Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss hat dem Landtag gemäß Paragraf 39 Absatz 1 Untersuchungsausschussgesetz Mecklenburg-Vorpommern nach Abschluss der Untersuchungen einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Da der Ausschuss seine Untersuchung jedoch aus zeitlichen Gründen nicht abschließen konnte, hat er dem Landtag gemäß Paragraf 39 Absatz 4 Untersuchungsausschussgesetz Mecklenburg-Vorpommern rechtzeitig einen Sachstandsbericht über den Gang des bisherigen Verfahrens sowie über das bisherige Ergebnis der Untersuchungen vorzulegen. Dieser Bericht liegt Ihnen jetzt vor. Er wird ergänzt durch ein Sondervotum der CDU-Fraktion. Der Verfahrensteil des Berichts wurde vom Ausschuss einvernehmlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung seitens der CDU-Fraktion beschlossen. Der Feststellungsteil und auch der Bewertungsteil wurden vom Ausschuss mehrheitlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen. Der Ausschuss hat den Sachstandsbericht insgesamt mehrheitlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Kollegen der CDU-Faktion angenommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses möchte ich Ihnen chronologisch erläutern, welche Antworten der Ausschuss auf die im Einsetzungsbeschluss aufgeworfenen Fragen zum Mordfall Carolin gefunden hat. Unter Punkt 1.1 Buchstabe a) heißt es: „Das Landgericht Stralsund hat in seinem Urteil vom 25.03.1998 dringend empfohlen, Maik S. in sozialtherapeutische Maßnahmen einzubinden. Wie ist dieser Empfehlung im Rahmen des Strafvollzugs Folge geleistet worden? Wie gestaltete sich der Vollzug im Einzelnen in den Jahren 1998 bis 2000, 2000 bis 2002 und von 2002 bis zur Haftentlassung 2005?“
Der Ausschuss ist zunächst der einhelligen Auffassung von Sachverständigen und Zeugen gefolgt und zu dem Ergebnis gelangt, dass die Empfehlung des Landgerichts Stralsund im oben genannten Urteil keinen rechtlich verbindlichen Charakter hat. Diese Auffassung wird vor allem gestützt durch den geltenden Gesetzeswortlaut, denn die einschlägige Vorschrift in der Strafprozessordnung schreibt vor, dass alle Rechtsfolgen einer Straftat in die Urteilsformel, also in den Urteilstenor aufzunehmen sind.
Die Empfehlung der Einbindung von Maik S. in sozialtherapeutische Maßnahmen findet sich aber hier gerade nicht im Tenor, sondern lediglich in der Begründung des Urteils, und entfaltet insofern schon keine Bindungswirkung. Im Übrigen ist die maßgebende Vorschrift hier Paragraf 9 des Strafvollzugsgesetzes. Danach sind die Justizvollzugsanstalten verpflichtet, einen Gefangenen dann in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Zuständig für die Prüfung von Paragraf 9 Strafvollzugsgesetz ist aber ausschließlich der Strafvollzug und eben nicht das erkennende Gericht. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht, was im Übrigen durchaus üblich ist, dem Vollzug eine Anregung gegeben. Aufgabe und Pflicht des Vollzugs war es jedoch, selbst zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht.
Der Ausschuss hat sich hinsichtlich des Umfangs der Empfehlungen den Aussagen der Zeugen Döring und Jesse angeschlossen. Danach sind sowohl Maßnahmen der Arbeitsintegration als Teil der Sozialtherapie – und die Sozialtherapie hier im engeren Sinne – von der Empfehlung umfasst. Was die Arbeitsintegration angeht, ist wich
tig festzustellen, der Strafvollzug hat insgesamt über mehrere Jahre verteilt sechs Versuche unternommen, Maik S. während seiner Haftzeit in Arbeit zu integrieren. Dies waren nach Auffassung des Ausschusses hinreichende Versuche. Maik S. hatte jedoch kein Interesse an einer Arbeitsintegration, denn zum einen nahm er die Möglichkeiten zu arbeiten jeweils nur für einen kurzen Zeitraum wahr, zum anderen brach er auch einen Realschulkurs ab, was seine fehlende Leistungsbereitschaft erkennen ließ.
