragend. Und das kann man auch nicht schlechtreden.

(Rainer Prachtl, CDU: Das hat Johannes R. Becher schon gesagt: „Und … mit Masten aufgestellt und zum Tag erhellt.“ – Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Es ist einfach so. Jawohl, prima, Herr Prachtl, das gefällt mir.

Im Prinzip liegen wir auf Platz 6 im Ländervergleich 2005. Übrigens muss ich zugeben, neuere Statistiken liegen nicht vor. Vor uns sind nur die großen Stadtstaaten, weit abgehängt mit roter Laterne sind wir nicht. Das werden Sie der Landesregierung nicht unterschieben können.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Es geht um eine Rankingliste.)

Sämtliche Wahrnehmungen, die sich durchaus sicherlich noch zu verbesserungswürdigen Zuständen dilettieren – das sage ich Ihnen ganz im Ernst –, sind sehr selektiv und geben nicht das positive Gesamtbild Mecklenburg-Vorpommerns wieder.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Es wird natürlich eine weitere Aufgabe sein, dieser Bestandsaufnahme weitere folgen zu lassen. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat eine s e h r detaillierte und umfassende Kulturanalyse, die Sie hier auch ansprachen, in Auftrag gegeben. Besonders beleuchtet und untersucht wird hierin der öffentliche Kultursektor. Diese Analyse versetzt die Kulturpolitik in die Lage, entsprechende Schwerpunkte zur Entwicklung der Kulturkonzeption – diesmal des Landes MecklenburgVorpommern – vorzulegen. Die Analyse ist durch die Sammlung umfangreichen Datenmaterials erstellt worden. Die Auswertung dieser Analyse ist erfolgt und erfolgt immer noch. Noch einmal zum Grundverständnis: Sie beschäftigt sich mit nahezu allen Institutionen und Kulturträgern in öffentlicher oder freier Trägerschaft, Bibliotheken, darstellende Kunst, Film, neue Medien, Museen, Heimatstuben, Musik, Soziokultur, Archive, Literatur, Spielstätten, Auftritte, Bildende Kunst, Heimatpflege, Denkmalpflege, Jugendkunstschulen, Volkshochschulen, Musikschulen und Sonstiges.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Quantitative Bestandsaufnahme.)

Sehr schön.

Und das hat auch ergeben, die Kulturpolitik wird in laufender Arbeit und in einer Kulturposition in diesem Bereich zu verwertbaren Ergebnissen kommen, dessen bin ich mir völlig sicher. Um aber eine umfassende Kulturkonzeption erarbeiten zu können, ist es notwendig – und das ist der einzige Punkt, wo ich Ihnen eigentlich Recht gebe –, den kulturwirtschaftlichen Bereich ebenso zu beleuchten. Ich schrieb es in der letzten Broschüre, da steht drin: „Wer den linken Schuh hat, darf den rechten nicht vergessen. Der gehört genauso besohlt,“

(Zurufe von Rudolf Borchert, SPD, und Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

„und da läuft es sich bekanntlich auf zwei Schuhen besser.“

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Aber Barfußlaufen ist auch schön. – Heinz Müller, SPD: Kommt drauf an, wo.)

Wenn Sie das Barfußlaufen als Kunstform betrachten, dann würde ich Sie einladen. Sie wohnen ja bekannterweise immer noch in Koserow. Zinnowitz ist um die Ecke. Tanzen Sie doch einfach mal mit! Da gibt es eine Tanzpädagogin, die Ihnen das sicherlich, wenn Sie das noch nicht können, beibringt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ich war doch da! – Rudolf Borchert, SPD, und Heinz Müller, SPD: Barfuß! – Wolfgang Riemann, CDU: Das war so kalt, als ich tanzen wollte.)

Prima, ich erwarte Sie im Sommer zu den Vineta-Festspielen. Kommen Sie mal vorbei!

(Heinz Müller, SPD: Und dann nehmen wir Eintritt.)

„Riemann barfuß in Koserow“, na, das ist doch ein Filmtitel!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Landestourismuskonzeption – dieser Bereich scheint mir sehr wichtig zu sein – sind folgende Aufgaben hinsichtlich der Kunst und des Kulturtourismus für die Zukunft erkannt worden. Wir hatten hier einen Antrag zum ressortübergreifenden Handeln in der Kultur. Dieser ist für erledigt erklärt worden und eigentlich haben wir da eine Fülle an Daten. Sie haben sogar Eingang gefunden in andere ressortbezogene Daten, also im Wirtschaftsbereich, in Tourismuskonzeptionen. Wir müssen nur nachlesen und dann können wir einfach sagen, da sind wir auch nicht die Schlechtesten, im Gegenteil, wir sind Tourismusland Nummer eins und das werden wir auch bleiben, wenn das so weitergeht mit der Beziehung zwischen Kultur, Tourismus und Kulturtourismus

(Holger Friedrich, SPD: Ja.)

und nicht nur Wasser, Wald, Seen und Wellness.

(Beifall Beate Mahr, SPD)