Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Es ist gelungen, gegen starke Widerstände von CDU und CSU nicht nur die Vatermonate durchzusetzen, son

dern auch, was besonders gefährlich gewesen wäre, eine Reihe von Punkten zu verhindern, die dazu geführt hätten, dass das Elterngeld sozial unausgewogen gewesen wäre, weil, bevor der 1. Mai stattfand, in den Medien zu vernehmen war, dass gerade die CDU/CSU nicht die Anrechnungsfreiheit von Elterngeld wollten und auch nicht wollten, dass ein Mindestelterngeld als Sockelbetrag von mindestens 300 Euro eingesetzt wird, um Geringverdiener und Arbeitslose letztendlich auch zumindest auf der gleichen Höhe wie Erziehungsgeld auszustatten. Das ist nachzulesen in diversen Presseartikeln. Insofern halten Sie sich bitte an die Fakten, Herr Renz!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich bin sehr froh, dass sich die SPD letztendlich, wie gesagt, im Koalitionsausschuss am 1. Mai durchsetzen konnte.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Insofern war der Weg frei für, manche sagen jetzt sogar schon, eine kleine Revolution in der Familienpolitik. Der Begriff „Paradigmenwechsel“ fiel hier schon. Ich würde nicht ganz so weit gehen, ich bin da etwas nüchterner.

(Torsten Renz, CDU: Kennen Sie den Familienbericht nicht?)

Ich würde das bewerten als neue Weichenstellung in der Familienpolitik in Deutschland. Und diese neue Weichenstellung in der Familienpolitik sollte man nicht zu gering schätzen,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

wie man an einigen aufgeregten Reaktionen gerade von CDU/CSU in den letzten Monaten verfolgen konnte.

Warum eine neue Weichenstellung in der Familienpolitik? Das möchte ich an zwei Punkten deutlich machen. Als Erstes ist es ein völlig neuer Ansatz in der Familienpolitik,

(Torsten Renz, CDU: Deshalb auch Paradigmenwechsel.)

wenn man nicht wie bisher zeigt, dass sich Leistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Erziehungsgeld direkt am Bedarf der Kinder ausrichten, sondern wenn man erstmals zur Kenntnis nimmt, dass die eigentliche finanzielle Belastung nicht die Aufwendungen für die Kinder sind, sondern dass sich die eigentliche finanzielle Belastung aus dem Wegfall des Verdienstes ergibt. Es ist ein völlig neuer Ansatz, wenn man jetzt beim Elterngeld entsprechend dem Arbeitslosengeld 67 Prozent des Nettoeinkommens weiterzahlt entsprechend dem Verdienst.

(Torsten Renz, CDU: Paradigmenwechsel nenne ich das.)

Insofern ist das ein Paradigmenwechsel.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Torsten Renz, CDU: Aha!)

Maximal 1.800 Euro maximal 14 Monate, und das nach der Geburt des Kindes. So weit zu den Fakten. Das ist das entscheidend Neue.

Wenn man sich jetzt über die Geburt eines Kindes freut, hat man die Möglichkeit, seine Berufstätigkeit zu unterbrechen, behält damit seine eigene wirtschaftliche Absicherung und man hat auch die Chance, seinen Lebensstandard zu halten, weil man, wenn beide erwerbstätig

sind – Weiterzahlung und Einkommen, also Elterngeld plus Einkommen –, etwa 90 Prozent des bisherigen Einkommens zur Verfügung hat.

Dieser Paradigmenwechsel,

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Aha!)

diese neue Weichenstellung,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

wie immer man es bezeichnet, zielt ab, Herr Renz, und jetzt komme ich an einen Punkt, der sicherlich schon kontrovers diskutiert wurde und sicherlich auch wird, auf ein neues modernes Familienbild. Erstmals haben Väter die reale Chance, eine Babypause zu genießen, nicht nur in Anspruch zu nehmen, das wäre mir einfach zu nüchtern. Ich glaube, dass es ein Gewinn ist, nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Väter, wenn sie die Möglichkeit haben, diese Babypause zu genießen, und dabei nicht Angst haben müssen, dass sie Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber bekommen beziehungsweise dass aufgrund der Tatsache, dass das Einkommen der Väter in der Regel das höhere ist, sie dadurch in ganz entscheidendem Maße im Lebensstandard geschmälert sind. Das ist wirklich eine völlig neue Weichenstellung.