Diese Umstände, meine Damen und Herren, machen deutlich, dass Maik S. nicht bereit war, sich in Arbeitsund Lernprozesse zu integrieren. Und klar wird auch, dass weitere Angebote ebenfalls an einer fehlenden Bereitschaft von Maik S. gescheitert wären. Zwar bestand nach dem Strafvollzugsgesetz für den Gefangenen die Pflicht, an ihn zugewiesene Arbeit auszuüben, aber es bestand indes für die zuständige JVA keine Möglichkeit, Maik S. zur Arbeitsaufnahme zu zwingen. Darüber hinaus ist klar geworden, dass ein Gefangener gegen seinen Willen nicht zu einer Schulausbildung oder einer Berufsausbildung verpflichtet werden kann. Was die Sozialtherapie angeht, hat der Ausschuss festgestellt, dass diese bei Maik S. angewandt wurde. Damit wurde auch der Empfehlung des Landgerichts Stralsund aus dem Jahr 1998 Folge geleistet.
Maik S. wurde am 1. April 2004 in die Therapiegruppe der JVA Bützow aufgenommen. Dort wandte man das Konzept der Sozialtherapie an. Zunächst wurde der deliktunspezifische Teil behandelt, am 11. Januar 2005 setzte Maik S. die Therapie in der sozialtherapeutischen Abteilung der JVA Waldeck mit dem deliktspezifischen Teil fort. Dies stellt nach Aussagen von Zeugen und Sachverständigen bereits einen Teil der Sozialtherapie dar.
Unter Punkt 1.1 Buchstabe b) wird dann die Frage gestellt: „Wann hätte der Beginn einer Sozialtherapie vor dem Hintergrund von § 57 Absatz 1 StGB, Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe zur Bewährung, spätestens erfolgen müssen?“ Die Beantwortung dieser Frage fällt relativ kurz aus, denn die Voraussetzungen der Strafaussetzung zur Bewährung waren bei Maik S. zu keinem Zeitpunkt gegeben. Aus diesem Grund war auch die Feststellung des Beginns einer Sozialtherapie nach Paragraf 57 Absatz 1 StGB hier nicht möglich.
Dann wird unter Punkt 1.1 Buchstabe c) gefragt: „Welche gerichtlichen Entscheidungen hat es während des Vollzugs gegeben? Sind diese Entscheidungen im weiteren Vollzug berücksichtig worden?“ Hierzu hat der Ausschuss festgestellt, dass alle gegen Maik S. ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, zu denen ich noch kommen werde, im weiteren Vollzug berücksichtig worden sind.
Unter Punkt 1.1 Buchstabe d) stellt sich für den Ausschuss die Frage, wie das Erreichen des Vollzugsziels nach Paragraf 2 Strafvollzugsgesetz sichergestellt werden sollte. Wie bereits ausgeführt, sind Maik S. Angebote zur Schulausbildung und zur Arbeit gemacht worden. Darüber hinaus hat die JVA Waldeck empfohlen, dessen begonnene sozialtherapeutische Behandlung nach der Haftentlassung ambulant in einer sozialtherapeutischen Abteilung in Waldeck fortzusetzen. Schließlich ist eine entsprechende Weisung aus dem Führungsaufsichtsbeschluss des Landgerichts Rostock vom 28. Juni 2005 zu nennen. Die genannten Maßnahmen sieht der Ausschuss als ausreichende Mittel an, um hier den gesetzlichen
Punkt 1.1 Buchstabe e) wirft weiterhin die Frage auf, ob Beginn und Ausgestaltung der Sozialtherapie als ausreichend angesehen wurde, das Vollzugsziel des Paragraf e n 2 Strafvollzugsgesetz zu erreichen. Der Ausschuss konnte zu dieser Fragestellung zwar keine eindeutigen Feststellungen treffen, er ist aber auf der Grundlage seiner Beweisaufnahmen zu der klaren Erkenntnis gelangt, dass Maik S. nicht therapierbar gewesen ist. Daraus folgt, dass auch ein Mehr an Therapie sich nicht positiv ausgewirkt hätte.
Unter Punkt 1.1 Buchstabe f) wird gefragt, welche Vorkehrungen angesichts der sich abzeichnenden Tatsache getroffen wurden, dass die deliktspezifische Therapie bis Ende der Haftzeit nicht abgeschlossen sein würde. Hier ist nochmals auf den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 28. Juni 2005 zu verweisen, der Maik S. im Rahmen der Führungsaufsicht auch dazu anwies, die Therapie in der JVA Waldeck fortzusetzen.
In Punkt 1.1 Buchstabe g) heißt es dann: „Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 wurde § 9 StVollzG neu gefasst.“ Es folgt die Frage, welche Maßnahmen die Landesregierung ergriffen hat, um die Voraussetzungen für die Errichtung einer sozialtherapeutischen Anstalt in Mecklenburg-Vorpommern zu schaffen, damit die gesetzlichen Vorgaben zur Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt umgesetzt werden konnten.
Meine Damen und Herren, damit wir wissen, worüber wir hier sprechen, der genaue Wortlaut von Paragraf 9 Absatz 1 Satz 1 Strafvollzugsgesetz lautet, ich zitiere: „Ein Gefangener ist in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn er wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 oder § 7 Abs. 4 angezeigt ist.“
Diese Regelung trat zum 01.01.2003 in Kraft. Seit dem 01.01.2003 musste also durch die Landesregierung sichergestellt sein, dass jeder Straftäter, der die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt, in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt wird. Dieser Verpflichtung ist die Landesregierung auch nachgekommen, denn Paragraf 9 besagt eben nicht, dass die sozialtherapeutische Behandlung eines Strafgefangenen seit Anfang 2003 in Mecklenburg-Vorpommern zu erfolgen hat. Vielmehr kann die Behandlung auch in einem anderen Bundesland vorgenommen werden. Entsprechend wurde beispielsweise auch ein Gefangener, bei dem Sozialtherapie angezeigt war, in eine Anstalt nach Lübeck in Schleswig-Holstein verlegt.
Die Tatsache, dass in Mecklenburg-Vorpommern erst ab dem 01.01.2005 eine eigene sozialtherapeutische Abteilung in der JVA Waldeck bestand, spricht nicht gegen die fristgerechte Umsetzung von Paragraf 9 Strafvollzugsgesetz, denn wichtig ist die Feststellung, meine Damen und Herren, dass dem Ausschuss kein Fall bekannt geworden ist, in dem die Sozialtherapie bei einem Gefangenen im Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 01.01.2005 angezeigt war, der diese Behandlung aber nicht bekommen hat. Versäumnisse bei der fristgerechten Umsetzung des Paragrafen 9 des Strafvollzugsgesetzes konnte der Ausschuss daher nicht feststellen.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf die Angezeigtheit zurückkommen. Die Sachverständigen und Zeugen haben klargestellt, dass eine sozialtherapeutische Behandlung dann angezeigt ist, wenn der Gefangene jedenfalls behandlungswillig und auch behandlungsfähig ist. Bereits die Frage der Behandlungswilligkeit von Maik S. blieb für den Ausschuss offen. Dessen Strafvollzug war zwar immer geprägt von Anträgen auf Behandlung, allerdings wurde in den Anhörungen auch immer wieder deutlich, dass Maik S. hier sehr manipulativ vorging. Die Zeugen und Sachverständigen waren sich aber darin einig, dass es sich bei Maik S. bereits zu Beginn der Haft um einen Täter mit einer verfestigten Persönlichkeitsstörung handelte. Die einhellige Auffassung ist, dass ein Täter mit einer solchen Diagnose nicht behandelbar, also nicht therapierbar ist.
Beim Punkt 1.2 geht es dann im Wesentlichen um die Frage, wieso vor dem Hintergrund des Fellert-Gutachtens vom März 2005, in dem festgestellt wurde, dass eine Gefährlichkeit von Maik S. fortbesteht, die Frage eben jener Gefährlichkeit nicht im Hinblick auf Paragraf 66 b StGB einer weiteren gutachterlichen Untersuchung unterzogen wurde.