Und dann das Geschrei der CDU/CSU, Herr Renz,

(Torsten Renz, CDU: Och, was denn nun schon wieder?!)

jetzt kommt es. Das kann ich Ihnen natürlich nicht ersparen. Gerade der Streit um die zwei Vatermonate war das Topthema in den Medien.

(Torsten Renz, CDU: Das setzen wir doch durch!)

Erstaunlicherweise war es weniger die Gefahr der mangelnden sozialen Ausgewogenheit,

(Torsten Renz, CDU: Das setzen wir doch gemeinsam durch, Punkt!)

Topthema waren die Vatermonate. Und jetzt, Herr Renz, einige Ministerpräsidenten der CDU: …

(Torsten Renz, CDU: Oh, nein!)

Ja, das tut weh. Das tut weh.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

… Rüttgers, Althaus, Milbradt, Wulff, ich kann so weitermachen, alle diese CDU-Ministerpräsidenten hatten,

(Vincent Kokert, CDU: Wir haben ja nicht mehr viele! Wir haben ja nicht mehr viele!)

alle diese Ministerpräsidenten haben die Vatermonate gegeißelt,

(Vincent Kokert, CDU: Da sind Sie schneller.)

gegeißelt als Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Eltern. Das ist Tatsache. Spitzenreiter war bei dem Thema, das kam natürlich überraschend, die CSU. Ich zitiere da nur einen, Peter Ramsauer, Chef der CSU-Landesgruppe. Er sagte: „Wir brauchen kein Wickelvolontariat.“ – das bezogen auf die Vatermonate. Sehr tiefsinnig!

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Hört, hört! – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Ich glaube, jeder weitere Kommentar ist an der Stelle überflüssig.

Meine Damen und Herren, zur Klarstellung: Kein Vater muss die Elternzeit in Anspruch nehmen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das habe ich auch schon gesagt.)

Das Elterngeld wird dann 12 Monate gezahlt. Wenn er sie in Anspruch nimmt, 14. Das erleichtert es den Eltern, den Vätern vor allem, die Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Insofern sind die Vatermonate für die Familien kein Verlust, wie behauptet wird,

(Torsten Renz, CDU: Wer behauptet das denn? Zitieren Sie doch noch mal Frau Merkel!)

sondern ein Zugewinn an Entscheidungsfreiheit und darüber hinaus ein Anreiz für mehr Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern in Familie und Beruf.

Jetzt komme ich noch einmal zum Thema „Soziale Ausgewogenheit“. Es stimmt, die SPD konnte sich in den Verhandlungen mit der CDU durchsetzen, konnte die Anrechnungsfreiheit erhalten und konnte das Mindestelterngeld von 300 Euro durchsetzen.

(Torsten Renz, CDU: CDU-Forderung! CDU-Forderung!)

Das ist sicherlich ein Erfolg. Insofern konnte verhindert werden, dass die Verbesserungen für die meisten Eltern nicht einhergehen mit deutlichen Verschlechterungen für Langzeitarbeitslose.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Aber ein Wermutstropfen bleibt, den gibt es, weil – das wurde hier auch schon von einigen Vorrednern gesagt – das Elterngeld nicht 24 Monate gezahlt wird, sondern maximal 14 Monate. Das heißt, diese Verkürzung der Bezugsdauer von 10 Monaten führt, insbesondere bei Alleinerziehenden – konkret, wenn sie arbeitslos sind, langzeitarbeitslos, Geringverdiener sind –, zu einem Einkommensverlust von 3.000 Euro. Wie viele das in der Bundesrepublik insgesamt trifft, die Zahl hat Frau Gramkow genannt, und was das Besondere ist, das wissen wir. In Mecklenburg-Vorpommern ist der Anteil der jungen Familien besonders hoch, die von dieser Einnahmeverschlechterung betroffen sind.