Meine Damen und Herren, nur zum besseren Verständnis schicke ich voraus, die zuständige Staatsanwältin, die Zeugin Kampen, hat die rechtliche Frage, ob die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung von Maik S. möglich ist oder nicht, nach Überzeugung des Ausschusses im Juni 2005 geprüft. Insbesondere aus dem Fellert-Gutachten, das der Staatsanwältin zu diesem Zeitpunkt vorlag, war ersichtlich, dass Maik S. weiterhin als gefährlich anzusehen war. Diese Gefährlichkeit reicht aber für sich genommen nicht aus, um den Täter in Haft zu halten, sondern es müssen zunächst neue Tatsachen im Sinne von Paragraf 66 b StGB vorliegen. Liegen diese neuen Tatsachen nicht vor, scheidet die Sicherungsverwahrung des Täters bereits an dieser Stelle aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann man vernünftig finden oder nicht. Dies ist jedoch die geltende Rechtslage in unserem Land. Die Frage also, ob diese neuen Tatsachen vorliegen oder nicht, ist einzig und allein eine Rechtsfrage. Und die Prüfung dieser Rechtsfrage durch die Staatsanwältin auf der Grundlage des FellertGutachtens und der Entscheidung des OLG Rostock vom 18.01.2005 hat ergeben, dass solche neuen Tatsachen bei Maik S. hier nicht gegeben waren. Der Ausschuss hält die Entscheidung der Zeugin Kampen für richtig. Dies hat die überwiegende Zahl der angehörten Sachverständigen und Zeugen bestätigt.
Die Anhörung der juristischen Sachverständigen und die Vernehmung der Zeugen hat auch ergeben, dass das Prüfungsergebnis zur Frage, liegen neue Tatsachen vor, ja oder nein, selbst bei Einholung eines weiteren Gutachtens nicht anders gewesen wäre. Ob hier die Staatsanwältin überhaupt rechtlich befugt gewesen wäre, ein weiteres Gutachten neben dem Fellert-Gutachten einzuholen, ist unter den angehörten Rechtsexperten streitig geblieben. Sie sehen, meine Damen und Herren, die Bewertung von Rechtsfragen bringt es des Öfteren mit sich, dass unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Der Ausschuss ist jedenfalls hier zu dem Ergebnis gekommen, dass der Staatsanwältin wegen der Nichteinholung weiterer gutachterlicher Informationen kein Vorwurf zu machen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ausschuss hat sich dann – zusammengefasst unter Punkt 1.3 – mit der Frage beschäftigt, wie der Erlass des Justizministeriums vom 25.08.2004 hinsichtlich der Handhabung der neuen gesetzlichen Vorschriften über die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vor der Haftentlassung von Maik S. im Einzelnen umgesetzt worden ist. Zum Hintergrund: Am 29.07.2004 ist das Bundesgesetz über die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Kraft getreten. Das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern hatte in Anbetracht dieses neuen Gesetzes gemeinsam mit anderen Bundesländern einen Erlass zur Umsetzung des neuen Gesetzes in unserem Land erarbeitet. Der Erlass des Justizministeriums datiert vom 25.08.2004. Eine Korrektur erfolgte durch weiteren Erlass vom 20.12.2004. Der Ausschuss kommt hier im Rahmen seiner Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Arbeit mit dem Erlass den Vollzugsanstalten anfänglich Schwierigkeiten bereitete.
Worum ging es konkret? Die Justizvollzugsanstalten hatten die Aufgabe, den Staatsanwaltschaften insbesondere bei den laufenden Vollstreckungsverfahren zuzuarbeiten. Noch einmal: Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung erfolgt auf der Grundlage von Paragraf 66 b StGB und nach dem besagten Erlass war den Vollzugsanstalten beim Prüfungsverfahren zum Paragrafen 66 b eine wichtige Funktion zugedacht. Sie sollten insbesondere bei den laufenden Vollstreckungsverfahren das Vorliegen der formellen Voraussetzungen des Paragrafen 66 b anhand einer Checkliste prüfen und den zuständigen Staatsanwaltschaften mitteilen, ob während des Vollzugs Tatsachen erkennbar geworden sind, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Gefangenen hindeuten.
An dieser Stelle zeigte sich gerade am Fall Maik S., dass der Begriff der formellen Voraussetzung des Paragrafen 66 b StGB den zuständigen Psychologen, den Zeugen Schwark, hier vor Schwierigkeiten stellte, denn offensichtlich füllte er, als er den Vorgang Maik S. am 28.01.2005 prüfte, die besagte Checkliste zwar richtig aus, verneinte dann aber in seinem schriftlich niedergelegten Vermerk das Vorliegen eben jener formellen Voraussetzung, wobei, meine Damen und Herren, an dieser Stelle noch einmal die Feststellung wichtig ist, dass selbst unter Juristen die Definition der formellen Voraussetzung bei Paragraf 66 b StGB nicht zweifelsfrei geklärt ist. Dies ergibt sich anschaulich aus den Ausführungen des Generalstaatsanwalts Wolf aus Niedersachsen.
Meine Damen und Herren, der Ausschuss konnte im Rahmen seiner Untersuchungen Kommunikationsprobleme zwischen Vollzugsanstalten und Staatsanwaltschaften feststellen. So hat die Staatsanwaltschaft Schwerin von zwei Fällen berichtet, in denen die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in Betracht kam und infolgedessen eigentlich eine Meldung der Vollzugsbehörden hätte erfolgen müssen, jedoch nicht erfolgte.
Für den Ausschuss ist schließlich auch klar, dass es wünschenswert gewesen wäre, wenn die Verantwortlichen in den Vollzugsanstalten intensiver über die neue Gesetzesmaterie unterrichtet worden wären. So hat beispielsweise der bereits genannte Zeuge Schwark angegeben, dass er sich den Umgang mit dem Erlass und der besagten Checkliste selbst erarbeiten musste. Auch wenn
er sich nach eigenem Bekunden trotzdem als kompetent zum Ausfüllen der Checkliste gefühlt hat, hätte eine spezifische Einweisung der Verantwortlichen in den Vollzugsbehörden diesen sicherlich eine größere Sicherheit im Umgang mit den neuen Vorschriften gegeben.
Meine Damen und Herren, wichtig ist dem Ausschuss aber hier der Hinweis darauf, dass der Zeuge Schwark, als er den Vorgang Maik S. im Januar 2005 gemäß dem Erlass geprüft hat, zu einem richtigen Ergebnis gekommen ist, denn die Entscheidung, dass bei Maik S. vor Ende des Vollzugs keine neuen Tatsachen im Sinne von Paragraf 66 b StGB erkennbar geworden sind, welche auf dessen erhebliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit hindeuten, war, wie bereits oben dargelegt, richtig. Insofern hält es der Ausschuss für nachvollziehbar, dass der Zeuge Schwark keine Mitteilung an die zuständige Staatsanwaltschaft in Stralsund gemacht hat.
Was die Prüfung der nachträglichen Sicherungsverwahrung durch die Staatsanwältin Kampen im Juli 2005 angeht, so vermag der Ausschuss keine Beurteilung der Intensität und der Gründlichkeit der Prüfung zu treffen. Er geht aber davon aus, dass die Staatsanwältin die hier vorgelegten Akten, darunter insbesondere das 130 Seiten umfassende Fellert-Gutachten, hinreichend studiert hat. Die Staatsanwältin hat bei ihrer Prüfung des Paragrafen 66 b keine Veranlassung gesehen, neben den ihr vorliegenden Unterlagen die Gefangenenpersonalakte von Maik S. bei der JVA Waldeck anzufordern, denn sie ging davon aus, dass diese Unterlagen eine ausreichende Informationsbasis für die vorzunehmende Rechtsprüfung darstellen. Der Ausschuss hält dies für nicht pflichtwidrig, weil die wesentlichen und für die Rechtsprüfung notwendigen Informationen aus der Gefangenenpersonalakte bereits im besagten Fellert-Gutachten auf 130 Seiten zusammengefasst enthalten waren.
Zwar ist für den Ausschuss aufgrund der Sachverständigenanhörungen klar, dass die Gefangenenpersonalakte eine wichtige Beurteilungsgrundlage für die Entscheidung über die nachträgliche Sicherungsverwahrung sein kann – dies im Hinblick auf die Frage nach dem Vorliegen erheblicher neuer Tatsachen –, die Herbeiziehung der Akte scheint dem Ausschuss jedoch nur dann geboten, wenn der zuständigen Staatsanwaltschaft hier die notwendigen Informationen sonst nicht zur Verfügung stehen.
Der Ausschuss sieht es auch nicht als Fehlverhalten der Staatsanwältin Kampen an, dass sie ihr negatives Prüfungsergebnis bezüglich des Paragrafen 66 b StGB zunächst nicht schriftlich niedergelegt hat, denn hierfür hat es weder eine Dienstanweisung gegeben noch ist d i e Anfertigung von Vermerken über Negativprüfungen üblich. Der Ausschuss hält es jedoch für sinnvoll, die Prüfung des Paragrafen 66 b StGB zukünftig durch den bearbeitenden Staatsanwalt schriftlich zu dokumentieren. Insofern begrüßt er eine Ankündigung des Justizministers Sellering, in seiner Vernehmung vor dem Ausschuss ein solches Verfahren einzuführen.
Meine Damen und Herren, für den Ausschuss steht fest, dass nach der seinerzeit geltenden Rechtslage und unter Berücksichtigung der obergerichtlichen Rechtsprechung für die Staatsanwaltschaft Stralsund keine rechtliche Möglichkeit bestanden hat, einen Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung von Maik S. bei Gericht zu stellen. Gleiches würde im Übrigen auch bei Würdigung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung gelten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu Punkt 1.4 kommen. Hier lautete die Fragestellung: „Zur vollzuglichen Entwicklung des Maik S. ist festzustellen, dass sein Verhalten von einer Vielzahl von Auffälligkeiten geprägt war. Er wurde mehrfach disziplinarisch zur Verantwortung gezogen. Was folgt daraus für das Tatbestandsmerkmal ,neue Tatsachen‘ vor dem Hintergrund des Beschlusses des BGH vom 08.12.2005 …?“
Zunächst einmal ist anzumerken, dass der Fall Maik S. nach Überzeugung des Ausschusses nicht mit dem Fall vergleichbar ist, der der oben genannten BGH-Entscheidung zugrunde lag. Die hierzu angehörten Sachverständigen und Zeugen waren sich in dieser Bewertung einig. Eine detaillierte Begründung lässt sich dem Bericht auf Seite 136 entnehmen. Des Weiteren will ich auf die von Maik S. während seines Strafvollzugs begangenen Disziplinarverstöße eingehen:
Maik S. war während seiner siebenjährigen Haft beispielsweise mehrfach unerlaubt im Besitz von Handys und Tätowiermaschinen.
Außerdem entfernte er unerlaubt ein Anstaltssiegel und beging eine geringfügige Sachbeschädigung. Alle Sachverständigen – mit einer Ausnahme, auf die ich gleich noch kommen werde – waren sich darin einig, dass dies keine erheblichen neuen Tatsachen im Sinne von Parag r a f 66 StGB sind. An dieser Stelle sei nur der Sachverständige Professor Dr. Renzikowski genannt, der hier von der im Strafvollzug „üblichen Subkultur“ sprach.
Im Gegensatz dazu war die Anlasstat, die Maik S. im Jahr 1997 beging, ein räuberischer Angriff auf einen Kraftfahrer in Tateinheit mit einer Vergewaltigung, einer Geiselnahme, einem Raub, einer gefährlichen Körperverletzung. Mithin handelte es sich um Verstöße gegen hochrangige Rechtsgüter und vor diesem Hintergrund lag offensichtlich der nach der Rechtsprechung des BGH erforderliche so genannte prognoserelevante symptomatische Zusammenhang der Auffälligkeiten im Vollzug mit der Anlasstat nicht vor.
Erwähnenswert an dieser Stelle ist sicherlich die Meinung der Sachverständigen Frau Dr. Rissing-van Saan. Auch die BGH-Richterin bewertete die Disziplinarverstöße zwar als Banalitäten, sie vertrat jedoch die Auffassung, dass eine Gesamtschau dieser Auffälligkeiten, welche die Persönlichkeit von Maik S. widerspiegelten, das Tatbestandsmerkmal der erheblichen neuen Tatsachen erfüllen würde. Auf Nachfrage betonte sie aber, dass es sich dabei um ihre persönliche Auffassung handele, die allerdings nicht von der Rechtsprechung des BGH gedeckt sei.
Der Ansicht von Frau Dr. Rissing-van Saan widersprach der Sachverständige Dr. Dally, Richter am Oberlandesgericht in Rostock, der die Vornahme einer solchen Gesamtschau der Disziplinarverstöße an dieser Stelle der rechtlichen Prüfung des Paragrafen 66 b StGB nicht für zulässig hielt.
Der Vollständigkeit halber ist nachzutragen, dass Maik S. vom Tatvorwurf der Vergewaltigung eines Mitgefangenen im Jahr 1999, da war er schon in Haft, vom AG Güstrow freigesprochen wurde, wobei dieses Urteil auch rechtskräftig geworden ist. Dieser Vorfall war aus Sicht aller
Bei Punkt 1.5 steht die Frage im Mittelpunkt, wie sich die Führungsaufsicht für Maik S. gestaltete. Ich verweise hier hinsichtlich der Einzelheiten auf die Seiten 141 und folgende des Sachstandsberichts.
Zusammengefasst lässt sich Folgendes sagen: Maik S. wurde am 08.07.2005 aus der Haft in der JVA Waldeck entlassen. Zuvor war durch das Landgericht Rostock am 28.06.2005, ich hatte bereits darauf hingewiesen, Führungsaufsicht gegen ihn angeordnet worden. Am 14.07.2005 sollte Maik S. erstmalig seit seiner Haftentlassung an der Sozialtherapie in der JVA Waldeck teilnehmen. Am selben Tag sollte auch das erste Gespräch mit seiner Bewährungshelferin, der Zeugin Zeuge, stattfinden. Nachdem diese auf Einhaltung des Termins bestanden hatte, Maik S. hatte sich am Morgen des 14.07.2005 telefonisch gemeldet und das Treffen wegen eines angeblichen Arzttermins absagen wollen, erschien er dann doch bei der Bewährungshelferin. Den Termin zur Sozialtherapie am selben Tag hatte er jedoch nicht wahrgenommen.
Gegenüber der Bewährungshelferin gab er wahrheitswidrig an, an der Außenpforte der JVA Waldeck erschienen, dort jedoch abgewiesen worden zu sein, weil er keinen gültigen Personalausweis besessen habe. Frau Zeuge erschien diese Erklärung nicht abwegig, da ihr von einem Kollegen schon einmal ein ähnlicher Fall geschildert worden war. In der JVA dagegen galt Maik S. aufgrund der Mitteilung eines Mitgefangenen als entschuldigt. Im Ergebnis gab es hier keine Rücksprache zwischen der Bewährungshelferin und der JVA hinsichtlich des nicht eingehaltenen Termins durch Maik S. Am Tag darauf, am 15.07.2005, ereignete sich dann das schreckliche Verbrechen an Carolin.
Meine Damen und Herren, der Ausschuss ist zu der Überzeugung gelangt, dass dieses Verbrechen mit dem geltenden rechtlichen Instrumentarium der Führungsaufsicht nicht zu verhindern gewesen wäre, denn selbst wenn die JVA die Bewährungshelferin über das Nichterscheinen von Maik S. zur Therapie informiert hätte, wären keine Eingriffsmöglichkeiten vorhanden gewesen, die es hier der Justiz ermöglicht hätten, Maik S. vor der Tat am 15.07.2005 festzuhalten. Insbesondere hätte die Bewährungshelferin hier nicht auf die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Maik S. hinwirken können, denn die Nichtteilnahme an der Therapie war im vorliegenden Fall nicht strafbar, weil es sich nicht um eine strafbewährte Weisung des Gerichts gehandelt hat.